Prieserrat der Diözese Telšiai 30. November 1980 Nr. 3

Beschwerdebrief an den Generalstaatsanwalt der UdSSR

Schon etliche Jahre wirken dunkle Elemente des Staates gegen die Litauische Katholische Kirche und führen Terrortaten verschiedenen Ausmaßes durch. Es verwundert uns die Tatsache, daß die Beamten der Innen- und Rechts­ministerien der Litauischen SSR es immer noch nicht schaffen, die Verbrecher zu finden, oder aber daß sie Beschwerdebriefe der Gläubigen direkt igno­rieren.

Zum Beispiel wurde am 15. Juni 1970 die Kirche von Batakiai, Kreis Tauragė, Baujahr 1509, in Brand gesteckt. Die Brandstifter sind bis heute nicht ermittelt worden. Die Gläubigen haben den Eindruck gewonnen, daß niemand die Verbrecher sucht, und auf die Bitten der Gläubigen, nämlich eine Kirche bauen zu dürfen, hat weder die Regierung der Litauischen SSR, noch die Regierung der UdSSR geantwortet. (Am 28. Juli 1970 haben sich 700 Gläubige an den Ministerrat der UdSSR gewandt, aber sie bekamen keine Genehmigung, die Kirche zu errichten). Unter den Menschen ver­breiteten sich Gerüchte, daß die Brandschatzung der Kirche von vornherein schon geplant war, denn genau einen Monat später, am 24. Juli 1970 wurde tagsüber im selben Bezirk die Kirche von Gaurė, ein wertvolles architekto­nisches Denkmal von 1773 abgebrannt. Die Verbrecher wurden ebenfalls nicht ermittelt. Auf das Bittschreiben der Gläubigen vom 1. August 1970, die Kirche wieder herrichten zu dürfen, erhielten sie vom Ministerrat der Litau­ischen SSR ebenfalls keine Antwort und keine Genehmigung für den Wieder­aufbau. Es ist unmöglich, alle gegen die Kirche und kirchliche Personen ge­richteten Verbrechen aufzuzählen, deswegen nennen wir hier nur einige Verbrechen der letzten drei Jahre, die sich nur in der Diözese Telšiai er­eigneten:

1.     Am 15. August 1977 wurde in Papilė, Kreis Akmenė, eine kunstvolle Friedhofskapelle niedergebrannt. Die Verbrecher ermittelte niemand.

2.     Am 2. April 1977 brachen Verbrecher in die Kirche von Mažeikai ein, zerstreuten die Hl. Hostien, entwendeten den Opferkelch, Schlüssel u. a. Die Täter sind nicht gefunden worden. Am 10. März 1979 faßten die Gläubigen selber einen in die Kirche eingebrochenen Täter, dem es nicht gelang, etwas zu stehlen. Dieser wurde später verurteilt.

3.     Gargždai, Rayon Klaipėda. Am 15. Januar 1978 fand man den Tabernakel ausgeraubt vor. Das Heiligste Sakrament lag verstreut und zertreten auf dem Boden. In der Kirche wurde aus Gründen atheistischer Entweihung eingebro­chen, denn materielle Wertgegenstände wurden nicht gestohlen. Die Täter blieben ungeklärt.

4.     Am 30. August 1978 wurde im Rayon Klaipėda das Tabernakel der Kirche von Vėžaičiai aufgebrochen, — entwendet wurde der Opferstock. Die Täter wurden nicht gefunden.

5.     Am 8. Juli 1978 im Rayon Telšiai, auf dem Kirchhof von Pavandenė wurden die Fenster aller 14 Kreuzwegkapellen zerschlagen, und der Rahmen einer Kapelle mit der Aufschrift »Volkskunst-Denkmal; durch den Staat geschützt« wurde zerbrochen. Die Täter wurden nicht gefunden.

