Žemaitkiemis (Rayon Ukmergė)

Am 6. Juni 1976 fand in der Pfarreikirche von Žemaitkiemis die Primiz-feier des Priesters Vytautas Kapočius statt. An den Feierlichkeiten nahmen auch die Schüler der Acht-Klassen-Schule von Žemaitkiemis teil. Die

Schülerin der achten KlasseRoma Šlaitaitėtrug in der Prozession einen kleinen Altar. Eine Woche später wurde das Mädchen in der Schule von der Lehrerin Ana Ulozienė und dem Schuldirektor Stasys Misiūnas ins Verhör genommen. Die Lehrer erkundigten sich bei Roma, wer sie zur Teilnahme an der Prozession veranlaßt und wer ihr das Kleid besorgt habe und noch nach anderen Kleinigkeiten. Die Schülerin soll zur Antwort gegeben haben, daß sie aus freiem Willen die Kirdie besuche und in der Prozession mitge­gangen sei.

Eine Schülerversammlung der 8. Klasse wurde einberufen, um zu beschlie­ßen, wie die „Täterin" zu bestrafen sei. Die Mitschüler schlugen vor, Roma schriftlich einen Verweis zu erteilen, doch die Komsomolzin Danguolė Šniraitė legte Protest ein: „Das ist zu wenig! Ich plädiere für einen stren­gen Verweis." Roma Šlaitaitė erhielt eine auf „genügend" verminderte Betragsnote und in ihre Charakteristik wurde eingetragen: „Roma ist, als sie noch jünger war, von den Eltern zum Kirchgang erzogen worden, sie ist als Schülerin nicht prinzipientreu."

Der Schuldirektor Misiūnas führt einen erbitterten atheistischen Kampf. Während der vorösterlichen Fastenzeit werden den Schülern der Klassen eins bis acht atheistische Vorträge gehalten.

Eine Woche vor Weihnachten hing in der Acht-Klassen-Schule von Žemait­kiemis die Bekanntmachung aus, daß am 25. Dezember 1976 um 9 Uhr (zu dieser Stunde findet in der Kirche von Žemaitkiemis die Knabenmesse statt) der Kinofilm „Die schwarze Prozession" gezeigt würde. Die Teil­nahme der Schüler sei Pflicht, das Nichterscheinen würde mit Herabsetzung der Betragsnote bestraft. Die kritischen Kommentare zu diesem Film erteilte der Direktor selber, er machte sich über Kirche, Priester und Gläubige lustig und verunsidierte die gläubigen Kinder. Damit niemand der Schüler zu Weihnachten an der hl. Weihnachtsmesse teilnehme, organisierte der Direktor Misiūnas eine Exkursion nach Kaunas. Die Frau des Direktors, Alfa Misiūienė — Feldscherin der Sanitätsstelle —, steht in nidits ihrem Manne nach. Unaufgefordert stattet sie den Eltern gläubiger Kinder Besuche ab, verhöhnt dabei ihre religiöse Einstellung und flößt ihnen Angst ein.

 

Šiauliai

Jonas Jurevičius, Schüler der Klasse 8a der 6. Mittelschule von Šiauliai, verließ am ersten Weihnachtstage 1976 nach der ersten Stunde eigenmächtig die Schule und ging in die Kirdie. Am gleichen Tag erhielten Jonas Eltern ein Schreiben der Klassenlehrerin folgenden Inhalts:

Sehr geehrte Eltern Jurevičius,

Euer Sohn Jonas hat heute, am 25. Dezember, drei Stunden geschwänzt

(er war nur in der ersten Stunde zugegen). Liebe Eltern, bitte teilt mir
mit, wo Euer Sohn gewesen ist.        B. Šilanskienė — Klassenlehrerin

Die Antwort der Eltern lautete folgendermaßen: Sehr geehrte Klassenlehrerin,

Sie bitten um Auskunft, weshalb mein Sohn, Schüler Ihrer Klasse, am 25. Dezember nach der ersten Stunde die Schule verlassen habe. Der 25. Dezember ist ein von allen katholischen Christen der ganzen Welt religiös begangener Feiertag. Unsere Familie ist gläubig, gläubig ist auch mein Sohn, deshalb blieb er unter Inanspruchnahme der von der Verfassung eingeräumten Religionsfreiheit, am 25. Dezember der Schule nach der ersten Stunde fern und ging in die Kirche. Dieser Tag ist ein für Katholiken bindender Feiertag.

