Arminai

Am 20. April 1976 stellte die Direktorin der Mittelschule von Arminai in der 10. Klasse die Frage: „Wer von euch war zu Ostern in der Kirche?" Die Klasse verhielt sich mäuschenstill. Daraufhin befahl die Direktorin den Schü­lern, dies freiwillig zuzugeben, da sie bereits wisse, wer von ihnen in der Kirche gewesen sei. Jetzt standen die Schüler auf. Es zeigte sich dabei, daß zu den Kirchgängern viele Komsomolzen gehörten, sogar die Sekretärin des Kommunistischen Jugendverbandes der Schule. Nun begann ein großes Ge­rede gegen den Glauben, und die Kirche wurde lächerlich gemacht, danach wurden Komsomolzenversammlungen einberufen, in denen sich die Mitglie­der wegen ihres Kirchganges zu verantworten hatten. Die Komsomolzen wurden sogar nach Vilkaviškis zum Rayonssekretär des Jugendverbandes, A. Lengvinas, zitiert, der ihnen die Mitgliedsausweise abnahm und es in jedem Fall gesondert anheimstellte, ob der gläubige Schüler in der Jugend­organisation bleiben dürfe oder nicht. So wurde der Abiturientin V. Rama­nauskaitė zur Auflage gemacht, von nun an nicht mehr zur Kirche zu gehen, falls sie ihren Ausweis zurückhaben wolle.

Šilalė

Am 13. Januar 1976 veranstaltete die Lehrerin der Mittelschule von Šilalė, Vasiliauskienė, unter Teilnahme von ca. 60 Schülern zweier Klassen ein atheistisches Gespräch. Komsomolzen hielten Vorträge mit kränkenden An­griffen gegen Priester, Kirche und Gläubige. Nun sollten sich die Schüler dazu äußern; sie blieben jedoch stumm. Da spornte die Lehrerin Vasiliaus­kienė eine der Schülerinnen zu einer Aussage an:

„Glaubst du denn immer noch an Gott und hängst an der Kirche? Ich habe dir doch so viele Bücher zu lesen gegeben, weißt du das noch?" „Die atheistischen Bücher haben mir ja gerade die Augen geöffnet. Ich fand darin alles entstellt."

„Das habe ich mir nicht gedacht, daß ein so vernünftiges Mädchen, wie du eines bist, solchen Unsinn redet. Wem gehorchst du denn", drängte die Lehrerin sie weiter, „wenn du zur Kirche gehst?"

„Ich gehorche nur der Stimme meines Gewissens", gab das Mädchen ruhig zur Antwort.

„Na, dann hör' nur weiter darauf", höhnte die Lehrerin.

„Das werde ich auch tun!" erwiderte das Mädchen bestimmt. „Alle großen

Gelehrten glaubten und glauben an Gott, weshalb sollen denn dann die

Gläubigen Finsterlinge  und  die Glaubenswahrheiten Altweibermärchen

sein?"

Die Lehrerin konnte ihr darauf nichts entgegnen, sondern nur immer stam­meln: „Das hätte ich nicht von dir gedacht, daß du so eine bist!" Dann wandte sich die Lehrerin an ein anderes Mädchen: „Nun, und wie steht's mit dir? Hast du dich dazu entschlossen, dem Kom­munistischen Jugendverband beizutreten?"

„Ich beabsichtige nicht, meine Uberzeugungen zu ändern und Komsomolzin zu werden. Bemühen Sie sich nicht weiter, es ist doch umsonst." Die Lehrerin wandte sich an ein drittes Mädchen:

„Wie findest du, deiner Meinung nach, das Benehmen deiner Mitschülerin­nen?"

„Die Verfassung garantiert die Gewissensfreiheit. Es bleibt ihnen überlassen, zu bestimmen, ob sie glauben wollen oder nicht..."

Noch lange, nachdem die anderen Schüler nach Hause gegangen waren, be­drängte die Lehrerin mit guten und bösen Worten die Mädchen, sie machte ihnen Angst, „belehrte" sie und nannte sie trotzig und fanatisch.

