Šiauliai

Am 17. Februar 1976 wurde um 20.30 Uhr im vorderen Turm der St. Ge­orgskirche ein Feuer gesehen. Man benachrichtigte die städtische Feuerwehr und die Miliz. Einige der Feuerwehrmänner waren betrunken, sie arbeite­ten widerwillig und unorganisiert: auf die Bitten der Gläubigen äußerten sie sich höhnisch und mit unflätigen Ausdrücken.

Als der Turm bereits in Flammen stand, spritzten sie absichtlich daneben. Auf die Bitte der Leute, den Wasserstrahl doch auf das Feuer zu richten, er­klärten sie höhnisch: „Man darf den Turm nicht benetzen, sonst schmelzen die Glocken."

Man hörte sie spotten, daß nun bald die Glocken herunterfallen würden, und wenn erst der kleine Turm einstürze, dann würde auch der große bald folgen. Obwohl recht viele Feuerlöschwagen gekommen waren, arbeitete nur einer, dessen Schläuche defekt waren, so daß das ganze Wasser auf die Erde floß. Auf der Straße standen folgende Wagen, ohne zu löschen: LIZ 34-13; LH 4-50; 99, 19; 99, 29; 27-82.

Die weiter entfernt Stehenden sahen, daß sich die Flammen bereits ihren Weg zum großen Turm bahnten. Als man die Feuerwehr daraufhin bat, den Flammen den Weg zu versperren, meinten die Feuerwehrmänner, man solle die Bittenden der Miliz übergeben.

Als das Feuer die Kirche bereits weitläufig erfaßt hatte, rief man um 21 Uhr das militärische Feuerlöschkommando herbei. Obwohl sie selbst nur untätig herumstanden, weigerten sich die städtischen Feuerwehrleute, den Soldaten das Löschen zu überlassen. Sie befahlen ihnen, sich auf 200 m von der Kirche zurückzuziehen. Nur auf Grund der eindringlichen Bitten der Gläubigen ge­lang es der Militärabteilung, die städtische Feuerwehr zu entfernen und nun wirklich mit dem Löschen zu beginnen. Dank ihres Eingreifens wurde das Feuer gelöscht, alle Altäre blieben verschont, und der große Turm wurde gerettet.

In der Stadtzeitung von Šiaulia wurde dann veröffentlicht, daß das Feuer durch defekte Öfen in der Kirche entstanden sei. Aber an diesem Tag waren die Öfen gar nicht in Betrieb gewesen.

Die Leute zweifelten nicht daran, daß das Feuer auf böswillige Brandstiftung zurückzuführen war.

Šlavantai

An den Staatsanwalt der Litauischen SSR Durchschrift an Seine Exzellenz Bischof Povilonis

Eingabe

des Priesters Jouzas Zdebskis, Sohn des Vincas, wohnhaft in Šlavantai, Rayon Lazdijai

Am 10. März 1976 brachte ich mit meinem Automobil, „Žiguli" LIG 77-21, am frühen Morgen die kranke Invalidin Z. Medonaitė, wohnhaft im Dorf Gudeliai, Rayon Lazdijai, in Begleitung ihres Vaters, Jonas Medonas, nach Vilnius. Außerdem begleitete uns noch der Bürger Jonas Stašaitis, wohnhaft in Vilnius-Šalininkai, Vilniaus gatve 7.

Bei der Einfahrt nach Vilnius, auf der Minsker Straße, hielt uns um die zehnte Stunde ein Verkehrspolizist an (nach seinem Namen befragt, stellte er sich mit Jurevič vor) und erklärte, daß ich betrunken sei; deshalb müsse ich mit ihm zur Feststellung der Trunkenheit in die Psychiatrische Klinik in der Sommerstraße fahren. In der erwähnten Klinik untersuchte die Ärztin (sie nannte keinen Namen) meinen Puls, ließ mich durch das Be­handlungszimmer gehen und in ein Glas mit rötlicher Flüssigkeit hinein­atmen und nahm zu Protokoll, daß ich betrunken sein. Ich wandte mich an den leitenden Arzt der o. g. Klinik und verlangte eine Blutanalyse. Dar­aufhin führte dieser ein Telefongespräch, erwähnte dabei meinen Namen und weigerte sich kategorisch, die Blutanalyse durchzuführen, da ja bereits einige Stunden vergangen seien und somit das Ergebnis unsicher wäre. Er verlangte, das Auto auf dem Hof der Autoinspektion zu lassen (Košciuškas- Straße), nahm mir den Führerschein ab und befahl mir, den Wagen um 17 Uhr abzuholen.

Noch nie im Leben war ich betrunken. Als Priester kämpfe ich gegen die Trunksucht. An diesem Tag hatte ich nicht einmal die hl. Messe zelebriert, während der man einige Gramm trockenen Weines zu sich nimmt. Die ge­nannten Mitreisenden sind Zeugen, daß wir bei Tagesanbruch abfuhren und unterwegs nirgends angehalten haben. Der erwähnte Stašaitis frühstückte mit mir zusammen; er kann bezeugen, daß wir weder am Morgen, noch am Vorabend dieses Ereignisses alkoholische Getränke zu uns genommen haben. Auf welche Weise konnte die medizinische Untersuchung Trunkenheit an­zeigen? Seit 1953 bin ich Autofahrer, und noch kein Verkehrspolizist hat mir bislang erklärt: „Du bist betrunken!" Wenn dem Verkehrsbeamten sofort klar war, daß ich betrunken sei, wieso hat dies die Familie der erwähnten Kranken nicht bemerkt und ihre Tochter einem „betrunkenen" Fahrer über­lassen?

Wie soll man diesen Vorfall verstehen? Was veranlaßte die Verkehrsbehörde dazu, meinen Wagen für einige Stunden einzubehalten? Warum muß man einen Priester „betrunken machen"? — Ist dies nun einfach Gewissenlosig­keit des Beamten, oder braucht man solche Vorgänge vielleicht als Illustra­tion für die atheistische Presse? Warum weigerte sich der leitende Arzt der Psychiatrischen Klinik, eine Blutanalyse zur Feststellung der Trunkenheit durchzuführen? Die erwähnte Kranke ist bewegungsunfähig und mußte einige Stunden im Wagen frieren, bis alle Untersuchungsverfahren erledigt waren.