 

27. Dezember 1976

Gezeichnet vom Vater: Mečislovas Jurevičius

Am 29. Dezember 1976 behielt die Lehrerin Šilanskienė den Schüler Jure­vičius nach den Schulstunden zurück. Es begann eine „Erziehungsstunde". Der Schüler beharrte unerschrocken auf seinem Standpunkt über den Glauben und verteidigte seine diesbezüglichen Rechte.

 

Šiauliai

Die Lehrerin der Klasse 2c der 5. Mittelschule, Jasiutytė-Braziulienė, verteilte am 27. Februar 1976 in der Klasse Fragebogen mit verschiedenen Fragen: Glaubst du? Gehst du zur Kirche? Kennst du Gebete? u. a. m. Die Lehrerin ermahnte die Kinder, die Fragebogen wahrheitsgemäß zu beantworten, da sie sowieso alles über sie wisse. Die ausgefüllten Frage­bogen wurden von ihr überprüft, wonach diejenigen Kinder, welche sich zur Religion bekannt hatten, unter ihrem Hohngelächter aufgefordert wurden, das „Ave Maria" zu sprechen. Die verschreckten Kinder blieben stumm.

 

Šiauliai

Stasys Semaška, Schüler der Internatsklasse 4a der 2. Mittelschule von Šiauliai, ist der einzige in seiner Klasse, dem es bis jetzt noch gelungen ist, sich dem Zwang der Organisation der Jungen Pioniere beizutreten, zu widersetzen.

Anfang Dezember 1976 wurde ihm von der Klassenlehrerin Dvarionienė die Anschaffung eines Pionierhalstuches befohlen. Einige Tage später befahl die Lehrerin dem Schüler, mit umgebundenem Halstuch an der Pionierver­sammlung teilzunehmen. Stasys hatte sich jedoch das Halstuch gar nicht erst besorgt und lehnte die Teilnahme an der Pionierversammlung strikt ab. Wutentbrannt kniff ihn die Lehrerin Dvarionienė daraufhin in den Arm, so daß der Knabe blaue Flecken davontrug, die noch drei Wochen danach zu sehen waren.

Obwohl ihn der Arm schmerzte, war Stasys Semaška doch zufrieden, daß es ihm auch dieses Mal geglückt war, die Forderung der Lehrer zurück­zuweisen.

 

Simnas (Rayon Alytus)

Am 10. Dezember 1976 wurden in der Kirche von Simnas Rekollektionen durchgeführt. Am Abend nahmen daran auch Schulkinder teil. Beim Heim­gang aus der Kirche wurden die Schüler von Arvydas Petniūnas, Milizionär in Alytus, beobachtet. An der Kreuzung von Bambininkai machte der Milizionär dem Grüppchen von Schulkindern und Erwachsenen den Vor­schlag, doch auf das bald vorbeikommende Auto zu warten, das sie dann mitnehmen würde. Die arglosen Kirchgänger gingen darauf ein. Das Auto wurde von dem Vater des Milizionärs, Algis Petniūnas — Vorsitzender des Bezirks Verebiejai —, gesteuert. Als sie im Auto saßen, wurden Sie von dem Vorsitzenden barsch gefragt, woher sie kämen. Die Kinder bekannten sich dazu, in der Kirche gewesen zu sein. Algis Petniūnas drohte den Kin­dern, sie zur Schuldirektorin zu bringen. Diese seine Drohung machte er auch wahr: die Erwachsenen wurden an der Wohnsiedlung aus dem Auto geladen, die sieben Schulkinder jedoch mußten bis zum Schulgebäude weiter­fahren, wo sie von der Schuldirektorin Stakvilevičienė und dem Bezirksvor­sitzenden ins Verhör genommen wurden. Die Kinder leugneten gar nicht, in der Kirche gewesen zu sein. Der Bezirksvorsitzende fragte sie, was sie in der Kirche getan und woraus sie gebetet hätten, er verlangte von ihnen, ihm die Gebetbücher vorzuzeigen. Die Direktorin Stakvilevičienė versuchte, der Schülerin Lina Šmitaitė das Geständnis zu entlocken, daß sie an einer Prozession teilgenommen habe. Das Mädchen schwieg verängstigt. Der Vorsitzende eröffnete den verschreckten Kindern, daß ihre Eltern nun in Mitleidenschaft gezogen würden, die Direktorin beschimpfte die Kinder in kränkender Weise. Schließlich wurden die vollends eingeschüchterten Schü­ler nach Hause entlassen.

