Veisiejai

Am 16. Februar 1976 verhafteten der Direktor der Mittelschule in Veisiejai, Inspektor Ditkus, und der Lehrer Klimčiauskas die Schüler der Mittelschule, die an diesem Tag an der hl. Messe teilgenommen hatten. Die Verhafteten wurden gezwungen, Erklärungen zu unterschreiben, und, wie es gewöhnlich bei solchen Vorfällen geschieht, mit allen nur erdenklichen Erpressungsmit­teln geängstigt.

An den Generalstaatsanwalt der Litauischen SSR Eingabe

von Petras Soroka, Sohn des Petras, wohnhaft im Rayon Lazdijai, Veisiejai, Dešimtmečio gatve Nr. 5

Am 17. Februar 1976 zwang der Untersuchungsrichter Zinkevičius, der in die Mittelschule in Veisiejai beordert worden war, meinen Sohn Gintautas, Schüler der VII. Klasse, unwahre Dinge zu gestehen und schlug ihn dabei.

Als Gintas aus dem Untersuchungszimmer kam, erkannte ihn nicht einmal die ihn gut kennende Vailionienė, so entstellt war er.

Mein Sohn wollte sich umbringen, aber er wurde von R. Mizaras und einem anderen Schüler daran gehindert.

Abends ging es dem Kind nicht gut. Man rief die wachhabende Ärztin, und diese gab ihm eine Spritze, doch Gintautas konnte drei Tage lang nicht zur Schule gehen. Die Ärztin schrieb ein Attest aus, das der Klassenlehrerin Ragažienė überbracht wurde. Ich bitte den Vorfall zu untersuchen.

Veisiejai, den 21. Februar 1976        Unterschrift

An den Generalstaatsanwalt der Litauischen SSR in Vilnius Eingabe

von den Eltern der Schüler der Mittelschulen in Veisiejai und Leipalingis

Am 16. Februar dieses Jahres nahmen unsere Kinder an der von uns bestell­ten hl. Messe in der Kirche zu Šlavantai teil. Bei der Rückkehr der Kinder hielten der Direktor der Mittelschule zu Veisiejai, Stabingis, und die Lehrer Ditkus und Klimčiauskas, die aus dem Bus steigenden Kinder gewaltsam fest, trieben sie zur Schule und zwangen sie, Erklärungen zu unterschreiben, indem sie mit irgendwelchen elektrischen Hemden drohten. Am nächsten Tag, dem 17. Februar 1976, begannen Zinkevičius, Gylys und ein uns unbekannter Hauptmann, die Kinder erneut zu verhören. Obwohl die Kinder minderjährig sind, fanden die Verhöre größtenteils ohne die Eltern statt. Die Lehrer zeigten sich nur selten während der Verhöre. Einige mußten sogar unterschriftlich bestätigen, um die Bemühungen des Unter­suchungsrichters, die Kinder anzuwerben, zu decken.

Die Untersuchungsrichter fragten, was die Kinder dem Priester gebeichtet hätten. Mit Drohungen, Lügen und Nötigung wurden die Kinder gezwungen, ein falsches Zeugnis abzulegen: nämlich, daß der Gemeindepfarrer von Šla­vantai in seiner Predigt über das Unabhängigkeitsfest des bourgeoisen Li­tauen gesprochen hätte und Parolen wie „Es lebe das unabhängige Litauen!" u. ä. gebraucht habe. Der 14jährige Gintautas Soroka wurde während des Verhörs geschlagen. Es ist nicht erstaunlich, daß nach solch pausenlosen vier- bis fünfstündigen Verhören, die gequälten Kinder, zum Teil ganz unbe­wußt, all das, was die Lehrer ihnen diktierten niederschrieben und auch unterschrieben. Danach erlitten sie einen furchtbaren Nervenzusammen­bruch, konnten einige Tage lang nicht lernen und nachts nicht schlafen.

