Paringys (Ray. Ignalina)

Am 27. Dezember 1977 ist auf dem Kirchhof von Papilis, Rayon Biržai, ein neuer Grabhügel emporgewachsen. Er hat die sterblichen Reste des verst. Prie­sters Antanas Mačiulis aufgenommen. Diesem edlen Arbeiter im Weinberge Christi die letzte Ehre zu erweisen und für seine Seelenruhe zu beten, ist nicht nur eine zahlreiche Menge der Gläubigen zusammengekommen, sondern auch die Bischöfe J. Steponavičius und J. Krikščiūnas mit noch 82 Priestern haben daran teilgenommen. Der verstorbene Pr. Antanas Mačiulis hat das Priestertum durch Kampf mit großen Schwierigkeiten erstrebt, die von Regierungsbeamten bereitet wurden. Der Verstorbene wurde 1941 geboren, hat in Švenčionys, Auš­ros Vartai und in Paringys als Pfarrer gearbeitet, von wo aus der Herr ihn nach fünf Priesterjahren (geweiht 1972) zu sich gerufen hat. Vor seinem Tod, bei vol­lem Bewußtsein und in Erkenntnis der Folgen von Krebskrankheit, hat er er­zählt:

»1959 habe ich die Mittelschule von Papilis absolviert und wollte in das inter-diözesane Priesterseminar zu Kaunas eintreten. In diesem Jahr konnte ich aber nicht eintreten, denn ich mußte abwarten, wie die Frage meines Militärdienstes geregelt wird. Ich habe angefangen, als Lagerverwalter in der MTS (Maschinen und Treckerstation; Anm. d. Übers.) von Papilis zu arbeiten und später — in der Melioration — als Vorarbeiter.

Im Sommer 1960 habe ich bei der Seminarleitung die nötigen Dokumente einge­reicht, die Aufnahmeprüfung bestanden und, indem ich weiter bei der Meliora­tion gearbeitet habe, auf eine Benachrichtigung über die Aufnahme gewartet. Einmal ist ein Milizmann zur Arbeitsstelle gekommen und hat mir befohlen, zur Milizstation des Rayons Pandėlis zu kommen. Dort haben zwei Personen auf mich gewartet, die ich nicht kannte. Mit ihren aufgeschlagenen Büchlein haben sie gleichsam nur gewunken, so daß ich ihre Namen so schnell nicht lesen konn­te. Es wurde mir klar, daß es Sicherheitsbeamte sind. Mir wurde ein Sitzplatz am Tisch angewiesen. Einer hat sich mir gegenüber hingesetzt, und der andere ist die ganze Zeit hinter meinem Rücken auf und ab gegangen. Der Sitzende hat ein höfliches Gespräch geführt und hat irgendwelche Notizen gemacht, der zweite hat weniger geredet, aber böser. Ich wurde über meine Vergangenheit be­fragt, darüber, wie oft ich beim Pfarrer vorbeigekommen bin, von ihm Bücher mitgenommen habe usw. Sie waren sehr unzufrieden mit meiner negativen Ant­wort. Sie erkundigten sich über meine Arbeit im Lager, warum ich von dort weggegangen sei, ob es Mängel gegeben hätte. Schließlich hatten sie gesagt, daß sie von meinem Eintritt in das Priesterseminar gehört hätten. Ich gab zu, daß ich eintreten will. Der Sitzende sprach: >Gut. Priester sind nötig. Aber der eine sitzt in einer kleinen Pfarrei, der andere — in einer großen; der eine mitten unter den Sümpfen, der andere in einem schönen Ort; der eine fährt Motorrad, der andere einen Wagen. Gut. Wir helfen dir und du uns.< Ich tat so, als ob ich kei­ne Ahnung hätte. Dann hat er wieder das Thema der Nachrichtenvermittlung erläutert und daß auch ich so handeln müßte. Darauf habe ich geantwortet: >Nein! Ein Verräter werde ich auf keinen Fall sein!< Dann wurde der >Gütige< aufgebracht und hat geschrien: >Solange ich diesen Posten bekleide, kommst du nicht in das Seminar!< Der >Böse< haute mit der Faust auf den Tisch. Darauf­hin verlangten sie, ich soll den von ihnen diktierten Text schreiben: >Ich, Mačiu­lis Antanas, Sohn des Vlado, über das (hier das Datum, an das ich mich nicht mehr genau erinnern kann) stattgefundene Gespräch werde ich niemandem er­zählen^ Ich hatte gehört, daß man so etwas schreiben dürfte. Als ich aber die­sen Satz geschrieben hatte, hat man mir befohlen, eine neue Zeile anzufangen, und diktierte weiter: >Auch wenn ich im Seminar bin, und wenn ich dieses absol­viert habe . . .< Darauf sagte ich: >Ihr habt mir soeben gesagt, daß ich in das Se­minar gar nicht hereinkomme, und jetzt befehlt ihr mir zu schreiben: >Auch wenn ich im Seminar bin, und wenn ich dieses absolviert habe. Wie paßt das zu­sammen? < Ich zerknitterte das Blatt Papier und warf es in die Abfallkiste. Er­bost holte der >Gütige< es aus der Abfallkiste heraus, zog es glatt und befahl, auf einem neuen Blatt zu schreiben. Ich habe nur den ersten Satz geschrieben, das heißt, daß ich niemandem erzählen werde, und sofort darunter, ohne jede Zwischenzeile, damit nichts mehr dazwischenkommt, unterschrieben. Dann hat man mich entlassen.

Zum Seminar wurde ich in diesem Jahr nicht aufgenommen. Auch im folgen­den Jahr hat man mir das Eintreten nicht erlaubt, obwohl ich die Dokumente dagelassen hatte und auch selbst nach Kaunas hingefahren bin. Damit nicht ge­nug, ich wurde 1961 in der Rayonszeitung beschrieben. Ich habe noch in der Melioration gearbeitet. Nach einiger Zeit dachte ich in das Priesterseminar von Riga einzutreten, aber in Lettland hat man mich nicht registiert. Im Sommer 1967 haben die Sicherheitsbeamten wieder nach mir gesucht, zu Hause und bei der Arbeitsstelle, aber zu meinem Glück mich diesmal nicht gefunden. Aus dem Seminar bekam ich die Nachricht, daß ich aufgenommen bin und am 1. Sep­tember nach Kaunas zum Studium kommen kann.

So habe ich acht Jahre lang (1959—1967) kein Recht gehabt, das gewählte Stu­dium zu beginnen.«

Den 10. August 1977

Anyksciai

An den Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenheiten, K. Tumėnas Abschriften: An das Ministerium für Gesundheitsschutz, An die Diözesankurie von Panevėžys des Priesters Petras Budriūnas wohnhaft in Anykščiai, Sagalovostr. 8

Erklärung

Anfang 1974 hat man sich über die Diözesankurie von Panevėžys an Sie ge­wandt wegen Behinderungen im Krankenhaus von Anykščiai, die schwerkran­ken Gläubigen mit den Sakramenten zu versehen, und am 2. März an das Mini­sterium für Gesundheitsschutz, aus dem der erste Stellvertreter des Ministers, M. Zaikauskas, mit dem Schreiben vom 12. April geantwortet hat, daß er meine Erklärung an die Beamten des Exekutivkomitees des Rayons Anykščiai über­sende, zur Lösung der Fragen auf Ortsebene.

Ihre Bemühungen haben die Lage nicht geändert. Auch weiterhin wird den Gläubigen nicht erlaubt, von den durch Gesetze gewährten Rechten Gebrauch zu machen, und die Geistlichen werden gehindert, ihre Pflichten zu erfüllen. Eine ganze Reihe von Personen, die von sich aus oder auf unseren Hinweis hin den Oberarzt B. Šinkünas um Erlaubnis gebeten haben, haben des trotzdem nie bekommen. Ich führe einige Fakten an:

Am 27. November 1974 hat Marytė Sraurylaitė und am 30. ihre Schwester ver­sucht, das Einverständnis zum Herbeiholen eines Priesters zu ihrer Mutter zu er­wirken (wohnhaft im Rayon Anykščiai, Wohnort Kirkiliškiai), denn sie hat das gewünscht, aber der Oberarzt hat es nicht erlaubt. Danach habe ich angerufen, aber umsonst, denn der Oberarzt Šinkünas hat aufgelegt, als er meine Bitte hörte.