 

Palanga

Zu Beginn des neuen Schuljahres 1976 fragte die Klassenlehrerin der Polangener Mittelschule, Juknaitienė, ihre Zweitkläßler, wer von ihnen an

Gott glaube, zur Kirche gehe, bete. Die Klasse erklärte einstimmig, an Gott zu glauben, die Kirche zusammen mit den Eltern zu besuchen und zu beten. Die Mehrzahl bekannte sich dazu, bereits an der hl. Erstkommunion teilgehabt zu haben. Der jüngste Schüler der Klasse meinte treuherzig: „Ich gehe zwar noch nicht zur Beichte, doch die Mama hat mir schon einen Katechismus gekauft und ich werde bald mit dem Lernen daraus beginnen." Die Lehrerin Juknaitienė bekam es mit der Angst zu tun, sie berief eine Elternversammlung ein und sagte zu den Versammelten: „Ich dachte, daß eure Kinder überhaupt keine Ahnung von Gott und Kirche hätten, und nun zeigt es sich, daß sie alle gläubig sind und sogar zur Beichte gehen. Ich werde alles in meiner Macht stehende unternehmen, um sie zu Atheisten zu erziehen." Aus dem Räume ließ sich eine Stimme vernehmen: „Sie kön­nen es ja versuchen, doch es ist fraglich, ob ihnen das gelingen wird."

 

Krakės

Am 13. November 1976 wurde die Mutter von G. Stankevičius, Schüler der Klasse 6a der Kraker Mittelschule, zur Schuldirektorin und der Lehrerin Ručinskienė bestellt, wo ihr vorgehalten wurde, daß sie ihrem Sohne erlau­be als Ministrant bei der hl. Messe zu dienen.

Als ein anderer Schüler dieser Schule aus der Klasse 8c, Kulčinskas, dabei ertappt wurde, als er am Ostervorabend die Kirchenfenster der Kirche von Krakes einschlug, unternahmen der Schuldirektor und die atheistische Lehrerin dagegen gar nichts, um den durch den Schüler verursachten Scha­den an der Kirche gutzumachen.

 

In der Kraker Mittelschule sind sogar sieben gläubige Schüler, darunter drei Mädchen, wegen groben Unfuges unter die Aufsicht des Kinderzimmers der Miliz gestellt. Wäre es nicht besser, wenn die Leitung der Mittelschule sich mehr mit der Bekämpfung tatsächlicher Ubelstände beschäftigen würde, anstatt gläubige Kinder zu verfolgen.

 

Mitučiai (Rayon Šilalė)

In der Acht-Klassen-Schule won Mišučiai werden die Kinder mit Zwang in die Pionierorganisation eingeschrieben. Denjenigen, welche sich weigern, in die Pionierorganisation einzutreten, wird die ihnen oftmals notwendige Unterstützung gestrichen.

