An den

Generalsekretär des ZK der KP der UdSSR, Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR, Vorsitzenden der Kommission für die Verfassung der UdSSR Leonid Iljic Brežnev

Abschriften an:

das Präsidium des Obersten Sowjets der Litauischen SSR, den Beauftragten des Rates für religiöse Angelegenheiten beim Obersten Sowjet der UdSSR für die Litauische SSR

Eingabe

der Priester der Erzdiozäse Vilnius, Litauische SSR

Wir, die unten unterzeichneten Priester der Erzdiözese Vilnius, haben uns mit dem Entwurf der neuen Verfassung der UdSSR, der dem Volk zur Mitberatung unterbreitet wurde, befaßt. Wir halten für notwendig zu erklären:

1. Daß aufgrund der Gleichberechtigung des Bürgers unabhängig von seiner Beziehung zur Religion, wie im Artikel 34 niedergelegt, die neue Verfassung der UdSSR für alle Bürger des Landes — Gläubige wie Ungläubige — gleiche Rechte und Freiheiten in Gewissensfragen garantieren soll. Daß der Artikel 52 der Verfassung außer der Freiheit zur antireligiösen Propaganda auch das Recht zur Verbreitung der religiösen Überzeugung enthalten soll, d.h., sie soll die Freiheit zur religiösen Propaganda garantieren und daß die Gläubigen diese Freiheit genauso ausüben können wie die Ungläubigen und Atheisten die Freiheit zur antireligiösen Propaganda.

2. Daß der Artikel der Verfassung neben der deklarierten staatlichen Unter­stützung für die Familien in Form von verschiedenen Einrichtungen für die Kinder u.s.w., auch das Recht des Ungeborenen auf Geburt und Leben, sowie das Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder gemäß ihrer Über­zeugung garantieren soll. Daß die Gesetze die Dauerhaftigkeit der Ehe und Familie stützen sollen.

Wir sind davon überzeugt, daß solche rechtlichen Vorschriften und deren Durchführung einen großen gesellschaftlichen Nutzen bringen und die Auto­rität der UdSSR international heben würden, wofür Sorge zu tragen uns der Artikel 62 des Entwurfs vorschreibt.

Litauische SSR, Juli 1977

Die Priester der Erzdiözese Vilnius:

Pfarrer Jonas Kukta, Pfarrer Antanas Mačiulis, Pfarrer Antanas Simonaitis, Pfarrer Steponas Tumaitis, Pfarrer Bronislavas Laurinavičius, Pfarrer Ignas Jakutis, Pfarrer Vladislovas Černiauskas, Pfarrer Stanislovas Valiukėnas, Pfarrer Donatas Puidokas, Pfarrer Alfonsas Petronis, Pfarrer Aldas Čeponis, Pfarrer Julius Baltušis, Pfarrer Albertas Ulickas, Pfarrer Jonas Kardelis, Pfarrer Vytautas Jaskeliavičius, Pfarrer Domininkas Valančiauskas, Pfarrer Karolis Gureckas, Pfarrer Kazimieras Valeikis, Pfarrer Kazimieras Žemėnas, Pfarrer Alfredas Kanišauskas, Pfarrer Alfonsas Merkys, Pfarrer Donatas Valiukonis, Pfarrer Kazimieras Pukėnas, Pfarrer Antanas Dziekan, Pfarrer Dr. Silvestras Malachovski, Pfarrer Jonas Charukevič, Pfarrer Adolf Trusevič, Pfarrer Pijus Jankus, Pfarrer Stanislovas Kakarieka, Pfarrer Henrikas Kitaus-kas, Pfarrer Konstantinas Gajauskas, Pfarrer Antanas Andriuškevičius, Pfarrer Algimantas Keina, Pfarrer Jonas Vaitonis, Pfarrer Ričardas Černiaus­kas, Pfarrer Juozas Budrevičius, Pfarrer Bronius Jaura, Pfarrer Jonas Lariūnas, Pfarrer Nikodemas Pakalka, Pfarrer Česlovas Taraškevičius, Pfarrer Mykolas Petravičius, Pfarrer Bronislavas Sakavičius, Pfarrer Kazi­mieras Gailius, Pfarrer Stanislovas Markevičius, Pfarrer Vytautas Rūkas, Pfarrer Petras Daunoras, Pfarrer Viktoras Zavacki, Pfarrer Vaclovas Aliulis, Pfarrer Konstantinas Moli, Pfarrer Jubilar Leonas Lavcevič, Pfarrer Dr. Kazimieras Kulak, Pfarrer Vladislovas Novicki, Pfarrer Juozas Urbonas, Pfarrer Alfonsas Tamulaitis, Pfarrer Justinas Saulius, Pfarrer Vladislavas Velymanski, Pfarrer Danielius Baužys, Pfarrer Antanas Zaman, Pfarrer Vaclovas Obremskis, Pfarrer Antanas Dilys, Pfarrer Jonas Morkūnas, Pfarrer Nikodemas Jaura, Pfarrer Povilas Jurkovlenec, Pfarrer Juozas Poškus, Pfarrer Juozas Tunaitis, Pfarrer Kazimieras Kindurys, Pfarrer Jonas Grogaitis, Pfarrer Vytautas Bronickis, Pfarrer Kazimieras Vasiliauskas, Pfarrer Povilas Bekiš, Pfarrer Juodagalvis, Pfarrer Zenonas Patėjūnas, Pfarrer Jonas Deksnys, Pfarrer Dr. Pranciškus Vaičekonis, Pfarrer Stanis­lovas Lidys, Pfarrer Petras Tarvidas, Pfarrer Martynas Stonis, Pfarrer Stanis­lovas Taporek, Pfarrer Aleksandras Liakovič.