Als am 3. Oktober 1975 Juluja Senvaitienė (wohnhaft im Rayon Anykščiai, Wohnort Navasadai) sich an den Oberarzt wegen ihres Mannes gewandt hat, bekam sie zur Antwort: »Wenn du einen Priester haben willst, nimm deinen Mann nach Hause, dann kannst du machen, was du willst.« Für Povilas Strazdas (wohnhaft im Rayon Anykščiai, Wohnort Giliai) wurde am 5. März 1976 nicht nur keine Erlaubnis erteilt, sondern seine Frau Teklė wurde auch noch beleidigt: »Da kommt eine Betschwester daher und fängt an zu betteln« — verhöhnte sie B. Šinkūnas. Ähnlich enttäuscht wurden der Vater des Bronius Martinonis aus dem Rayon Anykščiai, Wohnort Šlaitai, am 17. Au­gust 1975, Klemensas Pukenis aus dem Rayon Anykščiai, Wohnort Liudišikai, am 10. Januar 1976 und andere. Nach Bedarf könnte ich eigenhändige schriftli­che Zeugenaussagen der Bittsteller vorlegen.

Am 3. Dezember 1974 habe ich diese Frage mit dem stellvertretenden Vorsitzen­den des Exekutivkomitees des Rayons Anykščiai, J. Dailydė, erörtert.

Alle unsere Schritte haben keine Früchte gebracht. Durch dieses Verhalten, d. h. durch Verletzung der Gesetze über religiöse Kulte, wird der Oberarzt B. Šinkūnas zum Anstifter zu Gruppendelikten. In diese verwickelt er uns Priester, die Angestellten des Krankenhauses, die Kranken sowie ihre Angehörigen. In der Meinung, daß man uns rechtmäßig nicht einladen kann, werden wir manch­mal insgeheim eingeladen. So geschah es am 21. April dieses Jahres, als Frau Gaidelienė, weil sie von ihrem Mann in seinen letzten Zügen nicht weichen woll­te, mich durch Frau I. Kazlauskinė eingeladen hat. Obwohl ich wußte, daß der Oberarzt es doch nicht erlaubt, bin ich trotzdem sofort zu meinem Bekannten J. Gaidelis (wohnhaft im Rayon Anykščiai, Wohnort Storiai) hingegangen, der kurz darauf gestorben ist. Bei der Spendung der religiösen Dienste ist der Arzt B. Šinkūnas hereingekommen und hat mich aufgefordert, sofort wegzugehen. Danach dozierte er: »Wer hat dich eingeladen? Weißt du, daß du ohne meine Erlaubnis nicht hereinkommen darfst?« — »Ich weiß, ich habe sogar schriftli­che Zeugnisse, daß Sie es nicht erlauben«, sagte ich. Der Arzt fing an, hysterisch zu schreien: Heraus! Heraus! Ich werde bei der Regierung melden! Ich werde die Krankenschwester entlassen!

Am 23. April bin ich wegen dieses Zwischenfalls im Krankenhaus zum Exeku­tivkomitee des Rayons Anykščiai hingegangen. Der Vorsitzende A. Budavičius hat die Hartnäckigkeit der Krankenhausverwaltung verteidigt:

Hier herrschen solche Traditionen, und wir werden sie nicht ändern. Ich bemerkte dazu:

Verwechseln Sie nicht die Begriffe: Gesetzesverletzungen und Traditionen. Ich wiederhole meine Eingabe an Sie, Bevollmächtigter, und wende mich an Sie mit der Bitte, dafür zu sorgen, daß die moralische Diskriminierung der Gläubi­gen nicht mehr wiederholt wird — daß der Oberarzt und in seiner Abwesenheit der wachhabende Arzt solchen, die nach den Sakramenten verlangen, erlaubt, den Priester einzuladen und damit die schon mehr als fünfzehn Jahre andauern­de, für alle unangenehme Lage im Krankenhaus von Anykščiai beseitigt.

Der Vikar von Anykščiai, Pr. P. Budriūnas

Anykščiai, den 26. April 1976 Anykščiai

Seiner Exzellenz dem Apostolischen Administrator Bischof Dr. Romualdas Krikščiūnas und den Mitgliedern des Kapitels

Ich möchte Eure Exzellenz und die Mitglieder des Kapitels genau informieren über meine Predigt, die ich in der zweiten Messe des hl. Weihnachtsfestes gehal­ten habe. Hier bringe ich diese ungekürzt.

Pr. Juozas Janulis

Vikar der Kirche in Anykščiai

Ein gesegnetes und gnadenreiches Weihnachtsfest! Es ist eine Freude, diese tau­sendköpfige Menge zu sehen, die aus allen Winkeln der Pfarrei herbeigeströmt ist, obwohl die Witterung nicht besonders günstig ist und die Wege naß und glit­schig sind. Es ist eine Freude, eure frohen und ruhigen Gesichter zu sehen, die ein Widerschein des Herzens sind. Das alles bezeugt noch einmal, daß Christus wirklich geboren ist, daß er lebendig ist in euren Herzen. Ich sage, es ist eine Freude, euch froh zu sehen, weil ich schon anderthalb Jahre bei euch arbeite; zum zweiten Mal darf ich Weihnachten mit euch feiern. In die­ser Zeit sah ich unter euch sehr viel Schmerz und viele Tränen, die ich auch an diesem Freudentag nicht vergessen kann. Ich erinnere mich, wie ich nach meiner Ankunft auf dem Gehweg zwischen dem Kirchplatz und dem Krankenhausge­lände auf und ab gegangen bin. Ich erblickte ein altes Mütterchen, das neben dem Weg im Heckenzaun versteckt auf mich gewartet hatte. Es war von ihrer Krankheit erschöpft und weinte. Als ich näher hinzukam, entschuldigte sich die alte Frau und sagte: »Ich kann mich kaum bewegen, aber als ich Sie durch das Fenster des Krankenhauses hier beim Spaziergang gesehen habe, Herr Kaplan, da dachte ich, vielleicht reichen meine Kräfte noch aus, um zu Ihnen zu kom­men und Sie um etwas zu bitten: Wenn es mir schlechter geht, Herr Kaplan, kommen Sie bitte zu mir mit den Sakramenten.« Ich sagte: »Gut, aber Sie müs­sen zuerst die Erlaubnis vom Chefarzt erwirken, damit der Priester ins Kranken­haus kommen darf.« — »Wenn nur der Herr Kaplan einverstanden ist, um die Erlaubnis bitte ich schon«, meinte das Mütterchen froh. Aber diese Erlaubnis hat sie eben nicht bekommen.

Ich kann es nicht vergessen, wie ich einmal während eines Gottesdienstes im Beichtstuhl saß. Plötzlich kam vom Eingang direkt zum Beichtstuhl hinüber eine sehr aufgeregte Frau gelaufen und sagte: »Herr Kaplan, mein Mann hat einen Schlaganfall erlitten, der Unfallwagen hat ihn zum Krankenhaus ge­bracht. Kommen Sie bitte und spenden Sie ihm die Sakramente*, solange er noch nicht gestorben ist.« Sie können sich denken, wie groß ihre Aufregung und ihr Schmerz gewesen sein müssen, denn nicht einmal ein Priester wagt den anderen im Beichtstuhl zu stören. Aber ihr Unglücksfall ließ auf einen gelegenen Augen­blick nicht warten. Ich sagte: »Gut, ich gehe hin, aber solange Sie vom Arzt kei­ne Erlaubnis bekommen haben, wird keiner mich in das Krankenhaus hereinlas­sen.« Die Frau ist sofort davongeeilt, aber die Erlaubnis hat sie nicht bekom­men.

