Telšiai
In der V. Mittelschule meldete sich am 6. Februar 1979 ein Geheimdienstbeamter zur Einvernahme der Schüler Almantas Fabijonas, Rolandas Jankauskas und der Schülerin Auksė Juodviršytė (alle Klasse 10b). Anschließend wurde auch noch der Schüler Arūnas Razminas vernommen. Der Beamte versuchte, die Schüler als Geheimdienstagenten anzuwerben, und befahl ihnen, ihre Mitschüler zu bespitzeln.
Mit derselben Absicht wird der Schüler Romas Perminas, Klasse 10 der IV. Mittelschule Telšiai, seit Monaten (Dezember 1978—Februar 1979) verfolgt. Geheimdienstler lauern ihm bei der Wohnung auf, begleiten ihn zur Schule, von dort später wieder nach Hause und bestellen ihn zu Treffen, die er geheimhalten soll. Um die Geheimdienstler loszuwerden, erklärte ihnen der Schüler, er denke gar nicht daran, diese Geheimniskrämerei mitzumachen, und erzählte jedem, der es hören wollte, davon. In den Monaten Januar und Februar versuchte der Junge, einem Zusammentreffen mit den Tschekisten dadurch zu entgehen, daß er verspätet oder überhaupt nicht zu festgesetzten Treffen erschien, bzw. kurz und bündig erklärte, er werde nicht kommen. Jetzt setzten offene Einschüchterungen ein. Einer der Beamten verstieg sich sogar zu der Drohung, man werde den Jungen einfangen und kastrieren. Der Geheimdienst möchte nur zu gern einen Agenten in der 10. Klasse der IV. Mittelschule plazieren, denn kein einziger Schüler ist dem Komsomol beigetreten, und zwei verrichten Meßdienst in der Kirche. Der stellvertretende Schuldirektor Andrijauskas hat gedroht, daß sich das Parteibüro wegen dieser »Verbrechen« mit der ganzen Klasse beschäftigen werde . . .
Telšiai
Während einer Unterrichtsstunde in der 5. Klasse der V. Mittelschule in Telšiai befahl die Klassenlehrerin, Frau Urbšienė, dem Schüler Arūnas Bladžius aufzustehen, und begann, ihn vor der ganzen Klasse zu verhöhnen: »Hier, seht euch den mal an, Schüler, vor euch steht eine Betschwester.« Der Schüler Arūnas Re-mėza (Klasse 10 b) mußte nachsitzen und wurde von der Lehrerin beschuldigt, den Schuler Arūnas Bladžius zum Kirchenbesuch »anzustiften«.
Mažeikiai
Die Schüler der III. Mittelschule erhielten die Aufgabe, folgende Fragen zu beantworten:
1. Was für ein religiöses Buch hast du gelesen? Titel, falls erinnerlich auch Verfasser?
2. Glaubst du an Gott?
3. Wie oft bist du in der Kirche gewesen?
4. Hast du gläubige Eltern?
5. Warum gehst du zur Kirche (aus Neugierde — sonst nichts zu tun — zwingt dich jemand zum Kirchgang)?
6. Wer in deiner Klasse glaubt — wer glaubt nicht — wer zweifelt? Namen angeben!
7. Wer sonst in der Schule glaubt (Namen und Klasse angeben, Namen derjenigen unterstreichen, die bei der Messe ministrieren, im Chor mitsingen, an Prozessionen teilnehmen)?
8. Wurde in der Klasse irgendeine Veranstaltung zum Thema Religion durchgeführt?
9. In welcher Unterrichtsstunde ließe sich am besten beweisen, daß es keinen Gott gibt?
10. In welchen Unterrichtsstunden habt ihr über Gott gesprochen?
11. Welche Art von Christentum bekennst du?
N. B. Manche Fragen der Liste sind so formuliert, daß der Schüler bei der Beantwortung zum Verräter werden muß.
Mažeikiai
Im Januar 1979 ließ die Klassenlehrerin Frau Bučienė der Klasse 9 d der I. Mittelschule die Schülerin Marytė Černauskaitė vorladen und begann sie auszufragen, warum sie nicht dem Komsomol beitrete. Als das Mädchen schwieg, antwortete die Lehrerin:
— Ich weiß, du gehst zur Kirche!