Die vorstehende Eingabe wurde auch von diesen Priestern der Diözese Vilkaviškis unterschrieben:

Pfarrer L. Kavaliūnas, Pfarrer J. Matulevičius, Pfarrer J. Sventickas, Pfarrer A. Vitkus, Pfarrer V. Būdas, Pfarrer A. Urbonas, Pfarrer V. Bobinas, Pfarrer J. Maksvytis, Pfarrer K. Burba, Pfarrer J. Berteška, Pfarrer P. Orlic­kas, Pfarrer V. Jalinskas, Pfarrer V. Dumčius, Pfarrer V. Stakėnas, Pfarrer J. Zdebskis, Pfarrer K. Montvila, Pfarrer P. Račiūnas, Pfarrer P. Dumbli­auskas, Pfarrer A. Račkauskas, Pfarrer J. Baranauskas, Pfarrer I. Plioraitis, Pfarrer J. Adomaitis, Pfarrer V. Užkuraitis, Pfarrer S. Tamkevičius, Pfarrer K. Skučas, Pfarrer A. Deltuva, Pfarrer A. Lukošaitis, Pfarrer J. Mieldažys, Pfarrer J. Malinauskas, Pfarrer V. Česna, Pfarrer A. Pangonis, Pfarrer J. Grudzinskas, Pfarrer L. Kunevičius, Pfarrer V. Vaitkauskas, Pfarrer A. Gustaitis, Pfarrer J. Užupis, Pfarrer A. Liubšys, Pfarrer J. Palukaitis, Pfarrer K. Ambrasas, Pfarrer J. Būga, Pfarrer B. Čegelskas, Pfarrer V. Gure­vičius, Pfarrer V. Kizlaitis, Pfarrer P. Andrišiūnas, Pfarrer P. Sitka, Pfarrer K. Juškevičius, Pfarrer V. Perusevičius, Pfarrer B. Ražukas, Pfarrer P. Adomaitis, Pfarrer J. Žemaitis, Pfarrer S. Samuolis, Pfarrer A. Akelevičius, Pfarrer V. Degutis, Pfarrer G. Dovidaitis, Pfarrer J. Kapstaitis, Pfarrer J. Var-vuolis, Pfarrer J. Šalčius, Pfarrer A. Vekeliūnas, Pfarrer J. Preikštas, Pfarrer Pasilanskas, Pfarrer J. Jakaitis, Pfarrer A. Aleksandravičius, Pfarrer J. Aleksa, Pfarrer S. Račkauskas, Pfarrer J. Razevičius, Pfarrer A. Rimas, Pfarrer G. Skučas, Pfarrer P. Vagneris, Pfarrer J. Juškaitis, Pfarrer J. Gumauskas.