Ich entsinne mich, wie bei einem Spaziergang um das Pfarrhaus ein Mann wei­nend auf mich zukam und fragte: »Herr Kaplan, was soll ich machen, meine Frau liegt im Krankenhaus und ist schon sehr schwach. Ich ging zum Chefarzt, da ich um Erlaubnis bitten wollte, einen Priester holen zu dürfen. Aber der Chefarzt sprach zu mir: »Geh du selbst zum Priester und beichte an ihrer Stelle.« Ich als Kaplan wußte selber nicht, was hier zu tun war. Wie oft ist es schon vorgekommen, daß dem Pfarrer, der ohne Erlaubnis zum Kranken hinge­gangen war, die Tür sozusagen direkt vor der Nase zugeschlossen wurde. Ähnli­che Vorfälle kann euch der Pfarrer zu Hunderten erzählen. Wenn man das alles sieht und das alles weiß, kann man dann noch schweigen?! Ihr habt sicher gehört, daß am 20. November dieses Jahres (1977) darüber in der Kirche eine Predigt gehalten wurde. Als ich damals die Predigt hielt, wußte ich, daß ich dafür zum Exekutivkomitee des Rayons vorgeladen werde, um mich zu rechtfertigen. Und so kam es auch. Etwa 10 Tage später wurde ich vor­geladen. Unter anderem wurde ich auch gefragt, warum ich die Ärzte verleum­de. Erst als ich die konkreten Tatsachen vorlegte, wurden die, die mich vorgela­den hatten, etwas ruhiger. Dann wurden diese anderen Dinge angeschnitten: die Prozession der Jugendlichen, die am Patroziniumsfest St. Anna organisiert wurde, als unser Oberhirte die Pfarrei Anykščiai visitiert hatte. Ich erzählte ih­nen, daß die Teilnehmer der Prozessionen aus den Oberklassen, besonders die Knaben und ihre Eltern, schon ab 1. September von den Lehrern terrorisiert wurden. Den Jugendlichen wurde gedroht: wenn sie zur Kirche gehen, bekom­men sie eine ganz speziell geschriebene, schlechte Charakterbeurteilung auf dem Schulzeugnis, dann könnten sie in keiner Hochschule das Studium beginnen usw. Der stellvertretende Vorsitzende des Rayons Dailydė war etwas erstaunt. Es schien wenigstens so, daß er mit solchen Handlungen der Lehrer nicht ein­verstanden war. Aber die Deputierte Barkauskienė (so wurde sie mir vom Stell-verteter vorgestellt; ihr eigentlicher Aufgabenbereich: die Sekretärin der KP im Rayon Anykščiai für ideologische Arbeit) war keineswegs erstaunt, sondern ver­sicherte mir kurzerhand ganz stolz: »Und die schlechten Charakterbeurteilun­gen werden doch geschrieben, und sie werden auch in keiner Hochschule das Studium aufnehmen können.«

Dann sind mir die Augen aufgegangen: Da sind also die Wurzeln des gesamten Terrors, deshalb fließen so viele unschuldige Tränen von Menschen, die vom Unglück getroffen sind — das sind die Früchte der ideologischen Arbeit . . . Ich hätte noch mehr zu sagen gehabt, aber hatte es überhaupt noch einen Sinn, weiterzusprechen? Hatte es noch einen Sinn, zu sagen, daß die Schülerin der Xa-Klasse der J.-Biliünas'-Schule, Rita Žalaitė, nur deshalb, weil sie an der Prozession teilgenommen hatte, vom Schuldirektor und seinen Stellvertretern zum Lehrerzimmer zitiert und dort auf alle erdenkliche Weise terrorisiert wur­de: warum sie nicht zum Komsomol gehöre, warum sie an der kirchlichen Pro­zession teilnehme usw. Als erste verlor die Stellvertreterin Skairiene die Selbst­beherrschung: »Ich kann dich nicht einmal angucken, weil du gläubig bist . . .« Die Stellvertreterin Pavilanskienė war noch wütender: »Wie wagst du, da du gläubig bist, überhaupt noch die Schulbank zu berühren; diese Bank sollen dir die Priester kaufen. Wenn du gläubig bist, kannst du in keiner Hochschule stu­dieren.« Der Direktor fuhr fort: »Warum gehst du überhaupt noch zur Schule, denn diese kannst du doch nicht beenden und auch in keiner Hochschule anfan­gen.« Obwohl das Mädchen sehr gut lernte, antwortete es, daß es auf ein Hoch­schulstudium keine Hoffnung habe, sie werde in einem Technikum anfangen. »Du wirst weder in einer Hochschule noch in einem Technikum anfangen kön­nen«, schrie der Direktor sie an. »Dann arbeite ich als gewöhnliche Arbeiterin, aber zur Kirche gehe ich trotzdem«, gab das Mädchen nicht nach. Da die Lehrer nichts erreichen konnten, ließen sie das Mädchen gehen, aber Pavilanskienė hat noch gedroht: »Du wirst noch öfters vorgeladen.«

Wenn der Direktor und seine Stellvertreter so mit den Schülern umgehen, da ist es nicht verwunderlich, daß den gläubigen Schülern nicht nur das Reden, son­dern auch das Schweigen über den Glauben verboten ist. Darüber haben sich auch die Eltern der Schüler der unteren Klassen beklagt. Als weiteres Beispiel nehmen wir aber dieselbe Xa-Klasse. Die Klassenlehrerin Lesnikauskienė hat der Sekretärin des Komsomols speziell befohlen, daß für die am 31. Januar 1978 angesetzte kurze Klassenfeier Referate mit antireligiösen Themen von gläubigen Schülern vorbereitet werden müssen, die an der Prozession teilge­nommen hatten: Linas Ladyga und Rita Žalaite. Kann es noch eine gröbere Verhöhung und Verachtung eines gläubigen Schülers geben? Obwohl § 52 der Verfassung der UdSSR den Bürgern die Gewissensfreiheit ga­rantiert, obwohl es im § 65 heißt, daß »der Bürger der UdSSR die Rechte und berechtigten Interessen der anderen Personen respektieren muß . . .«, aber was bedeutet schon die Verfassung für die Klassenlehrerin Lesnikauskienė oder an­dere Lehrer, die ähnlich handeln, wenn hinter ihrem Rücken die Stellvertreter, der Direktor und schließlich die Deputierte selbst — die Sekretärin der KP, Bar­kauskienė — steht?

Aber auch das ist noch nicht alles. Als ich aus dem Exekutivkomitee herausge­gangen war, wurde auf einen weiteren »Knopf« der ideologischen Arbeit ge­drückt. Einige Tage später begegnete ich einem Schüler, der von der Schule nach Hause ging. Er erzählte mir folgendes: »Herr Kaplan, wissen Sie schon, daß Algis Pipiras jetzt im Kinderzimmer der Milizstation sitzt« (er ist Schüler der XL Klasse der J.-Biliünas'-Schule und hat an der Prozession teilgenom­men). Ich fragte, was er denn getan habe. Er sagte: »Wie, Hochwürden, wissen Sie das nicht?! Wenn man zum Kinderzimmer der Milizstation vorgeladen wird, dann erwartet dort einen der Sicherheitsdienst.« Und so war es auch. Der Beam­te des Sicherheitsdienstes, Čikeliovas, hat die Schüler, die an der Prozession teil­genommen hatten, Algis Pipiras, später Valentinas Zaikauskas, Eugenijus Šiau­čiūnas . . ., einzeln vorgeladen und sie auf alle möglichen Weisen terrorisiert: Wenn die Jugendlichen weiter zur Kirche gingen, könnten sie nirgendwo einen Studienplatz kriegen und auch die Schule nicht abschließen . . ., schließlich, daß man sie ins Gefängnis einsperren und sie dort verfaulen lassen würde. Aber auch dem Čikeliovas ist es nicht gelungen, die Jugendlichen kleinzukriegen. »Wenn wir sonst nichts machen können, dann arbeiten wir eben mit der Mistga­bel«, so haben die meisten geantwortet. Obwohl sich die Jugendlichen standhaft und tapfer verhalten haben, hat der Terror sie doch so erschüttert, daß einige nachts nicht mehr einschlafen konnten. Während der erste Schüler noch im Ka­binett des Sicherheitsdienstes saß, wußten schon die Schüler in der Schule, daß er vom Sicherheitsdienst vorgeladen wurde. Allein diese Tatsache ist ein deutli­eher Beweis dafür, daß eine solche Methode von dem Sicherheitsdienst nicht zum ersten Mal angewendet wurde.

Da ich nach meiner ersten Predigt wußte, daß ich zum Exekutivkomitee des Rayons vorgeladen werde, so weiß ich auch bei dieser Predigt, daß man darüber beim Zentralkomitee in Vilnius berichten wird. Wir werden sehen, was dann kommt. Ob alle diese Terroristen zur Ordnung gerufen werden, oder ob man auf einen weiteren Knopf des Terrors drücken wird, sei es gegen die Gläubigen, gegen die Jugendlichen oder schließlich gegen mich. Wenn ich von hier versetzt werde, wenn einer abkommandiert wird, um mir ein Messer in den Rücken zu stechen, oder eine Unfallsituation herbeigeführt wird, damit ich umkomme, oder schließlich irgendein Prozeß gemacht wird und ich ins Gefängnis komme, dann wird das ein Zeichen sein, daß der Anfang von diesem ganzen Terror nicht in Anykščiai, sondern in Vilnius zu suchen ist.