G. Soroka erlitt einen psychischen Schock. Als man ihn aus dem Unter­suchungsraum entließ, entriß er sich den Händen der Mutter und lief davon, um sich zu töten. Er wurde von den anderen Schülern festgehalten. Ein Arzt mußte ins Haus gerufen werden. Ungeachtet der medizinischen Hilfe war das Kind drei Tage lang krank und konnte die Schule nicht besuchen. Wir, die Eltern der geschädigten und grob erniedrigten Schüler, protestieren aufs schärfste gegen diese Verletzung der Gewissensfreiheit und des Para­graphen 187 des Strafgesetzbuches der Litauischen SSR.

Veisiejai, den 6. März 1976

Kapsukas

1975 verlor die Schülerin L. Žilinskaitė aus der Mittelschule in Kapsukas einen Zettel mit dem Vaterunser. Die Schülerin I. Jasinskaitė fand ihn und übergab ihn der Klassenleiterin Skroblienė. Die Leiterin fragte Žilinskaitė, ob dies ihre Handschrift auf dem Zettel sei. Die Schülerin bestätigte dies. Daraufhin nannte die Lehrerin Skroblienė das Mädchen ein parasitisches Un­tier und befahl ihr, am nächsten Tag mit der Mutter in die Schule zu kom­men.

Die Mutter wurde von der Lehrerin verhört, ob dies wirklich die Handschrift ihrer Tochter sei, ob sie ihre Tochter zwinge, in die Kirche zu gehen usw. „Ja, das hat meine Tochter geschrieben. Ich zwinge sie nicht, in die Kirche zu gehen, sie tut es freiwillig und singt sogar im Kirchenchor mit", antwortete ruhig die Mutter.

„Behalten Sie sie doch während der Kirchzeit zu Hause und lassen Sie sie die Zimmer aufräumen, ich werde sie ebenfalls veranlassen, nicht in die Kirche zu gehen", riet die Lehrerin.

„Dies wird nicht geschehen. Ich kann nicht schweigen, wenn man Gott aus den Herzen der Kinder reißen will", widersprach Žilinskienė. Um einen weiteren Protest der energischen Mutter zu vermeiden, unterließ es die Leiterin, die Schülerin Žilinskaitė noch weiter zu verfolgen.

Pašušvis

Am 24. Oktober 1975 wurden während einer Beerdigungsfeier die Kinder aus der Kirche vertrieben. Dies geschah durch den Direktor der Achtjährigen Schule, Jadvyga Baltraitienė. Es sind gläubige Kinder; einige haben im Som­mer die erste Kommunion empfangen. Der Kirchenverwalter in Pašušvis,

Priester Juozas Vaicekauskas, informierte darüber den stellvertretenden Vor­sitzenden des Vollzugskomitees des Rayons Radviliškis, Krikštanas, doch er erhielt keine Antwort.

Am 26. Oktober 1975 wandte sich eine Gruppe Mütter an den Gemeinde­pfarrer Vaicekauskas mit der Klage, daß ihre Kinder mit verweinten Augen aus der Schule in Pašušvis gekommen wären, weil die Direktorin der Schule, Baltraitienė, und andere Lehrer die Kinder dauernd terrorisierten und ihnen verböten, an den Gottesdiensten in der Kirche teilzunehmen. Am 23. November 1975 beklagte sich Ona Vedeckienė aus dem Ort Balan-diškiai beim Priester J. Vaicekauskas, daß sie von der Schuldirektorin in Pašušvis vorgeladen und gewarnt worden sei: falls ihr Sohn weiterhin in die Kirche gehen und Orgelunterricht nehmen würde, so werde man ihm die Be­tragensnote verschlechtern, er bekomme ein schlechtes Führungszeugnis, und keine Schule werde ihn dann aufnehmen. O. Vedeckienė ist vorbildliche Mut­ter einer großen Familie. Die Schuldirektorin hatte sie so verschreckt, daß die Frau danach zwei Tage lang krank war.

Die Schuldirektorin drohte den Gläubigen, daß sie alles versuchen werde, damit dem Priester J. Vaicekauskas verboten würde, Gottesdienste in der Kirche in Pašušvis abzuhalten.