Die Nachricht über den genannten Vorfall verbreitete sich merkwürdig schnell. Bekannte, sowohl in Kaunas, als auch in Vilnius grüßten lächelnd den „neuen Trunkenbold", da sie wußten, daß es keinen Menschen gibt, der mich im Laufe meiner ganzen 24jährigen Tätigkeit hätte trinken sehen. Im Namen der Gerechtigkeit bitte ich, den Vorfall zu untersuchen und zu regeln, damit es kein zweites Mal zu einer solchen Verspottung des Bürgers kommt. Außerdem ersuche ich um Rückgabe des grundlos einbehaltenen Führerscheins.

Priester J. Zdebskis

Šlavantai, den 26. März 1976

 

Leipalingis

Eure Exzellenz

Am 17. Februar 1976, abends um 23 Uhr, bemerkte ich bei einem Spazier­gang auf dem Kirchplatz zwei unbekannte Männer (der eine hochgewachsen, der andere etwas kleiner), die rauchend, schnellen Schrittes in den Hof des

Krankenhauses einbogen, welcher zugleich der Pfarrhof ist (das Kranken­haus — das ehemalige Pfarrhaus — ist kaum einige Schritte vom Kirchplatz entfernt). Zuerst meinte ich, daß die Männer auf Grund einer wichtigen Sache ins Krankenhaus eilten. Doch sie passierten die Krankenhaustür und gingen in Richtung auf das jetzige Pfarrhaus weiter. Sofort dachte ich daran, daß sie ins Pfarrhaus wollten, und beeilte mich sie einzuholen. In diesem Moment trat die Krankenschwester Sofija Mikelionienė aus dem Kranken­haus, bemerkte die zwischen Krankenhaus- und Pfarrtür Stehenden und fragte: „Worauf wartet ihr denn hier, Jungs?" Sie erhielt keine Antwort und setzte ihren Weg zu der Wohnung des Arztes fort, die sich auf der Nordseite des Kirchplatzes befindet. Unsere Wege kreuzten sich. Ich erkundigte mich nach den Männern und ihrem Begehren. Sie wies darauf hin, daß diese ja dort am Ende des Hauses stünden. Ich ging auf sie zu. Als die Männer mich erblickten, liefen sie weg. (Am Morgen befanden sich an dieser Stelle sicht­bare Fußabdrücke zweier Menschen und ein weggeworfener Zigarettenstum­mel. Die Fußabdrücke waren dieselben wie die vor der Kirche.) Die Sache schien mir verdächtig. Ich wartete kurz und umrundete dann das Kranken­haus, ging ein Stück die Straße hinauf, untersuchte den Platz auf der anderen Seite der Kirche, die 100 Meter von der Kirche abgelegene Autobushalte­stelle, kehrte dann über den Kirchplatz zurück und kontrollierte das Haupt­tor und die Tür zur Sakristei. Als ich ins Pfarrhaus zurückkehrte, war es be­reits 23.45 Uhr.

Am Morgen des nächsten Tages ging ich um 8 Uhr hinaus, um die Kirche auf­zusperren. Kaum hatte ich die erste Tür zur Sakristei geöffnet (sie wird nicht verschlossen), bemerkte ich den Geruch von Rauch und Angesengtem. Ich war sehr erstaunt, denn am Abend zuvor hatte man bei der Messe keinen Weih­rauch gebraucht. Ich versuchte, den Schlüssel ins Schloß zu stecken — es ge­lang mir nicht. Erst dann sah ich, daß das Türschloß beschädigt war, die Tür schwelte und glomm, und ich entdeckte auf dem Fußboden das angesengte Einbruchswerkzeug — eine Brechstange und eine Bohrmaschine. Ich er­kannte, daß hier der Versuch zu einem abscheulichen Verbrechen gemacht war, und begann die Umgebung genau zu untersuchen. Unweit der zur Sakristei führenden Treppe war der Schnee zertreten (die Abdrücke waren dieselben wie die hinter dem Krankenhaus). Die Spuren kamen von Richtung des klei­nen Tores auf der Südseite. Die Missetäter hatten von dem auf dem Kirch-platz befindlichen Bretterstapel einen Rechen genommen und damit über den Schnee gewischt, als ob sie ihre Fußspuren beseitigen wollten. Der Rechen wurde später nirgends gefunden. Vielleicht hatten sie versucht, damit vor der Sakristei das Feuer zu legen? Dann ist der Rechen dabei verbrannt. Unweit des Stapels lag im Schnee eine leere Flasche, ähnlich einer Kefirflasche. Bei der Untersuchung durch die Milizbeamten zeigte sich, daß die Flasche Brenn­stoff enthalten hatte: Gasolin oder Benzin. Ebenso fand man zwischen den Fußabdrücken einen viereckigen vier bis fünf Zentimeter großen Schlüssel­anhänger mit einem weißen Plastikkettchen; man vermutete, daß er von einem Pkw stammte. Auf dem Anhänger befand sich die Aufschrift „Ryga". Die Fußspuren führten vom Tatort zum großen Tor des Kirchplatzes und dann weiter auf die Straße Richtung Veisėja. Besonders deutlich waren die Abdrücke von großen Schuhen mit Reliefsohlen.

Nach den ersten Untersuchungen rief ich den Milizbevollmächtigten der Ge­meinde Leipgalis an und bat ihn herzukommen. Der Milizbevollmächtigte Julius Milius benachrichtigte die Abteilung für innere Angelegenheiten des Rayons Lazdijai, kam dann selbst und wartete das Eintreffen der höheren Funktionäre ab. Der angesengte Fußboden glühte die ganze Zeit über. Die Beamten der Abteilung für innere Angelegenheiten des Rayons untersuchten wieder alles ganz genau, nahmen das Belastungsmaterial an sich, fotografier­ten die Fußspuren und machten Abdrücke davon. Sie nahmen ein Protokoll auf, das ich und zwei geladene Zeugen unterschrieben: Jonas Čiurlionis und Antanas Kvietkouskas.