Wie dem auch sei, ihr wißt, daß ich die Wahrheit sage. Und ich weiß auch, wenn ich zur Bezeugung dieser Wahrheit als Zeugen die Jugend aufrufen würde, daß sie alle sagen würden, dies ist die Wahrheit. Wenn ich zur Bezeugung dieser Wahrheit euch aufrufen werde — von euch werden Hunderte und Tausende mit mir sein. Und ich sage euch: besser ist es, Sträflingskleider zu tragen, als mit Soutane bekleidet eure Tränen mit anzusehen und dabei zu schweigen. Es ist besser, wenn an den Händen die Handschellen der Gefangenen klirren, als mit dieser Hand euch zu segnen und so zu tun, als ob man euren Schmerz nicht se­hen würde. Es ist besser, im Gefängnis zu verfaulen als zu schweigen. Und wenn ich das heute sage, so sind das nicht meine Worte. Das sind Worte dieser schlaf­losen Nächte, in denen die Jugendlichen und ihre Eltern sich gequält haben, das sind Worte der Tränen, vergossen von den Kranken und ihren Angehörigen; und schließlich ist das hier der Schmerzensschrei all der Menschen, die ohne Sa­kramente sterben mußten, und der Aufschrei ihrer Verwandten. Aber weint nicht, Geliebte. Heute ist Weihnachten! Der Geburtstag Christi erin­nert uns daran, daß euer Schmerz und eure Tränen einmünden in den Schmerz und die Tränen des Christkindes. Christus ist mit uns! Er beschützt und vertei­digt uns, er wischt jede Träne ab und führt dorthin, wo es keinen Schmerz und keine Ungerechtigkeit mehr gibt, wo ewige Freude und ewig Weihnachten ist. Amen.

Anykščiai                                                       Weihnachten 1977

Kapsukas

Am 15. März 1978 wurde Janina Buzaitė, wohnhaft in Kapsukas, Vaičaičiostr. 3—2, zur Abteilung des KGB in Kapsukas vorgeladen, wo der Chef des Sicher­heitsdienstes, Vilkas, mit einem seiner Stellvertreter herauszubekommen ver­suchte, auf welche Weise eine Information über J. Buzaitė einige Male in die »Chronik der LKK« gelangt ist. Man hat versucht, die Verhörte zu zwingen, ein von den Sicherheitsbeamten aufgesetztes Schreiben zu unterschreiben, daß die in der »Chronik der LKK« über sie veröffentliche Information falsch sei. J. Bu-zaité hat bekräftigt, daß die von den Sicherheitsbeamten aus der »Chronik der LKK« vorgelesene Information richtig sei, aber auf welche Weise die Informa­tion in die Chronik gelangt sei — das wüßte sie nicht. Das Verhör hat drei Stun­den gedauert.

Im Monat Februar, als J. Buzaité im Krankenhaus war, haben die »Installa­tionstechniker« den Fußboden ihrer Wohnung aufgerissen, um zu finden, an welcher Stelle in den Wasserleitungsrohren das »Wasser gefroren« sei, obwohl in ihrem Zimmer Blumen geblüht haben. Man meint, daß dies eine von dem Si­cherheitsdienst gemachte Hausdurchsuchung gewesen ist.

Telšiai

Der Bevollmächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten hat dem Organi­sten der Kathedralkirche von Telšiai, Šeduikis, auf seine Eingabe (s. »Chronik der LKK« Nr. 31), in der er um Hilfe gebeten hat, damit der an seinem Haus er­richtete Bildstock nicht abgerissen werde, folgendes geantwortet: »Wir teilen mit, daß eine Änderung der Beschlüsse des Exekutivkomitees der LDT (Liau­dies deputatu taryba — Deputiertenrat des Volkes) des Rayons nicht dem Zu­ständigkeitsbereich unseres Amtes untersteht. Im Falle einer Notwendigkeit können sie durch den Ministerrat der Litauischen SSR abgeändert werden.«

 

Šiauliai

Am 11. Februar 1977 wurde Hochw. A. Ylius von der Staatsanwaltschaft in Šiauliai vorgeladen. Der Gehilfe des Staatsanwalts der Litauischen SSR, J. Ba-kučionis, hat auf die Erklärung des Priesters A. Ylius, in der verlangt wurde, seine Verleumder gerichtlich zur Rechenschaft zu ziehen, geantwortet: Nach Ansicht des Staatsanwaltes bestehe kein Grund, die Autoren des Buches gericht­lich zu belangen, denn der Stoff sei den Prozeßakten des Pr. A. Ylius entnom­men.

An diesem Gespräch haben der Sicherheitsbeamte Česnavičius und der Dekan von Šiauliai, Hochw. L. Mažonavičius, teilgenommen. Den letzteren haben die Regierungsbeamten mitgenommen, damit er ihnen helfen möge, den Pr. A. Yli­us zu beschwichtigen.

·     Du wirst doch jetzt von keinem behelligt. Du bist doch registriert. Du solltest ruhig sein und deiner Arbeit nachgehen, versuchte der Dekan L. Mažonavičius zu überreden.

·     Wieso werde ich von keinem behelligt? erstaunte Hochw. Ylius. — Es gibt sogar drei Bücher der atheistischen Propaganda, die nach dem Versprechen, nicht mehr zu verleumden, herausgegeben wurden. Nach ihren neuen Verleum­dungen kann ich nicht schweigen — ich muß mich verteidigen. Die »Chronik der LKK« meint, daß es für einen Dekan nicht geziemend ist, Ad­vokat eines gottlosen Staatsanwaltes zu sein.

 

Šiauliai

Am 21. Dezember 1977 ist Juozas Šileikis aus der Stadt Šiauliai mit einem Kreuz auf seinen Schultern in Richtung Kreuzberg herausgegangen. Weil das Kreuz an einem Werktag getragen wurde und die Fahrspuren der Chaussee in beiden Richtungen vom Transportverkehr ausgelastet waren, mußte das Kreuz die mei­ste Zeit durch Schnee auf dem Seitenweg getragen werden. Die Lastfahrer ha­ben ihre Wagen angehalten und das Kreuztragen beobachtet. Unterwegs hat eine Frau sehr erstaunt und unter Tränen den Kreuzträger angesprochen:

 - Lieber Freund, woher nimmst du bloß den Mut und die Entschlußkraft, öf­fentlich am hellen Tag das Kreuz zu tragen???

 - Mit dem Kreuz ist es nicht schrecklich, auch in eine Meute von Teufeln hin­einzugehen, antwortete Šileikis tapfer.

Als er gerade aus der Stadt herausgekommen war, wurde der Kreuzträger von einem Dienstwagen der Autoinspektion überholt. Später ist derselbe Wagen mit einer stark herabgesetzten Geschwindigkeit in entgegengesetzter Richtung vor­beigefahren, wobei der Kreuzträger beobachtet wurde. Nach Abbiegung auf den Weg zum Kreuzberg haben die Autoinspekteure den Kreuzträger nochmals überholt und auf dem Rückweg angehalten. Der Autoinspektor stieg aus und fragte:

 - Wo schleppst du das Kreuz hin?

 - Zum Kreuzberg, Bürger Inspektor, antwortete Šileikis, ohne das Kreuz von den Schultern abzusetzen.

 - Aus welchem Anlaß schleppst du das?

 - Persönliche Intention.

 - Wo wohnst du denn?

 - In der Stadt Šiauliai, antwortete kurz der Mann.

 - Im Wagen saß noch ein Beamter, der dem Kreuzträger verachtende Blicke zu­warf. Danach sagte der Autoinspekor:

— Dann sollst du eben dieses Kreuz weiterschleppen. Glückliche Reise!

Šiauliai

Am 17. Juni 1977 wurde M. Jurevičius zum Vernehmungsrichter A. Tručinskas vorgeladen, der sich erkundigte, warum Jurevičius nirgendwo arbeite. Unterof­fizier Baziulis hat eine offizielle Verwarnung wegen einer parasitären Lebens­weise vorgelesen und wollte ihn zum Unterschreiben zwingen. Jurevičius hat die Unterschrift verweigert.

