Kaunas
Zwölf junge Männer durften mit Genehmigung der Sowjetmacht ins Priesterseminar eintreten — aus einer Gesamtzahl von rund 30 Antragstellern. Einer der zugelassenen Kandidaten erschien nicht zur Aufnahme, doch ließ die Obrigkeit nicht zu, daß ein anderer die Stelle einnahm, sie mußte frei bleiben.
Die diesjährigen Aufnahmekandidaten waren besonders eifrigen Bestrebungen ausgesetzt, sie als freie Mitarbeiter des Geheimdienstes anzuwerben. Es ist zu bedauern, daß dieses Jahr gewisse Kandidaten ins Seminar gelangten, die besser draußen geblieben wären. Gleichzeitig durften eine ganze Anzahl wirklich geeigneter Anwärter wegen direkter Einflußnahme der staatlichen Sicherheitsorgane nicht aufgenommen werden. Manchen wurde bedeutet, sie brauchten sich erst gar nicht ein zweites Mal zu bewerben, denn man werde sie sowieso nicht zulassen. Somit hat sich die Sowjetmacht diesmal in bezug auf die Zahl der aufgenommenen Kandidaten großzügig gezeigt, doch gleichzeitig für eine Qualitätsminderung bei der Auswahl gesorgt.
Vilnius
Im Juni 1976 wurde der Zoll für Pakete aus den USA bis 800 Prozent erhöht. Heute ist man in Litauen in der Lage, ohne Unterstützung der Verwandten im Ausland auszukommen. Mittel, die bisher zum Zweck materieller Hilfeleistung ausgegeben wurden, können heute einem wichtigeren Zweck, dem Kampf für die Freiheit des Volkes und der Religion, gewidmet werden. Die „Chronik der LKK" hat die ersten zwei Nummern der Untergrundpublikation Dievas ir Tėvynė (Gott und Vaterland) erhalten. Zahlreiche Leser sind enttäuscht über den Ton, der einer religiösen Publikation nicht zur Ehre gereicht. Die „Chronik der LKK" wünscht dem neuen Presseorgan, bald den Werten zu entsprechen, die der Titel aussagt.
Vilnius
Die aus Rom heimkehrenden Bischöfe L. Povilonis und R. Krikščiūnas wurden von Zollbeamten in Moskau durchsucht. Sämtliche Devotionalien wurden ihnen so stürmisch abgenommen, daß dabei sogar die Krawatte von Bischof L. Povilonis zu Schaden kam. Zum Hohn hängten sich die Zöllner demonstrativ die beschlagnahmten Rosenkränze um den Hals, um die Demütigung der kirchlichen Würdenträger noch zu erhöhen. Der Vorfall wird in Litauen verschieden interpretiert. Die einen deuten ihn als Anzeichen dafür, daß die Bischöfe ihren behördlicherseits gestellten Auftrag nicht erfüllt haben. Andere meinen, die Filzung habe etwas mit gewissen Intrigen von Priestern zu tun, die am Eucharistischen Kongreß teilgenommen haben. Eine dritte Gruppe schließlich sieht in dem Vorfall nur ein schlaues Manöver der Sicherheitsbehörden mit dem Ziel, die Autorität der Bischöfe in Rom zu erhöhen.
Kaunas
Im September 1976 nahm der Rektor des Priesterseminars Kaunas in Begleitung des Dekans von Šakiai, Pfarrerr J. Žemaitis, an der Berliner Friedenskonferenz teil. Die Sowjetmacht ist offensichtlich bemüht, angesehene Priester der Reisebegleitung von Dr. V. Butkus zuzuteilen, um dessen Ansehen zu heben. Pfarrer J. Žemaitis ist denn auch nicht etwa aus eigenem Entschluß nach Berlin gefahren. Trotzdem haben viele gläubige Intellektuelle und Priester dieser Reise nicht zugestimmt. Die Berliner Friedenskonferenz wird in Litauen als große „Lügenblase" gewertet, und Priester, die ernstgenommen werden wollen, sollten sich nicht daran beteiligen.
Kaunas
An den
Republiks-Staatsanwalt der Litauischen SSR Klageschrift
eingereicht von Bürger
Virgilijus Jaugelis, Sohn des Vincas,
wohnh. in Kaunas, Markso 40-1
Am Mittwoch, dem 23. Juni 1976, wurde ich in Raseiniai, ich befand mich gerade unterwegs nach Kaunas, von zwei Männern angehalten, die in einem Pkw der Marke Moskwitsch vorfuhren. (Einer der Männer war in Milizuniform, der andere in Zivil; er schien den Sicherheitsorganen anzugehören, und ich würde ihn jederzeit wiedererkennen.) Ich widersetzte mich ihrer Anforderung, zu ihnen in den Wagen zu steigen. Daraufhin ließen sie sich meinen Paß zeigen. Sie fragten mich, woher ich käme und wohin ich führe, und verlangten Einsicht in den Inhalt meiner Reisetasche. Ich sagte ihnen, daß ich, bevor ich zur Untersuchung meiner Person bereit wäre, erst ihren Berechtigungsausweis hierfür sehen möchte. Daraufhin zwangen sie mich in den Wagen, standen daneben und rauchten; später fuhren sie zur Tankstelle, schalteten dort wieder eine längere Pause ein, und erst dann fuhren sie mit mir zur Milizstation. Ein weiterer „Kollege" hatte sich unterdessen zu ihnen gesellt, der den Rat erteilte, sich „mit dieser Rotznase nicht unnötig aufzuhalten", sondern sie, d. h. mich, „gleich zusammenzuschlagen und fertigzumachen". Die anderen bekräftigten ihre Zustimmung unter ganz gemeinen Russenflüchen der niedrigsten Sorte. Andauernd drängten sie mich, ihnen die Reisetasche zur Untersuchung zu überlassen. An der Miliz wurde ich nicht abgesetzt, sondern erst nach einer guten Strecke des Weges in