Die „Chronik der LKK" berichtete schon von den Verurteilungen der litau­ischen Gläubigen: P. Plumpa, P. Petronis, J. Stasaitis, V. Jaugelis, J. Gražys und N. Sadūnaitė. Diese Menschen wurden wegen der Vervielfältigung reli­giöser Literatur, der Chronik und ähnlicher Veröffentlichungen verurteilt. Mitte Juli 1975 bekam nun die „Chronik der LKK" genaue Informationen über P. Plumpa-Plurys Schicksal im Arbeitslager im Gebiet Perm. Fast das gleiche Schicksal ereilte Povilas Petronis, Juozas Gražys und Nijolė Sadū­naitė.

Vor der Deportation nach Rußland wurde P. Plumpa eine Woche in strenger Keller-Einzelhaft gehalten (Karzer). Auf dem Transport von Vilnius kam er mit kriminellen Häftlingen zusammen, obwohl die politischen Häftlinge nicht mit diesen Verbrechern zusammengelegt werden dürfen. Zwei Monate lang hat man Plumpa unter den Mördern und Räubern eingesperrt, die ihm mit allen Mitteln ihre tierische Art zu spüren gaben. Die einen rissen ihm die guten, warmen importierten Schuhe von den Füßen, andere zogen ihm den gesteppten Mantel aus, wieder andere zogen ihm die Mütze vom Kopf und die Handschuhe von den Händen. Es gab auch Häftlinge, die ihn in eine Ecke drückten und ihn bedrängten, die Einzelheiten seiner Haftgründe zu erklären. Da er schwieg, zogen sie ihn bis auf die Unterwäsche aus und droh­ten, „ihm die Därme herauszulassen". Die von Plumpa mitgebrachten Le­bensmittel nahmen sie ihm schon im Waggon ab, und er bekam hierfür auch noch Fußtritte. All dies geschah mit Wissen der hierfür zuständigen Auf­sichtsbeamten, obwohl Plumpa sie auch auf sein Recht aufmerksam gemacht hatte, daß er als politischer Häftling das Recht habe, im gesonderten Waggon abtransportiert zu werden. In Minsk zeigten die Aufsichtsbeamten ihm noch mehr ihren Haß als die Verbrecher im Waggon. Sie erfuhren, daß Plumpa wegen seines Glaubens verurteilt war, und schrien ihn an, daß religiöse Schriften und Dinge eine verbotene Sache seien. Sie entrissen ihm die Bild­chen von Jesus, Maria und Josef. Sie stießen ihn voller Wut hin und her, so daß sogar die Kriminellen ihr Erstaunen über soviel Brutalität zeigten, denn mit ihnen verfuhren sie viel rücksichtsvoller.

Sie wollten ihn physisch und moralisch erniedrigen, und deshalb hielt ihn der Staatssicherheitsdienst zwei Monate zusammen mit Mördern und Verbrechern in einem Raum. Im Gefängnis des Staatssicherheitsdienstes in Vilnius hatte man ihn während eines Jahres keiner ärztlichen Untersuchung unterzogen, obwohl er ständig hohen Blutdruck hatte und seine Augen schwer entzündet waren. Bei der Gerichtsverhandlung wurde ein Attest vom Sicherheitsdienst verlesen, welches besagte, daß er — Plumpa — sich bei guter Gesundheit be­finde. Wie vermochten sie solch eine Bescheinigung zu erstellen, wenn ihn nie ein Arzt untersucht hat? Mit diesem Attest konnten sie eine wesentlich höhere Strafe erzielen. Als man Plumpa ins Lager brachte, hatte er Pulsschlag 90 und Blutdruck 165. Plumpa erklärte der Lagerleitung, daß er unter Hyper­tonie leide und entzündete Augen habe, weiter leide er unter chronischem Husten, der sich nach der dritten Lungenerkrankung eingestellt habe. Trotz allem wies man ihm eine Arbeit zu, die seine Gesundheit gefährdete. Man gab ihm eine Maske gegen Staub. Mit dieser Maske bekam er nicht genügend Luft, so daß sich an den Augen rote Äderchen bildeten und sich an seinen ohnehin schon entzündeten Augen ein Trachom entwickelte. Seine Umgebung und die Dinge um ihn herum sah Plumpa wie durch einen Schleier, und wenn er morgens erwachte, erkannte er nichts. Die Entzündung der Augen war so stark, daß sie sich über das ganze Gesicht zog.

Nachdem Plumpa verurteilt worden war, bekam er bis zum Monat Juli keine Post von daheim. Am 25. Mai 1975 schickte er ein Schreiben an das Präsi­dium des Obersten Sowjets der UdSSR, worin er sich offiziell die russische Staatsangehörigkeit aberkannte und die Genehmigung zur Ausreise nach Argentinien verlangte. Er begründete seinen Entschluß, die sowjetische Staatsangehörigkeit abzulegen, folgendermaßen: Den Gläubigen sind alle Rechte aberkannt, und sie werden wie Tiere behandelt. Am 2. Juli bekam Plumpa von Moskau eine Bestätigung, daß sein Gesuch zur litauischen Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden sei. Es besteht die Gefahr, daß er nochmals verurteilt wird. Zusammen mit Plumpa sitzt noch ein Häftling, der fünf Jahre Haft erhielt, weil er sich die sowjetische Staats­angehörigkeit aberkannte und einen Antrag zur Ausreise ins Ausland einge­reicht hatte.

Aldona Pluiriene, Plumpas Frau, wartete ein halbes Jahr vergeblich auf Nachricht von ihrem Mann, und danach reichte sie einen Suchantrag ein. Hierauf bekam sie die Antwort, daß ihr Mann bei guter Gesundheit sei und die ins Lager gehende Post nicht registriert werde, somit könne man nicht feststellen, warum die Post nicht beim Empfänger angekommen sei. Danach bekam Plumpa drei Briefe von seiner Frau, die drei Monate irgendwo liegen­geblieben waren.

Im Juni wurde Nijolė Sadūnaite wegen des Versuchs der Vervielfältigung der „Chronik der LKK" verurteilt (siehe „Chronik der LKK" Nr. 17). Am 18. Juli wurde sie ins Lager deportiert. Ihre jetzige Adresse:

Mordovskaja ASSR, 431200

Tenguševskij rajon

pos. Baraševo, ucr. zx 385/3—4.

N. Sadünaite wird Handschuhe nähen müssen, sie darf im Monat nur zwei Briefe schreiben.