— Ja, ich bin gläubig und gehe zur Kirche.
Die Lehrerin begann nun zu erklären, was für ein »Unsinn« es doch sei, an Gott zu glauben, und schlug dem Mädchen vor, atheistische Bücher zu lesen.
— Nein, solche Bücher werde ich nicht lesen, denn sie gefallen mir gar nicht, lautete die mutige Antwort.
Die Lehrerin gab schließlich nach. j
— Na schön, wenn du schon nicht anders kannst, gehe halt in deine Kirche, beteilige dich aber wenigstens nicht an den dortigen Laienkunstveranstaltungen. Das Mädchen mußte lachen.
— So was gibt es dort doch gar nicht. Dort wird weder getanzt noch Theater gespielt — in der Kirche wird nur gebetet!
Einige Tage später fand eine offene Komsomolversammlung der Klasse statt. Thema: Diskussion über Religion. Marytė bat die Klassenlehrerin, sie von der Teilnahme zu befreien, doch Frau Bučienė verweigerte die Freistellung. Während die Komsomolzen der Klasse sich in Verleumdung der Religion ergingen, las Marytė in aller Seelenruhe in einem Buch Gedichte von Maironis. Anschließend wurde sie von den Komsomolzen überfallen: Wieso sie eine Gläubige sei? Warum sie zur Kirche gehe usw.? Die Schülerin ließ die Fragen unbeantwortet und wurde schließlich von der Klassenlehrerin angesprochen:
— Warum sagst du nichts, warum beantwortest du die Fragen deiner Klassenkameraden nicht?
— Hier werde ich nichts sagen. Kommen Sie doch zu uns auf Besuch, dort können wir uns unterhalten.
— Doch, dort sind doch auch deine Eltern dabei!?
— Stimmt, Frau Klassenlehrerin, doch ich habe vor meinen Eltern rein gar nichts zu verbergen, meinte das Mädchen.
Mažeikiai
Die Klassenlehrerin der Klasse 4 der I. Mittelschule, Frau Grigaliūnienė, beschäftigte sich sehr eingehend mit ihrer Schülerin Rita Ruzgytė. Die vorgeladene Mutter des Mädchens schlug der Lehrerin vor, sich mehr um andere Schüler zu kümmern, die sich wie Rowdys benehmen, Menschen auf der Straße, selbst in der Schule ihre Mitschüler bestehlen, fluchen und rauchen. Nichts dergleichen könne man ihrer Tochter vorwerfen, sie sei unschuldig, und die Lehrerin möge das Mädchen doch bitte nicht mehr nachsitzen lassen — nur weil es zur Kirche gehe . . .
Mažeikiai
Im Oktober 1978 ließ die Lehrerin der I. Mittelschule, Frau Markienė, die Schülerin Santa Bučytė nachsitzen, beschimpfte das Kind und befahl ihm, am nächsten Tag zusammen mit der Mutter in der Schule zu erscheinen. Die Mutter fragte bei ihrem Besuch, was denn passiert sei, ob ihre Tochter plötzlich schlecht lerne?
— Nein, ihre Tochter ist eine sehr gute Schülerin.
— Benimmt sie sich etwa nicht gut? fragte die Mutter weiter.
— Nein, auch kein schlechtes Benehmen, nur — ihre Tochter geht zur Kirche!
— Ist das vielleicht ein Verbrechen? wunderte sich die Mutter. Das Mädchen will selbst zur Kirche gehen, ich verbiete es ihr nicht, denn ich bin selbst Kirchgängerin.
Wütend antwortete die Lehrerin darauf:
—- Aber wegen ihrer Tochter will ich nicht meinen Arbeitsplatz verlieren!