Richtung des Waldes. Man versuchte mir unter Flüchen und Drohungen die Reisetasche zu entreißen und mich einer Leibesvisitation zu unterziehen. Dieser Vorgang wiederholte sich noch einmal auf der mir unbekannten Straße in Richtung Wald. Das Benehmen und das Aussehen dieser „Ordnungshüter" war derart beängstigend, daß ich nicht daran zweifelte, in die Hände von Verbrechern gefallen zu sein, die mich plündern oder gar morden wollten. Ich bestand immer wieder darauf, ihre Ausweise zu sehen. Die Bemerkung des Mannes in Zivil: „Ich bin nicht ich, wenn ich ihn nicht bis auf die bloße Haut durchsuche und ihn einsperre", veranlaßte den PKW, kehrtzumachen und mich zur Miliz zu bringen. Obwohl ich widersprach, wurde mir auf Geheiß des Zili-listen dort die Reisetasche abgenommen und ihr Inhalt überprüft. Während der Durchsuchung wurden mir zwei Bücher weggenommen, wovon eines mir wieder ausgehändigt und das andere — „Der Christ in der Welt" von Maceina — nicht zurückgegeben wurde. Verhaftet wurde ich gegen 16 Uhr und wieder entlassen abends nach 20 Uhr. In dem Protokoll dieser Zwangsdurchsuchung— einem einfachen Blatt Papier — steht vermerkt: „Ich, Zubrickas, verantwortlicher, wachhabender Oberleutnant der Miliz des Rayons Raseiniai, unter Beistand von: 1. Venckus, Zigmas, Sohn des Pranas, wohnh. im Dorf Aiskainiai, Kreis Raseiniai, sowie 2. Selkiniov, Mikolaj Michailovic, wohnh. in Raseiniai, Taikos g. 29, stelle in diesem Protokoll fest, daß auf Anweisung des Chefs des Sicherheitskomitees des Kreises Raseiniai von dem Bürger Jaugelis, Virgilijus, Sohn des Vincas, wohnh. in Kaunas, Markso prosp. Nr. 40, Wohnung 1, das 1974 in den USA verlegte Buch ,Der Christ in der Welt' des Schriftstellers A. Maceina beschlagnahmt worden ist." Die Unterschrift des Protokollführers Zubrickas fehlt am Protokollschluß.
Ich verlange, diesen Vorfall zu untersuchen und die Schuldigen zu bestrafen. Gleichfalls verlange ich die Rückgabe des Buches: „Der Christ in der Welt".
Kaunas, den 24. Juni 1976 V. Jaugelis
Die Republiksprokuratur blieb in den verstrichenen zwei Monaten V. Jaugelis noch immer die Antwort schuldig. Kommentare sind hierzu unnötig — die Funktionäre der Rayons- und Stadtmilizen sowie der Sicherheitsorgane dürfen sich unter dem Schutz der Republiksprokuratur jede Eigenwilligkeit erlauben.
Kaunas
Am 25. Mai 1976 fand auf dem Petraschiuner Friedhof die Beisetzung des Kanzlers des Bistums Vilkaviškis, Bernardas Baliukonis, statt. An dem Trauergottesdienst für den Verstorbenen nahmen alle Bistumsverwalter sowie die Bischöfe von Kaunas und Panevėžys teil. Kurz vor Beginn des Gottesdienstes erschien der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten, K. Tumėnas, in Begleitung des Rektors des Priesterseminares, Priester V. Butkus, der dem Bevollmächtigten einen Platz in der Prälaten-Loge anwies. Ältere Priester können sich nicht daran erinnern, jemals selbst den Präsidenten der Republik zu Zeiten der Unabhängigkeit in dieser Loge gesehen zu haben. Die Gläubigen sind der Meinung, daß die Priester ihre Gotteshäuser ehren sollten und ungeladenen Ungläubigen der Stuhl an einer weniger exponierten Stelle hingestellt werden sollte, damit die Andacht durch sie nicht gestört würde.
In der Stadt verschaffte die Verkehrspolizei den Begleitwagen des Trauerzuges die Vorfahrt. Uber den Friedhof schritt K. Tumėnas in der Prozession, an der Seite der Bischöfe. Er fehlte auch nicht bei dem feierlichen Essen der Priester und Bischöfe. Die Regie dieses Begräbnisses ließ auch ohne viele Worte erkennen: wer es mit den Ungläubigen hält, dem ist die Gunst der Regierung sicher: mit Würdenträgern und den Diensten der Verkehrspolizei wird sein Verhalten belohnt. Vergleichen wir dagegen das Begräbnis für den Priester Z. Neciunskas. Wie anders werden doch diejenigen zu Grabe getragen, welche nach Berlin zu den sogenannten Friedenskonferenzen geschickt, und diejenigen, welche nach Mordovien verschickt werden.
Kaunas
An dem Kaunaer Priesterseminar ging am 28. Mai 1976 ein Studienjahr zu Ende. Der Seminarrektor, Dr. V. Butkus, wies in seiner Ansprache im Speisesaal die Kleriker darauf hin, daß sie während ihrer Ferien die Kameraderie mit reaktionären Priestern meiden sollten (wobei der Ausdruck „reaktionär" von den Sicherheitsleuten für die aktiveren Priester gebraucht wird). Nach einigen einführenden Worten führte der Rektor den Bevollmächtigten K. Tumenas in den Speiseraum der Kleriker, wo dieser die vom Rektor vorgebrachten Leitsätze noch einmal wiederholte und die Seminarzöglinge hierbei ausdrücklich namentlich vor zwei Priestern, Juozas Klebskis und Alfonsas Svarinskas, warnte. Der Bevollmächtigte gab seiner Überzeugung Ausdruck, daß diese Priester infolge der Repressalien, denen sie ausgesetzt waren, einen besonderen Haß gegen die Sowjetregierung hegen.