Am 19. Juli 1977 wurde Jurevičius wieder zum Vernehmungsrichter Tručinskas vorgeladen. Der Vorgeladene wurde ausgeschimpft, weil er eine Verbindung mit dem Ausland unterhalte, denn er habe Nachrichten über sich dorthin vermittelt. Der Miliz- oder Sicherheitsdienstbeamte Milišauskas sagte erbost: »Man muß dich vor Gericht stellen, deshalb geh' lieber arbeiten. Dein Inneres ist verfault. Geh' weniger zur Kirche und gib dich nicht mit den Betschwestern ab.« Nach einigen Tagen wurde Jurevičius auf dem Milizamt erneut ausgeschimpft, weil er nicht arbeite. Und er verlangte, wie auch schon früher, auf seiner frühe­ren Arbeitsstelle beschäftigt zu werden.

Als die Milizbeamten erfuhren, daß Jurevičius als Küster der Kirche von Žarė­nai arbeitet, haben sie am 29. August erklärt, daß der Strafprozeß beendet sei. Danach wurde Jurevičius noch einige Male zur Miliz vorgeladen, aber er hat sich geweigert, zu erscheinen.

Deltuva (Rayon Ukmergė)

In der Nacht vom 4. März 1978 wurden alle Bilder von Kreuzwegstationen auf dem Kirchplatz von Deltuva geraubt.

Adutiškis (Rayon Švenčionys)

Am 15. Oktober 1977 hat der Pfarrer von Adutiškis, Hochw. B. Laurinavičius, an den Vorsitzenden des Obersten Sowjets der UdSSR und Generalsekretär der KP, L. Brežnev, eine Erklärung — offener Brief im Umfang von 73 Seiten gro­ßen Formats — abgeschickt. Die »Chronik der LKK« veröffentlicht Auszüge und einige Gedanken aus diesem Brief. Ein Teil der in dem öffentlichen Brief genannten Fakten ist schon früher in der »Chronik« publiziert worden.

»Die Information Sowjetlitauens ist sehr oft tendenziös und falsch: einerseits verdreht sie die Vergangenheit Litauens, andererseits verleumdet sie die katholi­sche Kirche, ihre Priester und Gläubigen . . .

Aus irgendwelchen Gründen wird die ruhmvolle Vergangenheit Litauens in der sowjetischen Zeit verheimlicht. Abiturienten, die ihre Reifezeugnisse erhalten haben, wissen davon fast nichts . . . Heute wird verschwiegen, daß die Herr­scher Litauens tapfer, tatkräftig und fähig waren, ihre raublüsternen Nachbarn zur Ordnung zu bringen. Ihre schönste Charaktereigenschaft wird verschwie­gen, daß sie niemals Angehörige anderer Völker gezwungen haben, sich zu assi­milieren — eine fremde Sprache zu lernen, wie es heute gemacht wird . . .

Wenn heute von der Vergangenheit Litauens gesprochen wird, dann wird unter­strichen, daß es bis zum Jahre 1940 in jeder Hinsicht rückständig gewesen ist, und die Ursache der Rückständigkeit seien die kapitalistische Ordnung und das Christentum gewesen. Litauen ist nicht bis 1940 rückständig gewesen, sondern bis zur Wiedererlangung der Unabhängigkeit, d. i. bis 1918. Daß Litauen bis 1918 rückständig gewesen ist, dafür ist weder die Kirche noch die kapitalistische Ordnung verantwortlich, sondern seine Nachbarn, die aber von keinem verur­teilt werden, und man denkt auch nicht mehr an die Litauen zugefügten Schädi­gungen . . . Von 1569 bis 1795 wurde es durch die polnischen Bojaren ausge­beutet und von 1795 bis 1915 durch die russischen Zaren. Als die russischen Za­ren Litauen in ihr Imperium eingegliedert hatten, haben sie sogar den Namen Litauens nicht mehr erwähnt, ähnlich wie heute auch der Name Litauens nur noch selten genannt wird, dafür dann — >Prisbaltė< (Bei-Baltikum), >Nemuno kraštas< (Memelland).

Als Litauen 1918 seine Unabhängkeit erlangt hatte, hat es weder Geld noch Ka­der, noch Saatgut geerbt, aber mit Gottes Segen hat es in den 20 Jahren viel ge­schafft und erreicht.

Im unabhängigen Litauen, unter dem von den Marxisten sosehr verfluchten und verdammten Regime, konnte die Pressefreiheit im vollen und wahren Sinne des Wortes sich entfalten. Von der Pressefreiheit konnten alle Bewohner Litauens Gebrauch machen — alle Parteien. Am 2. Juni 1975 lesen wir in der Tiesa (Die Wahrheit), daß die politischen Gefangenen im Zuchthaus von Kaunas ihre Zeit­schrift Kovotojas (Der Kämpfer) herausgegeben haben. Und wie steht es heute mit der Pressefreiheit in der Sowjetunion? Sie existiert nur im Paragraph 50 der Verfassung der. Sowjetunion. Die Gläubigen und An­dersdenkenden haben überhaupt keine Presse ... Es gibt nur diese Freiheit, wie Lenin gesagt hat, daß man frei verschiedene marxistische und atheistische Druckschriften kaufen kann, deren Zweck darin besteht, die Kirche, die Gläubi­gen, die Priester zu verhöhnen; sie anzuklagen, anzuschwärzen und eigene Mei­nungen zu verbreiten, die unter aller Kritik sind und die Öffentlichkeit irrefüh­ren.

Man lese, was die Marxisten lügenhaft zusammenschreiben, um die Öffentlich­keit irrezuführen und sie gegen Priester und Kirche zu stimmen. Im Organ der LKP des Rayons Švenčionys Žvaigždė (Der Stern) (v. 2. April 1974) war ein Ar­tikel veröffentlicht Komunija ir automatas (Kommunion und Automat), in dem geschrieben steht: >Die reaktionären Geistlichen . . . haben sich energisch den sozialistischen Umordnungen widersetzt. Der Kanzler des Erzbistums Vilnius, S. Milkevičius, hat ermahnt, die neuerrichteten Kolchosen in Brand zu stecken und die Kolchosbauern umzubringen. < Aber so einen Kanzler hat es überhaupt nicht gegeben!

Alle Bürger zahlen Steuern, deren großer Teil zur Subventionierung von Presse, Rundfunk und Fernsehen verwendet wird, aber diese Kommunikationsmittel können nur von den Marxisten und Atheisten gebraucht werden. Und das Schmerzlichste dabei ist, daß es sehr oft nur zum Bösen gebraucht wird.

Ein Mann mit verantwortlichem Gewissen, P. Plumpa, sah, daß den Bürgern in Sowjetlitauen Gebetbücher und Katechismen fehlen, deshalb hat er welche sehr primitiv gedruckt. Mit seiner aufopferungsvollen Arbeit hat er niemanden geschädigt, persönlich sich nicht daran bereichert, wurde aber grausam bestraft. Nicht er ist schuldig, sondern die, welche die Verfassungen der Sowjetunion und der Litauischen SSR, in denen die Pressefreiheit garantiert wird, redigiert ha­ben. Wenn diese Verfassungen die Pressefreiheit verschwiegen oder verneint hätten, hätte P. Plumpa ganz gewiß nicht gedruckt.

Nijolė Sadūnaitė hat nicht gegen die Sowjetregierung aufgewiegelt und hat nicht geschrieen: >Hinweg!<, sie hat nur die der katholischen Kirche in Litauen zuge­fügten Schädigungen — Fakten registriert. Allein wegen Registrierung von Fak­ten wurde sie zu drei Jahren Gefängnis und Verbannung verurteilt.

Seine Exzellenz Julijonas Steponavičius, nachdem er 15 Jahre in Verbannung zugebracht hatte, schrieb an den Ministerrat der Litauischen SSR eine Erklä­rung, in der er an das ihm zugefügte Unrecht — ungerechte Entfernung von dem ihm zukommenden Posten — erinnert hat. Die Erklärung hat nicht nur sei­ne Rehabilitierung nicht beschleunigt, sondern es wurden zornige Drohungen laut: >Warum hat er geschrieben? Jetzt ist schon alles vorbei !< Wo liegt hier ein Vergehen? Er hat doch an die sowjetischen Organe geschrieben. Man muß nicht S. Exz. Bischof Julijonas beschuldigen, sondern diejenigen, welche ihn unge­recht verbannt und seine Akte >vergessen< haben.