Švėkšna, Rayon Šilutė
Im Dezember 1978 wurde in der hiesigen Mittelschule besonders eifrig »Erziehungsarbeit« betrieben, zwecks Sollerfüllung des Programms von Bildungsminister Rimkus zur Vergottlosung und Entnationalisierung der Schuljugend. Dieser Art »Erziehungsarbeit« widmet sich mit besonderem Eifer die Lehrerin Ilija-ra Rimkutė-Černiauskienė. Sie hat in der Umgebung zwangsweise die sogenannte Ziviltaufe, d. h. Namensverleihung an Kinder eingeführt. Zwecks Aktivierung der atheistischen Betätigung ruft sie Parteiversammlungen der ganzen Zone ein, ermuntert die Leiter der Sowchos (Staatsgüter), Gläubige streng zu bestrafen, besonders die Eltern von Meßdienern. Erfreulicherweise zeigen die Eltern keinerlei Angst, so etwa die Familie Būdvytis, Frau Adele Rimkienė, Frau Kielienė u. a. Ihren Peinigern antworten sie: »Unsere Kinder dienen am Altar und werden weiter dienen. Wir wissen, daß sie dann jedenfalls niemand die Fenster einschlagen, keine Diebereien begehen oder sich besaufen, wie das sogar der Parteisekretär der Schule, Bronislavas Vilkas, samt Frau und Sohn mit ihren Konsorten tun . . .«
Äußerst besorgt, sich ja auf ihrem Posten zu behaupten, ist auch die Direktorin, Frau Ona Bintverienė, aktiv in die atheistische Arbeit eingestiegen. Es wäre an der Zeit, wenn auch andere Lehrer der Mittelschule Švėkšna erkennen würden, welcher Art Vergottlosungs- und Entnationalisierungsarbeit sie nachgehen: Petras Černiauskas, Herr und Frau Urmulevičius, Stanislava und Jonas Vaitkus, Bronislava Žemgulienė, Frl. Vanda Vytuvytė-Šimkuvienė.
Garliava
Die Klassenlehrer der II. Mittelschule mußten folgende Fragen beantworten:
1. Atheistische Arbeit der Klassenlehrer mit den Schülern?
2.Welche individuelle Arbeit wurde mit den Schülern durchgeführt?
3. Wie wird der Stand der Religiosität der Schülerfamilie festgestellt, wie religiöse Einflüsse der Eltern auf die Kinder überprüft?
4. Anzahl religiöser Eltern unter den Klassenschülern (erwünscht Namensangabe). "
5.Welche individuelle Arbeit wird mit religiös-gläubigen Eltern betrieben?
6. Anzahl der gläubigen Schüler in der Klasse (Namen erwünscht).
7. Atheistische Tätigkeit der Komsomol- und Pionierorganisationen auf Klassenebene.
1. Woher stammen Ihre Kenntnisse in bezug auf Methodik der atheistischen Arbeit — Kurse, Seminare, methodischer Zirkel?
2. Welches sind die Resultate atheistischer Arbeit in der von Ihnen betreuten Klasse:
a) Rückgang der Anzahl gläubiger Eltern?
b) Rückgang der Zahl gläubiger Schüler?
c) Wie viele aktive Atheisten haben Sie herangebildet?
Kybartai, Rayon Vilkaviškis
Mit der Absicht, gläubige Schüler zu zwingen, sich von der Kirche abzuwenden und den Komsomol- und Pionierorganisationen beizutreten, wurde zum Abschluß des zweiten Trimesters 1979 folgenden gut und sehr gut lernenden Schülern der Donelaitis-Mittelschule Kybartai die Betragensnote willkürlich herabgesetzt. Besonderen Eifer legte bei dieser kriminellen Aktion der stellvertretende Direktor Sinkevičius an den Tag. Wir bringen nachstehend die Namen einiger hervorragend lernender, aber um ihres Glaubens willen benachteiligter Schülerinnen:
Sigita Počaitė Klasse VIII c
Rima Abraitytė Klasse IX d
Roma Griškaitytė Klasse VIII c
Rita Griškaitytė Klasse V b
Elė Šioraitytė Klasse VI a
Irena Sabaliauskaitė Klasse Xc
Audronė Juraitė Klasse VI a
Rima Tamelytė Klasse Villa
Rima Žiemelytė Klasse VI d
Reda Sakulauskaitė Klasse IV d
Birutė Baliūnaitė Klasse Va
Jolita Liukinevičiūtė Klasse VIa
Die Aufstellung ist höchst unvollkommen, doch besagt der ganze Vorgang viel darüber, nach welchen Kriterien sowjetische Schulen die Schüler bewerten. Nicht Fachwissen oder gutes Betragen sind entscheidend, im Vordergrund stehen atheistische Aspekte. Ein Kind mag sogar gläubig sein . . ., Hauptsache, es tritt dem Komsomol und den Pionieren bei, übt sich im Gehorsam bei Durchführung atheistischer Aufgaben. So kann es von der Schulleitung sogar als Beispiel für andere herausgestellt werden.