In Priesterkreisen fragt man sich jetzt: was gibt eigentlich dem Rektor des Priesterseminares das Recht, den Bevollmächtigten in den Speiseraum der Kleriker einzuladen und es zuzulassen, daß der Kirche treu ergebene Priester von diesem diffamiert werden?
Vilnius
An der Verabschiedung einer Gruppe litauischer Priester, die nach Philadelphia zum Eucharistischen Kongreß flogen, nahm auf dem Vilnaer Flughafen auch der Bevollmächtigte für religiöse Angelegenheiten, K. Tumenas, teil. Der Beauftragte ist als Trojanisches Pferd zur Vernichtung der Kirche
Litauens eingesetzt, deshalb kam den Anwesenden der Ekel hoch, als sie erleben mußten, wie ein Teil der Priester sich zum Abschied mit ihm küßte. Der vorige Beauftragte, J. Rugienis, war ein grober Kerl, der die Priester beschimpfte und erniedrigte. Da ein solches Verhalten des Bevollmächtigten für religiöse Angelegenheiten nicht die nötigen Ergebnisse zeitigte, wurde der ehemalige Sicherheitsfunktionär von der Regierung durch einen höflichen und freundlichen „Politleiter" ersetzt. K. Tumėnas ist um ein taktvolles Benehmen bemüht; gern unterstreicht er, daß er eigentlich Historiker sei und ihm das Amt eines Bevollmächtigten nur aufgedrängt wurde. Des öfteren tut er so, als ob er den Priestern gern beistehen würde, wenn es in seiner Macht stünde. K. Tumėnas besucht eifrig die Pfarreien, wo er für die Regierung nützliche Informationen sammelt.
So mancher Priester sollte endlich begreifen, daß die Freundschaft mit dem Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten die Gläubigen kränkt und der Kirche durch Spaltung der Priesterschaft Schaden zufügt.
Šiluva
Anfang September 1976 strömten Scharen von Menschen nach Šiluva zum Kirchenfest zu Ehren der Geburt der hl. Jungfrau Maria, das eine ganze Woche, vom 8. bis zum 15. September, dauerte. Besonders zahlreich war die Teilnahme an den Ablaßfeierlichkeiten am 11. und 12. Tage des Monats. Das Städtchen wimmelte während dieser Tage von Verkehrspolizisten, Milizionären und Milizhelfern. Die Milizhelfer fahndeten nach Devotionalienhändlern, durchsuchten dabei ihnen verdächtige Privathäuser und machten selbst vor der Kirche nicht halt, wo sie im Portal stehende Frauen vertrieben, die dort ihre Rosenkränze feilboten. Am 8. September mußte ein Priester drei Milizhelfer aus der Kirche jagen, die bis in die Kirche Devotionalienverkäufer verfolgt hatten.
Foto- und Filmamateure, die die betende Menschenmenge aufnehmen wollten, wurden von Milizstreifen angehalten und zum Sicherheitschef des Rayons Raseiniai gebracht, der seinen Posten nahe der Kirche bezogen hatte. Dort wurden die Filme aus den Apparaten herausgenommen und belichtet. Ein Diensthabender bemerkte dabei spöttisch zu einem der gefaßten Besitzer eines Fotoapparates, daß er bereits eine Kiste voll solcher Filme beschlag nahmt hätte. Die Funktionäre gaben den Fotoamateuren den Rat, doch lieber die Menschenmassen bei den Großveranstaltungen der Liederfeste aufzunehmen oder aber, wenn sie schon unbedingt in Šiluva ihre Erinnerungsfotos knipsen wollten, dann zu einer Zeit, wenn kein Kirchenfest stattfände. Unter den Festgehaltenen befand sich auch Priester Antanas Lukošaitis. Als auch ihm geraten wurde, die Teilnehmer an Sängerfesten zu fotografieren, erklärte der Priester, daß für ihn als katholischen Geistlichen betende Mensehen ein lohnenderes Fotoobjekt wären. Der Chef des Raseiner Sicherheitsdienstes fragte Priester A. Lukošaitis, weshalb er hierhergekommen sei, ließ sich dessen Paß zeigen, aus dem er sich Notizen machte, und sagte schließlich, daß „der Sache nachgegangen" würde.
Noch nach 30 Jahren anhaltender atheistischer Propaganda fürchten die sowjetischen Funktionäre die weltweite Kunde über zum Gebet versammelte Menschenmassen und die sich unter sie in großer Zahl mischenden Milizionäre und Milizhelfer. Ganz besonders fürchten sie sich davor, daß auf Filmen die Tätigkeit der Milizionäre und Milizhelfer bei ihrer Jagd nach Devotionalienverkäufern dokumentiert würde.
Kaltinėnai
An den Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten der Litauischen SSR beim Ministerrat der UdSSR
Kopie: an die Kurie des Bistums Telšiai
Erklärung
eingereicht von Priester Bernardas Talaišis, Sohn des Jonas, wohnh. in Kaltinėnai, Rayon Šilalė
Die Rayonszeitung von Kretinga, Šviturys (Leuchtturm), berichtete am 15. Januar 1976 auf Seite 3 über ein Atheistentreffen des Rayons. In dem Artikel „Äußerungen der Teilnehmer" steht auch, was Br. Mažonis, Direktor der Mittelschule von Darbėnai, zu diesem Atheistentreffen zu sagen hatte: „Weshalb verringert sich nicht die Anzahl der Priester? Der Pfarrer von Linkuva, Bernardas Talaišis, ist ein guter Freund von mir. Er ist Atheist. Weshalb bleibt er denn dann Priester? Nun, er sagt, daß es ihm zur Aufgabe des Priestertums an Willensstärke mangele. Und wie steht es bei ihm mit der pekuniären Seite? Darüber könne er sich nicht beklagen, meint er. Er heuchelt somit anderen etwas vor."
