INSTITUTUM BALTICUM

HAUS DER BEGEGNUNG E.V.

 

 

Chronik der

Litauischen Katholischen 

Kirche - Nr. 1

 

 

ACTA BALTICA

 

CHRONIK DER LITAUISCHEN KATHOLISCHEN KIRCHE Nr. 1

 

In dieser Nummer:

1.   Prozeß im Jahre 1971 gegen Priester Juozas Zdebskis, Vikar von Prienai, wegen Katechismusunterrichts für Kinder.

2.   Prozeß im Jahre 1971 gegen Priester Prosperas Bubnys, Pfarrer von Girkalnis,wegen Katechismusunterrichts für Kinder.

3.   Verfolgung des Pfarrers von Valkininkai, Algimantas Keina, im Jahre 1970 - 1971wegen Katechismusunter­richts für Kinder.

4.   Verfolgung des Priesters Antanas Šeškevičius aus Molėtai im Jahre 1970 - 1971nach Verbüßung der Strafe.

5.   Bestrafung des Pfarrers von Margininkai, Petras Orlickas, weil er mit den Kindern Volleyball ge­spielt hat.

6.   Eingabe von 134 Gläubigen aus Panevėžys an Moskau wegen Bischof J. Steponavičius.

7.   Erklärung der Priester des Erzbistums Vilnius an die Regierung in Moskau wegen der von der Regierung ver­kündeten Freiheiten und wegen deren Nicht-Einhaltung.

8.   Prozeß gegen Kleopą Bičiučaitė aus Akmenė wegen Vor­bereitung von Kindern zur Ersten Kommunion.

9.   Bestrafung des Priesters von Akmenė, P. Lygnugaris, wegen Krankenbesuchs.

 

PROZESS GEGEN PRIESTER JUOZAS ZDEBSKIS

Jeden Sommer bereiten Tausende von litauischen Müttern ihre Kinder auf die erste Beichte und hl. Kommunion vor. Das ist keine leichte, sondern eine sehr verantwortungs­volle Aufgabe, die den Eltern und Priestern viel Auf­opferung abverlangt. Die sowjetischen Gesetze verbieten den Priestern, die Kinder zu unterrichten, damit die Atheisten ihre Ideen leichter verbreiten können. Ein Teil der Priester will, nachdem er den Terror der stalinisti­schen Zeit durchgemacht hat, keine Konflikte mit der Regierung und begnügt sich lediglich mit dem Abfragen der Kinder. Der andere Teil der Priester zeigt Mut und ist bereit, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen -diese Priester riskieren ihre Freiheit und unterrichten die Kinder in den Grundwahrheiten des Glaubens.

In der großen Pfarrei Prienai bereiten sich jährlich an die dreihundert Kinder zur Ersten Kommunion vor. So war es auch im Jahre 1971. Am 16. Juli versammelten sich Kinder mit ihren Müttern zum Katechismusunterricht. Während Hochwürden Zdebskis Unterricht erteilte und die Kinder abfragte, drang eine Gruppe von Funktionären in die Kirche ein. Die Funktionäre photographierten die Kinder, fragten sie nach den Familiennamen und legten eine Akte an. In der Kirche kam es zum Tumult. Über das selbstherrliche Vorgehen der Sowjetfunktionäre empört, wandten sich die Eltern aus Prienai an die Kontroll­kommission des ZK der UdSSR wie folgt:

"Am 16. Juli dieses Jahres haben wir Unterzeichner dieses Schreibens unsere Kinder zur Kirche gebracht, damit der Priester ihre Kenntnisse überprüfe - ob sie zur Ersten Kommunion zugelassen werden könnten.

Plötzlich ist eine Gruppe von Männern und Frauen in die Kirche eingedrungen   Das waren der Vorsitzende des Exe­kutivkomitees, der Sekretär des Komsomol, Lehrer, Miliz­beamte u.a. Die ungebetenen Gäste sind sofort als Herren aufgetreten: sie haben die Kinder photographiert und nach ihren Familiennamen gefragt. Ein Mädchen ist vor Schreck in Ohnmacht gefallen. Die Mütter konnten nicht umhin, ihre Kinder zu verteidigen. In der Kirche gab es ein trau-

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riges Bild. Auf die Bitte, nicht zu stören, haben die ungebetenen Gästegeantwortet: 'Nicht wir machen Palaver sondern die Frauen.'

Ein solches Benehmen von Regierungsvertretern läßt kei­nen Respekt vor densowjetischen Gesetzen erkennen. Wir bitten darum, die Verfolgung der Gläubigeneinzustellen."

Diese Erklärung wurde von 89 Eltern unterschrieben und nach Moskau geschickt.Leider gab Moskau den Katholiken von Prienai keine Antwort.

Die Staatsanwaltschaft verhörte daraufhin Kinder, Eltern und den Vikar J.Zdebskis. Der Untersuchungsrichter A. Pakštys durchsuchte die Wohnung vonPriester J. Zdebskis.

Am 26. August bat der Untersuchungsrichter den Vikar J. Zdebskis telefonisch,"kurz" in seinem Büro vorbeizu­kommen. Hier wurde der Priester sofortverhaftet.

Als die Gläubigen von der Verhaftung des Priesters er­fahren hatten, gingen siezur Staatsanwaltschaft und forderten seine Freilassung. Sie sagten: "Wenn ihrden Priester verhaftet habt, dann müßt ihr zuvor uns ver­haften, denn wir habenunsere Kinder zum Priester ge­bracht. Seine Pflicht war es, die Kinder zuunterrich­ten und zu examinieren." Von der Staatsanwaltschaft be­gaben sich dieGläubigen zum Parteisekretär, der sich jedoch weigerte, sie zu empfangen. EineWelle der Empö­rung ging durch die ganze Pfarrgemeinde Prienai und weit darüberhinaus.

Am folgenden Sonntag konnte man eine große Menschenmenge beobachten, diewartete, bis sie Gelegenheit hatte, die an die sowjetischen Behördengerichtete Beschwerde zu unterschreiben:

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An den General Staatsanwalt der UdSSR

An die Parteikontrollkommission des ZK der UdSSR

An den Republik-Staatsanwalt der litauischen SSR

 

Erklärung

der Gläubigen der Pfarrgemeinde Prienai

 

Am 26. August d.J. wurde der Priester unserer Pfarrge­meinde, J. Zdebskis, verhaftet.

Als Priester hat er seine Pflichten gewissenhaft erfüllt. Er hat niemandem ein Unrecht zugefügt. Wir sind über­zeugt, daß die Verhaftung unseres Priesters auf einem Mißverständnis beruht; deshalb bitten wir um Überprüfung der Verhaftungsgründe und um den Befehl, ihn freizu­lassen.

Priester J. Zdebskis wird beschuldigt, die Kinder zur Erstbeichte vorbereitet zu haben. Wenn er sich durch Erfüllung von direkten priesterlicheh Pflichten ver­gangen hat, warum garantiert dann das Grundgesetz der UdSSR die Gewissens- und Kultusfreiheit? Wir meinen, daß durch diese Verhaftung die Gesetze des Sowjetstaates grob verletzt sind.

Wir Eltern haben keine Möglichkeit, unsere Kinder auf die erste Beichte vorzubereiten. Wir haben keine Zeit, denn wir arbeiten in den Betrieben und in den Kolchos­wirtschaften. Zum zweiten haben wir keine Katechismen und keine religiösen Bücher. In der Nachkriegszeit haben die zuständigen Beamten nicht einmal die Herausgabe eines einzigen Katechismus erlaubt.

Was können die Eltern in Anbetracht dieser beweinenswer-ten Lage der Gläubigen Litauens machen? Wir bringen unsere Kinder zum Priester und verlangen: Helft uns, unsere Kinder vorzubereiten, damit sie wenigstens ein Minimum an Glaubenskenntnissen mitbekommen. Der Priester darf kein unvorbereitetes Kind zur Erstbeichte zulassen.

Die sowjetische Regierung fordert, daß der Priester die Kinder nicht unterrichtet sondern nur examiniert, und auch das nur einzeln. Aber kann ein Priester innerhalb

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von zwei Monaten an die dreihundert bis vierhundert Kinder examinieren, diefast ohne jegliches Wissen über Glauben und Beichte zu ihm kommen? Undaußerdem haben unsere Priester viele andere Arbeiten, denn die Pfarr­gemeindeist groß, sie umfaßt etwa 8.000 Katholiken.

Unser Priester wurde verhaftet, weil er unsere Bitten und Forderungenerfüllte, und darüber sind wir sehr erstaunt, aufgeregt und empört. Wozu dieseStörung des gewohnten Arbeitsrhythmus, die Aufreizung der Gläubigen und einekünstliche Unruhestiftung unter der Bevölke­rung des Rayon?

Wir sind der Meinung, daß unsere Empörung und dieser Protest begründet sind,daß darauf reagiert werden muß und in Zukunft ähnliche Vorkommnisse sich nicht wiederholen dürfen.

29. August 1971"

 

 

Die Erklärung wurde von etwa 350 Gemeindemitgliedern unterschrieben. DieEinwohner von Prienai überreichten die Erklärung der Staatsanwaltschaft derUdSSR persön­lich. Es wurde versprochen, die Angelegenheit zu unter­suchen .

Die Gläubigen wandten sich auch an den Staatsanwalt der Republik und an denBevollmächtigten des Rates für reli­giöse Angelegenheiten, Rugienis. Er sagteböse: "Ich kenne den Priester Zdebskis." Die Pfarrangehörigen er­widerten: "Wirkennen ihn nicht weniger gut."

Am 30. August wurde Vikar Zdebskis nach Vilnius abge­führt. Schon am frühenMorgen war eine Menschenmenge vor dem Sitz der Milizbehörde versammelt undwartete, wann der Priester abgeführt würde. Die Sicherheitsbeamten fotografierten die Anwesenden und wollten sie ausein­andertreiben. "Was stehtihr herum? Wollt ihr ein Wunder sehen?" - "Mehr als ein Wunder", antwortetendie Leute. Als um 16 Uhr Vikar Zdebskis zum Waren gebracht und ab­geführtwurde, weinten die Menschen.

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Am 3. September wurde in der Wohnung von Hochw. Zdebskis zum zweiten Mal eine gründliche Durchsuchung vorgenom­men. Es wurden Gerüchte ausgestreut, Vikar Zdebskis sei nicht wegen der Unterrichtung von Kindern verhaftet wor­den, sondern weil man bei ihm einen Rundfunksender ge­funden habe u.s.w. Mit diesen Äußerungen der Vertreter der Regierung wollte man offenbar den verhafteten Prie­ster kompromittieren, damit das gläubige Volk ja nicht wagen sollte, ihn zu verteidigen.

In der zweiten Septemberhälfte sandten die Gläubigen von Prienai eine zweite Erklärung nach Moskau, die auf der ganzen Welt ein breites Echo fand:

An das Zentralkomitee der KPdSU An das Oberste Präsidium der UdSSR An den Ministerrat der UdSSR

ERKLÄRUNG DER GLÄUBIGEN DER PFARRGEMEINDE PRIENAI

Zeitungen und Rundfunk behaupten immer wieder, in der litauischen SSR herrsche Religionsfreiheit, aber in Wirklichkeit ist es anders.

Es wird uns nicht erlaubt, religiöse Bücher herauszuge­ben - wir haben solche niemals gesehen. Wir haben nicht einmal einen kleinen Katechismus. Die letzte Auflage datiert von 1940.

Oft können wir auch der heiligen Messe nicht teilnehmen, denn man zwingt uns, sonntags zu arbeiten, obwohl das durch Kirchengesetze verboten ist.

Uns fehlen die Priester. Jährlich sterben etwa zwanzig Priester, aber in das Priesterseminar dürfen höchstens zehn eintreten. Und außerdem sind uns die Schwierigkei­ten bekannt, die den Kandidaten bei ihrem Eintritt von Regierungsfunktionären gemacht werden.

Unsere Priester werden verhaftet wegen Vorbereitung von Kindern auf die Erstbeichte. Am 26. August wurde unser Seelsorger J. Zdebskis wegen Katechismusunterricht ver­haftet, und jetzt erwartet man seinen Prozeß.

Alles das kompromittiert in unseren Augen die sowjeti­sche Verfassung und die Gesetze.

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Deshalb bitten wir die Regierung der Sowjetunion: gebt uns eine wirklicheReligionsfreiheit; gebt Freiheit für unsere Priester, damit sie ohneHindernisse und ohne Furcht ihre Pflichten erfüllen können; ordnet die Haft-entlassung unseres Seelsorgers J. Zdebskis an.

Prienai, den 12. September 1971

 

Diese Erklärung wurde von 2010 Gläubigen unterzeichnet. Das war ein mutigerProtest gegen die Glaubensverfol­gung. Die Regierung hat nicht vorausgesehen,daß das gläubige Volk nur ein auf Zeit erloschener Vulkan ist. Weitere Folgenkönnen wir nicht voraussehen. Aber eines steht fest, daß die   gläubigenLitauer für ihre Rechte kämpfen werden.

Wie lebhaft die Bevölkerung auf die Verhaftung von Vikar Zdebskis reagierthat, läßt sich aus einigen Tatsachen erkennen. Anläßlich desPatroziniumsfestes Maria Geburt in Šiluva bestellten an die zweihundertMenschen für Hochwürden Zdebskis eine heilige Messe.

Die Gemeinde Santaika, die ihren Pfarrer verloren hat, wandte sich an denGeneralsekretär der KPdSU mit der Bitte um Freilassung von Vikar Zdebskis,denn der Bischof habe niemanden, den er zum Pfarrer von Santaika ernennenkönne.