Wir, die unterzeichneten Eltern gut lernender und disziplinarisch nie beanstandeter Schüler, waren sehr überrascht, daß unseren Kindern zu Ende des zweiten Trimesters 1979 die Betragensnoten bis auf »ausreichend« herabgesetzt wurden. Die Motive der Leitung der Mittelschule Kybartai für dieses Vorgehen waren der Umstand, daß unsere Kinder gläubig sind und der Pionier- bzw. Komsomolorganisation nicht angehören.
Umgekehrt erhielten Mitglieder der Pionier- bzw. Komsomolorganisation, für die sich Trimesternoten zwischen genügend und mangelhaft ergaben, Betragensnoten der Zensurenklasse »vorbildlich«, so z. B. im Falle der Schülerinnen Rita Bernotatytė (Kl. Va), Rita Laurinaitytė (Kl. Xc) und des Schülers Rimas Baikauskas (Kl. IX d).
Ein solches Vorgehen des Lehrkörpers ist unseres Erachtens nicht nur unpädagogisch, sondern geradezu verbrecherisch, denn vorbildliche Schüler müssen sich als ihres Glaubens wegen Verfolgte fühlen. Soweit uns bekannt, verbietet die Verfassung der Litauischen SSR und die sowjetische Gesetzgebung solche Methoden der Religionsbekämpfung.
Wir ersuchen daher um eine sorgfältige Untersuchung der Fälle von Herabsetzung der Noten im Fach Betragen unserer und anderer gläubiger Schulkinder. Wir bitten darum die betreffenden Pädagogen, besonders aber den Direktor-Stellvertreter, V. Sienkevičius, zu veranlassen, die ungerechten Zensuren auszubessern und ihnen zu verbieten, unsere Kinder zukünftig auf solche Art zu verfolgen.
April 1979
unterzeichnet von den Eltern:
Verbilas, Kybartai, M.-Melnikaitė-Str. 2 Sabaliauskas, Kybartai, M.-Melnikaitė-Str. 13 Šoiraitis, Kollektivwirtschaft »Silupe«, Daugelaičiai Počas, Kybartai, Gorki-Str. 22 Žiemelis, Kybartai, Gorki-Str. 22-1 Abraitis, Kybartai, Pionier-Str. 20 Griškaitis, Kybartai, Komjaunimo-Str. 12-8 Paulanskienė, Kybartai, Komjaunimo-Str. 12-8 Tamelienė, Kybartai, Komjaunimo-Gasse 23 Liukinevičius, Kybartai, Komjaunimo-Gasse 8 Sabaliauskas, Kybartai, Komjaunimo-Gasse 10 Jakimčikienė, Kybartai, Komjaunimo-Gasse 26 Jurienė, Kybartei, Ostrovskis-Str. 36 Želvienė, Dorf-Gutkaimis
Wir bitten um Einzelantwort an alle Unterzeichner.