Schon die Frage, weshalb sich die Anzahl der Priester nicht verringere, ist irreführend. Man weiß in Ihrem Amte nur zu gut darüber Bescheid, daß zumindest im letzten Jahrzehnt die Priesterzahl abgenommen hat, und gleichfalls weiß man, daß Priester Talaišis bereits seit neun Jahren Pfarrer von Kaltinėnai und nicht von Linkuva ist.
Ich möchte mich der Bezeichnung Freund nicht entziehen. Mir angetragene Freundschaften sind mir viel wert, ungeachtet der Weltanschauung und sonstiger Ansichten meiner ehemaligen Klassenkameraden und anderer Kameraden im Leben. Mit Br. Mažonis war ich für einige Zeit in einer Klasse; wir haben zusammen Sport getrieben. Als Priester bin ich Mažonis nur ein einziges Mal zufällig, so um das Jahr 1958, in einem Konzert begegnet, wo wir jedoch weltanschauliche Themen nicht erörterten. Seit unserer Schulzeit haben wir niemals wieder Umgang miteinander gepflegt noch auch nur einen Brief gewechselt. Woher weiß Mažonis dann so gut über mein Innenleben Bescheid? Jetzt, wo es ihm sichtlich an stichhaltigen Argumenten für den Atheismus fehlt, wird mein Name, unter dem Vorwand „ein guter Freund von ihm" zu sein, mißbraucht, indem er mich unter die Atheisten einreiht und als Heuchler bezeichnet.
Hiermit erkläre ich ganz öffentlich, daß ich, Priester Bernardas Talaišis, immer an Gott geglaubt habe und daran festhalte. Aus der Priesterschaft will und wollte ich niemals austreten. Das wissen auch Hunderte von Priestern und Tausende von Gläubigen, die mich kennen.
Als Bürger der Sowjetunion erkläre ich außerdem, daß es mir um solche „Freunde", wie Br. Mažonis einer ist, leid tut, denen Wahrhaftigkeit und Freundschaft so wenig bedeuten, wenn sie „Argumente" für den Atheismus brauchen.
Durch seine lügenhafte Argumentation zeigt er sich in seiner ganzen Nichtigkeit als Mensch, als Pädagoge und Schulleiter. Doch ich bezweifle, ob ihm daran so viel gelegen ist? Oder ob es ihn anficht, daß er die Teilnehmer des Treffens, die Vertreter von Partei und Regierung sowie der sowjetischen Presse, und über letzteres das Volk, irregeführt hat?
Ist das so wichtig für den Staat? Ich meine schon. Dies um so mehr, als ich in der Presse nicht als Privatperson, sondern als Amtsträger eines Kultes angegriffen worden bin.
Ich bitte den sehr verehrten Minister um seine Vermittlung, damit die von Br. Mažonis öffentlich ausgesprochene Unwahrheit auch wieder öffentlich widerrufen wird.
Kaltinėnai, den 28. Januar 1976 B. Talaišis
Der „Chronik der LKK" kam von einer Widerrufung dieser üblen Nachrede noch nichts zu Ohren. Die sowjetische Presse erlaubt sich, Priester zu beschuldigen, jedoch niemals, ihnen Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Salos
Im Mai 1976 besuchte der Bischof von Panevėžys, R. Krikščiūnas, die Kirchengemeinde von Salos.
Die Gemeindemitglieder errichteten zu Ehren ihres Bischofs im Kirchenvor-hof ein Ehrentor und schmückten die Kirche mit Blumen. Der Kraftfahrer Sutas mußte sich vor dem Direktor der Landwirtschaftlichen Fachschule von Salos schriftlich dafür verantworten, grüne Zweige aus dem Walde herbeigeschafft zu haben. Für dieses „Vergehen" wurde ihm das Kraftfahrzeug entzogen und er zur Traktorenreparatur abdelegiert.
In Salos sind sogar Rentner dem Terror ausgesetzt. So wurde von der Leitung eines Landwirtschaftsbetriebes angeordnet: „Gebt Kazimieras Trum-pickas das Weideland recht weit von seinem Haus entfernt, damit er weniger Zeit hat, in die Kirche zu gehen."
Kaišiadorys
Im Jahre 1937 hat die Kirchengemeinde von Kaišiadorys, zum Andenken an das 550jährige Jubiläum seit Einführung der Taufe in Litauen, im Vorhof der Kathedrale ein mit volkstümlicher Ornamentik verziertes, künstlerisch wertvolles Kreuz errichten lassen.
Vor zehn Jahren ordnete die Rayonsverwaltung von Kaišiadorys an, den Kirchhof zu verkleinern; hierbei wurde das große, in gotischem Stil errichtete Portal und ein Teil der Umzäunung abgerissen. Vor einigen Jahren erging der Befehl, einen weiteren Teil der Umzäunung zu entfernen und das Kreuz an anderer Stelle zu errichten. Der Pfarrer stellte das Kreuz im Vorraum der Kathedrale auf.
Am 18. August 1976 haben unbekannte Täter den Gekreuzigten von diesem Kruzifix gerissen. Diese Tat ist nicht die einzige ihrer Art. Bereits 1975 verschwanden die Figuren des Gekreuzigten von vielen Grabmalen des Friedhofes von Kaišiadorys.
Šventybrastis
Im Sommer 1976 bereitete der Pfarrer der Kirchengemeinde von Šventybrastis, L. Jagminas, ein Grüppchen Kinder zur Erstbeichte und hl. Kommunion vor. Natürlich gefiel das den Atheisten nicht.