"Wir unten unterzeichneten Katholiken wenden uns an das ZK mit der Bitte,seine Aufmerksamkeit auf die schwere Lage der Gläubigen in Litauen zu lenken.Die Regierungs­beamten erlauben nicht allen, die den Wunsch haben, ins Priesterseminar einzutreten, Geistliche zu werden, und deshalb geht die Zahlder Priester stark zurück. Der Bischof hat schon jetzt nicht mehr genügendPriester, um alle Pfarreien versorgen zu können. Wir haben gehört, daß indiesem Jahr die Gemeinde Lankeliškiai ihren Pfarrer verloren hat, und indiesem Monat sind auch wir ohne unseren ständigen Pfarrer verblieben. Deraushilfs­weise zugewiesene Priester kann unsere geistigen Belange nichtangemessen versorgen. Das tut uns sehr weh und er­weckt Mißtrauen gegen die vonder Regierung eingenommene Linie. 

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Noch war der Priester Šeškevičius, der wegen Erfüllung seiner priesterlichen Pflichten verurteilt worden war, nicht aus dem Lager Alytus entlassen, da ist schon wie­der in Prienai der Priester Zdebskis verhaftet, der, wie wir gehört haben, die von den Eltern mitgebrachten Kin­der auf die Erstbeichte vorbereitet hat. Wenn das schon ein Verbrechen ist, wie können wir da noch an die Ge­wissens- und Glaubensfreiheit glauben?

Wir Katholiken haben keine Gebetbücher und beten aus zerlesenen Exemplaren. Vor einigen Jahren haben wir einige von der Regierung herausgegebene Gebetbücher be­kommen. Die geringe Anzahl im Vergleich zum Bedarf wirkte wie eine Verhöhnung. Jeder Katholik muß doch ein gutes Gebetbuch erwerben können. Wir haben nicht einmal die Heilige Schrift, um darin lesen zu können.

Wir bedauern es sehr, daß die Rechte der Katholiken grob verletzt werden, und bitten das ZK um Anordnung, daß die Regierungsbeamten sich nicht in die Angelegenheiten des Priesterseminars einmischen, daß sie unseren geistlichen Vorgesetzten Erlaubnis geben, jährlich genügend Gebetbücher, Evangelien und andere religiöse Bücher herauszugeben, und daß sie Priester Zdebskis aus der Haft entlassen. Dann wird der Bischof für uns diesen oder jenen Priester zum Pfarrer ernennen können.

Santaika, den 26. September 1971"

Die Erklärung wurde von 1190 Katholiken aus Santaika unterschrieben.

Es vergingen Wochen und Monate, aber der Prozeßtag von Vikar Zdebskis wurde verschoben und bewußt geheimgehal­ten. Am Vorabend des 11. November 1971 ging in Blitzes­eile die Nachricht durch die Pfarrgemeinde Prienai: "Morgen wird in Kaunas unser hochwürdiger Vikar Juozas Zdebskis abgeurteilt. Der morgige Tag wird das wahre Ge­sicht der Sowjetregierung gegenüber den Gläubigen zei­gen."

Schon am frühen Morgen hatte eine Menschenmenge das Treppengebäude bis zum vierten Stockwerk und den Hof gefüllt. In vieler Menschen Hände waren Blumen zu sehen.

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Alle warteten darauf, daß Vikar Zdebskis herbeigeführt werde. Die Milizbeamten rannten hin und her. Als die Gerichtsstunde näher kam, fingen sie an, "Ordnung zu schaffen" - mit Gewalt die Menschen nach draußen abzu­drängen. Eine Frau wurde dabei sogar blutig verletzt. Die Katholiken wurden aus dem Gerichtssaal verwiesen und an deren Stelle eine große Schar von Sicherheitsdienst­lern eingelassen. Außer diesen waren im Gerichtssaal die Zeugen - Kinder, ihre Eltern und die aus Prienai herbei­geholten Angestellten verschiedener Dienststellen -anwesend. Es mußte ein Theaterstück gespielt werden -ein öffentlicher Prozeß fand statt        zu dem die Sicherheitsbeamten nur Atheisten zugelassen hatten. Für diesen Prozeß wollte die Regierung gewiß keine Propagan­da machen.

Verhaftungen von Gläubigen hatten im Treppengebäude be­gonnen. Ein Jugendlicher wurde deshalb verhaftet, weil er den Milizbeamten gegenüber die Bemerkung machte, warum sie nur Atheisten hereinließen, aber keine Gläu­bigen. Der Jugendliche wurde mit 15 Tagen Arrest be­straft. Im Treppengebäude wurde der die Mutter von Vikar Zdebskis begleitende Priester festgenommen und zum Ver­hör ins Sicherheitsgebäude abgeführt.

Die Menschenmenge vor dem Gerichtsgebäude wuchs ständig. Die Milizbeamten hatten begonnen, die Anwesenden fest­zunehmen, in deren Händen Blumen zu sehen waren, und sie mit Gewalt in Autos zu drängen. Es entstand ein großes Durcheinander und Geschrei. Den Milizbeamten wurde der Befehl gegeben, die Menschenmenge zu zerstreuen, die etwa 500 bis 600 Personen umfaßte. Nachdem die Menge mit Gewalt auseinandergetrieben war, begann man mit der Ver­haftung von Einzelpersonen. Ein vorübergehender Priester wurde festgenommen und beschuldigt, er hätte die Demon­stration organisiert. Den ganzen Tag über hielten Miliz­beamte in der Ožeškienė-Straße Wache und verhinderten jede Ansammlung von Menschen: "Was steht ihr wie Schweine hier herum!" Sogar auf diese Weise verstanden die Milizbeamten die Menschen zu "begrüßen". Selbst aus den naheliegenden Läden wurden die Menschen herausge­trieben. "Verjagt die Betschwestern!" schrie der in einen Laden hereinstürmende Milizbeamte. Ein Großteil der Verhafteten wurde am Abend wieder freigelassen.

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Einer wurde ins psychiatrische Krankenhaus gebracht und später mit 15 Tagen Arrest bestraft.

An diesem Tag demonstrierten die Menschen eindrucksvoll ihre Solidarität mit dem angeklagten Priester, eine Menge von Sicherheitsdienst- und Milizbeamten aber zeigte, wie die Sowjetregierung mit den Rechten der Gläubigen umgeht.

Um das Volk der Juden in Schrecken zu halten, ließ der König von Syrien, Antiochus, jeden Monat diejenigen um­bringen, die er der Gesetzesuntreue verdächtigte. Aber viele wählten lieber den Tod, als ihrem Glauben untreu zu werden (vgl. 1. Mak. 1).

Der Prozeß von Vikar Zdebskis hatte das gleiche Ziel -im Volk eine Atmosphäre von Furcht zu erhalten, damit niemand wagen sollte, mehr Freiheit zu verlangen.

Verfolgung erweckt Furcht. Aber das Leiden um seines Glaubens willen und das dabei im Namen Gottes gebrachte Opfer wecken die Menschen zum Nachdenken und zum Kampf um die größten menschlichen Werte.

Das Volksgericht des Rayon Kaunas setzte sich aus dem Vorsitzenden Volksrichter V. Gumuliauskas und den Volksräten Palaišienė" und Vasiliauskas zusammen. Sekre­tärin war Frau Černiauskaitė. An der Gerichtsverhand­lung nahmen teil: der Staatsanwalt A. Miliukas, der "Üffentlichkeits"-Kläger S. Ratinskas und der Verteidi­ger A. Riauba.

Der Lehrer verlas das Protokoll der Lehrerversammlung der Mittelschule von Prienai,die für die Wahl des "Öffentlichkeits"-Klägers anberaumt war. Nachdem er die biographischen Daten des Priesters Zdebskis (geboren 1929 im Rayon Kapsukas,Ortschaft Naujiena) und seine Anklage verlesen hatte, begann der Richter,den Angeklag­ten selbst zu befragen. Wir bringen einige Auszüge:

-   Gerichtlich vorbestraft?

-   Vorbestraft.

-   Wofür?

-   Für das gleiche. Später hat der Oberste Gerichtshof den Strafvermerk getilgt.

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-   Wurde Ihnen jemals das Recht genommen, die priester­lichen Pflichten zu erfüllen?

-   Ja.

-   Wofür?

-   Das könnte ich dem Hohen Gericht nicht sagen, denn meinem Bewußtsein ist bis heute nicht klar, wofür mir das Recht aberkannt wurde.

-   Was können Sie zu Ihrer Anklage vorbringen?

-   Ich muß erklären, daß ich nicht einverstanden bin mit der Anklage, ich hätte den Unterricht für Kinder or­ganisiert - es wäre schon allein aus Zeitgründen un­möglich, durch die Häuser zu gehen oder durch die Ortschaften zu fahren. Die Überprüfung der Kenntnisse der Kinder zur Vorbereitung auf die Erste Beichte er­folgt das ganze Jahr hindurch, und wer will, der kann kommen. Nur im Sommer, in der Ferienzeit, wenn die Kinder keine Schule haben, ist es für sie am gün­stigsten,   und deshalb ist die Zahl der Kinder in dieser Zeit von selbst größer geworden.

-   Wieviel Kinder waren es in einer Gruppe?

-   Manchmal eines und manches Mal mehr ...

-   Konnten es bis hundert sein?

-   Ja, antwortete er freudestrahlend, manchmal konnten es schon bis hundert sein. Zu meiner Freude gibt es recht viele verantwortungsbewußte Eltern, die ihre Kinder sehr gut vorbereiten: Nach der Befragung kann man sie sofort zu den Sakramenten zulassen. Aber es gibt auch unbegabte Kinder, die man nicht zulassen kann, bevor sie sich die Glaubenswahrheiten angeeig­net haben.

-   Der Untersuchungsrichter hat vermerkt, daß einige zwei Wochen lang gegangen sind.

-   Konnte schon sein.

-   Wurden Testate eingetragen, Listen geführt?

-   Nein, wer kam, mit dem wurde ein Gespräch geführt. Damit keine Unklarheiten entstehen, wurden an sie nach Überprüfung der Kenntnisse Kärtchen ausgegeben zum Nachweis der Zulassung zum Empfang der Erstkom­munion. Es gab Kinder, die nicht auf Anhieb die Fra­gen beantworten konnten. Dann habe ich ihnen Erklä­rungen gegeben.

-   Woher haben die Kinder gewußt, daß in der Kirche eine solche Belehrung für Kinder stattfindet?

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-   Für gewöhnlich wird in der Kirche bei der Predigt darauf hingewiesen, die Eltern sollten für ihre Kinder Sorge tragen, sie in Glaubenswahrheiten unter­richten und die Ferien seien dafür die günstigste Zeit, ihre Kinder vorzubereiten, um sie dann zur Überprüfung der Kenntnisse mitzubringen.

-   Haben sie allein darauf hingewiesen oder auch andere Priester?

-   Wer die Predigt hielt, der hat auch daran erinnert.

-   Haben Sie allein die Kinder unterrichtet, oder haben es auch die anderen Priester getan?

-   Weil ich in der Kirche von Prienai der Jüngste war, entfiel auf mich ein größerer Arbeitsanteil, denn der Pfarrer hatte mehr andere Arbeiten zu verrichten.

 

Vikar Zdebskis wurde beschuldigt, unter anderen Prie­stern der Wortführer des Kinderunterrichts zu sein.

-  Wortführer zur Vorbereitung der Kinder auf die Sakra­mente war ich nicht. Damit würde man mir zuviel Ehre antun. Auch andere Priester erfüllen diese uns von Christus und der Kirche auferlegte Pflicht zu lehren. Ich wäre ein Verleumder, wenn ich behaupten würde, daß die anderen Priester nicht lehren. Und wie einer diese Pflicht erfüllt, das wird ein jeder vor seinem Gewissen zu verantworten haben.

Dann wurden die minderjährigen Zeugen befragt. Nach Er­kundung des Familien- und Taufnamens ermunterte sie der Richter:

-  Sag dem Gericht die volle Wahrheit. Kennst du den da? Drehe dich um, schau hin.

Die einen sagten "Ich kenne", die andern "nein". Ein Junge schaute den stehenden und ihm freundlich zulä­chelnden Priester lange an und sagte: "Sehr stark ver­ändert." Auf die Fragen des Richters, was er gelehrt hätte, sagten die einen: "Gebete", die anderen: "Er hat nicht unterrichtet sondern nur befragt." Wieder andere antworteten, daß "er ermahnt hat, keine Fensterscheiben einzuschlagen, nicht die Taschen anderer zu revidieren, nicht zu hauen, nicht zu stehlen, den Lehrern und Eltern zu gehorchen."

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Der Richter fragte nach Anfang und Schluß des Unter­richts und wann Pausen waren. Die einen gaben die Zeit an, die anderen sagten, sie könnten sich nicht erinnern. Auf die Frage des Richters, woraus sie gelernt hätten, von wem sie den Katechismus bekommen hätten, sagten fast alle, daß Mutter oder Oma diesen gehabt hätten. Die schüchternen Kinder weinten und schwiegen. Vor jedem Kind stand Vikar Zdebskis auf, und der Richter sagte wiederholt: "Bleiben Sie sitzen."

Dann wurden die Eltern befragt.

-   Zeuge R.: Ich habe das Kind vorbereitet und hinge­führt, damit der Priester es abfrage.

-   Hat das Kind selbst gewollt, hingeführt zu werden, oder haben Sie es gezwungen?

-   Verteidiger: Hat man auf euch Druck ausgeübt, ob du hingeführt werden willst oder nicht?

-   Nein. Ich habe mich aus eigenem Antrieb hinführen lassen.

Die Eltern als Zeugen wurden viel darüber befragt, wie oft sie die Kinder zum Priester hingeführt hätten, worü­ber der Priester gesprochen habe, wieviele Kinder in den Gruppen beisammen wären usw.

Dann wurden die Vertreter der Ortsbehörden von Prienai befragt.