6.     Tauragė, 20. März 1978. Nach Einbruch in die Kirche schafften die Ver­brecher es nicht, den Tabernakel des Hochaltars aufzubrechen. Sie hinter­ließen ihn verbogen. Ausgeraubt wurde der Tabernakel des Seitenaltars. Die liturgischen Geräte blieben unberührt. Sie entwendeten zwei Teppiche, einen Opferstock und andere materielle Wertgegenstände. Die Verbrecher wurden nicht gefunden.

7.     Am 12. September 1978 brachen Täter in die Kirche von Upyna, Rayon Šilalė ein und stahlen einen beständigen Tabernakel aus Metall mit Heilig­stem Sakrament. Die Täter blieben ungeklärt.

8.        Zweimal wurde die Kirche von Pagėgiai beraubt: am 6. Mai 1978 und 1979 in Šilutė un dam 5. Februar 1979 in der Technischen Berufsschule in am 30. Mai 1978. Die Täter wurden gestellt und verurteilt (am 29. Januar Viešvilė).

9.        Aus der Kirche in Pajūralis (Rayon Šilalė) wurde am 26. Juli 1977 das Heiligste Sakrament geraubt. Die Täter blieben ungeklärt.

Am 19. November 1978 wurden auf dem Friedhof circa 50 Grabmäler zer­stört. Die Grabmäler, die keine religiösen Zeichen hatten, blieben verschont. Die Täter wurden von der Miliz nicht geklärt. Unter anderem halten in dieser Gegend, mit Hilfe der sowjetischen Ämter, die Zerstörungen der Kreuze schon lange an. Zum Beispiel: Die atheistische Brigade vernichtete am 27. Mai 1964 dreizehn Denkmäler der Volkskunst. Diese Aktion war schon frühzeitig geplant. Während der Vernichtungsaktion kam der Mittäter Anta­navičius Alfonsas ums Leben.

Am 7. März 1979 wurden die Altarverzierungen heruntergerissen. Verhaftet wurde der Täter Ivanauskas Kęstutis (arbeitslos, Mittelschulreife). Nach In­formation der Gläubigen blieb er straffrei.

10.   Im November 1978 wurden auf dem Friedhof von Plungė viele religiöse Denkmäler zerstört. Die Täter fand man nie.

11.   Šlavantai (Rayon Skuodas). Am. 17. Juli 1979 wurden zwei Opferstöcke ausgeraubt. Am 14. Juni 1979 Gebetbücher gestohlen. Am. 29. August 1980 wurden die Verzierungen des Tabernakels beschädigt, — eine Engelsstatue und 10 Kerzenleuchter gestohlen. Die Täter wurden nicht ermittelt.

12.   Seda (Rayon Mažeikai). Am 29. März 1979 wurde der Tabernakel auf­gebrochen und das Heiligste Sakrament entwendet. Am 17. August 1980 wurde wiederholt der Tabernakel ausgeraubt, man stahl den Opferkelch und das Heiligste Sakrament lag verstreut auf dem Boden. Die Täter wurden nicht gefunden.

13.   Varduva (Žemaičių Kalvarija, Rayon Plungė). Am 2. März 1979 wurde ein eiserner Tabernakel aufgebrochen, — man entwendete das Heiligste Sakrament, — ein Teil lag verstreut auf dem Boden und auf dem Kirchhof. Offensichtlich tat man dies aus Gründen der Entweihung, denn die liturgi­schen Geräte und andere materielle Wertgegenstände wurden nicht gestohlen. Am 9. Juli 1980 wurden 20 Votivtafeln vom Marienaltar und Geld, das in der Sakristei eingeschlossen lag, gestohlen. Die Verbrecher blieben unbekannt.

14.   Nach einem Einbruch am 20. Juni 1979 bot die Kirche von Varputėnai (Rayon Kelmė) einen verheerenden Anblick — alle Altäre waren verwüstet und verunstaltet. Gestohlen hatte man drei Reliquiare, 2 Kreuze u. a. In die Sakristei konnten die Täter nicht einbrechen, denn diese war nach einem früheren Einbruch vor einem Jahr verstärkt gesichert worden. Die Täter beider Einbrüche wurden nicht gefunden.