Die Klassenlehrerin der Klasse VI a der Mittelschule Kybartai, Frau Iesmantavi-čienė, gab allen Schülern als Aufgabe, ein Bild mit atheistischer Thematik zu malen. Zwei gläubige und mutige Mädchen — Ele Sioraitytė und Jolita Liukine-vičiutė, weigerten sich, worauf die Lehrerin, Frau Iesmantavičienė, die Schülerin Sioraitytė höchst erregt längere Zeit auf gemeine Art beleidigte.
Didvyžiai, Rayon Vilkaviškis
Zum Auferstehungsgottesdienst am Ostermorgen 1979 waren in der Kirche von Didvyžiai die Direktorin der Mittelschule Arminu-Sūduva, Salomėja Mikelaitie-nė, und die Lehrerin Regina Naujokaitienė erschienen, um die Gemeinde zu bespitzeln. Beide Lehrkräfte, bekannt als fanatische Vollzugskräfte der Sowjetmacht, entsetzten sich, daß in Didvyžiai viele Schüler sich aktiv an religiösen Riten beteiligen — an Prozessionen und Meßfeiern teilnehmen. Besonderes Augenmerk wird dabei den Knaben gewidmet, da man befürchtet, aus ihren Reihen könnten Kandidaten für das Priesterseminar kommen. Nach dem Osterfest versuchte die Direktorin, Frau Mikelaitienė, durch Vernehmung der Schülerin Levute Vekeriokaitė herauszubekommen, welche Schüler zu Ostern an den Gottesdiensten teilgenommen hatten.
Arminai, Rayon Vilkaviškis
Zum Abschluß des zweiten Trimesters 1979 wurde die Betragensnote des gut lernenden Schülers Ričardas Radzevičius (Klasse VII) der Mittelschule Arminu-Süduva herabgesetzt, weil er zur Kirche geht und bei der Messe ministriert. Die Initiatoren dieses Kriminals sind: die Parteisekretärin Frau Aldona Matijošaitie-nė und die Schuldirektorin Salomėja Mikelaitienė.
Krosna, Rayon Lazdijai
Die Klassenlehrerin Frau Jesevičienė eröffnete ihren Schülern, daß man Gäste (d. h. eine Inspektion — Red.) erwarte. Sie bat gläubige Kinder, nicht zu sagen, daß sie zur Kirche gehen und wenn schon, daß sie dies auf Anordnung der Eltern tun. Die am 12. April 1979 erschienenen Prüfer fragten die Schüler:
— Wer von euch geht zur Kirche? Mutig erhoben sich 17 Schüler.
— Auf Anordnung der Eltern? — fragten die Prüfer etwas verlegen.
— Nein, aus eigenem Willen — erscholl die Antwort.
Šaukėnai, Rajon Kelmė
Im Kulturhaus Šaukėnai wurde am 20. Februar 1979 in einer Sondervorstellung für Kinder der antireligiöse Film »Schwarze Prozession« gezeigt. Einzelne Szenen des Films bestehen aus heimlich gemachten Aufnahmen der Wallfahrtsorte Šiluva und Žemaičiu Kalvarija. Während der dortigen Ablaßfeiern dringen kommunistische Agenten in die Kirchen ein, um dort betende Pilger zu fotografieren. Auf diese Weise sammelt man »Material« für antireligiöse Propaganda, stört gleichzeitig den Gottesdienst und die Andacht der Gläubigen. Dies Benehmen ist mehr als gewöhnliches Rowdytum.
Allen Schülern war seitens der Lehrerinnen Žeromskaitė und Spudaitė ausdrücklich eingeschärft worden, an der Filmvorführung teilzunehmen. Die Kinder wurden in dem Saal gehalten, während die Lehrer an den Türen darauf achteten, daß ja niemand »entkomme«.
Zu Beginn des Films vernahm man die Stimme eines Schauspielers »Kommt her zu mir, ihr Männer und Frauen, daß ich euch meinen Haß auf die Religion erkläre!«. Der Satz ist aufschlußreich und enthüllt die eigentlichen Motive der Atheisten. Nicht die Wahrheit ist wichtig, ihre Devise heißt Haß auf die Kirche, die Religion, die Wahrhaftigkeit. Und ihre Lehre ist — die Lüge. Der Film sollte beweisen, daß religiöse Menschen böse seien. Auf diese Weise vergiftet man die Jugend Litauens; so wird Verwirrung in Seele und Gewissen gläubiger Kinder getragen.