-  Anfang Juli bekam das Exekutivkomitee Hinweise aus der Bevölkerung, daß der Priester von Prienai den Kindern in der Kirche Religionsunterricht erteile. Wir gingen zur Kirche und fanden etwa 50 Kinder und eine Anzahl von Frauen vor. Vikar Zdebskis gab Er­klärungen. Als wir kamen, machte er eine Pause, und wir gingen in die Sakristei zu einem Gespräch mit ihm Wir warnten ihn, daß er durch ein solches Vorgehen gegen das Gesetz verstoße, er aber erwiderte: "Ich habe belehrt und werde belehren. Wo die Gebote Gottes und der Kirche sich mit denen des Staates überschnei­den, muß man Gott mehr gehorchen", und hat sich durch unsere Verwarnungen nicht beirren lassen. Nach einer Woche bin ich wieder mit einer Kommission hingegangen und wieder hat Vikar Zdebskis Unterricht gehalten. Das wurde zu Protokoll genommen.

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-   Ist Vikar Zdebskis taktvoll geblieben?

-   Ja, durchaus. Anfangs hat er sogar gescherzt:

Sind Sie wegen Ihrer Kinder gekommen? Bitteschön, ich bin gern bereit, Ihnen zu helfen ...

-   Und ihr habt gemeinsam das Protokoll zusammenge­stellt?

-   Beide gemeinsam.

(Zeuge M. Naginevičius):

Am 9. Juli 1971 habe ich an der Kommission wegen des Kinderunterrichts in der Kirche teilgenommen. In der Kirche befand sich eine Gruppe von Kindern und Frauen. Vikar Zdebskis gab Erklärungen. Wir wiesen darauf hin, daß organisierter Religionsunterricht den Gesetzen widerspreche, und er antwortete, er wisse darum, aber er habe Gottes Gebote gelehrt und werde sie weiterhin lehren ...

Nach der Pause verlas der Richter laut die zum Prozeß gehörigen Dokumente, welche die,"Schuld" von J. Zdebskis bewiesen:

Aktenstück Nr. 3: "Schreiben des Vorsitzenden des Exeku­tivkomitees an den Bevollmächtigten des Rates für reli­giöse Angelegenheiten, Rugienis, daß am 8. Juli d.J. der Emeritus Zakryza mit einer Gruppe von 50 Kindern in der Pfarrkirche vonPrienai angetroffen worden sei. Nach Ver­warnung erklärte Zakryza: "Ich habe gelehrt und werde lehren. Ich tue das, was Gott sagt. Am 9. Juli sagte Vikar Zdebskis nach Verwarnung das gleiche. Vikar Zdebskis wurde verwarnt, weil er den Gesetzen nicht ge­horchen wolle."

Aktenstück Nr. 20 (aus einer früheren Wirkungsstätte von Vikar Zdebskis): "Der Vorsitzende des Exekutivkomitees im Rayon Lazdijai schreibt, daß in Kapčiamiestisunter Einfluß von Vikar Zdebskis das religiöse Leben aktiver wurde: man trägt Kreuze und Kirchenfahnen, obwohl sie kein Recht dazu haben. Er zieht die Pioniere, die Okto­berkinder heran und schreibt sie in die Rosenkranzbru­derschaft ein. Vikar Zdebskis hat ein Motorrad 'Java' und fährt zu Hausbesuchen herum. Er war sogar bei einer kommunistischen Familie und sagte, er könne ihr Kind auch zu Hause taufen."

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Alle diese Dokumente - Beschwerden, Photos, Verwarnun­gen - füllten eine Akte mit 53 Blatt. Nach deren Verle­sung bat Vikar Zdebskis, seine Motive in einem letzten Wort darlegen zu dürfen.

Reden der Kläger:

Nun folgte die gerichtliche Diskussion.

Der "Öffentlichkeits"-Kläger, Internatsdirektor der Mittelschule von Prienai, S. Ratinskas, sagte in seiner Rede, daß Vikar Zdebskis die Gesetze kenne, die dön Religionsunterricht für minderjährige Kinder verböten, aber er beachte diese Gesetze nicht mit der Begründung, er müsse höheren Gesetzen gehorchen. Gesetze dürfe man nidit mißbrauchen. Zdebskis zerstöre das, was in der Schule gelehrt werde.

Die Schüler könnten sich das Programmpensum nicht aneig­nen, sie würden von Zweifeln befallen. Die Kirche schüchtere die Menschen ein. Sie habe keine Lebenser­fahrung ... Der kleine Katechismus sei unpädagogisch, denn er schreibe über Unzucht ...

Der Religionsunterricht in der Kirche sei organisiert gewesen, denn er sei während der Predigt bekanntgemacht worden. Zum Erlernen der Religion sei das Priestersemi­nar da. Dort würden bis zu zehn Kandidaten aufgenommen, aber wenn sich nicht so viele Bewerber meldeten, dann würden nur drei bis vier Bewerber aufgenommen, und das befriedige die Bedürfnisse der Gläubigen vollauf, denn ihre Zahl sei ständig im Abnehmen. Der Staat mache den Gläubigen keine Schwierigkeiten.

Seine Rede beendete der Kläger mit der Wiedergabe einer verleumderischen Anekdote über Vikar Zdebskis.

Zusammenfassung der Rede des Staatsanwalts:

Eltern und Erziehungsberechtigte haben volle Freiheit, die Kinder in den Glaubenswahrheiten zu unterweisen. Behinderung der Erfüllung religiöser Zeremonien wird bestraft. Die Erklärung des II. Vaticanum über die "Christliche Erziehung" deklariert, daß außer/den Eltern auch der Staat Rechte auf die Kinder habe. Vikar Zdebskis hat gegen das Gesetz der Trennung der Kirche vom Staat verstoßen. In den Monaten Juli - August hat er

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den Unterricht minderjähriger Kinder organisiert und systematisch durchgeführt, insgesamt für etwa zweihun­dert bis dreihundert Kinder; deshalb muß ihm eine Strafe zugemessen werden, die dem im Gesetz vorgesehenen Para­graphen entspricht.

 

Weiter führte der Staatsanwalt den Nachweis, daß Vikar Zdebskis wirklich die Kinder organisiert und unterrich­tet hat. Gemäß Zeugenaussagen und den Worten des Ange­klagten Zdebskis ist das Vergehen wirklich und vollstän­dig nachgewiesen. Kinderunterricht hielt auch Priester Zakryza, dessen Strafprozeß die Staatsanwaltschaft aber wegen der eingetretenen Umstände eingestellt hat. Zum Schluß bat der Staatsanwalt das Gericht, Zdebskis mit einem Jahr Freiheitsentzug zu bestrafen, bei Verbüßung der Strafe im Lager normalen Regimes.

Verteidiger Riauba führte aus, daß Vikar Zdebskis den Unterricht der Kinder nicht organisiert habe. Er habe nur darauf hingewiesen, für die religiösen Kenntnisse der Kinder Sorge zu tragen. Es habe keine Nötigung ge­geben. In einem Zusatz zur Strafprozeßordnung habe das Präsidium des Obersten Sowjets der Litauischen SSR darauf hingewiesen, wie der Paragraph der Trennung von Kirche und Staat anzuwenden sei, wobei Organisierung und systematische Durchführung hervorgehoben wurden. Durchführung allein genüge nicht. Außerdem seien einige Kinder nur einmal gekommen. Sei das ein systematischer Unterricht?

Der Verteidiger erinnerte an die Forderung Lenins, die Gläubigen nicht zu beleidigen, genau das habe aber der Kläger getan, indem er sich auf unbegründete Gerüchte über Vikar Zdebskis gestützt habe. Zum Schluß seiner Rede bat der Verteidiger das Gericht, § 143 des Straf­gesetzbuches nicht anzuwenden, sondern dem Exekutiv­komitee das Recht zu überlassen, Vikar Zdebskis mit einer Strafe von 50 Rubeln zu belegen.

Der Angeklagte wird zum Kläger

Danach sprach Vikar Zdebskis sein letztes Wort. Seine Rede unterbrach der Richter einige Male, und er ließ ihn seine Gedankengänge nicht ausführen; deshalb bringen

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wir den schriftlichen Text der Rede von Vikar Juozas Zdebskis in vollem Wortlaut:

Am 25. August 1971 wurde ich verhaftet und ein Strafpro zeß gegen mich eingeleitet, weil ich im Sommer in der Pfarrkirche von Prienai Kindern Religionsunterricht er­teilt hatte. In der Prozeßakte heißt es: "In der Kirche wurden etwa 70 Kinder und an die 50 Eltern vorgefunden. Er wird beschuldigt, Paragraph 143 Abs. 1 des Strafge­setzbuches der Litauischen SSR verletzt zu haben, in dem die Trennung von Kirche und Staat behandelt wird. Die Anklage wurde bei der Verhaftung mitgeteilt."

Wie begründe ich mein Verhalten? Ich kann nur wieder­holen, was ich einer Gruppe von Atheisten in der Kirche geantwortet habe, als sie mich darauf hinwiesen, daß di Erteilung des Religionsunterrichts verboten sei. Man muß es mit den gleichen Worten sagen, wie auch die ersten Apostel Jesu dem Hohen Rat gegenüber erklärt haben: "Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen." (Apg. 5, 29).

1. Deshalb lautet die grundsätzliche Antwort auf die Frage, weshalb ich Kinder in Glaubenswahrheiten unterwiesen habe entsprechend der Forderung Christi: "Gehet hin und lehret        alles zu halten, was ich euch geboten habe" (Mt. 28, 19). Das Gebot umfaßt alle Menschen, ohne Erwachsene oder Kinder auszu­nehmen. Zu lehren - nicht die eigene Weisheit, nicht die von einem Philosophen angebotene Lebensweise sondern - ein Leben, das Christus fordert. Dabei muß seine höchste Forderung, keinen Menschen als Feind zu betrachten, besondere Berücksichtigung finden. Kein anderer, der sich je als Lehrer der Lebens­kunst angeboten hat, wagte solche Forderungen. Auch die kommunistische Partei nicht.

2. Diese Forderung Christi hat die römisch-katholische Kirche als juristische Person in drei Paragraphen ihres Kanonischen Rechts wiederholt (CIC, 129, 130, (CIC 129, 130, 131).

3. Die Forderung Christi, Kinder in Glaubenswahrheiten und in der von ihm gebotenen Lebensweise zu unter­richten, erfüllen die Eltern, die von Natur aus das 

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Recht dazu haben. Wenn die Eltern wünschen, daß ihr Kind Musikunterricht bekommt, wenden sie sich an einen Musik­lehrer, wenn Mathematikunterricht für erforderlich ge­halten wird, dann an einen Mathematiklehrer u.a.

Aber wir Priester geraten zwischen zwei Gesetze.

Man sollte meinen, daß der Staat durch seine Gesetzge­bung das Wohl der Bürger gewährleisten will. Dieses Wohl ist undenkbar ohne Gewissensfreiheit, ohne das Recht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen. Durch die Verfassung der UdSSR werden die Gewissensfreiheit und das Recht der Eltern auf ihre Kinder anerkannt. Die Erklärung der Men­schenrechte ist auch von der UdSSR unterschrieben worden Beides ist ausführlich in einem ähnlichen Prozeß vor einem Jahr gegen den PriesterŠeškevičius zur Sprache gekommen. Da auch dieser Prozeß nicht die Sache eines Individuums des Angeklagten ist, sondern die Sache der Kirche als juristischer Person in einem bestimmten geographischen Raum, braucht man das dort Ausgeführte wohl nicht mehr zu wiederholen.

Erwägenswert wäre die offizielle Erläuterung dieser Frage. Der Generalsekretär des ZK der KPdSU, Leonid Brežnev, hat in seinem Rechenschaftsbericht vor dem XXIV. Parteitag unterstrichen: "Auch die Rechtsbrüche gegen die Persönlichkeit, Verletzungen der Bürgerwürde dürfen nicht zugelassen werden. Für uns Kommunisten, die Anhänger der allerhumanistischsten Ideale, ist das ein Grundanliegen."

(Leitartikel der Pravda vom 29. August 1971)

Der Beauftragte des Rates für religiöse Angelegenheiten, Rugienis, hat in seinem Interview mit dem Schriftleiter einer Emigrantenzeitung, Jokūbka, betont, in Litauen herrsche vollständige Religions- und Gewissensfreiheit. Keiner habe das Recht, einen Mitbürger über seine reli­giöse Einstellung auch nur zu befragen. So hat Jokūbka die religiöse Lage in Litauen in seinem Buch Tėvu žemė (Vaterland), das in diesem Jahr (1971) in Chicago er­schienen ist, auch geschildert. So berichtet auch ein Werkchen in italienischer und englischer Sprache, "Religion in Litauen", das kürzlich in Litauen gedruckt wurde.

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Nicht nur in der Vergangenheit also, sondern auch in diesem Jahr lautet die offizielle Erklärung zu dieser Frage   -   in Litauen herrscht volle Religionsfreiheit.

Freiheit für die katholische Kirche als juristische Per­son muß sich aber dadurch manifestieren, daß ihre Tätig­keit erlaubt ist. Wenn es zum Beispiel erlaubt ist zu leben, dann ist es auch erlaubt zu essen, zu atmen usw. Wenn die Existenz der Priester offiziell erlaubt ist, dann schließt das doch auch die Erlaubnis für diegrund­legenden priesterlichen Funktionen ein: d.h. zu opfern, Sünden im Namen Gottes zu vergeben (zu richten) und zu lehren.

Daraus folgt, daß mir wegen der Erfüllung meiner direk­ten Pflichten ein Prozeß gemacht wird.

Wenn man meine Prozeßakte durchsieht und die Charak­teristik liest, die von Atheisten in meinen früheren Wirkungsorten über mich abgegeben wurde, findet man immer dieselbe Anschuldigung: wegen Pflichterfüllung. Schade, daß ich dort keine Charakteristik der bischöf­lichen Kanzlei über mich vorgefunden habe   -   hätte sie mich auch der Pflichterfüllung beschuldigt?

II.