Das Verbrechen scheint um so größer, wenn man bedenkt, daß das Ziel nicht die Beraubung der Kirche, sondern ihre Verbrennung war. Für den Einbruch hätte die Brechstange genügt, mit der sie kräftig den Türrahmen und die Wand beschädigt hatten. Auch die Bohrmaschine konnte benutzt worden sein. Aber wofür benötigten sie den Brennstoff? Als es den Verbrechern nicht gelang, in das Innere der Kirche vorzudringen, begossen sie damit die Tür und zündeten sie an. Sie hofften, daß die Tür so brennen würde. Hinter der verschlossenen Tür befand sich ganz in der Nähe ein Schrank mit litur­gischen Gewändern, und unmittelbar neben der Tür hing die für Gäste be­stimmte Soutane. Wenig hätte gefehlt, und die ganze Sakristei wäre in Flam­men aufgegangen, und von da aus hätte das Feuer die ganze Kirche erfaßt. Die Verbrecher machten einen Fehler: sie schlössen die erste äußere Tür zur Sakristei, besser gesagt, sie fiel von selbst zu. So gab es keinen Zug, und das Feuer erstickte. Ungeachtet dessen verbrannte auch so ein großer Teil der Tür und des Holzfußbodens davor. Wäre es den Verbrechern gelungen ein­zudringen, hätten sie entweder die liturgischen Gewänder oder die Altar­decken übergössen, und die Kirche wäre im Nu in Flammen aufgegangen. Und das um Mitternacht, während alle schliefen.

Warum wurden die Tatwerkzeuge — das Brecheisen und die Bohrmaschine — zurückgelassen? Dafür gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder wurden sie von einem Vorübergehenden gestört und dadurch verscheucht, denn das Kranken­haus ist nebenan. Es kommt oft vor, daß schwer erkrankte Leute ins Kran­kenhaus gebracht werden. Außerdem wird nachts der Arzt öfters zu Kranken geholt. Die zweite Möglichkeit ist die, daß, als die Verbrecher den Brennstoff ausgössen, dieser so plötzlich entflammte, daß sie das Werkzeug nicht mehr an sich nehmen konnten.

Nun, dieses Verbrechen ist wegen seiner so weitgehenden Absicht einfach furchtbar. Eure Exzellenz, beachten Sie bitte diesen Umstand und informie­ren Sie darüber die dafür zuständigen Regierungsbehörden.

In tiefer Verehrung
Leipalingis, den 22. Februar 1976        Priester K. Ambrasas

 

Šakiai

An das Lehrerkollektiv der Mittelschule zu Lukšiai Abschriften:

1.     An das Kultusministerium der Litauischen SSR

2.     An die Abteilung für Volksbildung des Rayons Šakiai

3.             An die stellvertretende Vorsitzende des Vollzugskomitees des Rayons Šakiai, D. Noreikienė

 

Offener Brief

Vor 18 Jahren beendete ich die Mittelschule in Lukšiai. Obwohl seitdem viel Zeit vergangen ist, ist meine Verbindung zu ihr nicht abgerissen und wird es wohl auch in Zukunft nicht. Und zwar deshalb, weil die Schule dem Men­schen viele Erinnerungen hinterläßt. In den vielen Jahren, die man darin verbringt, wird sie zu einer Art zweitem Zuhause, zu einer zweiten Heimat. Vielleicht hat man deshalb so oft das Verlangen, an sie zu denken, über sie zu reden und auf sie stolz zu sein. Darum ist es sehr schmerzlich, wenn man etwas Negatives über sie erfährt. Man hätte es so gerne, daß über seine ge­heiligte Bildungsstätte nur Gutes gesagt wird, und daß ihre Lehrer ein leuch­tendes Vorbild sind. Leider werden die lichten Schulerinnerungen manchmal von finsteren Wolken verdunkelt.

Vor einigen Jahren hat sich in der Mittelschule zu Lukšiai die atheistische Erziehung eingebürgert. Schüler und deren Eltern hatten darunter schwer zu leiden. Sie wurden wegen ihrer religiösen Uberzeugungen erniedrigt, ver­höhnt und diskriminiert. Als die Eltern der Schüler ein solch unhöfliches und grobes Benehmen der Eltern nicht mehr ertragen konnten, reichten sie 1972 beim Staatsanwalt der Litauischen SSR eine gemeinschaftliche Klage mit 14 Unterschriften ein. Danach schienen die Nachstellungen der gläubigen Schüler etwas nachzulassen, jedenfalls gab es scheinbar keine groben Takt­losigkeiten mehr. Aber 1975 kam, wie der Tolbačik aus Kamčatka, die grobe atheistische Erziehung der Schüler wieder voll zum Durchbruch. Dies­mal war sie besonders offensichtlich in ihrer Taktlosigkeit und ihrem Mangel an Pädagogik.

Schon zu Schulanfang fand eine organisierte Zwangsbestellung der atheisti­schen Zeitungen statt (bei uns gibt es keine anderen). Als der Schüler der Xb-Klasse, Rolandas Tamulevičius, sich weigerte, eine atheistische Zeitung zu bestellen, bemerkte die Klassenleiterin, um den Schüler zu verspotten und ihn schmerzhaft zu verhöhnen: „Vielleicht soll man dir ein Gebetbuch bestel­len?" Obwohl alle wissen, daß es bei uns Gebetbücher weder zu bestellen noch zu kaufen gibt.