Nach dem Einmarsch der Russen wurden in Weißrußland die litauischen Schu­len, Bibliotheken und Kindergärten liquidiert. Obwohl § 45 der Verfassung der Sowjetunion sagt, daß >der Unterricht in den Schulen in der Muttersprache er­folgte müssen litauische Kinder, für die die russische und die weißrussische Sprache fremd sind, weil sie von klein an nur Litauisch sprechen, in einer für sie ganz unverständlichen Sprache lernen.

In der Sowjetunion werden Schutzgebiete errichtet. Man sorgt dafür, daß Frö­sche, Reptilien, die großen und die kleinen wilden Tiere nicht aussterben, aber die Litauer in Weißrußland sind zur Verschmelzung verurteilt. Nicht der ist ein Nationalist, welcher seine Muttersprache liebt, sie gebraucht und ihre Rechte verteidigt, sondern der, welcher die Anderssprechenden haßt und andere zwingt, ihre Muttersprache zu vergessen und denen seine eigene Sprache aufzwingt.

In der Sowjetunion wird ein Kilowatt Strom an die gewöhnlichen Bürger für vier Kopeken verkauft, aber das Kirchenkomitee muß für dieselbe Einheit sogar 25 Kopeken zahlen.

Die Bürger der Sowjetunion, welche 60 Jahre alt geworden sind, zahlen keine Steuern, aber wer hat je gehört, daß ein greiser, arbeitsunfähiger Priester oder Kirchendiener von dieser Erleichterung Gebrauch machen könnte? Die Bürger, die das entsprechende Alter erreicht haben, bekommen ihre Rente. Hat sie aber irgendein Priester oder ein Kirchenangestellter bekommen? Ihre Steuern haben sie bezahlt. Mehr bezahlt, als die gewöhnlichen Bürger. Für Prie­ster und Kirchenangestellte werden die Steuern nach einer speziellen Tabelle be­rechnet.

In der sowjetischen Presse wird geschrieben, daß in einigen kapitalistischen Ländern die Rassisten das Fahren in einem Wagen meiden, in dem auch Farbige fahren, gehen nicht zu solchen Zusammenkünften, an denen auch Farbige teil­nehmen.

Am 7. Dezember 1975 ist der Student der landwirtschaftlichen Akademie, L. Adomėlis, verunglückt. Sein Vater hat mich gebeten, seinen verunglückten Sohn zu beerdigen. Ein Dozent der landwirtschaftlichen Akademie hat dem Va­ter erklärt: >Wenn der Priester am Begräbnis teilnimmt, bleiben wir fern.< Ist das keine rassistische Gesinnung, getarnt mit dem Mantel des Atheismus?

Man kann das Abreißen rechtfertigen wegen solcher Projekte, die unbedingt verwirklicht werden müssen, aber wen hat das Schmuckstück der Stadt Vilnius gestört — die >Drei Kreuze<, die seit 1613 gestanden haben. 256 Jahre hindurch wurden diese Kreuze renoviert, und nur der russische Zar hat 1869 nicht erlaubt, sie wiederherzustellen. Nach Untergang der Zarenherrschaft haben die Vilniuser die >Drei Kreuze< wiederhergestellt, aber die Marxisten sie wieder abgerissen. Wen haben die über der Front der Kathedrale von Vilnius aufgerichteten drei Statuen gestört: die der hl. Helena mit dem Kreuz, des hl. Stanislaus und des hl. Kasimir? Sie haben den Verkehr nicht behindert, aber sie wurden abgerissen, weil sie den Marxisten nicht gefallen haben.

Als der Pfarrer von Mielagėnai, Hochw. V. Černiauskas, im alten Pfarrhaus anstelle des Fensters eine Tür gemacht hat, weil es so bequemer war, wurde ein gewaltiger Lärm darum gemacht, aber als die Kathedrale von Vilnius entstellt wurde, darüber hat man kein Wort verloren.

Am 6. Januar 1976 wurde ich zu dem kranken K. Purlonas, wohnhaft in der Bauerschaft Narkevičiai, acht Kilometer weit bei 23 Grad Celsius auf dem Mo­torrad befördert. In der Sowjetunion wurde die Bitte eines eifrigen und gewis­senhaften Arbeiters, der in einem Kolchos gearbeitet hatte, abgelehnt: Zum Ho­len eines Priesters hat man keinen Wagen gegeben. Hat denn ein Kranker, der in dem Kolchos umsonst gearbeitet hat, und später für Kopeken, nicht einmal so viel verdient, daß man ihm einen Wagen zum Holen des Priesters hätte geben müssen?

Ich wollte eine Grammatik der litauischen Sprache und ein litauisches Elemen­tarbuch kaufen und habe deshalb sämtliche Buchhandlungen in Vilnius und in vielen Rayons aufgesucht, aber ich habe nichts kaufen können — die gibt es nämlich nicht. Ebenso kann man keine Schriften von Valančius, Šatrijos Raga­na, Baranauskas, Simas Daukantas und anderen früheren litauischen Schrift­stellern erwerben. Sie wurden in mikroskopischen Auflagen herausgegeben, da­gegen werden die atheistischen Druckschriften, die nur wenige Interessenten ha­ben, es sei denn solche, die die marxistische Beschränktheit kennenlernen wol­len, massenhaft aufgelegt, z. B. wurde >Zuikių pasakos< (Hasenmärchen) sogar mit 50000 Exemplaren aufgelegt. Der Titel ist hübsch, aber der Inhalt — ein Sammelsurium von ekelhaftesten Ungereimtheiten. >Hasenmärchen< wurden aufgekauft und den Kindern bei den neujährlichen Tannenbaumfeiern als klei­ne Geschenke< verteilt. Wenn also die Bürger die atheistischen Druckschriften nicht freiwillig kaufen, werden ihnen diese einfach aufgezwungen. Nachdem die Marxisten den Glauben an Gott verhöhnt und verschmäht haben, haben sie selbst begonnen, einen neuen Glauben zu schaffen und mit Gewalt einzupflanzen, der sehr diszipliniert und stark dogmatisiert ist. Wir glauben nur an die Unfehlbarkeit des Papstes, die Marxisten aber glauben, daß jeder Kommunist unfehlbar ist.

Nachdem die Marxisten die Hl. Schrift verworfen haben, haben sie ihre viel­leicht noch >heiligeren< Bücher angeboten — die Schriften von Marx, Engels und Lenin.

Die Marxisten lachen darüber, daß die Kirche den Armen den Himmel verheißt, aber die Marxisten feuern an, damit die Arbeiter mit wenig Verdienst möglichst viel >zum Wohle der herrlichen und glücklichen Ära des Kommunismus< arbei­ten.

Die Marxisten verhöhnen die Riten der Gläubigen und nennen sie Aberglaube, aber sie schaffen eigene und zwingen alle, sie einzuhalten. Die Gläubigen veranstalten Prozessionen mit Fahnen und Heiligenbildern und die Marxisten — Umzüge mit Fahnen und Bildern von Führern. Die Gläubigen singen Lieder zu Ehren des wahren Gottes und die Marxisten — zu Ehren der Partei und ihrer Führer.

Die Marxisten verhöhnen die Gläubigen, weil sie vor dem Kreuze sich hinknien und es küssen, aber selber machen sie vor ihren Fahnen Kniebeugen und küssen diese.

Die Gläubigen pflegten früher, Fasttage einzuhalten. Nachdem die Marxisten das Fasten am Freitag abgeschafft haben, zwingen sie, am Donnerstag zu fa­sten.

Früher pflegten die Gläubigen, Wallfahrtsorte zu besuchen, und die Marxisten, nachdem sie diese liquidiert haben, fangen damit an, eigene zu gründen und zu besuchen.

Die Gläubigen bitten um Erfolg, Eingebung und Segen an den Altären und die Marxisten — an den Mausoleen.

Wenn die Marxisten auf der Brust eines Gläubigen ein Kreuzlein, ein Skapulier oder Medaillon sehen, lachen sie, daß die Gläubigen an Talismane glauben, aber selber tragen sie allerhand Talismane: Sternchen von Pionieren, Abzeichen von Komsomolzen, und die Erwachsenen hängen sich alle möglichen kleinen und großen Abzeichen um. Die Marxisten können es nicht ertragen, ein Kreuz­lein zu sehen. Der im Wochenbett liegenden Frau Marijona Malec, wohnhaft im Wohnort Luki, Rayon Pastoviai, SSR Weißrußland, hat die Hebamme Valodz-kina das Medaillon heruntergerissen.