Der Angeklagte:   die Atheisten sind die Gesetzesbrecher

Vor dem Gericht muß auch das psychologische Milieu auf­gezeigt werden, das für mein Verhalten, für das ich heute gerichtet werden soll, von großer Bedeutung gewesen ist.

Dieses Milieu wurde von Lebens-Gegebenheiten geprägt, in denen die Atheisten selbst oder verschiedene Dienst-stellen sich über dasselbe Gesetz der Gewissensfreiheit hinwegsetzten, auf Grund dessen mir heute der Prozeß ge­macht wird.

Das Wort "Atheist" gebrauche ich hier als eindeutig sach­bezogen. Ein Atheist - ob Beamter des Sicherheitsdien­stes, der Verwaltung oder des Unterrichtswesens - tritt immer in gleicher Weise als Kämpfer gegen Gott hervor.

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Das Problem der Gewissensfreiheit haben in der UdSSR die Gesetze durch Trennung von Kirche und Staat gelöst. Leider fühlt sich die Kirche dank der Tätigkeit man­cher Atheisten nicht vom Staat getrennt, sondern im Gegenteil den Interessen der Atheisten unterworfen, und dazu noch oft genug auf betrügerische und hinterhältige Weise.

Und aus diesem Grund kommen sich die Gläubigen "vogel­frei" vor. Sie spüren die Ungleichheit vor dem Gesetz.

Tatsachen, die der breiten Öffentlichkeit bekannt sind, können der Staatsanwaltschaft nicht verborgen sein. Warum schweigt sie dazu?

Zur Illustration können wir einige Tatsachen anführen, zumal solche, die mit diesem Prozeß zusammenhängen.

Zunächst spüren gläubige Menschen die Ungleichheit vor dem Gesetz, weil Atheisten ihr Schrifttum und ihre Schulen haben, den Gläubigen aber ist das nicht erlaubt.

Wenn Priester dafür bestraft werden, daß sie Kinder zur Erstbeichte vorbereiten, dann möchte man doch fragen, ob Atheisten auch nur ein einziger Prozeß gemacht wurde, weil sie Interessen der Gläubigen verletzt haben, ins­besondere gemäß der1966 in Kraft gesetzten Ergänzung zu Paragraph 143 des Strafgesetzbuches. Die Tatbestände da­für gibt es doch. Zum Beispiel wurde vor einem Jahr eine Lehrerin an der Mittelschule in Vilkaviškis wegen ihres Glaubens vom Schuldienst suspendiert, und zwar so, daß ihr nicht nur das Recht auf eine andere pädagogische Arbeit, sondern auf jegliche Anstellung überhaupt aber­kannt wurde. Ist das eine Verletzung der Gewissensfrei­heit oder nicht? Und in unseren Verhältnissen ist das kein Einzelfall.

Ebenso offenkundig geht es auf das Betreiben von Athe­isten zurück, daß die Bevölkerung dem Gottesdienst fern­bleiben soll, vor allem Jugendliche, Schüler und Ange­stellte. Sie spüren instinktiv, daß man Gott am leich­testen im Gesicht eines im Gebet versunkenen Menschen erkennt. Sie spüren, daß all das, was wir als Wirken der Gnade bezeichnen also auch die Glaubensfestigkeit in Zusammenhang mit der heiligen Messe steht. Darum

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redet man wohl von Gewissensfreiheit, aber die Geistes­kultur darf in der Öffentlichkeit, besonders bei unserer Jugend, nicht gepflegt werden. Es kommt doch öfters vor, daß die Lehrer den Kindern, die an einem Begräbnis teil­nehmen, das Betreten der Kirche verbieten oder sie aus der Kirche herausführen. Ist das kein Vergehen gegen die Gewissensfreiheit? Diese und ähnliche Tatsachen, die der breiten Öffentlichkeit bekannt sind, können der Staats­anwaltschaft nicht unbekannt sein. Warum ihr Schweigen? Muß man sich da noch wundern, daß gläubige Menschen keine Gleichheit vor dem Gesetz verspüren?

Der Angeklagte:   Warum schweigt die Regierung darüber?

Vor allem bleibt es den Gläubigen unverständlich, daß die Regierung auf keine einzige Eingabe der Gläubigen reagiert hat, in denen bestehende Anomalien gegenüber den Gläubigen aufgedeckt werden. In der Presse wurde doch veröffentlicht, daß die betreffenden Instanzen auf eine Eingabe innerhalb eines Monats zu antworten hätten. Als Beispiel kann auch das mit diesem Prozeß zusammenhängende Vorgehen der Gläubigen dienen. Als diesen Sommer eine Gruppe von Atheisten während des Religionsunterrichts in die Kirche kam und sofort zu fotografieren und die Kinder nach ihren Familiennamen zu fragen begann, verteidigten die Mütter ihre Kinder. Es kam in der Kirche zu Tumult­szenen. Wahrhaftig, der psychologische Augenblick hätte bei der Masse nur eines kleinen Anstoßes bedurft, dann hätte sich wiederholt, was zur Zeit der zaristischen Unterdrückung in Kranial geschah. (Man möchte fragen, ob all diese Dinge der vermehrten Achtung vor der Verfassung dienlich sind?) Nach diesem Vorfall richteten 89 Eltern eine Beschwerdeschrift an die Kontrollkommission beim ZK der KPdSU mit der Forderung, "die Ausschreitungen gegen die Gläubigen einzustellen," Auf diese Eingabe kam keine offizielle Antwort, obwohl die Adresse des Absen­ders angegeben war.

Angesichts dieser und ähnlicher Tatsachen muß man fragen: steht die gläubige Öffentlichkeit nicht außerhalb des Gesetzes? Darf man sich dabei wundern, wenn man öffent­lich die Frage aufwirft, ob die Gewissensfreiheit, die Erklärung der Menschenrechte und dergleichen nur zu Pro­pagandazwecken deklariert bzw. unterschrieben worden

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seien? Und ebenso die 1966 veröffentlichte Ergänzung zu § 143 des StrafgesetzbuchesStrafe für die Verletzung der Rechte der Gläubigen das Interview von Rugienismit Jokūbka und Bücher wie Tėvu žemė (Vaterland), Bažnyčia Lietuvoje (Kirche in Litauen), u.a., die von der Gewissensfreiheit reden ...

Warum sieht die Staatsanwaltschaft schweigend zu? Gibt es denn irgendwelche geheime Gesetze, die zu den offi­ziellen in Widerspruch stehen und der Öffentlichkeit unbekannt sind?

Sehen wir weiter.

 

Der Angeklagte: atheistische Betrügereien und Fälschungen

Viele Tatsachen im Zusammenhang mit dem Vorgehen der Atheisten offenbaren bewußten Betrug und Falschheit in bezug auf die Gewissensfreiheit. Warum wird das alles nicht bestraft? In vielen Fällen gleicht das Verhalten der Atheisten gegenüber den Gläubigen dem eines Herzogs von Gloucester im XV. Jahrhundert, wie ihn Shakespeare in seinen Schriften schildert. Er trachtet nach Englands Krone. Die Konkurrenten bringt er heimlich um, er selber versteht es, mit dem Gebetbuch in der Hand in der Öffent­lichkeit zu erscheinen.

1. Ist das hinterhältige Bestreben der Atheisten keine Verletzung der Gewissensfreiheit ... - in einem Land, dessen Verfassung die Gewissensfreiheit garantiert -die Kirche von innen zu zerstören, indem man den Ein­druck erweckt, die Bischöfe seien auf ihrem Posten, die Verordnungen kämen aus den bischöflichen Kanz­leien, obwohl in Wirklichkeit die Versetzungen von Priestern und viele andere Verordnungen von Athe­isten diktiert werden in dem Bestreben, die Lage der katholischen Kirche Litauens dem Zustand der Ortho­doxen Kirche anzugleichen?

2. Wird die Verschlagenheit der Atheisten nicht durch das Bestreben deutlich, Priester und Bischöfe bei den Gläubigen und sogar beim Vatikan zu kompromittieren, so daß ein gesunder, tatkräftiger Bischof, S. Exz.

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V. Sladkevičius, im Bischofsverzeichnis des Vatikans als "sedi datus" aufgeführt wird?

3. Ist es keine Verschlagenheit, daß ein Priesterseminar existiert, aber jährlich nur vier bis fünf Kanidaten aufgenommen werden dürfen, während zwanzig bis dreis-sig Priester in Litauen jährlich sterben? Und daß überdurchschnittlich begabte und geistig hochstehende Studenten und Professoren keinen Zugang zum Priester­seminar finden?

4. Ähnlich ist es beim Rei1igionsunterricht für unsere Kinder. Ist es keine Verschlagenheit, daß der Empfang der Erstkommunion gestattet wird, die Kinder aber nur einzeln examiniert werden dürfen (obwohl es ein juri­stisch gültiges Gesetz dafür gar nicht gibt)? Wie soll man nun Kinder einzeln in den Pfarreien vorbereiten, wenn jeden Sommer einige hundert in Frage kommen? Sollen wir die Kinder unvorbereitet zur Erstkommunion führen? Was der Mensch nicht kennt, lernt er niemals lieben. Versteckt sich hier die Absicht, die Kinder den Eltern lautlos zu entfremden? Dann können die Atheisten ruhig behaupten: Bei uns herrscht volle Ge­wissensfreiheit die Gläubigen geben ihren Glauben von selbst auf ...

Aber eine solche Religionsfreiheit ist doch ähnlich der Erlaubnis,zu leben,bei gleichzeitigem Verbot, ge­boren zu werden.

Eine Mahnung an die Richter:

Sehr geehrte Richter, man möchte meinen: Sie und viele andere aus der jungen Geheration kennen nur den Gott aus  den "Biblischen Belustigungen" oder ähnlichen Büchern.  Jedenfalls nicht den, der für uns am Kreuze starb. Auch  wenn Sie ein Hochschulstudium oder Fachschulstudium vor weisen können, ist es zweifelhaft, ob Sie ein Examens wissen haben, wie es Kinder vor der Ersten Kommunion besitzen.            

Berücksichtigt man, daß Sie nach Rachmanova Menschen aus der "Fabrik des neuen Menschen" sind, dann müssen wir Ihnen diesen Prozeß verzeihen und Gottes Verzeihung erbitten. Am Tumulttag in unserer Kirche habe ich die

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Kinder gefragt: "Muß man diese Menschen hassen?" Ihre Antwort lautete: "Nein". - "Und was ist die wichtigste Forderung Jesu?" - "Keinen Menschen als Feind betrach­ten."

In Anbetracht dieser Tatsachen, von denen einige hier beispielsweise angeführt und auch der breiten Öffentlich­keit bekannt sind und die auch der Staatsanwaltschaft nicht unbekannt sein können, möchte man fragen, warum dies alles geduldet wird und ich unter Anklage der Ver­letzung von Gewissensfreiheit stehe. Wie kann ein Bürger nach solchen Gesetzen bestraft werden, die, wie wir sehen, vielfach sogar von verschiedenen Behörden mißach­tet werden? Allein die Tatsache, daß einem Priester die­ser Prozeß gemacht wird, ist ein Vergehen gegen die Ge­wissensfreiheit als Bestreben, den Eltern ihre Kinder wegzunehmen. Vielleicht könnte man mich wegen Verletzung der Gewissensfreiheit beschuldigen, wenn ich ohne Wissen der Eltern unterrichtet hätte.

Vergißt der Staat nicht seine eigene Verfassung, wenn er solche Dinge duldet?

Schließlich erscheint auch der Absatz, demzufolge ich gerichtet werden soll, ohne klare Umrisse. Zum Beispiel können wir uns erinnern, daß mir schon 1964 der gleiche Prozeß gemacht worden ist, in dem ich wegen Unterrich­tung von Kindern zu einem Jahr Gefängnis verurteilt wurde. Einige Monate später kam die Regierungsanweisung, mich zu entlassen und das Urteil für nichtig zu erklären. In der Rehabilitierungsakte hieß es: "Es wurde festge­stellt, daß man keinen Zwang auf die Kinder ausgeübt hat." Aber das wußte doch das Gericht schon damals, als es die Gefängnisstrafe verhängte. Vom Zwang auf die Kinder war in der Gerichtsverhandlung gar nicht die Rede. Und § 143 wurde in dem Prozeß so ausgelegt: Es ist ver­boten, Religionsunterricht in der Schule zu organisie­ren und zu erteilen. Obwohl mir das nicht zur Last ge­legt wurde, hat das Gericht mich trotzdem verurteilt. Wie ist das alles zu verstehen? Und wenn man mich später freigesprochen hat, warum werde ich jetzt nach dem glei­chen Paragraphen erneut angeklagt? Jetzt weiß doch das Gericht ebenfalls genau, daß den Kindern kein Zwang an­getan wurde. Das beweist doch auch die Eingabe der Eltern an die Regierung der UdSSR:

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die Kinder wurden nicht in der Schule unterrichtet; sie wurden gemäß dem Elternwillen unterrichtet. Man kann doch unmöglich ein Gesetz einmal so, ein andermal an­ders auslegen.

Und bis heute ist es nicht gelungen, festzustellen, ob und wo die "durch Gesetze vorgesehenen Regelungen" ver­öffentlicht wurden? Weder der Untersuchungsrichter noch die Rechtsberatungsstelle konnten diese Frage beantwor­ten.

 

III.

Muß man auf Gott oder auf die Menschen hören 

Was folgt daraus?

Menschlich, kurzsichtig betrachtet, möchte man bei ähn­lichen Anlässen immer die Worte Jesu wiederholen: "Vater ... laß diesen Kelch an mir vorübergehen." In Wirklichkeit aber müßten wir Priester euch für diesen und ähnliche Prozesse danken. Sie rütteln unsere Ge­wissen auf, verhindern das Einschlafen, zwingen zur Ent­scheidung, stellen uns vor zwei Möglichkeiten.