Am 25. Dezember 1975 brachten Mädchen aus der X-Klasse eine Tanne mit in die Schule und schmückten sie im Klassenzimmer. An die Tafel schrieben sie die Grußworte „Gesegnete hl. Weihnacht!" Die Lehrer der ersten beiden Unterrichtsstunden befahlen der Klassenaufsicht, die Worte auf der Tafel zu löschen und die Tanne zu entfernen. Die Klassenaufsicht löschte jedesmal das Geschriebene, doch die Tanne blieb. In der dritten Stunde unterrichtete der Direktor B. Urbonas. Sofort nach seinem Eintreten in das Klassenzimmer wurde B. Urbonas barsch und böse. Er zwang den aufsichtshabenden Schüler Jonas Pranaitis, die an die Tafel geschriebenen Worte zu löschen und die schön geschmückte Tanne in die Abfalltonne zu werfen. Danach begann er mit erpresserischen Verhören, groben Beschimpfungen, schamlosen Verhöh­nungen und Drohungen. Dies wurde die ganze Unterrichtsstunde über fort­gesetzt. Nicht genug damit, die Verhöre und Drohungen dauerten mit Un­terbrechungen sogar drei Tage an. In dieser Zeit wurden die Schüler einzeln während des Unterrichts in das Direktorat gerufen. So wurde ungefähr die Hälfte der Klasse verhört. Die Verhöre mancher Schüler dauerten sogar einige Unterrichtsstunden lang. Obwohl man die physische Strafe vermied, drohte man den Schülern mit Notenverschlechterung, Verweisung von der Schule, ängstigte sie mit Auslieferung an die Miliz usw. Dieser Vorfall hat sich bereits bis weit außerhalb des Bezirkes herumgespro­chen. Uber solch ein Benehmen des Direktors sind nicht nur die Eltern der betroffenen Schüler empört, sondern auch die breite Öffentlichkeit. Man ist empört, weil der Schuldirektor B. Urbonas mit seinem Benehmen 1. die „Deklaration der allgemeinen Menschenrechte", 2. die Beschlüsse der 1975 in Helsinki stattgefundenen Konferenz, an der sich 35 Staaten beteilig­ten, 3. die Verfassung der UdSSR und 4. die pädagogischen Grundsätze ver­letzt hat.

Die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte", die am 10. Dezember 1948 von der Generalversammlung der UNO angenommen wurde, verkündet: „Jeder Mensch hat Anspruch auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfrei­heit; dieses Recht umfaßt die Freiheit, seine Religion oder seine Überzeu­gung .. . durch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Vollziehung von Riten zu bekunden" (Art. 18). „Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungs­äußerung; dieses Recht umfaßt die Freiheit, Meinungen unangefochten zum Ausdruck zu bringen und Informationen und Ideen mit allen Verständi­gungsmitteln ... zu empfangen und zu verbreiten" (Art. 19). „Die Ausbil­düng soll die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und die Stär­kung der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zum Ziel haben. Sie soll Verständnis, Duldsamkeit und Freundschaft zwischen allen Natio­nen und allen rassischen oder religiösen Gruppen fördern und die Tätigkeit der Vereinten Nationen zur Aufrechterhaltung des Friedens begünstigen" (Art. 26, 2).

Gemäß der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" haben die Schüler das Recht, gläubig zu sein, unbehindert die Religion zu lernen und frei ihre Überzeugungen darzulegen, sich frei daran zu orientieren und sie ebenso un­behindert zu verbreiten; aber dieses Recht wird ihnen in der Mittelschule zu Lukšiai aberkannt. Es wäre interessant zu erfahren, mit welcher Begrün­dung? Vielleicht zählt B. Urbonas seine Schüler nicht zu den Menschen, da er ihnen nicht die Grundrechte der Menschen zugesteht?

Vom 30. Juni 1975 bis 1. August 1975 tagte in Helsinki die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Das Schlußdokument VII der KSZE lautet: „Die Teilnehmerstaaten werden die Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- oder Überzeugungsfreiheit für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion achten ... die Teilnehmerstaaten werden die Freiheit des Individuums anerkennen und achten, sich allein oder in Gemein­schaft mit anderen zu einer Religion oder einer Überzeugung in Ubereinstim­mung mit dem, was sein Gewissen ihm gebietet, zu bekennen und sie auszu­üben." Diese „Schlußakte" wurde von den obersten Vertretern der 35 Teil­nehmerstaaten unterzeichnet, darunter auch vom Generalsekretär des Zen­tralkomitees der Kommunistischen Partei der UdSSR, L. Brežnev. Diese Beschlüsse sind schön und human, doch die Leiter der Mittelschule zu Lukšiai halten sich nicht daran. Womit wollen sie sich denn an der allgemei­nen Friedenserhaltung in Europa und auf der ganzen Welt beteiligen? Die Sowjetverfassung garantiert allen Staatsbürgern Gewissensfreiheit, d. h. das Recht eines jeden Bürgers, ganz gleich welche Religion zu bekennen, das Recht auf Ausübung der Riten, Gleichberechtigung der Staatsbürger ohne Unterschied der Religionszugehörigkeit.

Warum befolgen die Lehrer der Mittelschule zu Lukšiai diese Gesetze nicht? Halten sie sich denn nicht für Staatsbürger der Sowjetunion, oder sind sie es gewohnt zu glauben, daß man auf eine Art in den Gesetzen schreibt, sich aber auf andere Art benehmen darf?

Schließlich fand am 26. August 1975 vor Schulanfang in Šakiai eine Bezirks­besprechung der Lehrer statt, an der der Vertreter aus Vilnius, A. Sinke­vičius, teilnahm und einen Vortrag hielt. Unter anderem erwähnte er, daß die Lehrer sich den Schülern und deren Eltern gegenüber höflich benehmen müßten. Der Prelegent betont warnend, daß alle Ausschreitungen und Un-höflichkeiten weite Kreise zögen, sie würden sogar im Ausland bekannt und empörten die Leute.

 

Bild in der St.-Kazimir-Kirche von Vilnius.

 

„Homo est creator, . . .", der Sputnik soll ein Beweis dafür sein.

 

Obwohl nur wenig Zeit seit dieser erwähnten Konferenz vergangen ist, haben die Lehrer der Mittelschule zu Lukšiai auch diese Warnung bereits ver­gessen.