An den

Generalsekretär des ZK der KP der UdSSR Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR Vorsitzenden der Kommission für die Verfassung der UdSSR L. Brežnev

Abschriften: An den

Sekretär des ZK der Litauischen KP und den Vorsitzenden der Litauischen Kommission für die Verfassung, P. Griškevičius,

Apostolischen Administrator der Diözese Panevėžys, S.E. Bischof Dr. R. Krikščiūnas,

Beauftragten des Rates für religiöse Angelegenheiten beim Obersten Sowjet der UdSSR für die Litauische SSR, K. Tumėnas.

Eingabe

der Priester der Diözese Panevėžys der Litauischen SSR.

Unter Wahrnehmung des allen Bürgern zugestandenen Rechts, ihre Vorschläge zum Entwurf der Verfassung der UdSSR zu machen, äußern wir, die unter­zeichneten Priester der Diözese Panevėžys, uns auch in Kenntnis der Meinung

der Gläubigen zu den Artikeln des Entwurfs der Verfassung, die die Religion und die Gläubigen betreffen und schlagen eine genauere Fassung dieser Artikel vor.

Der Inhalt des Artikels 52 des Entwurfs fußt auf dem Artikel 124 der jetzigen Verfassung der UdSSR. Dieser Artikel findet schon seit vielen Jahren in bezug auf Gläubige Anwendung und ist uns aus Erfahrung als undemokratischer und die persönlichen und religiösen Freiheiten der Gläubigen einengender Artikel bekannt. Hier ein Auszug aus diesem Artikel: „Den Bürgern der UdSSR wird die Gewissensfreiheit zuerkannt, d.h., sie haben das Recht, jeden Glauben zu bekennen, religiöse Handlungen vorzunehmen oder auch keiner Konfession anzugehören, die atheistische Propaganda auszuüben". Schon dieser Satz birgt einen Widerspruch in sich: allen Bürgern wird das Recht auf Gewissensfreiheit zuerkannt; den Atheisten wird das Recht auf Propaganda eingeräumt, den Gläubigen jedoch wird ein Recht auf religiöse Propaganda nicht zugestanden, obwohl die Verkündung für die Gläubigen das Wesen des Gewissens und des Glaubens ist. Dieser Artikel brachte den gläubigen Bürgern seelische Schäden und Leiden, da er das Verhältnis der Gläubigen und der Ungläubigen zum Staat und die Freiheit der Propaganda ihrer Weltanschauung ungleich gestaltet. Die Atheisten dagegen haben auf Grund dieses Artikels unbeschränkte Freiheit für die Verbreitung des Atheis­mus. Indem sie ihre Weltanschauung mit der des Staates gleichsetzen, be­schmutzen sie die Religion und die Gläubigen, und der Staat stellt ihnen alle notwendigen Medien zur Verfügung, die anteilmäßig auch mit den Mitteln der Gläubigen erworben wurden — die Schulen, die Presse, den Rundfunk, das Fernsehen, Theater u.s.w. Den Gläubigen wird nur die Freiheit eingeräumt, die Religion zu praktizieren (im Grunde auch nicht allen). Es ist ihnen aber nicht erlaubt, ihre Überzeugung zu verteidigen und in der Öffentlichkeit zu verbreiten, was das Wesen der Religion ausmacht. Für die Vorbereitung der Kinder auf religiöse Praktiken in der Kirche, werden die Priester zu Gefäng­nis- oder Ordnungsstrafen verurteilt. Die Gläubigen erleiden wegen ihrer religiösen Überzeugung Verfolgungen, Erniedrigungen, ihnen wird verwehrt, verantwortliche Stellungen zu übernehmen, ihnen wird sogar die Arbeit gekündigt u.s.w. Die Einnahme einer führenden Stellung wird mit Ab­schwörung der Religion verbunden. Viele Gläubige sind wegen der Verfol­gungen gezwungen, religiöse Praktiken geheim auszuüben. Dem einzigen Priesterseminar in unserer Republik in Kaunas wird nicht gestattet, alle ge­eigneten Kandidaten zu Priestern auszubilden. Deswegen sind viele Pfarreien ohne Priester, (in diesem Jahr starben in der Diözese Panevėžys sechs Priester, aus dem Priesterseminar kam aber nur einer). Bis jetzt war die Freiheit der religiösen Ausübung für die Gläubigen nur ein Wunschtraum, da durch

administrative Maßnahmen die Ausbildung neuer Priester eingeengt wurde, aber ohne Priester sind religiöse Handlungen unmöglich.