Die erste Möglichkeit besteht darin - den Weg der soge­nannten "friedlichen Koexistenz mit den Atheisten" zu wählen: zu versuchen, zwei Herren zu dienen, den Athe­isten zu liebedienern - der Priester darf sein Pflicht­soll erfüllen, aber er darf nicht den Atheismus gefähr­den; er soll selbst die Jugend aus der Kirche vertrei­ben, die Teilnahme am Gottesdienst, an Prozessionen verweigern, das Ministrieren bei der hl. Messe verbie­ten; bei Vorbereitung auf die Erstkommunion muß er zu­frieden sein, wenn die Kinder ihre Gebete auswendig können, aber ohne jegliches Verständnis für das Geheim­nis der Messe - die Mitte des ganzen christlichen Lebens - bleiben; und die Priester sollen nicht über die Zukunft des Landes in zehn bis zwanzig Jahren nach­denken. Das bedeutet, daß die Priester ihre direkten Pflichten nicht erfüllen dürfen und mit ihrem Gewissen in Konflikt geraten müssen. Ihnen verbleibt die Sorge um die Zusammenstellung der täglichen Mahlzeit. Der

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Priester muß sich schon bemühen zu vergessen, daß zu den Kindern doch über Gott gesprochen wird, aber über einen solchen, den es in Wirklichkeit nicht gibt. (An einen solchen Gott, wie ihn Presse und Rundfunk zeichnen, glaube ich auch nicht ...)

Ihr habt mir Tausende von Jugendlichen hinter Gittern ge­zeigt. Keiner von ihnen kennt den Gott, den wir lieben müssen und der uns liebt. Keiner hat zu ihnen von einem solchen Gott gesprochen, keiner hat sie gelehrt, sein Glück darin zu finden, daß man allen Menschen Gutes tut, auch seinen Feinden. Ich weiß genau: wenn wir Priester nicht mehr darüber sprechen, dann schreien die Steine, Gott aber wird von uns Rechenschaft über ihr Schicksal fordern.

Das bedeutet in unserer Lage friedliche Koexistenz mit dem Atheismus, was die Gläubigen im Ausland gar nicht be­greifen können.

Die zweite Möglichkeit - ein Priester nach dem Willen Christi zu sein mit dem Entschluß, die Pflichten zu er­füllen, die Christus verlangt und das Kirchenrecht, und dabei alles auf sich zu nehmen, was die Vorsehung zum Durchstehen schickt, wie wir in diesem Falle sehen   -vergitterte Fenster zu wählen, wie der Untersuchungs­richter gesagt hat: "Du wolltest keine gebratenen Enten, also wirst du Gefängnisbrot essen."

Wenn aber wir Priester heute nicht mehr von Gerichten verurteilt würden, dann würde uns das Volk verurteilen! Und schließlich wird auch die Stunde der Gerechtigkeit des Allerhöchsten kommen. Gott möge uns Priestern helfen, diese mehr zu fürchten als euer Gericht.

Wieder kommen mir die Tausende von Jugendlichen hinter Gittern ins Gedächtnis. Inihrer Kindheit verstanden sie nicht, ihren Eltern zu gehorchen ... Meine Heimat am Nemunsas (Memel)-Ufer ist mir ans Herz gewachsen. Und ich weiß genau: dieses Land wird zu existieren aufhören, wenn Kinder in unserer Heimat ihren Eltern nicht mehr gehor­chen. Darüber habe ich zu den Kindern gesprochen und ge­sagt, daß Gehorsam eine Forderung Gottes ist.

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Wenn das nach eurem Gewissen als ein Verbrechen gilt, dann erklärt mich für einen Fanatiker und verurteilt mich   -   zugleich aber auch euch selbst!

Ich bitte das Gericht, auf das psychologische Moment meines Prozesses Rücksicht zu nehmen und abzuwägen, daß nicht die Gemeinschaft der Gläubigen durch das Gerichts­urteil zur Vermutung gelange, einige Paragraphen unserer Verfassung seien nur Propaganda. Kann man Ehrfurcht vor Forderungen erwarten, die zum Widerspruch gegen das Ge­wissen zwingen? Kann man Ehrfurcht vor Gesetzen haben, die Strafen für treue Pflichterfüllung verhängen?

Es bleibt nur noch, die Worte der ersten Apostel hier vor Gericht zu wiederholen: "Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen."

Gerichtsurteil: schuldig

Nach der Rede von Vikar J. Zdebskis folgte eine Pause von zwei Stunden. Nach einer längeren Beratung verkün­dete das Gericht im Namen der Litauischen SSR folgendes Urteil:

"Zdebskis Juozas, Sohn des Vincas, geb. 1929, wurde schuldig befunden des Vergehens, das in § 143 Abs. des Strafgesetzbuches der Litauischen SSR unter Strafe gestellt ist, und wird zu einem Jahr Freiheitsentzug ver­urteilt bei Verbüßung der Strafe in einem Arbeitsbesse-rungslager normalen Regimes. Als Strafbeginn wird der 26. August 1971 gerechnet."

Am 9. Dezember 1971 beschloß das Gerichtskollegium für Strafprozesse beim Höchsten Gericht der Litauischen SSR, daß Vikar Zdebskis begründet für schuldig befunden wurde und daß die festgesetzte Strafe dem begangenen Vergehen und der Person entspricht.

Zur Zeit (1972) verbüßt Vikar J. Zdebskis seine Strafe in Pravieniškės.

Das Opfer der um ihres Glaubens willen Leidenden möge das Land unserer Väter zu neuem Leben erwecken!

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PROZESS GEGEN PFARRER PROSPERAS BUBNYS

Im Sommer 1971 sollte der Bischof zur Spendung des Sakra­mentes der Firmung nach Raseiniai kommen. Die Priester des Rayon hatten die Weisung erhalten, die Glaubenskennt­nisse der Firmlinge zu überprüfen und an sie Zulassungs-kärtchen auszugeben.

Der Pfarrer von Girkalnis, P. Bubnys, gab daraufhin sei­nen Gläubigen bekannt, daß die Eltern ihre Kinder zur Prüfung in die Kirche bringen könnten. So haben die Eltern es auch gehalten. Eines Tages drang eine Gruppe von Vertretern des Exekutivkomitees des Rayons Raseiniai in die Kirche ein. Als sie eine Gruppe von Kindern vor­fand, die auf ihren Pfarrer warteten, forderten die Vertreter die Kinder auf, mitzukommen, und schleppten sie durch das Dorf zur Feuerwache; dort zwang man sie durch Einschüchterungen und Drohungen, Erklärungen zu schrei­ben, denen zufolge Pfarrer Bubnys ihnen Unterweisung in Glaubenswahrheiten erteilt hätte. Die Kinder waren so eingeschüchtert, daß sie zu weinen anfingen, und einige wurden später sogar krank.

Am 12. November 1971 tagte in Raseiniai ein Volksgericht. Das Recht, an der Gerichtssitzung teilzunehmen, hatten nur Zeugen und Funktionäre. Die Gläubigen mußten draußen vor der Tür stehen. Keiner hatte damit gerechnet, daß Pfarrer Bubnys verurteilt werde - denn die Regierungs­funktionäre hatten ihn nur beim Examinieren eines ein­zelnen Kindes angetroffen, während die anderen Kinder in der Kirche gewartet hatten, bis sie an der Reihe waren. Erst als die Richter sich zur Beratung zurückgezogen hatten und vor dem Gerichtsgebäude ein Milizwagen vorge­fahren war, wurde allen Anwesenden klar, daß Pfarrer Bubnys verurteilt werde. Im Namen der Litauischen SSR beschloß das Gericht dann, Pfarrer Bubnys für schuldig zu befinden, und verhängte eine Strafe von einem Jahr zur Verbüßung in einem Lager strengen Regimes. Nach der Urteilsverkündigung wurde Pfarrer Bubnys festgenommen und unter Tränen der Gläubigen zum Gefängnis Lukiškis abtransportiert.

Bereits vor der Gerichtsverhandlung hatte Pfarrer P. Bubnys seine Verteidigungsrede verfaßt, die wir hier folgen lassen:

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Hohes Gericht,

ich habe die verantwortungsvolle Bürgerpflicht, zu einer wichtigen Lebensfrage Stellung zu nehmen: habe ich mich durch Religionsunterricht schuldig gemacht? Da erhebt sich die Frage, ob das Bekenntnis des Glaubens (nicht ein Bekenntnis vor Bäumen und Steinen, sondern im Ange­sicht der Menschen) und damit auch dessen Verkündigung in sich schlecht und verboten ist? Wenn dies nicht verboten ist: habe ich dann das Recht und die Pflicht, es zu tun?

Der Angeklagte:

habe ich das Recht, den Eltern meinen Dienst zu versagen?

Die Organisation der Vereinten Nationen (UNO) und die Verfassung des Landes (der UdSSR) sind über den mittel­alterlichen Denkansatz wessen Regierungsgewalt, dessen Glaubensbekenntnis (cuius regio eius religio) durch Anerkennung von Gewissens- und Religionsfreiheit hinaus­gegangen. Würde ich Religionsunterricht als Schuld an­sehen, dann würde ich gegen das im Laufe der Jahrhun­derte schwer errungene Menschenverständnis und gegen den geistigen Fortschritt verstoßen. Ich respektiere das Recht der Eltern, selbst zu bestimmen, ob ihre Kinder religiös sein sollen oder nicht. Sie haben mir ihre Kinder zur Oberprüfung der Religionskenntnisse von selbst gebracht. Für niemanden war ein Tag festgelegt, wann er seine Kinder bringen sollte. Um für die berufstätigen Menschen Zeit zu sparen, mußte man sich dem Fahrplan des einzigen über Girkalnis fahrenden Omnibusses anpassen. Funktionäre und ihre Verordnungen auf diese Weise bewußt zu mißachten, war nicht meine Absicht.

Außer meinen Pflichten gegenüber dem Staat habe ich als Priester und Pfarrer noch Pflichten gegenüber Religion und Kirche, die mich gewissensmäßig binden. Eine wesent­liche,   von Christus selbst dem Priester auferlegte Pflicht ist es, das Evangelium zu verkünden, die Men­schen zu belehren und durch Spendung der Sakramente ihnen die Gnade Gottes zu vermitteln. Wenn die Sowjet­regierung das Priesterseminar (in Kaunas) noch nicht endgültig geschlossen hat, in dem Glaubenswahrheiten doziert und studiert werden, dann ist sie mit der Ver-

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Wendung der erworbenen Kenntnisse in der Glaubensunter­weisung einverstanden. Bei der Weihe verpflichtet sich jeder Priester dem Herrgott gegenüber unmittelbar, und mit dem durch den Bischof erteilten Auftrag erhält er einen von Bestimmungen der Kirche geregelten Befehl, das Volk Gottes zu unterweisen und zu heiligen. Deshalb kann er gar nicht, wenn er gewissenhaft sein will, die Aus­breitung und den Unterricht des Glaubens unterlassen, wie der h. Apostel Paulus sagt: "Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündigte!" (1 Kor. 9, 16) Die Eltern haben ebenfalls das Recht, ihre Kinder im Glauben zu unterweisen. Wenn sie durch ihre persönlichen Spenden den Priester unterhalten, hat dann der Priester das Recht, den Eltern seinen Dienst zu versagen? Was wäre das für ein Unsinn, das Recht und die Mittel zu haben, deren Gebrauch aber zu verbieten?! Das käme doch einem Menschen gleich, dem man zwar erlaubt, einen Hammer in der Hand zu halten, den man aber zwingt, die Nägel mit der Faust einzuschlagen. Eine solche Forderung widerspricht dem Urteil des gesunden Menschenverstandes, und deshalb ist es nicht zu verwundern, daß sie der Mehrheit der Bevölkerung total unverständlich bleibt.

Der Angeklagte:

habe ich das Recht, meine Pflicht zu unterlassen?

Wenn schon ein jeder anständige Mensch den Forderungen der Wahrheit und Sittlichkeit gegenüber nicht gleich­gültig bleiben darf, dann darf erst recht ein Priester nicht schweigen, dem durch Christus die Erkenntnis der göttlichen Wahrheit gegeben ist. Denn es ist kein ande­rer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, durch den wir gerettet werden sollen, als nur der Name Jesu (vgl. Apg. 4, 12). Die Lehre Christi ist die Grundlage der menschlichen Kultur und des Wohlergehens. Um soviel mehr die vernünftigen Wesen die unvernünftigen überra­gen, um soviel wertvoller ist die geistige Kultur im Vergleich zur materiellen. Menschengesetze werden durch Zeit und Ort geändert - ja sie werden ins Gegenteil von früheren verkehrt. Die Gesetze Christi dagegen stützen sich auf die menschliche Natur selber und werden nicht erlöschen, solange der Mensch lebt. Die Geschichte Christi ist mit seinem Tod am Kreuz nicht beendet. Er lebt ewig. Das bezeugt auch hier dieser Tag. Er kommt, wie besprochen, ohne zu zögern, mit einer großen Macht

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und Herrlichkeit wie einer, dem alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Im gehören sowohl alle Gläubigen als auch alle Ungläubigen, wie groß ihre Zahl auch sein mag. Die Wurfschaufel ist in seiner Hand, und er wird die Spreu vom Weizen scheiden.

Dieser Tatbestand zwingt mein Gewissen, sich nicht wegen angeblicher Vergehen zu ängstigen, weil ich Kinder in Glaubenswahrheiten unterrichtet habe, sondern höchstens wegen meiner Nachlässigkeit in der Erfüllung dieser so wichtigen Pflichten. Denn wenn man die ganze von den An­klägern berechnete Zeit zusammenzählt, dann bleiben für die Überprüfung der nötigsten Kenntnisse (zum Empfang der Erstkommunion) eines jeden Kindes keine zehn Minuten übrig. Kann man da noch von Unterricht sprechen?

Meine einzige Rechtfertigung ist die, daß der Bischofs­besuch in Raseiniai zu kurzfristig angekündigt wurde. Ich kann mir weder Verdienste vor Gott noch eine Schuld vor dem Gesetz zuschreiben.