Am 16. August wurde der Pfarrer in das Exekutivkomitee des Bezirkes Triskūnai bestellt. Der Bezirksvorsitzende Smigelskas verlangte von dem Pfarrer die Bekanntgabe der Namen der Kinder, was dieser jedoch ablehnte. Darauf erklärte der Vorsitzende, daß er die Namen einiger Kinder wisse, und stellte ein Protokoll zusammen über die Katechese der Kinder. Am 9. September wurde Priester L. Jagminas zum stellvertretenden Vorsitzenden des Exekutivkomitees des Kreises Kėdainiai geladen. Dort wurde ihm im Beisein der Mitglieder der Administrativkommission der Beschluß dieser Kommission vorgelesen, demzufolge dem Pfarrer L. Jagminas wegen Unterrichtung von Kindern eine Verwarnung erteilt wird. Der stellvertretende Vorsitzende Juškevičius fügte hinzu, daß im Falle eines weiteren Nichteinhaltens der Vorschriften gegen den Pfarrer gerichtlich vorgegangen würde.
Von 1959 bis 1961 lehrte Priester L. Jagminas im Interdiözesan-Priester-seminar von Kaunas die Heilige Schrift. Der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten, Rugienis, veranlaßte seine Entfernung aus dem Lehrpersonal des Priesterseminares, indem er ihm die Verbreitung von antisowjetischer Stimmungsmache während der Vorlesungen vorwarf. In Wirklichkeit mißfiel dem Bevollmächtigten die Ernsthaftigkeit und Beflissenheit, mit der Priester Jagminas seinen Lehrauftrag erfüllte. Von Zeit zu Zeit säubert der Rat für religiöse Angelegenheiten das Seminar von solchen Lehrern, um zu erreichen, daß die ins Leben tretenden Priester weniger prinzipientreu und dem Geiste der Kirche weniger ergeben sind.
Pociūnėliai
In dieser Pfarrgemeinde haben die Priester über längere Zeit Privatwohnungen gemietet, da im Pfarrhaus ein Internat eingerichtet wurde und das ehemalige, zur Kirche gehörende, gemeinnützige Haus im Besitz eines Kolchos ist.
Im Mai 1975 kaufte der Pfarrer A. Jakubauskas ein Haus, um dort ein Pfarrhaus einzurichten. Damit der Kaufvertrag im Notariat urkundlich legitimiert werden kann, bedarf es einer Bescheinigung des Kolchos, auf dessen Boden sich das Haus befindet, daß dem Käufer ein 15 Ar großes Grundstück zuerteilt und der Kauf des Hauses genehmigt wird.
Nachdem Priester A. Jakūbauskas mit dem Hausbesitzer handelseinig geworden war, bat er den Kolchosvorsitzenden von Pociūnėliai, A. Stumbras, um die erforderliche Bescheinigung, die dieser ihm jedoch verweigerte, und zwar mit der Begründung, daß die Rayonsverwaltung etwas dagegen habe. Als ein halbes Jahr vergangen war, versuchte es der Pfarrer noch einmal, erhielt jedoch vom Vorsitzenden erneut einen negativen Bescheid. Am 23. Juli 1976 wandte sich Priester A. Jakūbauskas in einem Schreiben an den Vorsitzenden des Exekutivkomitees des Rayons Radviliškis mit der Bitte, den Kolchosvorsitzenden und die Verwaltung dahingehend zu beeinflussen, daß die Kaufunterlagen ausgestellt würden. Da dieses Schreiben ohne eine Antwort blieb, schrieb der Pfarrer am 10. August eine weitere Erklärung an die Rayonsverwaltung. Daraufhin erhielt er von dem stellvertretenden Vorsitzenden A. Krikštanas am 13. August den Bescheid, daß für die Erledigung der Formalitäten zum Kauf eines Wohnhauses die Kolchosverwaltung zuständig sei.
Am 18. August wandte sich der Pfarrer erneut an die Verwaltung des Kolchos Pociūnėliai, was mit Schweigen quittiert wurde. Priester A. Jakubauskas erkundigte sich bei dem Vorsitzenden des Kolchos, wann endlich sein Fall in einer Kolchosversammlung behandelt und ihm der Beschluß mitgeteilt würde. Der Vorsitzende erwiderte ihm ziemlich unwirsch, daß er gegen den
Hauskauf und deshalb auch nicht bereit sei, eine Bescheinigung auszustellen. Dann fügte er drohend hinzu: „Mit dir werde ich schon fertig werden! Allerdings, ohne mir dabei die Hände schmutzig zu machen!" Der Pfarrer zweifelte nicht daran, daß der Vorsitzende zu solch einer Untat fähig sei. Zu Ende des Gespräches lenkte der Vorsitzende ein, bat Stillschweigen über dieses Gespräch zu wahren und versprach dem Pfarrer, ihm eine schriftliche Antwort zukommen zu lassen.
Am 15. September wurde A. Jakūbauskas mitgeteilt, daß „der Kolchos sich das Vorrecht zum Kauf des Hauses von Č. Mickevičius vorbehält". Dabei wußte der Kolchosvorsitzende ganz genau, daß der Pfarrer das Wohnhaus von Č. Mickevičius bereits gekauft hatte, daß sowjetische Gesetze Priestern den Erwerb eines Hauses nicht verbieten und daß das Vorkaufsrecht demjenigen zusteht, der bereits in dem Haus wohnt.
Als was kann man denn das sonst bezeichnen, wenn nicht als eine vorsätzliche Schikane gegen einen tüchtigen Priester, damit ihm die Zeit und die Gesundheit zur Ausübung seiner direkten priesterlichen Amtspflichten fehlen!