Aus dem Tagebuch der Schülerin N. N.
Die Klassenlehrerin F. hatte mir lange zugeredet, dem Komsomol beizutreten, sollte mich von den andern doch nicht so absondern. Lobte mich, ich sei doch überall dabei, mache alles mit, leider lehne ich aber »das Beste« ab. Sie wurde schrecklich böse als sie erfuhr, daß ich zur Kirche, gehe und befahl mir, meine Eltern mitzubringen. Ende November besuchte Papa den Direktor und machte ihm klar, daß von unseren Kindern keines ein Komsomolze werden würde. Dem stimme er als Vater nicht zu, und auch die Kinder wollten es nicht. Auch wegen des Kirchenbesuches . . . widersprach Papa entschieden und erklärte, er sei Litauer und wolle nichts anderes sein.
Auch nach diesem Elternbesuch gab mir die Klassenlehrerin keine Ruhe. Sie forderte mich auf, den Eltern nicht zu gehorchen, sie lockte mich, dem Komsomol beizutreten, aber den Eltern nichts davon zu sagen, und befahl mir, der Kirche fernzubleiben. Sie forderte mich auf, im guten den gewiesenen Weg gutwillig zu beschreiten. Ich dachte mir, wagte nur nicht zu sagen: »Du rätst mir, mit dem Strom zu schwimmen. Danke,liebe Klassenlehrerin, ich habe schon viele der >Glücklichen< gesehen, die den gewiesenen Weg gegangen sind.« Die Klassenlehrerin gab die Hoffnung nicht auf und ermahnte mich weiter. Schließlich sagte ich mir: »Nein, dem Komsomol werde ich nicht beitreten und werde weiter zur Kirche gehen wie bisher!« Die Klassenlehrerin bat mich im guten: »Kannst ja zur Kirche gehen, trete nur dem Komsomol bei.« So war sie also doch zu Konzessionen und Nachgeben bereit. Doch dies Nachgeben ist mir unannehmbar — ich will ein Mensch, kein Heuchler sein.
Als sie schließlich einsah, daß sie bei mir nichts erreichen werde, schleppte sie
mich zum Direktor. Dieser versuchte, mich auf die sanfte Tour einzulullen, als
das aber nichts half, ließ er die Maske fallen und fing an zu brüllen: »Entweder
du trittst dem Komsomol bei, oder du verläßt unsere Schule«.
Ich ließ mir nicht Angst machen — lieber ungelernt ein Mensch, als gelehrt ein
Verräter.
Zu weiteren Gesprächen wurde ich nicht mehr vorgeladen, obwohl der Direktor das versprochen hatte. Jedoch begann die Mehrheit der Lehrer damit, mir schlechte Noten zu geben. Die Klassenlehrerin selbst gibt Litauisch als Lehrfach und hat ausreichend Rachemöglichkeiten. Ich habe meine schriftlichen Arbeiten mit denen anderer Mädchen verglichen — bei gleicher Fehlerzahl bekamen sie ein »gut« — ich ein »mangelhaft«. Sehr wütend über mich gibt sich die Stellvertreterin des Direktors, die Zeichenlehrerin. Nichts konnte ich ihr gut machen, werde als »Betschwester« beschimpft, hier bist du nicht in der Kirche usw. Was kann ich tun — es ist ihr Wille —, und dieser Wille ist bösartig und auf Unrecht aus.
Ich konnte diese Atmosphäre nicht mehr ertragen und erklärte der Klassenlehrerin, ich wolle in eine andere Schule übergehen, und bat um die Abgangscharakteristik. Diese Charakteristik enthielt denn auch alle meine Nachteile mit entsprechender Übertreibung. Es stand sogar drin, daß ich in der 5. Klasse einmal mit einem Halstuch die Schuhe geputzt hätte. Und als Krönung aller Laster — »sehr religiös«.