Mir als ehemaligem Schüler des Lehrer B. Urbonas ist es unangenehm, nega­tiv über einen ehemaligen Lehrer zu sprechen. Ich verehre den Lehrer Urbo­nas ob seiner Kenntnisse auf dem Gebiet der Mathematik. Ich bin ihm dank­bar, daß er mich unterrichtete. Als mir der Gedanke zu diesem Brief kam, habe ich lange überlegt und gezögert. Ein Zufall verhalf mir zur Entschei­dung: in einer Fernsehsendung zitierte der Sprecher die Worte R. Eberhardts: „Fürchte nicht die Feinde — sie werden dich schlimmstenfalls töten. Fürchte nicht die Freunde — sie werden dich schlimmstenfalls verraten. Fürchte die Gleichgültigen — sie töten und verraten nicht, doch mit ihrem Einverständ­nis existieren Verrat und Totschlag in der Welt." Damals kam ich zu der Er­kenntnis, daß es unverantwortlich sei, gleichgültig zu sein. Da ich objektiv bleiben will, werde ich mich nicht meines Wissens, sondern der pädagogischen Literatur bedienen. In dem Fachblatt Tarybinis mokyto­jas (Der Sowjetlehrer), das vom Kultusministerium der Litauischen SSR her­ausgegeben wird, befindet sich in der Nummer vom 31. Januar 1968 ein Ar­tikel über die Lehrerautorität. Es wäre interessant zu erfahren, was Direktor B. Urbonas bezüglich seiner selbst dazu sagen würde? Wenn er objektiv sein will, wird er bekennen müssen, daß er sich mannigfach an der Pädagogischen Wissenschaft versündigt hat. Zuallererst hat er sich nicht an den pädagogi­schen Takt gehalten, betrachtete die Schüler, die die Tanne geschmückt hatten, als mißraten, klammerte sich an Kleinigkeiten, erhob unnötigen Lärm, machte aus einer Mücke einen Elefanten.

Denn in Wirklichkeit haben die Schüler ja nichts verbrochen. Ist denn das Schmücken einer Tanne und das Aufschreiben schöner Grußworte ein Ver­gehen? Ist es diese Sache denn wert, daß man drei Tage lang Verhöre durch­führt und dadurch einige Unterrichtsstunden ausfallen läßt: mit Schulver-weis droht und Übergabe an die Miliz?

Und geschieht dies zu Recht, wo bleibt dann die erklärte Gewissens- und Re­ligionsfreiheit? Wozu wurden dann die Artikel in die Verfassung aufgenom­men, warum unterschrieb man die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, die Beschlüsse von Helsinki, wozu dann die schönen Propagandaworte in der Presse?

Die Schüler und deren Eltern, die für ihre Uberzeugungen verfolgt werden, wollen, daß diese schönen Beschlüsse nicht nur unterschrieben und veröffent­licht, sondern auch ausgeführt werden. Andernfalls sind die Reden über Frei­heit, Gleichheit, Glück und Freude nur leere Worte.

Vielleicht denkt heute noch so mancher, daß der leichteste Weg der der Strafe ist, aber man muß wissen, daß gewöhnlich der leichteste Weg nicht unbedingt der beste ist.

Wenn man alles Gute und Schöne freudig begrüßt und verwirklicht, so muß man ebenso alles Niedrige tief verabscheuen. Verabscheuen und aktiv da­gegen ankämpfen. Kämpfen im Namen unserer Zukunft.

Ehemaliger Schüler Dovydaitis

Šakiai, den 30. Januar 1976 (Der Brief ist gekürzt; — Red.)

 

Vajosiškis

An die Redaktion der Zeitschrift Tiesa

Mein Sohn Vilius starb 1971 während seines Militärdienstes. Der Truppen­führer erlaubte mir, den Leichnam meines Sohnes nach Vajosiškis zu über­führen und nach meinem Willen zu beerdigen. Er gab mir noch dazu einen Offizier und zwei Soldaten zur Begleitung mit. Die örtlichen Sowjetfunk­tionäre wollten mich zwingen, meinen Sohn ohne kirchlichen Beistand zu begraben, andernfalls würde ich es bereuen. Sie verlangten dies sogar meh­rere Male. Sie nahmen nicht einmal Rücksicht auf meinen Schmerz, daß ich meinen 20jährigen Sohn verloren hatte.

Als ich nicht nachgab und ihn kirchlich beerdigte, wandten sich alle von mir ab. Es gab kein Orchester, keinen Salut, auch das Kollektiv beteiligte sich nicht, obwohl mein Sohn vor dem Militärdienst dort als Traktorist und Fah­rer gearbeitet hatte. Und die Schule störte ihr ehemaliger Schüler nur. Der Direktor verbot den Schülern an der Beerdigung teilzunehmen, trieb sie alle in einen Saal, und die, die beim Trauerzug die Kränze tragen sollten, wurden von den aus der Schule eilenden Lehrerinnen in den Saal verwiesen. So wurde einem toten Soldaten der Haß bekundet, daß er kirchlich beerdigt wurde. Im August dieses Jahres wurde am Grab meines Sohnes der Zaun nieder­gerissen und von vielen Grabsteinen der Korpus Christi („mükelės") gewalt­sam entfernt. Unwillkürlich drängt sich der Gedanke auf, daß auch hier noch die Stimmung der Beerdigung andauerte — das Grab meines Sohnes zu schänden, weil er religiös beigesetzt wurde, denn die Gräber wurden von den Schülern der 8-Jahr-Schule in Vajosiškis beraubt. Dies bezeugt einer der Beteiligten — Vaidas Saladžius.

Am 5. November wandte ich mich in dieser Angelegenheit an die Miliz­behörde des Rayons Zarasai. Die Miliz erteilte folgenden schriftlichen Be­scheid, Aktennummer 34: „Das Belastungsmaterial im Falle der Schüler der 8-Jahr-Schule in Vajosiškis: K. P. Bagdonavičius, A. K. Gerasimov und B. J. Juodvalkis, wegen Herunterreißens der Korpus Christi („mūkelės"') von den Grabsteinen auf dem Friedhof zu Vajosiškis, wurde gesammelt und zur Re­vision an die zuständige Schule übersandt. Im Falle der Zerstörung der Zaun­latten können nach ihren Angaben keine Tatverdächtigen ausgemacht wer­den."

