Moldauische SSR

Die Verfolgung gläubiger Katholiken in der Moldauischen SSR, besonders in Raskov, nimmt kein Ende. Nach Abbruch des Bethauses — eines kleinen Kirch­leins — versammeln sich die Menschen allabendlich in einer kleinen Wohnung innerhalb der Umfriedung des früheren Kirchenbaus. Oft erscheinen dann Ver­treter der örtlichen Behörden, um die Betenden, besonders Kinder und Jugend­liche, zu vertreiben.

Wiederholt versuchte der Vorsitzende des Dorfsowjets, Zan Matvejeviö Bogoras, Frau Valentina Oleinik zur Rede zu stellen, warum sie den Menschen erlau­be, in ihrer Wohnung zu beten, konnte sie aber niemals antreffen. Schließlich bot sich ihm eine Gelegenheit am 21. März 1978, als Frau Oleinik gerade aus Rybnica zurückkehrte. Bogoras hielt sie auf der Straße vor dem Büro des Orts­sowjets an, beschimpfte sie in nicht wiederzugebender Art und Weise und ver­langte die Schließung dieses — so seine Worte — »Bardak Bogomolija« (soviel wie »gottesdienstliches Bordell«). Frau Oleinik erwiderte, sie werde Anzeige we­gen Beleidigung und Belästigung erstatten. Der Funktionär beschimpfte die Frau auf offener Straße aus dem einzigen Grund, weil sie religiös war. Zeugin dieses Vorfalls war Frau Prane Sajevska. Der Vorsitzende Bogoras ließ ferner Petras Pogriesnoj und Aleksander Prosianoi holen, denen er Geldstrafen an­drohte, wenn sie weiter Gebetsversammlungen aufsuchten. Zu Weihnachten und Ostern blieb Raskov ohne Beichtmöglichkeit, denn das Erscheinen eines Priesters ist hier strengstens untersagt.

Die Stellvertreterin des Bevollmächtigten des Rates für religiöse Angelegenhei­ten hat Frau Oleinik untersagt, sich in der Hauptstadt Kisinev überhaupt sehen zu lassen. Außerdem ließ sie verkünden, alle, die auf Frau Oleinik hören oder mit ihr zum Bevollmächtigten nach Kisinev kämen, würden nach Sibirien ver­bannt.

Am diesjährigen Ostergottesdienst in der Kapelle zu Kisinev nahmen mehr Men­schen teil als in früheren Jahren, darunter viele Jugendliche und Kinder. Dies war den örtlichen Machthabern natürlich nicht entgangen, denn sie beteiligten sich mit ungewöhnlicher Ausdauer und regelmäßig an jedem Gottsdienst, nicht nur sonntags, sondern auch an Wochentagen. Nach dem Osterfest erklärte die Sekretärin des »Lenin«-Exekutivkomitees des Rayons, Trofimova, dem vorge­ladenen Pfarrer Vladislav Zavalniuk, er dürfe Kinder nicht in die Nähe des Al­tars kommen lassen und müsse es unterlassen, Jugend und Kinder in der Predigt zum Beten und zum Kirchenbesuch aufzufordern. Ebenso verbot man ihm, die Eltern zu ermahnen, ihre Kinder in katholischem Geiste zu erziehen. Jetzt erscheint die Trofimova fast tagtäglich zum Gottesdienst, um festzustel­len, wer Meßdienst macht, verhört die Ministranten, fragt nach Adressen und Motiven. Selbst alten Leuten läßt man keine Ruhe. Auch Paßkontrollen sind üblich, daß ja niemand unter 18 als Ministrant Altardienst leiste. Der Bevoll­mächtigte des Rates für religiöse Angelegenheiten, Vikonski, erklärte, es gebe in der Moldauischen SSR rund 150 orthodoxe Gotteshäuser und an die zweihun­dert Popen. Doch bereiteten sie alle zusammen den Atheisten weit weniger Schwierigkeiten als die einzige katholische Kapelle mit Pfarrer Zavalniuk, dem einzigen katholischen Priester in der gesamten Republik. Die Atheisten wollen einfach nicht wahrhaben, daß ein religiöses Frühlingserwachen nun auch in der Moldauischen SSR anbricht, daß nicht nur alte Menschen, an der Schwelle zur Ewigkeit, sondern auch junge Menschen und Kinder Gott suchen und finden. Die Katholiken in der Moldauischen Republik hatten sich bereits das Recht er­kämpft, daß ein Priester — bei Abstimmung mit dem Rat des Bevollmächtigten für religiöse Angelegenheiten — Patienten in Krankenhäusern religiös versorgen durfte, dazu so viele Gläubige, wie in dem Krankenzimmer Platz finden. Doch dieser Sieg war nicht von langer Dauer. Am 26. April erhielt Pfarrer V. Zaval­niuk einen Widerruf des einmal gegebenen Wortes durch den Bevollmächtigten Vikonski, in Gegenwart von zwei Geheimdienstbeamten: »So etwas« sei nie­mals und von niemandem zugesagt worden — weder dem Vorsitzenden des Kir­chenkomitees noch einzelnen Gläubigen, die sich deswegen wiederholt an das Amt gewandt hätten. Wohl sei es erlaubt, einen Kranken zu versorgen, nicht aber auch gleich die am Krankenbett mitversammelten Personen. Die Beichte darf nur dem abgenommen werden, zu dem der Priester telegrafisch bestellt wurde. Versammeln sich dazu mehr Menschen, so sind die Ortsbehörden um Teilnahmeerlaubnis an der religiösen Versorgung eines Kranken zu ersuchen, gar nicht zu reden von einer Beichte. In Kisinev fand vom 24.—26. April 1978 eine Friedenskonferenz statt. Erschienen war auch eine Auslandsdelegation, darunter drei Pfarrer und Theologieprofessoren aus Österreich, Deutschland und der CSSR, eine amerikanische Nonne im Professorenrang und eine Gruppe von Laien aus verschiedenen Ländern. Die Gäste besuchten die Kapelle in Kisi­nev, sprachen mit den Kirchgängern, und die Priester zelebrierten die heilige Messe. Alle waren erstaunt und empört, als sie von den Gemeindemitgliedern erfuhren, es gebe in der gesamten Moldauischen SSR nur diese eine winzige Ka­pelle und einen einzigen Priester. Die Gäste wollten ihren Augen und Ohren nicht trauen. Wie könne man von Frieden und friedlichem Leben der Menschen reden, wenn heiligste und unveräußerliche Menschenrechte mit Füßen getreten werden — wenn man sein Gewissen nicht erleichtern, keine Beichte ablegen kann, nicht einmal an den letzten Tröstungen eines Priesters beim Krankenbe­such teilhaben darf.