Am 5. Januar 1976 fuhr Priester J. Vaicekauskas zum stellvertretenden Vor­sitzenden des Rayons Radviliškis Krikštanas. Auf seine Erkundigung, warum er keine Antwort auf sein früher eingereichtes Schreiben bekommen habe, antwortete Krikštanas, daß die Schuldirektorin aus Pašušvis ganz recht gehandelt habe, als sie die Mutter aus der Kirche vertrieb. Es wäre Kin­dern verboten in die Kirche zu gehen. Der stellvertretende Vorsitzende warnte den Priester J. Vaicekauskas, die Lehrerinnen bei ihrer atheistischen Erziehung der Kinder zu stören.

Židikai

Am 2. Januar 1975 wurde in der Kirche in Židikai die Totenmesse für K. Šulckienė zelebriert. In der Kirche befanden sich die Enkelin der Verstor­benen und 20 andere Schüler. Vor Beginn der Messe holte der Lehrer Dotka die Schüler aus der Kirche. Einige Schüler kletterten auf den Orgelchor, doch sie wurden auch da entdeckt und aus der Kirche vertrieben. Die Resultate der atheistischen Zwangserziehung in Židikai sind sehr traurig. Der Schüler der IX. Klasse der Mittelschule in Židikai, Bučys, stahl im Sep­tember 1975 ein Motorrad. Ein anderer Schüler der VII. Klasse vergewaltigte seine Schwester und tötete sie anschließend.

Sind diese jungen Leute schuldig? Ja. Aber trifft nicht eine größere Schuld jene, die sie unter Zwang gottlos erziehen?

Radviliškis

Im Oktober 1975 traten einige Mittelschülerinnen in den Kirchenchor der Kirche in Radviliškis ein. Dies erfuhr die Schulverwaltung. Der Leiter der wissenschaftlichen Abteilung der Valsiunienė-Mittelschule, Venclova, die Pionierleiterin Mackevičienė und die Klassenleiterin Žukauskaitė riefen die Schülerin der VII. Klasse, Irena Kauneckaite, zu sich und fragten sie, warum sie in die Kirche gehe, im Kirchenchor singe usw. Die Lehrer boten sich an, das Mädchen zum Tanz, ins Kino oder zu anderen Vergnügen zu führen, nur um sie vom Kirchgang abzuhalten.

Die Erzieherin Monkienė rief die Schülerin der VIII. Klasse der 2. Mittel­schule in Radviliškis, Ona Poškaite, zu sich und erkundigte sich über den Kirchgang und den Chorbesuch. Die Schülerin leugnete nichts und ant­wortete mutig. Auch ihr versprach die Lehrerin, sie ins Kino oder zum Tanz zu führen.

Der stellvertretende Vorsitzende des Vollzugskomitees des Rayons Radviliš­kis, Krikštanas, bestellte den Gemeindepfarrer von Radviliškis, J. Vaiče-lionis, zu sich betreffs der Schüler, die den Kirchenchor besuchten.

Šiauliai

Am 18. März 1976 versammelte sich nach dem Brand in der St. Georgs­kirche zu Šiauliai eine Gruppe Gläubiger, um den vom Feuer verschont ge­bliebenen Hauptaltar wieder herzurichten. Darunter auch eine Frau aus der Pfarrgemeinde mit ihrer zwölfjährigen Tochter. Gerade in diesem Moment kam eine vom Vollzugskomitee zusammengestellte Kommission, um die Kirche zu besichtigen, unter ihnen die Stellvertreterin des Vorsitzenden, Stulgienė. Als sie das beschäftigte Mädchen sah, befahl sie der Mutter des Mädchens, dieses hinauszuführen, da es ja für Kinder gefährlich sei, sich hier aufzuhalten. Die Mutter fand in der Anwesenheit ihres Kindes überhaupt nichts Gefährliches und befolgte die Anweisung nicht. Daraufhin befahl die stellvertretende Vorsitzende dem Pfarrer, das Mädchen zu entfernen, denn Schüler hätten kein Recht, in der Kirche zu sein.