Daraus kann man ersehen, daß der Zaun um das Grab meines Sohnes nicht neu aufgestellt werden wird. Obwohl B. Saladžius angegeben hatte, daß A. Gerasimov, K. Bagdonavičius, B. Juodvalkis und A. Vaivada den Zaun zer­brochen hätten. Man beabsichtigt auch nicht, die beschädigten Grabmäler wieder herzurichten. Der Direktor der Schule zu Vajosiškis, J. Kuolas, ver­sucht sich auf alle erdenkliche Weise herauszuwinden, und oft lacht er nur, wenn er darauf angesprochen wird, daß die beschädigten Grabsteine ausge­bessert werden müßten.

B. Saladžius zeigte zusammen mit T. Sakalauskienė dem Direktor J. Kuolas ein ganzes Lager voll versteckter Korpus Christi („mūkeles"). Die erwähnten Schüler hatten sie mit Beißzangen und Eisenstäben, die sie aus dem Zaun vom Grab meines Sohnes herausgebrochen hatten, von den Grabsteinen geraubt. Die „mūkeles" wurden sichtlich zum Verkauf gesammelt. Warum unterläßt man es, die Käufer zu finden? Denn dies sind doch die Hauptschuldigen. Warum werden sie gedeckt?

Was soll ich tun? Soll ich mich an den Truppenführer, unter dem mein Sohn gedient hat, wenden? Oder anderswohin, damit das Andenken meines Soh­nes nicht geschändet wird?

Rayon Zarasai, Post: Vajosiškis        Z. Šedinienė

Pusliai, Dezember 1975        Mutter eines Soldaten

 

Vilnius

In einer Nische der Außenmauer der Kirche zur Unbefleckten Empfängnis der hl. Jungfrau Maria (Žvėrynas) stand eine Statue der hl. Jungfrau Maria. Die Leute liebten sie sehr, schmückten sie mit Blumen und beteten ständig davor.

Am 31. Dezember 1975, in der Silvesternacht, schlugen unbekannte Misse­täter die Statue entzwei.

 

Vilnius

Vom 3. bis 6. Februar 1976 fand in Vilnius die Bezirksvollversammlung der Vertreter der Abteilungen für Propaganda und Agitation statt, auch einige Leh­rer nahmen daran teil. Im Laufe des Seminars wurde über Propagandaarbeit gesprochen, und es wurden atheistische Vorträge gehalten (es las Aničas u.a.). Dabei wurde die Ansicht vertreten, daß die „Chronik der Litauischen Ka­tholischen Kirche" von dem in Žagarė wohnhaften Bischof J. Steponavičius redigiert werde, daß einige Nummern nicht reaktionär seien, daß nur wenige Exemplare der „Chronik der Litauischen Katholischen Kirche" in Litauen herausgegeben würden, daß man sie nach Polen sende, wo sie vervielfältigt und ausschließlich in andere Länder verschickt würden. Die Mehrzahl der Priester sei loyal.

Im Priesterseminar zu Kaunas werden 50 Kleriker ausgebildet; fünf Kleriker empfangen jährlich die Priesterweihe, doch sterben 17 Priester im gleichen Zeitraum. In naher Zukunft muß ein Priester zwei Gemeinden betreuen. In Litauen leben ungefähr 1500 Ordensleute. Die Klosterfrauen arbeiten meist als Krankenschwestern und helfen, die Kranken mit den Sakramenten zu versorgen. Auf dem Land gibt es keine Ordensleute. Die Klosterfrauen bringen den Kindern Gebete und den Katechismus bei. Würde man ein kleines Kind fragen, wer es den Katechismus gelehrt habe, so würde es antworten, daß es die „Schwester" gewesen sei: hierdurch ergibt sich, daß diese eine Klosterfrau war.

Während nach dem Krieg die meisten Mediziner atheistisch waren, gibt es heute gläubige Ärzte.

 

Šumskas (Rayon Vilnius)

Im Februar 1976 rief der Gemeindevorsitzende den invaliden Pensionär Zigmas Podverskis, Sakristan in der Kirche zu Šumskas, zu sich und befahl ihm, die Arbeit in der Kirche aufzugeben, andernfalls würden sein Sohn und dessen Frau aus der Arbeit entlassen. Der Sohn hat eine eigene Wohnung und versieht die Pflichten eines Sekretärs für Parteiorganisation in der ört­lichen Sowjetwirtschaft, seine Frau ist Lehrerin mit Hochschulabschluß.

 

Švenčionėliai

Am 3. Oktober 1975 starb in Švenčionėliai der Kommunist und Arbeiter Vytautas Ivonis. Seine Frau verabredete mit dem Gemeindepfarrer, den Verstorbenen am 6. Oktober beizusetzen. Zur Beerdigung kamen die Brüder des Verstorbenen, eifrige Kommunisten. Einer ist Parteisekretär des Rayons Maletai. Sie beschlossen, daß ihr Bruder ohne kirchlichen Beistand nach kom­munistischem Ritual begraben werden solle. Deshalb wandten sie sich an die Parteisekretärin des Rayons Švenčionėliai, Purveneckaitė, und baten um Hilfe, und diese schickte sie zu dem stellvertretenden Vorsitzenden des Be­zirksvollzugskomitees, Mačionis. Am Beerdigungstag um 10 Uhr lud Mačionis den Pfarrer Baltušis aus Švenčionėliai vor und befragte ihn: „Weißt du, wen du heute beerdigst?" „Ich weiß es."

„Aber er war doch Kommunist, also auch Atheist, deshalb darf er nicht kirchlich beigesetzt werden."