Am 10. Juli 1975 kamen der Direktor der Mittelschule von Pociūnėliai, Taučius, und die Parteiseketrärin des Kolchos, Bžeskienė, zum Pfarrer A. Jakubauskas und schrieben diejenigen Kinder auf, die von ihm für die Erstbeichte examiniert worden waren. Noch ein ganzes Jahr danach hatten diese Kinder in der Schule unter dem Spott und der Verfolgung der Lehrer zu leiden. Die Kinder fürchteten sich vor dem Besuch der Kirche. Die Eltern dieser Kinder waren dem Terror der Parteisekretärin Bžeskienė und des Vorsitzenden des Kolchos, Stumbras, ausgesetzt, die den Eltern, um die Kinder vom Kirchgang abzuhalten, den Entzug von Weideland und ähnliche Sanktionen androhten.
Angeführt vom Direktor der Mittelschule von Pociūnėliai, Taučius, haben es sich einige atheistisch gesinnte Lehrer zur Aufgabe gemacht, ihre Schulkinder zur Ungläubigkeit zu erziehen. Da der Pfarrer A. Jakubauskas ganz augenscheinlich großes Ansehen unter den Jugendlichen genießt, versuchen sie, seine priesterliche Tätigkeit lahmzulegen oder den Pfarrer aus Pociūnėliai fortzugraulen.
Am 12. August 1976 wurde Priester A. Jakūbauskas nach Vilnius in den Rat für religiöse Angelegenheiten gerufen. Dort sagte ihm der Bedienstete Murni-kov, daß sich der Pfarrer an die Gesetze zu halten habe. Am 15. August 1976 kam Kazimieras Vainauskas, Einwohner des Dorfes Noreikai in der Pfarrei Pociūnėliai, nicht zur Arbeit; es war ein Sonntag, und er hatte mit seiner Familie am Fest Maria Himmelfahrt teilgenommen. Als Vainauskas am Montag zur Arbeit erschien, wurde er von Brigadier Šapkus sowie den Leitern des Kolchos Tiesa(Wahrheit) getadelt, außerdem wurden ihm zur Strafe mehrere von einem Gemeinschaftsfeld zustehende Fuhren Gerstenstroh wieder entzogen. Das ist für einen Kolchosbauern eine harte Strafe. Auf gerichtlichem Wege könnte er möglicherweise die Rückgabe seines Eigentums erreichen, indes weiß man aus Erfahrung, wie abträglich sich dies auf seine Lebensumstände im Kolchos auswirken würde. Der Vorsitzende des Kolchos Tiesa, Meilus, hält die Kolchosmitglieder unter eisernem Druck, dies bekommen insbesondere die Kirchgänger zu spüren. Am 2. Juli 1976 machten sich der Mittelschuldirektor von Pociūnėliai, Tau-čius, mit den Lehrerinnen Buračienė, Skirtautienė und Rutkauskienė auf den Weg zur Kirche, wo, wie sie erfahren hatten, Pfarrer A. Jakubauskas die Vorbereitung der Kinder zur Erstbeichte überprüfte. Als sie die Kirche betreten wollten, um die Kinder zu registrieren, die sie nachher mit Abschrek-kungsmitteln und Überredungskünsten von der Kirche fernhalten wollten, verstellte ihnen der Priester den Eingang. Der Lehrerin Buračienė gelang es unter dem Vorwand, sich nur mal die Kirche ansehen zu wollen, hineinzu-schlüpfen. Sie zählte an die 30 Kinder, machte sich Aufzeichnungen über die ihr bekannten Namen und verließ wieder die Kirche. Pfarrer A. Jakubauskas verlangte vom Schuldirektor, ihm die Genehmigung zu diesen Maßnahmen zu zeigen. Die Lehrerin Skirtautienė berief sich auf einen Anruf von der Parteisekretärin des Rayons, die angeblich die Uberprüfung der Arbeit des Pfarrers mit den Kindern angeordnet hatte. Später erfuhr man, daß dies aus Eigeninitiative der Lehrer geschehen war; sie wollten nur mal bei den Kindern und dem Priester „Ordnung schaffen".
Am 5. Juli mußte Pfarrer A. Jakubauskas eine Zurechtweisung durch den Bezirksvorsteher von Skėmiai sowie die Parteisekretärin von Pociūnėliai, Bžeskienė, und die Lehrerin Skirtautienė über sich ergehen lassen. Ihrer Ansicht nach hatte der Pfarrer nicht das Recht dazu, den Lehrern den Eingang in die Kirche zu verwehren, und ebenfalls nicht das Recht zur massenweisen Prüfung der Kinder. Der Pfarrer erklärte ganz ruhig, es sei seine Pflicht, den Anspruch der Gläubigen auf Gewissensfreiheit zu verteidigen, weshalb er die Lehrer abgewiesen habe.
Mit Unterstützung des Direktors ließ die Lehrerin Buračienė die Eltern der in der Kirche angetroffenen Kinder zu sich rufen und verlangte von ihnen eine schriftliche Erklärung darüber, ob sie die Kinder von sich aus zur Kirche schickten oder ob sie dies auf Geheiß des Pfarrers täten. Die Eltern versicherten schriftlich, daß sie die Kinder selber auf die Beichte vorbereiteten und nur danach das Wissen der Kinder von dem Pfarrer überprüfen ließen. Später lief die Lehrerin Buračienė von Dorf zu Dorf, warnte die Eltern vor den Folgen und verlangte schriftliche Erklärungen von Eltern und Kindern. Am 19. Juli wurde Priester A. Jakubauskas zum stellvertretenden Vorsitzenden des Rayon-Exekutivkomitees, Krikštanas, zitiert. Der stellvertretende Vorsitzende und die Parteisekretärin Januševičienė äußerten sich, unter Berufung auf die Klage der Lehrer, dahingehend, daß die Lehrer das Recht hätten, die Arbeit des Priesters mit den Kindern zu kontrollieren, daß dem Priester nur erlaubt sei, ein von Vater oder Mutter begleitetes Kind zu prüfen, jedoch nicht das Kind allein. Der stellvertretende Vorsitzende Krik-štanas hielt dem Pfarrer den Inhalt seiner Predigt vor, außerdem bemängelte er, daß der Pfarrer sich bei Begräbnissen nicht an die aufgestellten Regeln halte, sondern die einen zur letzten Ruhestätte begleite, den anderen aber diesen Dienst abschlüge. Der stellvertretende Vorsitzende wies auf Artikel 143 des Strafgesetzbuches hin und befahl dem Pfarrer, sich daran zu halten. Pfarrer A. Jakūbauskas ließ sich durch die Forderungen des stellvertretenden Vorsitzenden und der Parteisekretärin nicht einschüchtern, er gab ihnen zu verstehen, daß er nicht gegen die Gesetze verstoßen habe und sie auch in Zukunft zu befolgen gedenke. An die eigenmächtigen Forderungen des stellvertretenden Vorsitzenden könne er sich jedoch nicht halten, da sie im Widerspruch zur Verfassung, zu der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" und dem „Abkommen von Helsinki" ständen.