Gruzdžiai

In der Klasse VIIc der Mittelschule in Gruzdžiai mußten auf Anordnung der Erzieherin Agulian am 14. Juni 1975 all jene Schüler aufstehen, die in die Kirche gingen. Auf die Frage, warum sie zur Kirche gingen, antworteten die Kinder, daß die Mütter es ihnen geboten hätten. Die Klassenerzieherin Agu­lian riet daraufhin, nicht auf die Mütter zu hören.

Šakyna

Die Direktorin der Achtjährigen Schule in Šakyna, Urbavičienė, bemüht sich sehr darum, die Kinder der Katholiken zu Atheisten zu erziehen. Am An­fang des Schuljahres 1975 forderte die Direktorin aus dem Rayon zwei Lek­torinnen an und lud die Eltern der Kinder in die Schule ein. Die Referen­tinnen sagten, sie könnten Wunder wirken — Kerzen würden sich dabei von selbst entzünden, doch hätten sie weder Kerzen noch andere Hilfsmittel, um diese „Wunder" bewirken zu können. Sie begnügten sich deshalb damit, ab­genutzte Verleumdungen der Atheisten bzgl. der Kirche und der Priester zu wiederholen.

Žarėnai-Latveliai

Am 14. November 1975 tadelte die Klassenlehrerin der VI. Klasse der Acht­jährigen Schule in Žarėnai-Latveliai die in die Kirche gehenden Schüler. Am meisten terrorisierte die Erzieherin die eifrigste Kirchgängerin Loreta Leo-naitytė.

Nedzinge

Die Klassenerzieherin der Klasse VIa, Juravičiene, drohte, die Schüler, die zum Singen in den Kirchenchor gingen, namentlich bekanntzugeben.

Brief einer gläubigen Schülerin

An die „Chronik der Litauischen Katholischen Kirche" Als ich in der vierten Klasse war, zwang mich der Erzieher gleich zu Beginn des Schuljahres, der Organisation der Pioniere beizutreten. Alle Schüler der vierten Klasse sollten Pioniere sein. Aber ich wollte nicht. Der Erzieher sagte, wenn nicht dieses Jahr, so müßte ich mich im nächsten sowieso dort einschrei­ben. Wenn ich den Pionieren nicht beitreten würde, drohte man mir Noten­verschlechterung und viele andere Unannehmlichkeiten an. Und so geschah es auch. Einige Lehrer stellten mir konsequent schlechtere Noten aus. Der Erzieher sah mich oft abends in die Kirche gehen. Einmal fragte er mich, wo ich denn jeden Abend hinginge. Ich antwortete, daß ich zur Kirche ginge. Danach betonte der Erzieher bei jeder Gelegenheit: „Hör endlich auf in die Kirche zu gehen!"

In der Klasse wurden Fragebogen folgenden Inhalts verteilt: Gehst du in die Kirche? Woher stammt der Mensch: vom Affen oder hat Gott ihn ge­schaffen? Wer zwingt dich in die Kirche zu gehen? Begeht ihr die religiösen Feste? Tut die Kirche Gutes oder Schlechtes? Die Fragen beantwortete ich folgendermaßen: „Ich gehe in die Kirche. Gott hat den Menschen geschaffen. In die Kirche gehe ich freiwillig. Wir feiern die religiösen Feste. Die Kirche tut nur Gutes."

Einmal beorderte der Erzieher mich zu sich und sagte: „Ich weiß, daß du in die Kirche gehst. Na dann tu's halt! Doch wenn eine Kommission kommt, und fragt, ob du in die Kirche gehst und ob du glaubst, dann antworte, daß du es nicht tust." Zu Hause rieten mir die Eltern, niemals Gott zu entsagen und ihn zu verleugnen.

Im Unterricht mußte ich oft atheistische Aufsätze schreiben.

So schikanierte mich der Erzieher bis zum Schuljahresabschluß wegen meines

Glaubens.