Vor den Revolutions-Feiertagen wurden von der Schuldirektorin Vanda Račkauskienė und der Lehrerin Bronė Urbonienė an die Schüler, die in die Pionierorganisation eingetreten waren, Geschenke verteilt: Trainings­anzüge, Schuhe, Mantel u. a. Diese Schule besuchen auch drei Vollwaisen der Familie Ramonaitis, auch diese Kinder sollten gegen ihren Willen zum Eintritt in die Pionierorganisation gezwungen werden. Die Lehrerin Urbo­nienė zeigte den Kindern die Sachen und sagte: „Überschlaft es noch einmal. Wenn ihr euch in die Pionierorganisation einschreibt, gibt's Geschenke und ihr kriegt Mittagessen, doch wenn ihr es nicht tut, dann bekommt ihr gar nichts, denn bei uns werden nur sowjetisch eingestellte Bürger beschenkt." Die Kinder erwiesen sich als unbestechlich. Lieber wollten sie zerlumpt und hungrig herumlaufen, als ihren ihnen heiligen Grundsätzen untreu werden. Am nächsten Morgen erwartete die Lehrerin Urbonienė die Waisenkinder in der Schule mit den für sie bestimmten Geschenken und den Eintritts­formularen. Als sie die gleiche ablehnende Antwort erhielt, warf sie die Gummistiefelchen, die sie in der Hand hielt, in die Ecke und rief: „Da, nimm sie dir, du Einfaltspinsel!" Doch das Essen erhielten die Kinder nicht, obwohl sie einen Schulweg von vier Kilometern haben; wohl aber erhielten es Kinder, die gleich bei der Schule wohnen.

 

Renava (Rayon Mažeikiai)

Am 13. Januar 1977 wurde Juozas Jonušas zu Grabe getragen. An dem Begräbnis nahmen auch etwa 20 Schüler mit Kränzen und Sträußen teil. Sie durften ihre Blumen in der Kirche an dem Sarge niederlegen und wur­den danach von der sie begleitenden Lehrerin hinausgeführt. Das Wetter war frostig, die Schüler mußten in der Kälte ausharren und konnten nur durch einen Spalt in der Kirchentür der in der Kirche stattfindenden An­dacht folgen.

In ganz Litauen herrscht die gleiche Lage. Schülern ist es untersagt, an den aus Anlaß von Begräbnissen stattfindenden Andachten teilzunehmen.

 

Mažeikiai

1975 wurde das Lehrerehepaar Skiparis aus seinen Lehrämtern entlassen. Der Grund hierfür ist der Eintritt ihres Sohnes in das Priesterseminar. In diesem Jahre wurde auch ihre Tochter Audronė Skiparytė, aus ihrer Stellung als Kindergärtnerin entlassen. Was für ein furchtbares „Ver­brechen" muß doch der Sohn begangen haben, daß dafür auch Eltern und Schwester büßen müssen!

 

Panevėžys

Nachstehend die Antworten einer Schülerin der Medizinischen Schwestern­schule von Panevėžys auf Fragen einer der vielen alljährlich unter die Schüler verteilten Fragebogen:

1.      Ihr Alter? — Ich bin 20 Jahre alt.

2.              Was für eine Literatur findet Ihr hauptsächliches Interesse? — Eine solche ohne Verlogenheit.

3.              Was haben Sie an atheistischem Schrifttum gelesen? — Ich lese keine atheistische Literatur.

4.      Was haben Sie für Filme atheistischen Inhalts gesehen? — Gar keine.

5.      Glauben Sie an Gott? — Ich glaube.

6.      Haben Sie Zweifel, ob es Gott gibt? — Ich habe keine Zweifel.

7.              Wenn Sie glauben, dann weshalb? — Wie sollte ich nicht an Gott glauben, da doch die ganze Natur, das ganze Universum seine An­wesenheit bezeugen.

8.      Sind Ihre Eltern gläubig? — Ja.

9.      Feiern Sie religiöse Feiertage und welche? — Alle.

10.            Sind Sie mit der atheistischen gegen die Religion gerichteten Arbeit in unserem Lande zufrieden? — Nein.

11.            Ist Ihrer Meinung nach die Religion von ewigem Bestand oder glauben Sie, daß sie mit der Zeit verschwinden wird? — Sie wird ewig weiter­bestehen.

12.            Was haben Sie für Vorschläge und Bemerkungen? — Meiner Meinung nach ist die Ausfüllung solcher und ähnlicher Fragebogen unnötig und sinnlos. Das ist eine grobe Einmischung in Gewissensangelegenheiten anderer Leute, die dem in der Verfassung verbürgten Recht auf Gewis­sensfreiheit zuwiderläuft.