Wenn ich heute öffentlich sagen muß, ob ich Religions­unterricht erteilt habe, so kann ich das weder leugnen noch bedauern, denn das wäre Verwirrung des Gewissens und Mißachtung der Rechte des Schöpfers um menschlicher Gesetze willen. Wenn Menschengesetze nicht mit den vom Schöpfer gegebenen Naturgesetzen übereinstimmen, dann ist nicht die Natur im Irrtum sondern der Menschenver­stand. Und darunter leiden die Menschen und werden auch fernerhin leiden, bis sie eingesehen haben, wo sie in Abweichung vom Plane des Schöpfers Fehler gemacht haben.

In dieser für mich, einen Erdenstaub, bestimmten feier­lichen Stunde kann ich Jesus nicht verleugnen, der uns liebt und ermahnt, die Kleinen nicht zu hindern, daß sie zu Ihm kommen. Ich will sagen: Gelobt sei Jesus Christus!

Einen Monat nach der Verurteilung, am 9. Dezember 1971, bestätigte das Oberste Gericht das Urteil des Volksge­richts von Raseiniai.

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Beschwerdeschrift der Gläubigen an Moskau: wir haben den Pfarrer gebeten ...

 

Die Gläubigen der Pfarrei Girkalnis und der Nachbar­pfarreien haben das dem Priester zugefügte Unrecht schmerzlich empfunden. Von den Ortsbehörden enttäuscht, haben sie sich an den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets und an den Generalstaatsanwalt der UdSSR mit einer Erklärung gewandt.

Erklärung

Am 12. November 1971 wurde in Raseiniai (Litauische SSR) der Priester Prosperas Bubnys, wohnhaft im Rayon Rasei­niai, Pfarrei Girkalnis, zu einem Jahr Gefängnis verur­teilt. Am 9. Dezember hat das Oberste Gericht der Litau­ischen SSR dieses Urteil bestätigt.

Seine "Schuld" bestand darin, daß er gewissenhaft seine Pflichten erfüllt hat: er hat den Eltern geholfen, ihre Kinder auf die Erstkommunion und Firmung vorzubereiten.

Wir können nicht glauben, daß dies kein Irrtum gewesen sei. Unsere Verfassung garantiert doch Religions- und Gewissensfreiheit, und das Dekret Lenins über die Tren­nung von Kirche und Staat sagt: "Die Bürger haben das Recht, Religion aus eigener Initiative zu lernen." Aus eigener Initiative hat unser Pfarrer auch gelehrt. Er ist doch nicht in die Schule gegangen, um die Kinder zu unterrichten. Genau das Gegenteil ist geschehen: Vertre­ter des Exekutivkomitees vom Rayon Raseiniai sind zu­sammen mit geladenen Lehrern regelrecht in die Kirche eingedrungen, wo sie auf den Pfarrer (zur Oberprüfung der Glaubenskenntnisse) wartende Kinder vorgefunden und Lärm gemacht haben. Die Vertreter haben auf die aufge­schreckten Kinder eine Jagd veranstaltet und sie dann durch das Städtchen zum Feuerwehrschuppen geschleppt. Dort wurden sie eingesperrt und unter Einschüchterungen gezwungen, gegen den Pfarrer gerichtete Erklärungen zu schreiben.

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Eingeschüchtert, erschrocken und weinend haben die Kinder die Erklärungen niedergeschrieben, ohne die Worte "lehren" und "überprüfen" unterscheiden zu können. Das haben die Feinde der Gewissensfreiheit ausgenutzt, um dem Pfarrer einen systematischen Unterricht von Kindern zur Last zu legen. Na, und selbst wenn der Priester belehrt hat, sie sollen nicht stehlen, nicht ausgelassen sein, ihre Eltern ehren und den Nächsten lieben - ist das denn ein Ver­brechen? Aus eigener Lebenserfahrung sehen wir doch deut­lich, daß im Glauben erzogene Kinder zu besseren Men­schen werden, ohne schlechte Gewohnheiten. Deshalb wollen wir ja auch unsere Kinder so erziehen, wir haben aber keine Lehrbücher, aus denen wir unsere Kinder in Glau­benswahrheiten unterrichten könnten. (In den Jahren des sozialistischen Litauen wurden kein einziges Mal Kate­chismen oder andere Lehrbücher für Religion herausge­geben). Es blieb nur noch der einzige Ausweg: den Pfarrer zu bitten, er möge uns helfen. Aber leider ist unser Pfarrer für diese religiöse Hilfe zu Gefängnis verurteilt worden.

Die Gläubigen klagen an: Den Atheisten werden mehr Rechte auf Kinder als den Eltern eingeräumt

Durch diese Willkür von Atheisten und Regierung fühlen wir gläubigen Menschen uns zutiefst gekränkt und ernied­rigt, denn durch solchen Zwang wird die Ungleichheit der Gläubigen gegenüber den Ungläubigen vor dem Gesetz be­wiesen. Nur Atheisten haben die Möglichkeit, ihre Kinder ungehindert, d.h. atheistisch, zu erziehen, den Gläubigen aber werden sämtliche Rechte und Möglichkeiten, ihre Kinder nach eigener Oberzeugung zu erziehen, genommen. Ja, mehr noch, den Atheisten werden größere Rechte einge­räumt als den Eltern selber; sie dürfen sich in die Er­ziehung unserer Kinder einmischen; sie bemühen sich, fremde Kinder durch Zwang zu Gottlosen zu machen, ver­treiben sie aus den Kirchen, schüchtern sie ein, ge­statten ihnen nicht, zur Erstkommunion zu gehen, und einen Priester, der auf Bitten der Eltern "aus eigener Initiative" die Kinder in Glaubenswahrheiten und Sitten­gesetz unterwiesen hat, bestrafen sie sogar mit Gefäng­nis.

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Wir bitten Sie, eine solche Willkür nicht zuzulassen, derzufolge unsere - der Eltern - Rechte auf die eigenen Kinder verletzt werden. Wir bitten um Gewissensfreiheit und Gleichberechtigung, wie Lenin es versprochen hat und wie die sowjetische Verfassung es verkündet.

Wir bitten, Katechismusausgaben drucken zu lassen, damit wir unsere Kinder unterrichten können.

Wir bitten, den Priestern zu erlauben, in der Kirche Kinder in Glaubenswahrheiten unterrichten zu dürfen - und sich damit an das Dekret Lenins zu halten.

Ebenso bitten wir Sie um Ihre Hilfe, damit Pfarrer P. Bubnys aus dem Gefängnis freigelassen wird.

 

 

 

P. S.   Diese Erklärung haben 1344 Gläubige aus dem

Rayon Raseiniai unterzeichnet, davon 570 aus der Pfarrei Girkalnis, 43 Seiten Unterschriften werden dieser Erklärung beigefügt.

Antwort erwarten wir an folgende Adresse:

Litauische SSR, Rayon Raseiniai Girkalnis, Lukinskaite Blazė Kazimierskytė Anelė.

den 11. Dezember 1971

 

 

Moskau antwortet nicht:

Obwohl die Einwohner von Girkalnis gebeten hatten, ihre Rechte zu verteidigen und Pfarrer P. Bubnys aus dem Ge­fängnis freizulassen, hat die Sowjetregierung diese Stimme des Volkes trotzdem überhört.

Und Pfarrer P. Bubnys ißt mittlerweise das Gefängnisbrot im Lager strengen Regimes von Kapsukas und beklagt sich

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nicht Uber sein Schicksal. Anläßlich des Weihnachtsfestes schrieb er: "Als ich ins Gefängnis gekommen bin, habe ich mich teilweise nach Ihm gesehnt und über die Möglichkeit gefreut, mich von der Welt zu trennen, allen unbekannt zu werden und bewußt den Geist der Buße und des Opfers anzu­nehmen ..."

 

VERFOLGUNG DES PFARRERS VON VALKININKAI, ALGIMANTAS KEINA

Administrative Strafe:

Am 28. September 1970 belegte die Kommission für admini­strative Strafen im Rayon Varena den Pfarrer von Valki­ninkai, Hochw. A. Keina, mit einer Strafe von 50 Rubeln wegen Verletzung der "Gesetze über religiöse Kulte". Pfarrer A. Keina stellte bei der Strafkommission beim Volksgericht von Varena den Antrag, die ungerechte Be­strafung rückgängig zu machen.

Er wandte sich an das Rayongericht:

Am 3. November 1970 behandelte das Volksgericht des Rayon Varena den Prozeß von Hochw. A. Keina. Anwesend: der Gerichtsvorsitzende Volksrichter J. Burokas -der Beklagte der stellvertretende Vorsitzende des Exe­kutivkomitees des Deputiertenrates der Werktätigen des Rayon Varena, J. Visockis.

Das Gericht verwarf den Einspruch aus folgenden Gründen:

1. "Am 4. Juli 1970 wurden in der Sakristei der Kirche von Valkininkai drei Kinder auf die Erste Kommunion vorbe­reitet, die von der Bürgerin E. Kuraitytė kollektiv unterrichtet wurden."

2. "Am30. August 1970 machte Pfarrer A. Keina öffentlich bekannt, daß eine Messe für die Schüler gefeiert wird."

3. "Am 6. September 1970 erlaubte Pfarrer A. Keina, daß zwei minderjährige Knaben bei der Messe ministrierten."

Andere Gründen sich weniger wichtig.

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An das Oberste Gericht

Daraufhin wandte sich Pfarrer A. Keina an den Vorsitzen­den des Obersten Gerichtes der Litauischen SSR und be­gründete, warum er den Beschluß des Volksgerichts des Rayon Varena für ungerecht halte:

1. "Bürgerin E. Kuraitytė hat die Kinder nicht unter­richtet, denn sie arbeitet als Putzfrau in der Kirche Als die Eltern den Priester in der Kirche nicht vor­fanden und sie fragten, welche Fragen der Priester den Kindern stelle, zeigte sie die einschlägigen Fra­gen im Katechismus. Ist der Pfarrer dafür verantwort­lich?"

2. "Im Monat August, während des Hochamts (am Sonntag), wurde auf Bitten der Eltern die Messe für ihre Kinder gefeiert, damit sie gut, fleißig und vorbildlich wür­den. Seit wann werden Strafen verhängt für Gebete in der Kirche in edler Intention? Für Eltern und Kinder zu beten ist Pflicht des Priesters."

3. "Es gibt kein Gesetz, das Minderjährigen den Mini­strantendienst bei der hl. Messe verbietet. Die Kin­der sind freiwillig gekommen, mit Einverständnis der Eltern. Der Pfarrer hat kein Recht, Eltern oder Kinder aus der Kirche zu vertreiben, die zum Beten kommen. Jeder betet dort, wo er will: an der Tür oder am Altar."

Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Obersten Gerich­tes der Litauischen SSR,Čapskis, erwiderte: "Aus den beigefügten ergänzenden Tatbeständen ist zu schließen, daß die Kommission das Recht hatte, Sie wegen Verletzung des Kultgesetzes zu bestrafen."

 

An die Staatsanwaltschaft in Moskau

Am 5. November 1971 wandte sich Hochw. Keina an die Staatsanwaltschaft in Moskau, die antwortete, daß der Pfarrer zu Recht bestraft wurde. Die Staatsanwaltschaft hat fahrlässig die Tatsache übersehen, daß die Kommis­sion für administrative Strafen im Rayon Varena sogar das Datum fälschte, um den Pfarrer bestrafen zu können:

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in Wirklichkeit war die Akte wegen des "Unterrichts" von drei Kindern 1968 angefertigt, die Kommission aber setzte das Datum 1970 ein in der Erkenntnis, daß die Strafe nur innerhalb der Frist von einem Monat nach dem Tag des Ver­gehens verhängt werden kann.

Am 4. Oktober 1971 belegte dieselbe Kommission des Exe­kutivkomitees des Rayon Varena den Pfarrer von Valkinin-kai zum zweiten Mal mit einer Strafe von 50 Rubeln dafür, daß er Minderjährige zum Ministrieren bei der hl. Messe zuließ. Während der Sitzung der Kommission wurde Pfarrer Keina nicht erlaubt, sich zu rechtfertigen.

Der Pfarrer wandte sich wiederum an das Volksgericht, um die Annullierung der Strafe zu erreichen. Die erste Ge­richtssitzung fand am 15. November 1971 in Varena statt. Pfarrer Keina erklärte, daß er die Kinder nicht organi­siert und ihnen keinen Ministrantenunterricht gegeben habe - die Kinder seien auf eigenen Wunsch mit Erlaubnis der Eltern gekommen. Der Pfarrer wies darauf hin, daß die Verordnung des Präsidiums des Obersten Sowjets der Litauischen SSR vom 12. Mai 1966 den Minderjährigen das Ministrieren beim Gottesdienst nicht verbietet, während er auf Grund dieser Verordnung bestraft worden sei. Gemäß § 85 der Verfassung der Litauischen SSR und § 8 der Ergänzung des Civil-Kodex muß das Gericht nur dem Gesetz gehorchen, nicht aber irgendwelchen Instruktionen.

Weil keine schriftlichen Beweise vorhanden waren, daß der Pfarrer die Kinder zum Ministrieren bei der Messe organi­siert hatte, wurde die Gerichtssitzung vertagt.

Die zweite Sitzung fand am 7. Dezember 1971 statt. Dem Gericht wurden zwei schriftliche Beweisstücke vorgelegt, daß Pfarrer Keina die Kinder zum Altardienst organisiert habe.

Aber die Beweisstücke waren gefälscht

Der Pfarrer wies nach, daß die Zeugenaussage des Knaben Vytas Kazlauskas unrichtig war, denn sie war mit der Hand von J. Visockis geschrieben und die Unterschrift durch die Drohung erpreßt, daß andernfalls die Note in Betragen herabgesetzt werde.