„Wie soll er denn Atheist sein, wenn er sich kirchlich trauen ließ, seine Kin­der zur Taufe brachte und auch zur Beichte ging. Ich muß ihn beerdigen." „Aber du mußt einen Grund finden und ihn nicht beerdigen. Verstehst du?" „Auf keinen Fall. In der Kirche ist alles vorbereitet und besprochen." Als die Brüder erfuhren, daß der Verstorbene mit kirchlichen Zeremonien begraben werde, sagten sie dem in der Arbeitsstelle gemieteten Orchester ab, zerrissen die Tonbänder, von denen man die religiöse Musik für die Feier ab­spielen wollte, entrissen den Händen des Verstorbenen den Rosenkranz und steckten ihn in seine Anzugsjacke. Zuletzt versteckten sie das Kreuz für den Trauerzug, das aus der Kirche geholt worden war. Nachdem sie den Bru­der bis zur Kirche geleitet hatten, standen sie während der Dauer der Toten­messe draußen vor dem Tor auf dem Kirchplatz, und später, als der Leich­nam zum Friedhof getragen und beerdigt wurde, vor dem Friedhofstor; sie wagten sich erst an das Grab, als alle anderen gegangen waren. Am meisten mußte die Ehefrau, ebenfalls Kommunistin, für das Begräbnis leiden. Sie erklärte, sie hätte ihren Mann deshalb katholisch beerdigen lassen, weil dies sein letzter Wille gewesen wäre. Man drohte ihr, sie aus der Partei auszuschließen.

 

Širvintos

Viktoria Gurskienė, die seit neun Jahren gewissenhaft in der interkollek­tiven Bauorganisation arbeitet, wartet schon fünf Jahre auf die Genehmi­gung, ein Motorrad kaufen zu dürfen. 1975 beschloß die Gewerkschafts-Ver­einigung dieser Organisation einstimmig, V. Gurskienė und ihrem Mann, der in derselben Amtsstelle beschäftigt war, die Kaufgenehmigung für ein Motorrad zu erteilen. Ungeachtet des Beschlusses der Gewerkschaft wurde ihr auf Druck des Bezirksvollzugskomitees in Širvintai die Kaufgenehmi­gung wieder gestrichen. Dabei wurde dem Ehepaar Gurskienė ironisch er­klärt: „Geht zum Pfarrer, er soll euch das Motorrad geben."

 

Gelažiai

In der Nacht vom 28. zum 29. August 1975 drangen Unbekannte in die Kirche zu Gelažiai ein, raubten die Monstranz mit dem hl. Sakrament, drei Kelche und die Patena. Man benachrichtigte die Milizbehörde in Panevėžys, doch es erschien niemand, um der Sache nachzugehen. In der Nacht vom 3. September drangen erneut Diebe in die Kirche ein. Wieder wurde die Miliz benachrichtigt. Nach diesem zweiten Diebstahl kamen einige Beamte. Am 15. September wurde in einem Garten die weggeworfene Monstranz gefunden. Von der Milizbehörde in Panevėžys erhielt man folgendes Schreiben: „Wir geben bekannt, daß Ihre Eingabe betreffs des Kirchen­raubes vom 29. August 1975 eingehend überprüft wurde. Wer die Kirchen­sachen genommen hat, konnte auf Grund der Nachforschungen nicht fest­gestellt werden. Bezugnehmend auf Ihre Eingabe wird wegen Nichtigkeit des Anlasses abgelehnt, einen Strafprozeß gemäß Paragraph 131 und Para­graph 8 des Strafgesetzbuches der Litauischen SSR anzustrengen."

S. Kerbedis

Leiter der Abteilung für Innere Angelegenheiten des Rayons Panevėžys 15. Oktober 1975

 

Šaukotas

In der Nacht vom 2. zum 3. Dezember ist in die Kirche zu Šaukotas einge­brochen worden. Man benachrichtigte die Milizbehörde, doch diese reagierte überhaupt nicht.

 

Salos

Die Sicherheitspolizei des Rayons Rokiškis verhörte den Kirchenkassierer aus Salos wegen des Baumfällens auf dem Kirchplatz und wegen des Tieres, das man enteignet hatte.

Auch der Vorsitzende des Kirchenausschusses, Šukys, wurde vor die Sicher­heitspolizei zitiert. Er wurde ebenfalls wegen der Baumfällarbeiten auf dem Kirchplatz vernommen, außerdem fragte man ihn, wie oft bei ihm schon eine Hausdurchsuchung durchgeführt worden sei. Šukys wurde beschuldigt, Informationen ans Ausland weitergegeben zu haben. Die Sicherheitsbeamten drohten Šukys: Hör auf mit der „Chronik"! Wirst Frau und Kinder verlas­sen müssen!

 

Rayon Šiauliai

Im Rayon Šiauliai, im Wald von Agiliai, befindet sich ein kleiner Friedhof, genannt der Agiliai- oder Neilaičiai-Friedhof. Nach Erzählungen der Al­ten begrub man dort 1863 die Rebellen und die zu Tode geprügelten Leib­eigenen vom Gut Kleisčiai. Die Leute besuchten oft den Friedhof und stell­ten dort zwischen die alten Kreuze und Kapellensäulen neue Kreuze, als Dank für empfangene Gnaden.

Zu Christi Himmelfahrt kamen die Pilger sogar aus weit entfernten Gegen­den. Später erhielt man die Erlaubnis, auf dem kleinen Friedhof Gottesdienst abzuhalten. Die umliegenden Bewohner bauten hierfür eine Zementkapelle(16X9 m). Im Sommer dieses Jahres renovierten die Bewohner die Kapelle: sie stellten einen neuen Altar auf, zementierten den Fußboden, besserten die Decke aus und tünchten sie. Nachdem die Kapelle renoviert war, organisierte der stellvertretende Vorsitzende des Vollzugskomitees des Rayons Šiauliai, Beržinis, unter dessen Obhut die Kirchen und Priester des Rayons stehen, am 9. September 1975 eine sogenannte „Hilfe" und verwüstete die Kapelle so, daß nicht einmal die Fundamente übrigblieben. Am fleißigsten „half" dabei der Forstwirtschaftsbeamte Žaltauskas, der mit größter Genugtuung die Altäre zerstörte.