Nach seiner Rückkehr aus der Rayonsverwaltung berichtete Priester Jakubauskas den Gläubigen am Ende einer Begräbnispredigt über den Vorfall mit den Lehrern am Kircheneingang, über deren Anschuldigungen gegen ihn und über die Forderungen des stellvertretenden Vorsitzenden Krikštanas. Er erinnerte die Eltern an ihr Redit und ihre Pflicht, die Kinder nach ihrer eigenen Uberzeugung zu erziehen, und mahnte sie, die Kinder fleißig zur Erstkommunion vorzubereiten. Der Pfarrer versicherte den Anwesenden, daß die Lehrer nicht das Recht hätten, den Kindern den Kirchgang zu verbieten. Die Glaubensgemeinde freut sich über das Engagement und den Mut ihres Pfarrers. So mancher allerdings wird die Befürchtung nicht los, daß dem Priester seine mutige Haltung teuer zu stehen kommt.
Kretinga
Am 27. Mai 1976 haben die Atheisten aus der Kretingaer Friedhofskapelle einen Lastwagen, vollbeladen mit Statuen, Bildern und Kreuzen, abtransportiert. Auf die Frage, was sie damit zu tun gedächten, erwiderten sie, daß in dem ehemaligen Franziskaner-Kloster ein atheistisches Museum eingerichtet und die Statuen, Bilder und Kreuze darin ausgestellt werden sollen. Der Friedhof von Kretinga bietet einen traurigen Anblick: zerbrochene Kreuze, abgeschlagene Figuren des Gekreuzigten.
Telšiai
Im Juli 1976 wurde die Kretingaer Einwohnerin Šauklienė von der Miliz in Telšiai verhaftet. Ihr wurde zur Last gelegt, eine von der Glaubensgemeinde gestiftete Kirchenfahne und Anhängerkreuze mit sich geführt zu haben. Frau Šauklienė wurde in der Milizstation zwei Tage lang festgehalten: sie wurde verhört, ihr wurde mit dem Gericht gedroht. Die Kirchenfahne ist konfisziert worden.
N. Uta
Im Skuigės-Dorf stand lange Jahre eine Statue der hl. Jungfrau. Als die Statue zerfiel, wurde von den Dorfbewohnern an ihrer Stelle ein schönes Steinkreuz aufgestellt. Eines Nachts bemerkten die Leute, wie der stellvertretende Vorsitzende des Kolchos von Žemaitkiemis, Pijus Danilevičius, das Kreuz zerstören wollte. Er wurde von einigen Männern verjagt; nach einigen Tagen war das Kreuz jedoch verschwunden (dies geschah 1975).
Pagėgiai
Am 16. Juni 1976 drang kurz vor der Andacht die Stadtvorsitzeilde von Pagėgiai (Pogegen), R. Dzedulionienė, mit zwei unbekannten Personen in die Sakristei der Pogegener Kirche ein und bedrängte einen Knaben im Meßgewand mit einem Verhör: wer er wäre, von woher er sei u. a. m. Dann befahl sie ihm, das Meßgewand abzulegen und die Kirche zu verlassen. Im Sonntagsgottesdienst erwähnte Pfarrer A. Baškys, daß nach den sowjetischen Gesetzen niemand wegen seines Glaubens verfolgt werden dürfe. Nun sind wieder Meßknaben, wie zuvor, an der Zeremonie der hl. Messe beteiligt.
Rūkai
Die Friedhofswächterin von Rūkai, eine 73jährige Greisin, hat auch dieses Jahr ein Griippchen Kinder für die Erstkommunion vorbereitet, wie sie es schon seit Jahren zur Zufriedenheit aller verrichtet.
Am 18. Juni wurde sie, ferner betroffene Eltern und Kinder von einer Kreiskommission zur Rede gestellt. Jedoch begnügte die Obrigkeit sich in diesem Jahr mit einer Zurechtweisung der „Schuldigen", die die Schulkinder in den Glaubenswahrheiten unterrichten.
Jurbarkas
Im Sommer 1976 sind vier Priestergrabstätten auf dem Kirchhof bei der Jur-burger Kirche geschändet worden: die Umzäunung wurde ausgebrochen, die Blumen zertreten und die Zementziegel über den ganzen Kirchhof zerstreut. Der schönen Statue des Guten Hirten wurde der rechte Arm und der Kopf abgeschlagen.
Klaipėda
Am 29. Juni 1976 überfielen drei Milizionäre bei dem Kirchlein in Klaipėda (Memel) Devotionalienhändlerinnen. Den Frauen gelang es, fortzulaufen, die Kerzen, Rosenkränze und Gebetbücher fielen in die Hände der Miliz. „Wo sollen denn nun Rosenkränze und Gebetbücher erstanden werden?" fragen sich die Leute. „Und woraus sollen unsere Kinder ihre Gebete lernen?" In der großen Pfarrgemeinde von Klaipėda bereiten sich alljährlich Hunderte von Kindern zur Erstkommunion vor. „Wieso zeigt dieselbe Miliz soviel weniger Eifer, wenn es darum geht, die Kirchenfenster vor, selbst während eines Gottesdienstes steinewerfenden, Rowdys zu schützen?"