Die sowjetischen Propagandisten behaupten, daß der Staat sich in die inner­kirchlichen Angelegenheiten nicht einmischt, aber in Wirklichkeit kümmert er sich sogar um die geringsten Kleinigkeiten.

Hochw. A. Čiuras erzählte, daß der stellvertretende Vorsitzende des Exekutiv­komitees des Rayons, Ignalina Vaitonis, an der Versammlung des Kirchenkomi­tees teilnehmen wollte.

1973 wurden aus dem von der Pfarrei Adutiškis vorgelegten >Zwanzigerrat< die aktivsten Gläubigen weggestrichen: E. Vaitekėnas, M. Raginis, Frau C. Buro-kienė.

Wenn die Kirche vom Staat getrennt ist, warum verlangt denn der Staat über die bischöflichen Kurien die kleinlichsten Informationen, wie viele getauft, getraut, beerdigt wurden, wieviel Sakristane, Reiniger, Chorsänger und andere es gibt?

Die Marxisten beschuldigen die Kirche, daß sie einige Bücher auf den >Index der verbotenen Buchen gesetzt hatte. Aber gestatten Sie die Frage, wo und wie kann man irgendein Buch religiösen Inhalts in der Sowjetunion erhalten? Gestatten Sie die Frage, wer wird die Meisterwerke der Kunst, welche bei Schlie­ßung und Liquidierung von Kirchen, Klöstern und Cerkven vernichtet wurden, einschätzen und berechnen? Die Marxisten haben kein Recht, die Kirche zu be­schuldigen, sie habe Kunstwerke vernichtet.

Sehr oft wird die Kirche in Presse, Rundfunk und Fernsehen beschuldigt wegen der Grausamkeiten der Inquisition. Am 22. November hat die Dichterin Šulcai­tė im Fernsehen von Vilnius ihre Gedichte über die Inquisition des Mittelalters vorgelesen. Ich bin sicher, daß sie sich gut an die Zeiten erinnert, als unsere Volksangehörigen ohne jeden Grund angeschuldigt und nach Sibirien deportiert wurden. Was hat die Familie Azelionis, wohnhaft im Rayon Šalčininkai, Wohnort Verseka, verbrochen? Bis heute noch sehe ich dieses grausige Bild, das meinem Gedächtnis niemals entschwinden wird, als man mehrere kleine halb­nackte Kinder auf den Wagen geladen und in die Verbannung nach Sibirien ab­transportiert hat. Im Mittelalter hat man verbrannt — das Opfer mußte eine oder einige Stunden leiden, aber im XX. Jahrhundert mußten die Opfer sich quälen durch Hunger, Durst und Sehnsucht bis zu ihrem Tode.

Die Regierung des unabhängigen Litauen wird beschuldigt, weil sie Gehälter an Militärgeistliche und Religionslehrer gezahlt hat, die Religionsunterricht erteilt haben. Aber die gab es nur wenige, und wieviel verschiedene Pionierleiter, Po-litleiter, Sekretäre, Propagandisten und ähnliche gibt es heute, die alle nicht um­sonst reden. Im Rayon Joniškis gibt es 32 300 Einwohner und 63 Parteiorgani­sationen (folglich auch ebenso viele Sekretäre), 153 Propagandisten, 900 Polit-informatoren, 530 Lektoren des Vereins Žinija (Das Wissen).

Die Kirchen in der Provinz sind halb leer, aber darüber muß man sich nicht wundern. Die Familien werden seltener. Die Dorfbewohner sind sehr überaltert. Die Schulen werden leerer und aufgelöst. Von den zehn Schulen, die innerhalb der Grenzen der Pfarrei Adutiškis existiert haben, sind drei übriggeblieben: in Adutiškis, Svirkai und die vegetierende in Kackoniai. Nicht nur die Kirchen werden leerer, auch die Sportplätze. Wenn auf den Dörfern die Filmtheater, zu denen manchmal nur drei Zuschauer kommen, und auch die verschiedenen so­genannten Kultureinrichtungen keine Unterstützung vom Staat bekämen, wür­den sie sehr schnell verschwinden. Die Kirche, obwohl sie nichts vom Staat be­kommt, deckt ihre sämtlichen Unkosten und bezahlt noch die größten Steuern.«

In dieser Erklärung hebt Hochw. B. Laurinavičius viele Übelstände des heutigen Lebens hervor: erschreckende Trunksucht, steigende Straffälligkeit, Familien­scheidungen, legalisierte Tötung ungeborener Kinder, und weist darauf hin, daß dies keine Überbleibsel der Vergangenheit sind, sondern das Ergebnis einer zwangsmäßigen atheistischen Erziehung. »Nur mit Meerschweinchen und ande­ren Lebewesen macht man erlaubterweise Experimente, aber so mit dem Volk umzugehen, daß man zwangsweise den Atheismus einpflanzt, ist nicht erlaubt.«

Klausučiai (Rayon Vilkaviškis)

Am 16. März 1978 hat der Sekretär der Parteiorganisation der Landwirtschaftli­chen Versuchsanstalt Rumokai, VI. Žemaitis, mit anderen Parteifunktionären die Leute zum Saal des Kulturhauses eingeladen, indem sie sagten, der Bischof käme, um die Frage der Wiedereröffnung der Kirche von Žalioji zu entschei­den. Der Saal war voll von Menschen. Aber in Wirklichkeit ist das Volksensem­ble der Nähfabrik von Vilkaviškis und in Begleitung von vier Personen Vytautas Starkus gekommen. Als den Leuten der ehemalige Priester vorgestellt wurde, haben sie angefangen, gruppenweise den Saal zu verlassen — es sind knapp 20 Menschen geblieben.

Žalioji (Rayon Vilkaviškis)

Am 22. Februar 1978 wurden vom stellvertretenden Vorsitzenden des Exekutiv­komitees des Rayons Vilkaviškis, J. Urbonas, einige Katholiken der Pfarrei Ža­lioji vorgeladen, welche die an L. Breschnew gerichtete Erklärung unterschrie­ben hatten. Den im Rayon Angekommenen, Frau T. Kaminskienė, Frau B. Gu­daitienė, B. Kardauskas, B. Mickevičius, Frl. A. Nešukaitytė und Frau A. Ans-kaitienė, hat der Stellvertreter J. Urbonas erklärt, es sei der Beschluß der Rayonsregierung, die Kirche in Žalioji nicht wiederzueröffnen, denn sie sei rechtmäßig gemäß Beschluß des Ministerrates aus dem J. 1963 geschlossen wor­den. Die Gläubigen haben gebeten, diesen Beschluß ihnen vorzuzeigen, aber J. Urbonas hat ihn nicht vorgezeigt.

 

Žalioji (Rayon Vilkaviškis)

An den Vorsitzenden des Rates für Religionsangelegenheiten in der UdSSR, V. Kurojedow

An den Vorsitzenden des Ministerrates der Litauischen SSR, J. Maniušis Von den Gläubigen der Pfarrei Žalioji, Rayon Vilkaviškis, Litauische SSR

Erklärung

Wir gläubigen Katholiken von Žalioji fordern, daß unsere Kirche wiedereröff­net wird, die der stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees des Rayons Vilkaviškis, S. Rogovas, 1963 gegen unseren Willen ohne Beschluß des Mini­sterrates geschlossen hat. Jetzt ist dort die 1977 eingerichtete Mühle. Durch die Verfassung der UdSSR aufgefordert, protestieren wir gegen eine sol­che Willkür der Ortsregierung und wollen, daß unsere grob verletzten Rechte wiederhergestellt werden.

den 16. März 1978                           Die Gläubigen der Pfarrei Žalioji

(unterschrieben haben 149 Personen)

An den Vorsitzenden des Rates für religiöse Angelegenheiten in der UdSSR, V. Kurojedow

An den Vorsitzenden des Ministerrates der Litauischen SSR, J. Maniušis

Erklärung

Auf Beschluß der Rayonsregierung von Vilkaviškis wurde 1963 gegen unseren Willen die katholische Pfarrkirche von Žalioji geschlossen. Wir Gläubigen ha­ben nichts, wo wir beten könnten. Wir bitten um Wiederherstellung unserer

Rechte, die uns durch die von der Sowjetregierung erlassene neue Verfassung garantiert wurden. Die Rechte der Gläubigen hat auch der Bevollmächtigte für Religionsangelegenheiten, K. Tumėnas, in unserer Rayonzeitung »Pergale« (Der Sieg) erläutert. Wir wollen nicht die Mühle, die man zu unserem Ärgernis Anfang Juli 1977 eingerichtet hat, sondern die Kirche. Wir geben keine Ruhe, bis uns die rechtmäßig gehörende Kirche wiedergegeben wird.