Auch weiterhin besuchen die Leute den Neilaičiai-Friedhof und gedenken mit leidendem Herzen der Ketten der Sklaverei — des Terrors Rußlands in Litauen.

Skuodas

Der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten, K. Tumėnas, antwortet in der MonatszeitschriftTarybų darbas (Sowjetarbeit) 1975, Nr. 4, S. 28, auf die Frage, ob Seelsorger die religiösen Riten auch außerhalb der Gebetsstätte durchführen dürfen. „Der Priester hat das Recht, den Kran­ken zu Hause, in Krankenhäusern oder Einschließungsorten, den letzten Dienst zu erweisen, wenn diese selbst es wünschen. In den letzten beiden Fällen muß man sich vergewissern, daß die Zeremonie die anderen Bürger nicht stört, d. h. sie muß in einem gesonderten Raum durchgeführt werden. Es kommt vor, daß manche Leiter und besonders die Krankenhausangestell­ten den Pfarrer nicht in ihre Anstalt einlassen wollen, unter dem Vorwand, daß es keine gesonderten Räumlichkeiten gäbe usw. Natürlich gibt es manch­mal Schwierigkeiten bezüglich solcher Räume, jedoch hat die Verwaltung kein Recht, dem Priester den Zutritt zu einem Schwerkranken zu verwei­gern, ein isolierter Raum muß gefunden werden."

Der leitende Arzt des Bezirkskrankenhauses in Skuodas, Mažrimas, erkennt dieses Recht der Gläubigen nicht an und untersagt dem Priester, die sterben­den Gläubigen im Krankenhaus zu besuchen.

Am 3. Februar lag im Krankenhaus in Skuodas der Schwerkranke Jonas Baltinas. Er schickte seine Tochter Jadvyga Grikštienė zum leitenden Arzt Mažrimas, um die Genehmigung zu erlangen, einen Geistlichen zu rufen. Der Arzt erlaubte es nicht. Seiner Meinung nach sei das Krankenhaus eine staatliche Anstalt, und den Geistlichen sei es nicht erlaubt, sie zu betreten. Die Familie mußte den Schwerkranken aus dem Krankenhaus bringen las­sen, um ihn mit den letzten Sakramenten versorgen zu können. Einige Tage danach starb J. Baltinas.

Solche Vorfälle, wie sie der leitende Arzt Mažrimas demonstriert, indem er nicht erlaubt, sich der in der Verfassung garantierten Gewissensfreiheit zu bedienen, gibt es viele. Jedoch bestraft ihn niemand wegen seines illegalen und unmenschlichen Verhaltens.

Skuodas

Izabele Malukaitė war seit 1971 Vorsitzende der Blindengenossenschaft des Rayons Skuodas. Ihre Arbeit wurde sehr geschätzt. 1973 errang die von ihr geleitete Abteilung der Blindengenossenschaft den 1. Platz in der Zone und 1974 den 1. Platz in der ganzen Republik. Ende 1975 wurde sie gefragt, ob sie zur Kirche gehe. „Ich ging, gehe und werde auch weiter gehen. Ich will nicht heucheln", antwortete Malukaite. „Es herrscht doch Gewissensfreiheit in der Sowjetunion."

Auf Grund dieser offenen Antwort verlor Malukaitė ihren Posten.

 

Šiauliai

In der Nacht des 13. März 1976 wurde in die St. Peter- und Paulkirche in Šiauliai eingebrochen. Es wurden die Opferstöcke geplündert.

Aukštelke

In der Nacht vom 13. März 1976 drangen Missetäter in die Kirche von Aukštelke ein. Als sie dort nichts fanden, was sie hätten mitnehmen wollen, zerstörten sie einen Kronleuchter und rissen die Postamente, auf denen die Leuchter standen, aus ihren Halterungen.

 

Rayon Kaunas

Am 11. Februar 1976 wurde bei Henrikas Klimašauskas, wohnhaft in Girioniai, Ingenieur im Institut für Bauprojekte der Stadt Kaunas, eine Haus­durchsuchung vorgenommen.

An der Hausdurchsuchung beteiligten sich vier Sicherheitsbeamte, darunter die beiden Beamten Linauskas und Lazarevičius. Die Durchsuchung dauerte sechs Stunden, dabei wurden die Wohnung und die Gartenkiste durchsucht. Persönliche Dokumente, Briefe und viele handschriftliche Aufzeichnungen wurden konfisziert. Das Buch Archipel Gulag von A. Solženicyn, auf das es den Sicherheitsbeamten besonders ankam, wurde nicht gefunden. Henrikas Klimašauskas wurde festgenommen und befindet sich in Gewahr­sam der Sicherheitspolizei in Kaunas.

Kapsukas

Der Ingenieur Antanas Garbštas, beschäftigt in der staatlichen Verwaltung für Sicherheit in Industrie- und Bergbauarbeiten, überließ für die Renovie­rung der Kirche in Kapsukas Glaswolle, die er für sich erworben hatte. Dies erfuhr die Rayonsverwaltung.

Diese Handlungsweise des Ing. A. Garbštas wurde vor dem Parteibüro er­örtert. Er wurde gefragt, ob er glaube. Der Ingenieur antwortete: „Ja." „Dann gehst du vielleicht in die Kirche?" „Ja. Meine Eltern gingen, und ich gehe auch."

Am 25. März dieses Jahres wurde Ing. A. Garbštas aus der Arbeit entlassen. Niorai (Weißrußland)

Als Priester J. Grabovskis, Gemeindepfarrer in Niorai, von den Witebsker Regierungsvertretern für seine religiöse Tätigkeit angegriffen wurde, erklärte er, daß er sich auf die Beschlüsse der Konferenz in Helsinki verlassen habe. Man antwortete ihm, daß L. Brežnev die Beschlüsse der Konferenz in Hel­sinki in betrunkenem Zustand unterzeichnet hätte und deshalb der anti­religiöse Kampf weitergehe.