Buckūnai

Der Sohn von Vincas Klimavičius, Stasys, lernt an der Mechanik-Fachschule von Daugai. Jetzt befindet er sich im dritten Lehrjahr. Er ist kein schlechter Schüler und bekam bis jetzt immer ein Stipendium. Zu Weihnachten 1975 war Stasys zu sechs Vorlesungen nicht erschienen. Der Klassenlehrer Žižiūnas beeilte sich, ein Exempel zu statuieren, und strich ihm das Stipendium, ob­wohl viel schwächere Schüler als Stasys, die auch viel mehr Stunden versäumt hatten, ein Stipendium erhielten. Der Klassenlehrer erklärte dem bei ihm vorsprechenden Vater, daß sein Sohn bereits schon früher während kirch­licher Feste gefehlt hätte. Außerdem, erklärte ihm der Klassenlehrer weiter, haben wir in unserer Klasse ein Punktesystem eingeführt, wonach für die Mitgliedschaft in einem atheistischen Zirkel und die Teilnahme an den von einem solchen veranstalteten Versammlungen Punkte vergeben werden. Sta­sys, der diesen Veranstaltungen ferngeblieben sei, habe eine geringere Punkt­summe erreicht als die anderen; dies wäre mit ein Grund für die Entziehung seines Stipendiums gewesen. Klimavičius erwiderte daraufhin: „Wenn mein Sohn den Wunsch hätte, einem so unnützen Zirkel anzugehören, um sich damit ein Stipendium zu erschleichen, wäre er das Brot seiner Eltern nicht wert."

Somit mußte Stasys für sechs nicht besuchte Lehrstunden mit dem viermonat­lichen Entzug des Stipendiums —insgesamt 120 Rubel — büßen.

Šiauliai

Am 27. November 1975 verbot die Klassenlehrerin Jasiūte den Erstklässlern der 5. Mittelschule, in die Kirche zu gehen. Die dabei Ertappten würde sie zum Direktor schicken. Und wenn die Eltern dennoch ihre Kinder mit zur Kirche nähmen, dann sollten sie keine Gebete dabei sprechen. Eines Tages wurden die Schüler der I. Klasse von der Klassenlehrerin in die Aula geführt. Sie befahl ihnen, ein Gelöbnis nachzusprechen, und heftete einem jeden von ihnen das Abzeichen in Form eines Sternchens der „Okto­berkinder" (Organisation für jüngere Kinder) an. Sobald eines der Kinder in der Schule ohne ein solches Ansteck-Sternchen erschien, wurde ihm von der Lehrerin ein neues angeheftet. Sie drohte den Kindern, die diese Ab­zeichen nicht trügen, mit schlechteren Noten.

Palanga

Im Frühjahr 1976 mußten die Schüler der Mittelschule von Palanga einen atheistischen Fragebogen ausfüllen, der Fragen, wie: Glaubst du an Gott? Gehst du zur Kirche? u. ä., enthielt.

Sämtliche Schüler der Klasse Via antworteten, daß sie an Gott glaubten und nicht daran dächten, Atheisten zu werden. Der Klassenlehrer Kusas legte ihnen den Fragebogen erneut vor, und wieder wurde er von den Schülern in gleicher Weise ausgefüllt. Der erboste Lehrer beklagte sich darüber bei der Leiterin der Jungen Pioniere und schlug vor, die Namen der Schüler von Klasse Via am Schwarzen Brett, allen zum Spott, auszuhängen, damit sie ihren „religiösen Wahn" loswürden. Die Schüler meinten verschmitzt, daß nun endlich auch sie für wert befunden würden, an der „Ehrentafel" zu prangen.

Gižai

Anfang August 1976 bemühte sich der Lehrer der Mittelschule von Gižai, Sigitas Brazaitis, diejenigen Schüler ausfindig zu machen, die bei der Vor­bereitung auf die Erstbeichte zum Priester in die Kirche gegangen seien. Eines Tages hielt der Lehrer in nicht nüchternem Zustand zwei Kinder an, die mit ihrer Mutter in Richtung Kirche gingen, und drohte ihnen, daß sie nach den Sommerferien, bei Schulbeginn, eine niedrigere Betragensnote er­halten würden.