Im Artikel 52 des Entwurfs der Verfassung steht: „Es ist verboten, Zwietracht und Haß in Verbindung mit religiösen Überzeugungen zu schüren". Die Gläubigen haben überhaupt keine Möglichkeit zu hetzen, da für sie keine Freiheit zur Verkündung der Religion besteht, den Atheisten dagegen stehen alle Mittel zur Verfügung. Diese Stelle des Artikels 52 muß geändert werden. Aus der noch gültigen Verfassung ist folgender Satz in dem Artikel 52 des neuen Entwurfs übernommen worden: „Die Kirche in der UdSSR ist getrennt vom Staat und die Schule von der Kirche". Wenn aber die Kirche vom Staat getrennt ist, dann soll die Verfassung auch garantieren, daß der Staat sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Kirche einmischt und ihre Unter­werfung fordert, indem die Kirche vom Rat der Abgeordneten der Werk­tätigen als eine Art religiöse Abteilung abhängig gemacht wird. Dieses geschieht aber durch die Bestätigung der Satzung der religiösen Vereini­gungen gemäß Verordnung Nr. IX - 748 vom 28. Juli 1976 des Präsidiums des Obersten Sowjets. Unter dem Deckmantel, die Schule sei von der Kirche getrennt, werden die gläubigen Eltern auf verschiedenste Weise daran ge­hindert, ihre Kinder religiös zu erziehen, die Kinder werden gegen religiöse Eltern aufgehetzt, den Kindern ist es verboten, die Religion zu praktizieren; damit wird das unantastbare Recht der Eltern verletzt, die Kinder gemäß ihrem Gewissen und ihrer Überzeugung zu erziehen.

Um Diskriminierung zu vermeiden, schlagen wir vor, den Artikel 52 wie folgt zu fassen:

,, Den Bürgern der UdSSR wird Gewissensfreiheit zuerkannt, d.h., ein Recht für alle Bürger, sich ohne Unterschied des Alters oder der Stellung im Staatsapparat zu einer .Religion zu bekennen, unbehindert religiöse Praktiken auszuüben, Religionswissenschaften zu studieren und andere darin zu unter­weisen, aber auch das Recht, keiner Religion zuzugehören und nach atheisti­scher Weltanschauung zu leben und zu wirken.

Für die Verbreitung ihrer Weltanschauung wird den Gläubigen und den Atheisten das gleiche Recht zugestanden, die heute zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten zu nutzen — Schule, Rundfunk, Fernsehen u.a.m.

Die Religion und der Atheismus stützen sich auf gleichgesinnte Bürger und die von ihnen aufgebrachten Geldmittel. Durch ihre Lehre leiten sie ihre in freier Trägerschaft befindlichen Schulen. 10

Zwietracht und Haß in Verbindung mit religiöser oder atheistischer An­schauung zu schüren, ist untersagt".

Änderung zu Artikel 36: „Verschiedene Völker und Rassen, gläubige und ungläubige Sowjetbürger haben gleiche Rechte".

Ergänzung zu Artikel 57: „Die sowjetischen Gesetze schützen die Gesundheit und das Leben des Ungeborenen. Abtreibungen sind verboten". Ergänzung zu Artikel 66: „Gläubige Eltern haben das volle Recht, ihre Kinder gemäß ihrem Gewissen und ihrer religiösen Überzeugung zu erziehen".

Außerdem ist es notwendig, in der Verfassung zu verankern, daß keiner direkt oder indirekt gezwungen werden darf, gegen sein Gewissen oder seine Überzeugung zu sprechen oder zu handeln. Alle Gesetze der Verfassung müssen nicht nur geschrieben, sondern auch praktisch durchführbar sein.

Die Priester der Diözese Panevėžys
12. September 1977 Unterschrieben von 120 Priestern und von

S.E. Bischof V. Sladkevičius