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Auch der Knabe selbst bezeugte dem Gericht unter Tränen, daß er eingeschüchtert worden sei und deshalb das von J. Visockis aufgesetzte Schreiben unterzeichnet habe.

Der zweite schriftliche Beweis war die Beschwerdeschrift der Direktorin der Mittelschule von Valkininkai und zweier Lehrer gegen den Pfarrer, daß er sich mit den Kindern beschäftige und dadurch die atheistische Erzie­hung behindere. Hochw. Keina erklärte, daß die Beschwer­deschrift gefälscht sei, denn einer der angegebenen Lehrer habe die Beschwerdeschrift nicht unterschrieben, seine Unterschrift sei gefälscht worden. Außerdem wies der Pfarrer darauf hin, daß die Instruktionen, auf Grund deren er bestraft worden sei, keine Gesetzeskraft hätten, denn sie seien nirgendwo veröffentlicht und auf dem Ein­band stehe sogar die Aufschrift: "Nicht zur Veröffent­lichung in der Presse."

Die Rede des Staatsanwalts vor Gericht hatte mehr Ähn­lichkeit mit einer atheistischen Vorlesung und wies einen Unterton böser Androhungen auf. "Was wird dann, wenn die Eltern selber ihre Kinder unterrichten werden?" fragte er aufgeregt und unterstrich dadurch die Recht­losigkeit der Eltern an der Erziehung ihrer Kinder.

Das Gericht bestätigte dann, daß der Pfarrer zu Recht bestraft worden sei. Der einzige "Beweis" die Zeugen­aussage eines unter Zwang gesetzten Kindes, die dieses bei Gericht unter Tränen widerrief.

Der Saal war voll von Gläubigen. Während der Gerichtsver­handlung weinten die Menschen, denn sie vermochten nicht als gleichgültige Zeugen von Lug und Trug dabei zu sein. Nach Verkündigung des Gerichtsurteils waren alle so auf­gebracht, daß die Beamten vorsichtshalber sogar die Miliz alarmierten.

Weil der Pfarrer auch nach dem zweiten Gerichtsurteil die Kinder nicht vom Altar ferngehalten habe, wurde dem Vorsitzenden des Pfarrkomitees von Valkininkai ein Schreiben aus dem Rayon zugestellt, in dem angedroht wurde, daß die Kirche inValkininkai geschlossen werden könnte, wenn Pfarrer Keina auch weiterhin die Kultge­setze übertreten werde.

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Keine Drohungen, Gerichtsurteile und andere Verfolgungen können diejenigen brechen, die entschlossen sind, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen.

 

 

VERFOLGUNG DES PRIESTERS ANTANAS ŠEŠKEVIČIUS

Nach Verbüßung der Strafe wird er immer noch bestraft

 

Priester A. Šeškevičius wurde für religiöse Unterweisung von Kindern vom Volksgericht des Rayons Molėtai am 9. September 1970 zu einem Jahr Gefängnis im Lager strengen Regimes verurteilt. Nach Verbüßung der Strafe am 9. September 1971wandte er sich an den Verwalter des Bistums Kaišiadorys mit der Bitte um Anstellung in einer Pfarrei. Der Bevollmächtigte des Rates für religiöse An­gelegenheiten verweigerte ihm den Registrierungsausweis und befahl ihm, eine Arbeit in einem anderen Beruf auf­zunehmen, mit der Begründung, er halte die sowjetischen Gesetze nicht ein. Daraufhin wandte sich Hochw. Šeške­vičius an den Vorsitzenden des Ministerrates der Litau­ischen SSR.

"Wenn ich auch gegen die sowjetischen Gesetze verstoßen habe, dann habe ich aber die auferlegte Strafe verbüßt und dazu noch eine gute Charakterbeurteilung erhalten. Und außerdem wurden bei der Entlassung meine Rechte nicht eingeschränkt, warum werde ich dann ohne jedes Gerichts­urteil wiederum bestraft, uns sogar noch lebenslänglich? Auch die größten Tyrannen weisen, wenn sie einen Menschen bestrafen, auf den Gesetzesparagraphen, den Straftermin und die Berufungsinstanz hin. Nur mir wird dieses Wissen vorenthalten. Gibt es einen Staat auf der Welt, der eine solche Behandlung seiner Untertanen zuließe? Wie ist das mit der Erklärung der Menschenrechte zu vereinbaren, die auch von der Sowjetunion unterzeichnet wurde?

Das Verbot, meine priesterlichen Pflichten zu erfüllen, verleitet mich zu strafbaren Handlungen, denn ich bleibe ein Priester, und ich werde nicht umhin können, einige Priesterpflichten zu erfüllen, das wird der Staat als illegale Arbeit ansehen, und mich erwartet erneut das Gefängnis.

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Das Schreiben von Hochw. Šeškevičius blieb ohne Antwort. Daraufhin wandte er sich an den Staatsanwalt der Litaui­schen SSR, aber auch diese Behörde gab keine Antwort. Fast schon ohne jede Hoffnung wandte sich Hochw. Šeške­vičius an den Generalstaatsanwalt der UdSSR, an das Komitee des Gelehrten Sacharov zur Verteidigung der Men­schenrechte, wurde zweimal persönlich beim Rat für reli­giöse Angelegenheiten vorstellig und verhandelte mit hohen Funktionären. Schließlich versprach man, ihm eine Stelle im Bistum Telšiai zu geben.

So wurde also der Priester Šeškevičius sogar nach Verbüs-sung seiner unverdienten Strafe noch ein halbes Jahr lang diskriminiert. Die Sowjetregierung wollte diesen Priester brechen und die anderen   -   einschüchtern, damit sie voller Furcht nicht Gottes, sondern ihren Willen erfüllen.

Zur Freude der Gläubigen Litauens gibt es noch viele geistliche Führer, die ihrer Berufung treu und zu jedem Opfer für das Heil der Seelen und die Ausbreitung des Reiches Christi bereit sind.

 

 

EREIGNISSE IN MARGININKAI

BESTRAFUNG DES PFARRERS PETRAS ORLICKAS

Am 3. Dezember 1971 wurde der Pfarrer von Margininkai, Petras Orlickas, dafür bestraft, daß er § 143 des Straf­gesetzbuches der Litauischen SSR verletzt habe - er hat mit den Kindern Netzball gespielt!

Im Beschluß der Administrativkommission des Rayon Kaunas steht geschrieben, daß der Priester Orlickas mit den Kin­dern gearbeitet (Sport getrieben, Netzball gespielt), ihnen Dias gezeigt hat usw.

Die Atheisten ,und Parteifunktionäre haben lange Zeit die
Kinder gleicham übersehen, die auf dem Platz vor dem
Kontor des Kolchos ungesittet gespielt und geflucht haben.
Der Pfarrer hat es gesehen und einen Spielplatz für Netz-
ball eingerichtet. Hier haben nicht einmal die größten
Rowdys geflucht.     

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Was hat die Rayonregierung von Kaunas, die Parteifunktio­näre und einige Lehrer in Unruhe versetzt? Bei der Beer­digung eines Schülers sah man in der Kirche viele Schü­ler. Die Lehrer versuchten sogar, die Schüler an der Hand aus der Kirche herauszuführen. Außerdem dienten bei der Messe mehrere Knaben. Der Direktorin gelang es nicht, obwohl sie sich sehr anstrengte, die Kinder vom Altare wegzuziehen. Daraufhin kamen wie gewohnt Funktionäre der Rayonregierung der sowjetischen Schule zu Hilfe. Ob es beamtete oder nichtbeamtete Mitarbeiter des Sicherheits­dienstes waren, wissen wir nicht genau, sie photogra-phierten jedenfalls die Kinder am Altare, damit diese nicht darauf kommen könnten, ihr "Vergehen" abzuleugnen. Die Regierungsfunktionäre kamen in die Schule und ver­anstalteten ein Verhör. Die Schüler wurden mit langen Fragen belästigt. Da die Kinder infolgedessen nicht zur gewohnten Zeit aus der Schule nach Hause kamen, fanden sich einige Mütter auf der Suche nach ihren Kindern in der Schule ein. über die Terrorisierung ihrer Kinder em­pört, nahmen sie diese mit nach Hause.

Der Pfarrer wurde von den Regierungsvertretern verwarnt, er solle sich nicht mit den Kindern befassen, aber die­ser wußte sehr wohl um den Befehl Christi "Laßt die Kleinen zu mir kommen", und war ihretwegen bereit, jedes Opfer auf sich zu nehmen.

Am 3. Dezember 1971 wurde Pfarrer P. Orlickas zur Sitzung der Kommission für administrative Strafen im Rayon Kaunas vorgeladen. Hier wurde er beschuldigt, er verderbe die sowjetische Jugend, und wurde mit einer Strafe von 50 Rubeln belegt. Auf die Erklärung des Pfarrers, ihm hätten sogar die Ärzte das Sporttreiben angeraten, warf der Vor­sitzende der Kommission, S. Jančiauskas, ein: "Du kannst mit der Haushälterin spielen." Während der ganzen Sitzung war der Vorsitzende taktlos und grob.

Wie zu erwarten war, wurde Hochw. Orlickas aus der Pfarrei Margininkai sofort versetzt. Das geschah auf Be­treiben des Bevollmächtigten des Rates für religiöse An­gelegenheiten - ein tatkräftiger Priester wird aus der Pfarrei entfernt, damit die Atheisten erfolgreicher den Glauben der Schüler zerstören können.

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Mit Geldstrafen, Verhören und sogar Gefängnisstrafen trachtet die atheistische Regierung, die Jugend Litauens für sich zu gewinnen. Natürlich sind das die äußersten Mittel, aber diese werden nicht selten angewendet. Ihr Ziel ist die Priester einzuschüchtern, damit sie ihre Pflichten vernachlässigen und die Kinder von der Kirche fernhalten. Manchmal wird das Ziel erreicht.

In der letzten Zeit ist folgende Entwicklung festzustel­len die Verfolgung härtet sowohl Priester als auch Eltern und Schüler ab. Es gibt immer mehr Priester, die ihre Freiheit riskieren und keine Kompromisse mit ihrem Gewissen eingehen, es gibt auch immer mehr Eltern, die begreifen, daß man die Kinder vor jeder Sorte von Verge­waltigern verteidigen muß, die mit äußeren Machmitteln den Glauben zerstören wollen. Es finden sich immer mehr Schüler, die öffentlich in der Klasse wagen, ihre Über­zeugung zu bekennen oder die Behauptungen der Atheisten zu kritisieren.

Die Glaubensverfolgung zerstört immer mehr die Autorität der Regierung, denn es wird allen klar, daß diese nicht auf die Initiative der einzelnen Atheisten zurückzuführen ist, sondern auf den Druck von Partei und Sowjetregierung Ist es nicht an der Zeit, die Diskriminierung der Gläubi­gen zu beenden, wenn man den Abstand zwischen der kommu­nistischen Partei und der gläubigen 'Öffentlichkeit etwas verringern wi11?

 

 

EINGABE VON 134 EINWOHNERN AUS PANEVĖŽYS AN MOSKAU

(in der Angelegenheit Bischof J. Steponavičius)

 

Ende 1971 reichten die Priester des Bistums Panevėžys eine Eingabe an den Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR, A. Kossygin, und den Ministerrat der Litauischen SSR ein. In der Eingabe wird hervorgehoben, daß die Diö­zese Panevėžysseit 1961 keinen Bischof mehr habe, da der letzte Bischof auf Anordnung der Regierung der Litau~ ischen SSR nach Žagare, Rayon Joniškis, verbannt worden sei. Die Priester bitten darum, daß Bischof Julijonas

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Steponavičius gestattet werde, seinen Pflichten im Bistum Panevėžys nachzugehen, da die Verfassung der Litauischen SSR und die Gesetze für gerichtlich nicht bestrafte Bür­ger derartige Rechtsbeschränkungen nicht vorsähen. Zu­gleich wird festgestellt, daß die Nichtanwesenheit eines Bischofs in einer Diözese eine große Anomalie darstelle, denn das Kirchenrecht sehe die Leitung eines Bistums durch einen Verwalter, wenn kein Bischof vorhanden sei, nur für eine kurze Zeit vor.

Die Sowjetregierung hat die Eingabe nicht beantwortet. Der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegen­heiten tadelte einige Priester und wies darauf hin, daß das Schreiben derartiger Eingaben sinnlos sei, denn sie würden nicht beachtet.

S. E. Bischof Steponavičius wird von der Sowjetregierung als illoyal betrachtet, weil er kompromißlos seine Hir­tenpflichten als Bischof erfüllt hat.

 

 

ERKLÄRUNG DER PRIESTER DES ERZBISTUMS VILNIUS

wegen der von der Regierung beteuerten Glaubensfreiheit und der faktisch durchgeführten Glaubensverfolgung

 

An den Generalsekretär des ZK der KPdSU

An den Vorsitzenden des Ministerrates der UdSSR

Abschriften :

An den Vorsitzenden des Ministerrates der Litauischen SSR

An den Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheit der Litauischen SSR

Der größere Teil der Einwohner unserer Republik setztsich aus Gläubigen zusammen. Diese könnten sehr viel aktiver am gesellschaftlichen und politischen Leben unseres Lan­des teilnehmen, wenn sie bessere Voraussetzungen dafür hätten. Die Verfassung, das Strafgesetzbuch und die in­ternationalen Konventionen garantieren den Gläubigen theoretisch die gleichen Rechte wie den anderen Bürgern. Davon ist auch in den für das Ausland bestimmten Rund­funksendungen, der Presse und den nachrevolutionären Dekreten Lenins die Rede.

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Aber in Wirklickeit ist est sehr oft anders.