 

den 19. März 1978                   Die Bewohner des Wohnortes Klausučiai

(unterschrieben haben 114 Personen)

Telšiai

Mit vereinten Kräften bemüht man sich, den Priester Kauneckas und den Orga­nisten Šeduikis zu verleumden, zu kompromittieren und zu beschuldigen. Ihnen wird öffentlich nachgestellt. Zum Anhören der Predigten von Hochw. Kau­neckas geht man demonstrativ mit Tonbandgeräten. Man geht nicht allein, son­dern sogar zu je vier Personen, sowohl in die Kathedralkirche von Telšiai als auch in Viešvėnai. Und damit nicht genug; in der letzten Zeit ladet der Leiter des Sicherheitsdienstes selber die Chorsänger, die die Kirche besuchenden Schüler und deren Eltern zum Verhör vor. Die Sicherheitsbeamten bemühen sich, die in­ternen Meinungsverschiedenheiten der Gläubigen auszunutzen, fordern zum Schreiben von Klageschriften gegen die Priester auf u. ä. Es sieht so aus, daß in Telšiai keine Gerechtigkeit und keine Rechtsnormen mehr existieren. Den Gläu­bigen droht man öffentlich mit dem Sicherheitsdienst und mit der Miliz. Und diese Drohungen werden verwirklicht.

Die Gemeinde Viešvėnai hat speziellen Stoff über Hochw. Kauneckas bekom­men: Dokumente, eine Fotoaufnahme und ähnliches. In der Kolchose »Lenino keliu« (Auf dem Wege Lenins) wurde eine spezielle Versammlung einberufen und verlangt, daß die Gläubigen ein gegen den Priester Kauneckas gerichtetes Schreiben unterzeichnen, aber alle haben die Unterschrift verweigert. Wenn so irgendwelcher »inkriminierender« Stoff organisiert wird, werden die Sicher­heitsbeamten zweifelsohne Komsomolzen und Kommunisten finden, welche Hochw. Kauneckas verdammen und verurteilen und so Rache nehmen für seine Predigten über den Atheismus.

Das also hat die neue Verfassung nach Telšiai gebracht!

Raudėnai (Rayon Šiauliai)

In Raudėnai erlaubt man dem Pfarrer nicht, die verstorbenen Gläubigen zum Friedhof zu geleiten.

Kvėdarna (Rayon Šilalė)

Am ehemaligen Pfarrhaus von Kvėdarna stand ein hohes Kreuz aus Eiche, geschmückt mit kunstvollen ornamentierten Strahlen. Am 17. Januar 1978 hat der stellvertretende Vorsitzende des Exekutivkomitees des Rayons Šilalė, P. Ba-guška, dem Vorsitzenden der Gemeinde Kvėdarna, Aloyzas Toleikis, drei Gau­ner zugeschickt, die je 15 Tage Arrest bekommen hatten: Zigmas Kebla, Anta­nas Armonas und Arvydas Lapinskas, die das Kreuz abgesägt haben, auf den von Stasys Diglys gesteuerten Lastwagen aufgeladen und am Friedhofszaun ab­geladen haben.

Die öffentliche und barbarische Vernichtung dieses kunstvollen Kreuzes ist ein Beispiel, wie »human« die Gläubigen und ihre Überzeugungen geachtet werden. Das Kirchenkomitee von Kvėdarna hat ein Protestschreiben an den Bevoll­mächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten abgeschickt.

Kvėdarna (Rayon Šilalė)

Innerhalb der Grenzen der Pfarrei Kvėdarna steht im Wald eine große Holzka­pelle von Drungeliškiai, etwa 6x 7 m groß. Im Inneren steht ein kleineres, etwa 3 x 3 m großes Kapellchen. Die Kapelle von Drungeliškiai wird geliebt und be­sucht. Dort pflegen die Menschen verschiedene Gelübde abzulegen, im Inneren um das kleinere Kapellchen auf den Knien zu gehen.

Am 4. Januar 1978 wurde die Kapelle ausgeraubt und alle Statuen gestohlen:

1.   Jesus Nazarener (Menschengröße). Auf ihr stand das Datum geschrieben — das Jahr 1840.

2.   Barbara — etwa 70 cm Größe

3.   Maria — etwa 80 cm Größe

4.   Maria — etwa 40 cm Größe

5.   drei Engel — etwa 50—60 cm Größe

6.   vier Leuchter — Kerzenleuchter, etwa 40 cm Höhe

7.   Die Krone des Nazareners, die separat an der Wand aufgehängt war. Alle diese Statuen waren als Holz.

Am 22. Februar 1978 wurde es bekannt, daß diese Kapelle von den Einwohnern K vedamas — von der Familie Žebrauskas — ausgeraubt wurde. Beide Eltern — Parteimitglieder, und der Sohn Vladas — ein Komsomolze. Der Vater arbeitet als Fahrer in der Verwaltung der MS (Maschinenstation), die Mutter — Ober-technologin der Molkerei Kvėdarna und Vorsitzende des Frauenrates von Kvė­darna, der Sohn lernt in der IXb-Klasse der Mittelschule von Kvėdarna. Zum Gehilfen haben die Žebrauskas ein Kind aus der Nachbarschaft eingeladen, ebenfalls einen Schüler der IXb-Klasse, den Komsomolzen Arturas Stanevičius, und sind mit ihrem eigenen »Volga« zu der Kapelle von Drungeliškiai hingefah­ren. Die Bewohner von Kvėdarna nehmen größtes Ärgernis daran und sind er­staunt, daß die Regierung sie nicht bestraft.

Mažeikiai

Die Gläubigen der Pfarrei Mažeikiai haben sich schon öfters an die Diözesanku-rie in Telšiai gewandt. Die Lage in dieser großen Stadtpfarrei (etwa 30 000) ist anormal. Die Kirche wird nicht renoviert, ist vernachlässigt. In der Kirche gibt es kein einziges junges Chormitglied oder Ministranten. In der Prozession tra­gen die Fahnen nur alte Männer, und Blumen streuen die Greisinnen. Junge Menschen läßt der Dekan von Mažeikiai, Kanon. Miklovas, nicht zum Altar, und die jungen Mädchen, Anbeterinnen, hat er auseinandergejagt. Viele wollen aus den Händen des Kanonikus die hl. Kommunion nicht mehr empfangen, fahren zu den Nachbarpfarreien hin. Die Kinder erhalten überhaupt keinen Ka­techismusunterricht, werden oft zur ersten hl. Kommunion zugelassen, ohne et­was abgefragt worden zu sein.

Alle diese und viele andere Dinge sind der Diözesankurie von Telšiai bekannt. Der Verwalter rechtfertigt sich, er könne nichts machen, oder daß es nicht von ihm abhängen würde.

Širvintos

Ende 1977 hat die Rayonsregierung von Širvintos verlangt, daß die Exekutivko­mitees der Gemeinden Nachrichten sammeln, wieviel Taufen, Trauungen, Beer­digungen und andere religiösen Dienste es in den Kirchen pro Jahr gegeben hät­te. Die weniger verschwiegenen Gemeindevorsitzenden haben erzählt, daß diese Nachrichten für das Rayonskomitee nötig sind und daß danach die Resultate der atheistischen Arbeit beurteilt und Arbeitspläne gemacht werden.

Širvintos

Der stellvertretende Vorsitzende des Rayonskomitees Širvintos, D. Tverbutas, fordert, daß an Patroziniumstagen, Exerzitien und Priesterexerzitien für die an­reisenden Priester eine Erlaubnis der Rayonsregierung erwirkt werden müsse. In vielen Rayons haben die Priester diese Forderung boykottiert, und die Rayonsregierungen haben auf diese Kontrolle verzichtet. Es ist an der Zeit, daß auch die Priester der übrigen Rayons so vorgehen.