Bemerkungen an die Redakteure

Mit Freuden nahmen wir die erste Nummer der Zeitschrift „Gott und Vater­land" zur Hand. Das ist nun schon die dritte hierzulande erscheinende Publi­kation des Untergrundes. Wir möchten dazu folgendes sagen:

Die Aufgabe der „Chronik der Litauischen Katholischen Kirche" sollte hauptsächlich darin bestehen, Organ der Kirche und der Gläubigen zu sein. Die Aušra (Morgenröte) — eine völkisch eingestimmte Zeitschrift — soll unser litauisches Selbstverständnis erneuern und wiedererwecken; ihre Auf­gabe wäre, uns zu unterweisen, gegen wen und für welches Ziel wir zu strei­ten haben.

Die Zeitschrift „Gott und Vaterland" hat ihr Programm nicht so deutlich festgelegt. Ihr Schwerpunkt könnte mehr auf der allgemeinen Belehrung so­wie der Information über doktrinäre Fragen liegen. Gelungen ist z. B. in letzterem Sinne der kurze Artikel: „Das Wunder in Lourdes". Äußerst be­dauerlich ist jedoch der scharfe, Andersdenkenden gegenüber oft kränkende Ton, den diese Zeitschrift anschlägt. Dies macht sie für eine weitere Verbrei­tung nicht empfehlenswert. Derartige Ausbrüche, wie: „Heute werden wir von dem allerletzten Abschaum— kommunistischen Hochstaplern — re­giert", oder: „Der Atheismus enthält kein Körnchen Wahrheit, er ist die reinste Absurdität, fanatischer Starrsinn, schlimmer als jedes Sektierertum" u. a. m., wirken nur abstoßend. Das sind keine Argumente, sondern Schimpf­kanonaden; für uns Gläubige sind derartige Ausdrucksmittel, die in atheisti­schen Veröffentlichungen gang und gäbe sind, zu verwerfen. Die Achtung, die wir für uns beanspruchen, müssen wir auch anderen zollen. Es ist nicht angebracht, unseren Widerwillen gegenüber ungesunden Erschei­nungen und Irrtümern in Haß gegen Einzelpersonen umschlagen zu lassen. So ist es eines Intellektuellen unwürdig, Professor Daukša, möge er sein, wie er will, mit solchen Attributen wie „der professorliche Ignorant" oder „der professorliche Heuchler" zu belegen.

Leserzuschrift an die „Chronik der LKK"

Anmerkung der „Chronik der LKK"

Da alle drei Zeitschriften im Untergrund erscheinen und die Redakteure ein­ander nicht immer kennen, mögen die Leser sich nicht darüber wundern, wenn auch mal ein Artikel dem Profil der jeweiligen Zeitschrift nicht ent­spricht. In Zukunft wird sich die „Chronik der LKK" mehr auf Angelegen­heiten, die die Kirche und die Gläubigen angehen, beschränken.

 

Die „Chronik der LKK" berichtigt:

Die in der „Chronik der LKK", Nr. 23, erschienene Notiz über den Dozen­ten der Landwirtschaftsakademie, Antanas Patackas, ist ungenau. Er wurde aus dem Amt entlassen ohne Anrecht auf eine pädagogische Tätigkeit, weil ihm Nationalismus (Mitwirkung an der Wiederbelebung der litauischen Sprache in Weißrußland unter der litauischstämmigen Bevölkerung) und ideologische Ungeeignetheit (im kommunistischen Sinne falsche Erziehung der Studenten) zur Last gelegt wurden.

Eine Bitte der Redaktion der „Chronik der LKK"

Wir bitten unsere Leser, uns zur Illustration ihrer Aufsätze und Kurzinfor­mationen, die zur Veröffentlichung in der „Chronik der LKK" bestimmt sind, auch fotografische Aufnahmen der darin vorkommenden Personen, ört­lichkeiten und Begebenheiten zuzusenden. Für eine spätere Geschichtsschrei­bung könnte dieses Material von großem Wert sein. Den Aufnahmen sollte eine Erklärung, was darauf dargestellt ist, beigefügt werden.