 

Die Heranbildung von Priestern wird behindert

In Litauen verringert sich ständig die Zahl der Priester. Daran sind nicht die Gläubigen schuld, sondern die admi­nistrativen Störmaßnahmen der Regierung. Die Tätigkeit des einzigen Priesterseminars von Litauen, in Kaunas,wird sehr stark behindert. Die Regierung beschränkt drastisch die Zahl der Seminaristen, deshalb werden viele, die ein­treten wollen, abgewiesen. Diejenigen, die in das Seminar eintreten und studieren wollen, werden von verschiedenen Funktionären verhört und an ihrer Arbeitsstätte terrori­siert. Linter diesen Umständen gibt es einige Kandidaten, die außerhalb des Priesterseminars Theologie studieren und Priester werden, diesen gestattet aber der Bevoll­mächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten beim Ministerrat der UdSSR die Ausübung ihrer Priesterpflich­ten nicht (so ist es mit Priester Vytautas Merkys und Priester Petras Na~slenas geschehen).

Ist das normal? Dabei behauptet J. Rimaitis in seiner Schrift Religion in Lithuania, die als Information für das Ausland bestimmt ist (Verlag Gintaras, Vilnius, 1971), daß die Regierung der Ausbildung von Neupriestern keine Hindernisse in den Weg legt" (S. 21).

Gebetbücher werden nicht herausgegeben

Die Sowjetregierung verbreitet auf der ganzen Welt, daß "die Kirche frei die Mittel der religiösen Propaganda nutzen kann" (o. c, S. 30). Aber in Wirklichkeit ist es nicht so. Die Gläubigen Litauens haben keine eigene Presse, können nicht den Dienst von Rundfunk und Fern­sehen in Anspruch nehmen, haben nicht einmal das ein­fachste Handbuch für Glaubenswahrheiten. "Jeder Bürger kann Gebetbücher, die hl. Schrift und andere religiöse Literatur kaufen", schreibt J. Rimaitis weiter (S. 24). In Wirklichkeit ist jedoch die hl. Schrift überhaupt nicht gedruckt worden, auch nicht die für das gläubige Volk nötigen religiösen Bücher. Die vor Jahren in einer klei­nen Auflage herausgegebenen Gebetbücher sind schon lange nicht mehr zu haben. Und davon hätten wir mehr als eine halbe Million Exemplare nötig.

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Die Priester in ihrer Pflichterfüllung behindert

Die Sowjetpresse schreibt, daß die kanonische Tätigkeit der Kirche bei uns ungehindert sei. Dabei sind es schon mehr als zehn Jahre, daß Bischof Julijonas Steponavičius und Bischof Vincentas Sladkevičius an der Ausübung ihrer Hirtenpflichten gehindert werden. Ebenso müssen die Prie­ster, die ihre Strafe abgebüßt haben (sogar nach Tilgung des StrafVermerks), manchmal jahrelang warten, bis der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten sich dazu herabläßt, ihnen die Ausübung her Priester­pflichten zu gestatten.

Dekrete Lenins werden übertreten

Das Dekret Lenins vom 23. Januar 1918 erlaubt, den Kin­dern privat Religionsunterricht zu erteilen. Priester und Gläubige, die durch Zeitunglesen auf dem laufenden sind, wissen, daß die Dekrete Lenins auch jetzt noch in Kraft sind. Und mittlerweile sind doch schon mehrere Priester und Laien (Hochw. A. Šeškevičius,Hochw. Juozas Zdebskis, Hochw. Prosperas Bubnys, Ona Paškevičiūte nur deshalb zu Zwangsarbeitslager verurteilt worden, weil sie kanonische Pflichten erfüllt haben -sie haben im Kirchenraum Kinder zur ersten hl. Kommunion vorbereitet.

Obwohl nach der am 15. November 1961 von der UdSSR unter­zeichneten internationalen Konvention den Eltern die Mög­lichkeit der religiösen und moralischen Erziehung ihrer Kinder nach ihrer Weltanschauung garantiert werden muß, verbieten die Regierungsorgane in unserem Lande manches Mal sogar eine passive Beteiligung der Kinder (sowohl der Knaben als auch der Mädchen) am Gottesdienst, obwohl die Eltern das wünschen und verlangen. In den Schulen unseres Landes werden die Kinder gezwungen, verschiedene Fragebo­gen auszufüllen, die mit der Gewissensfreiheit unverein­bar sind, und öffentlich über ihre religiöse Überzeugung zu berichten. Ihnen wird die Tätigkeit der katholischen Kirche falsch dargestellt, die antikirchliche Literatur wird ihnen unter Zwang zur Lektüre aufgenötigt. Wegen des Kirchenbesuches werden sie verhöhnt und sogar be­straft. Mittels moralischer Nötigung werden sie in anti­religiöse Zirkel eingeschrieben.

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Die Gläubigen werden am Arbeitsplatz diskriminiert

Die erwachsenen Gläubigen haben ebenfalls wegen ihrer religiösen Überzeugung oft manches auszustehen. Zu höheren Ämtern werden sie nicht zugelassen. Denjenigen, die als Gläubige verdächtig sind, droht man mit Kündi­gung, und es wird ihnen auch unter allen möglichen Vor­wänden gekündigt. So durfte die Lehrerin der Mittel­schule von Vilkaviškis, Ona Briliene, obwohl sie nach dem Urteil des Obersten Gerichtes der Litauischen SSR an ihrem Arbeitsplatz wiedereingestellt werden sollte (weil sie nur wegen Kirchenbesuch entlassen worden war) nicht einmal als Putzfrau in dieser Stadt weiter arbei­ten. Und überhaupt ist die Haltung der Volksgerichte gegenüber den Gläubigen bei der Urteilsfindung höchst merkwürdig: die Gerichte (und ähnliche Institutionen) stützen sich oft auf irgendwelche (sogar den sowjeti­schen Juristen unbekannte) Instruktionen und bestrafen deren Nichteinhaltung (z.B. in den Prozessen gegen Hochw. Šeškevičius in Moletai, gegen Hochw. Zdebskis in Kaunas, gegen Hochw. Keina in Varena). In den Verhand­lungen der sowjetischen Gerichte werden Kinder gegen ihren eigenen Willen und gegen den ihrer Eltern verhört zu Zeugenaussagen gezwungen und manchmal sogar zu fal­schen Zeugenaussagen (so z. B. im Prozeß gegen Hochw. Keina bei der Verhandlung des Volksgerichtes Varena am 7. Dezember 1971.

Bitten an die Regierung

Desha1b bitten wir:

1. Dem Priesterseminar von Kaunas ein freies Wirken zu gestatten und alle für die Kirche tauglichen Kandi­daten aufzunehmen.

2. Die von der Verfassung der UdSSR garantierte Frei hei der religiösen Presse praktisch zu verwirklichen, d. den Druck von Gebetbüchern, Katechismen, Gesangbü­chern, der hl. Schrift und anderen religiösen Bücher zu gestatten, weil das Volk deren Mangel verspürt un sie verlangt.

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3. Den Bischöfen Julijonas Steponavičius und Vincentas
Sladkevičius 
die Erfüllung ihrer bischöflichen Pflich-
ten zu gestatten und alle Priester, die in unserem
Lande wohnen (unter ihnen auch die Ukrainer), ihre
priesterliche Tätigkeit frei und öffentlich ausüben

zu lassen.

4.  Den mit der internationalen Konvention vom 15. Novem­ber 1961 und mit der Verfassung der Sowjetunion un­vereinbaren erläuternden Text des Paragraphen 143des Strafgesetzbuches der Litauischen SSR: "Organisierung von Übungen des Religionsunterrichts für Minderjährige unter Verletzung der von den Gesetzen festgelegten Regeln" zu widerrufen, mit dem die Volksgerichte unse­res Landes Mißbrauch treiben.

5.  Alle uns unbekannten Geheiminstruktionen, die das reli­giöse Leben betreffen, zu annullieren.

6.  Die Prozesse der wegen ihres Glaubens Verurteilten zu revidieren und sie freizusprechen.

 

Wir bitten Sie, die in dieser Erklärung vorgetragenen An­liegen in Moskau zu entscheiden, denn die früheren Erklä­rungen der Gläubigen, die von Moskau nach Vilnius über-sandt wurden, behandelte man nicht sachlich, und für die Gläubigen brachte das neue Unannehmlichkeiten.

Diese unsere Beschwerden sind gestützt durch viele schmerzliche Fakten, von denen wir nach Bedarf noch mehr vorbringen könnten.

24. Dezember 1971

Unterschriften folgender Priester:

R.        Blažys, B. Budreckis, A. Merkys, D. Valiukonis,

C.        Taraškevičius,_A. Ulickas,_J. Kardelis, J. Jakutis,

J. Grigaitis, K. Žemėnas, A. Čiūras, K. Garuckas,

V. Miškinis, A. Petronis, A. Simonaitis, B. Laurinavičius, M. Žemaitis, J. Kukta, K. Vaicionis, J. Baltušis,

B. Jaura, K. Pukėnas, J. Vaitonis, A. Dzekan, A. Akstinas,

L. Ivančyk, I. Karukievič, P. Jankus, A. Lakovič,

K. Molis, P. Valičko, S. Valiukėnas, V. Merkys, P. Dau-

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noras, V. Černiauskas, A. Tamulaitis, V. Zavadzkis, A. Keina, A. Jasmantas, M. Jaura, J. Budrevičius, S. Tunaitis, M. Petravičius, N. Pakalka, K. Vasiliaus­kas, J. Lauriunas, A. Anriuškevičius.

Eine Antwort bitten wir an folgende Adressen zu senden:

1.   SSR Litauen, Rayon Švenčionys, Post Adutiškis, Pr. B. Laurinavičius

2.   SSR Litauen, Rayon Vilnius, Post Nemenčine, Pr. K. Pukenas

span class="FontStyle41">3.   SSR Litauen, Rayon Zarasai, Post Tilžė, Pr. R. Blažys.

 

Der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegen­heiten wertet die Bemühungen der Priester, mehr Gewis­sensfreiheit und Glaubensfreiheit zu erlangen, als Frech­heit.

 

 

DER PROZESS GEGEN KLEOPA BICIUCAITE

Gefängnis für die Vorbereitung von Kindern auf die Erstkommunion

Am 13. Januar 1972 führte das Volksgericht in Naujoji Akmene den. Prozeß gegen die siebzigjährige Kleopa Bičiu-čaite aus Zagare. Sie verstieß gegen die sowjetischen Ge setze, weil sie Kinder zur Erstkommunion vorbereitet hat Zur Erhärtung ihres Vergehens wurden 27 Zeugen geladen, meistens sieben- bis vierzehnjährige Kinder. Da K. Bičiu-čaite selbst bekannte, daß sie im Monat Juli 1971 inner­halb von sechs Tagen den Kindern die Gebete beigebracht habe, waren diese Zeugen überflüssig - sie störten nur eine zügige Gerichtsverhandlung, denn ihre Aussagen ware sehr widersprüchlich. Als die Richterin eingesehen hatte daß die einen Kinder das verneinen, was die anderen be­haupten, begann sie die politische Einstellung der Kinde zu prüfen: wie viele von ihnen zur Organisation der Pio­niere gehörten. Nur vier sagten, sie seien Pioniere.

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Der Staatsanwalt erinnerte in seiner Rede daran, daß die Verfassung allenBürgern gestattet, irgendeine Religion frei zu bekennen oder Atheisten zusein. Niemand werde diese Freiheit beschränken oder Zwang ausüben. Aber die sowjetische Ordnung bekämpfe Religion und Verdummung, denn sie könne nichtdulden, daß die Religion die Bürger verdumme. Nach der Verfassung sei dieKirche vom Staat getrennt und die Schule von der Kirche. Die Angeklagte Bičiučaitė habe aber solche Gebete gelehrt, wie: Vater unser, Gegrüßet seistdu Maria, Ich glaube an Gott, Engel des Herrn, Zehn Gebote Gottes. Das könnedie sow­jetische Ordnung nicht zulassen. Sie könne nicht zulas­sen, daß irgendjemand die Kinder anders unterrichte, als diese in der Schule unterrichtetwürden.

Der Staatsanwalt beschuldigte die Lehrer, daß durch ihre Nachlässigkeit vieleKinder nicht in die Organisation der Pioniere einbezogen würden. Erkritisierte und verurteilte die Parteimitglieder wegen Mangel an politischerBewußt­heit, denn auch ihre Kinder hätten die Glaubenswahrhei­ten gelernt.

Zum Schluß seiner Rede schlug der Staatsanwalt vor, K. Bičiučaitė mit einemJahr Gefängnis zu bestrafen.

Kleopa Bičiučaitė erklärte in ihrem letzten Wort, daß sie die Kinder aufBitten der Eltern unterrichtet habe und daß es den Eltern, die selbst ihreKinder nicht unterrich­ten könnten, erlaubt sei, die Hilfe eines anderenMenschen zu erbitten. Diese Hilfe habe sie den Eltern auch gewährt. Undaußerdem habe sie den Kindern Gutes beigebracht: nicht stehlen, nicht lügen,ihren Eltern zu gehorchen ...

Das Gericht verkündete folgendes Urteil: K. Bičiučaitė wird auf ein Jahr dieFreiheit entzogen.

Nach der Urteilsverkündung verhafteten die Milizmänner die Greisin sofort undbrachten sie auf das Revier, damit sie die Kinder des Volkes nicht mehr sounterrichten könne, wie das Volk es wolle.

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DIE BESTRAFUNG DES PRIESTERS P. LYGNUGARIS 

Für einen Krankenbesuch im Krankenhaus

 

Am 9. Dezember 1971 besuchte der Priester der Pfarrei Akmene, PetrasLygnugaris, im Krankenhaus von Akmene einen Schwerkranken. Als der leitendeArzt dies fest­stellte, unterbrach der die Versorgung des Kranken, beschimpfteden Priester und trieb ihn aus dem Kranken haus. Am 28. Dezember wurde Hochw.P. Lygnugaris zum Exekutivkomitee von N. Akmene zitiert und für den Besu imKrankenhaus mit einer Strafe von 50 Rubeln belegt.

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