Raguva
Am 10. Juni 1975, als gerade der Pfarrer A. Petrauskas in der Kirche von Raguva die Kenntnisse der Erstkommunikanten überprüfte, kam die Bezirksvorsitzende von Raguva, Buinauskienė, mit einer unbekannten Frau in die Kirche und bat den Pfarrer zu sich hinaus. Vor dem Tor des Kirchhofes erwartete ihn der Mittelschuldirektor von Raguva, Nerečionis, der dem Pfarrer die Nichteinhaltung der Vorschriften und die Katechesierung der Kinder vorwarf. Dies wurde von den Funktionären aktenkundig gemacht. Auf Grund dieser Akte erlegte die Administrationskommission des Kreises Panevėžys, bestehend aus dem Vorsitzenden Indriūnas, der Sekretärin Morozovą sowie den Mitgliedern Skorochodov, Kryževičius und Tifonovaitė, am 5. Juli 1975 dem Pfarrer eine Strafgebühr von 30 Rubeln auf. Auf die Frage der Funktionäre, ob auch dieses Material in der Chronik erscheinen werde, antwortete der Pfarrer:
„Das kann ich euch nicht sagen, denn ich habe darüber sehr vielen erzählt. Indes, sollte die Chronik tatsächlich darüber berichten, so könnt ihr doch nicht leugnen, daß sie über wirklich Stattgefundenes berichtet und keine Unwahrheiten über die Sowjetmacht erfindet."
Černiachovsk
Ostpreußen ohne seine früheren Einwohner, die entweder vor der Roten Armee geflüchtet sind, vertrieben wurden oder Hungers starben, gehört nun zur Russischen Föderativen Republik. Die brachliegenden, mit Gestrüpp und Gras bewachsenen Felder lassen den Hausherren vermissen. Die Mehrzahl der Einwohner sind Russen, es leben unter ihnen jedoch nicht wenige Litauer, Polen u. a.
Weder in Kaliningrad (dem ehem. Königsberg) noch in anderen größeren Städten dieser Region, wie z. B. in Černiachovsk (Insterburg), gibt es eine offenstehende katholische oder russisch-orthodoxe Kirche. Eine in Kaliningrad befindliche, während des Krieges in Mitleidenschaft gezogene Kirche wurde in diesem Sommer gesprengt.
Im Jahre 1975 übernahm der Pfarrer der Pfarrgemeinde von Vištytis, Kazys Montvila, auf Bitten der Gläubigen auch die Seelsorge für die Stadt Černiachovsk: mit Krankenbesuchen, Osterbeichte, Taufen etc. In der engen Wohnung von Janė Morkūnaitė taufte der Priester Montvila einige Kinder von Katholiken und Russisch-Orthodoxen. Die Familie Birštonas stellte in der Kirovstraße einen größeren Raum für die Andacht zur Verfügung. Priester K. Montvila zelebrierte hier einige Male die hl. Messe und sprach eine kurze Predigt, zu der auch Russen kamen. Wer wollte, konnte die Beichte ablegen und die hl. Kommunion empfangen. Diejenigen, die noch nicht kommuniziert hatten, bekamen vom Priester Gebetbücher, und alle lernten Gebete und den Katechismus.
Nach mehreren Besuchen in Černiachovsk begann man Priester K. Montvila zu beschatten. Manchmal gelang es ihm, die Verfolger abzuschütteln, in anderen Fällen mußte er den Gottesdienst abbrechen und verschwinden. Die in der Kirovstraße ansässigen Russen waren auf die Verhaftung des Priesters gefaßt, doch dieser verlor niemals die Ruhe.
Am 20 Februar 1975 hielten am Haus Nr. 10 der Kirovstraße einige Autos. In der Wohnung trafen die Sicherheitsleute nur Frau Birštonienė an, der sie erklärten, daß sie die Haussuchung wegen Beziehungen der Familie Birštonas zu Amerika vornehmen müßten. Einige der Sicherheitsfunktionäre schauten sich im Wirtschaftsgebäude um, durchwühlten Heu und Stroh, die aufgeschichteten Holzscheite, steckten ihre Nase in Kasten und Kisten; die anderen durchsuchten Zimmer, Küche und Vorratskammer. Im Schrank aufgestöberte Koffer ließen die Fahnder auf antisowjetisches Belastungsmaterial und vielleicht sogar auf einen Geheimsender hoffen. In den Koffern befand sich indessen weder das eine noch das andere; zutage kamen lediglich Kirchengegenstände: Kerzen, ein Meßbuch, ein Meßgewand, die Heilige Schrift u. a. Die Sicherheitsleute kippten den gesamten Kofferinhalt auf den Boden, jedes Papierblättchen wurde mehrmals umgewendet, jedes Teilchen sorgfältig untersucht. Der gläubigen Frau wurde es schwer ums Herz, als die ihr heiligen Gegenstände und Bücher so respektlos auf dem Fußboden herumlagen. Frau Birštonienė wurde befragt, weshalb denn der Priester den Gottesdienst in ihrem Hause abhielte und dort die Kinder taufe, die Beichte höre und Katechismen verteile? Die Fahnder verboten, daß der Priester hierher käme und seine Irrlehre verbreite.
Nach der Haussuchung wurde ein Protokoll aufgestellt, das eine abschrek-kende Wirkung haben sollte, damit niemandem mehr in den Sinn käme, den Priester in sein Haus zu holen. Wenn nun die Gläubigen an einem Gottesdienst teilnehmen wollen, müssen manchmal Hunderte von Kilometern nach Pogegen oder Kybartai zurückgelegt werden.