15.   Am 23. September 1979 wurde die Kirche von Alsėdžiai (Rayon Plungė) grauenvoll verwüstet: Man zerstörte sieben Tabernakel, verstreute das Heiligste Sakrament, entwendete viele heilige und wertvolle Gegenstände. Unberührt blieb nur der Altar des Hl. Kasimir. Nicht gestohlen wurden Kunstgegenstände und die Opferstöcke — eine deutliche Aktion der Atheisten zum Zweck der Entweihung. In jener Nacht fand im Kulturhaus ein Fest statt. Wie immer nach solchen Nächten der »Kultur« ist der Kirch­hof verunreinigt, zu einer Toilette umfunktioniert. Keine Täter wurden er­mittelt.

16.   Nach Einbruch am 30. Januar 1980 wurde aus der Kirche in Gadunavas (Rayon Telšiai) das Heiligste Sakrament, liturgische Geräte und ein Kreuz gestohlen. Danach wurde das Heiligste Sakrament nicht mehr in der Kirche aufbewahrt, deswegen fanden die Übeltäter, als sie am 17. August 1980 den Tabernakel aufbrachen, ihn leer vor. Bisher blieben sie ungeklärt.

17.   Zweimal brachen Täter in die Kirche von Mosėdis (Rayon Skuodas) ein. Die Miliz hat sich geweigert, Maßnahmen zu ergreifen, denn es ist nichts gestohlen worden.

18.   Am 12. Mai 1980 wurde die Kirche von Tryškiai (Rayon Telšiai) aus­geraubt. Gestohlen wurden der Opferkelch, 4 Kerzenleuchter, Reliquien des Hl. Kreuzes. Die Täter fand man nicht.

19.   Am 17. September 1980 fand im Kulturhaus von Batakiai (Rayon Tauragė) ein Tanzabend statt, danach wurde das Kreuz auf dem Kirchhof und die Statue des Hl. Rochus zerstört. Die Verbrecher wurden von den Gläubigen ermittelt.

20.   Am 17. Oktober 1980 brachen Übeltäter in die Kirche von Juozapavas (Rayon Šiauliai) ein und nahmen die liturgischen Gefäße und die Statuen mit. Die Verbrecher wurden nicht gefunden.

21.   Die Kirche von Kuršėnai (Rayon Šiauliai) wurde zweimal beraubt: am 2. April 1977 offensichtlich von ideologischen Verbrechern, denn materielle Gegenstände wurden nicht gestohlen. Ebenso blieben die vergoldeten litur­gischen Gefäße verschont — sie nahmen nur das Heiligste Sakrament mit. Am 18. Oktober 1980 wurde aus dem Tabernakel das Heiligste Sakrament herausgenommen, den Opferkelch allerdings ließ man auf dem Altar stehen, gestohlen wurden 16 Kerzenleuchter. Die Verbrecher wurden nicht ermittelt.

22.   Am 22. Oktober 1980 schlug man die Fenstergläser des Kirchenhoftores von Varniai (Rayon Telšiai) ein und stahl die kleinen Statuen des schmerz­haften Heilands (leidenden Christus). Die Täter blieben ungeklärt.

24. Nachdem es den Verbrechern am 30. Oktober 1980 nicht gelang, den Tabernakel der Kirche von Tirkšliai (Kreis Mažeikiai) aufzubrechen, nahmen sie ein ornamentiertes Kreuz mit. Die Täter blieben unbekannt.

25. Am 9. Oktober 1980 wurde der Pfarrer von Luokė (Rayon Telšiai), Leonas Šapoka, grauenvoll zu Tode gemartert. Die Täter brachen in die Wohnung des Pfarrers und in die am anderen Ende des Hauses gelegene Wohnung von Juozas Kvietkauskas ein. Schwer verletzt mußte sich J. Kviet-kauskas im Krankenhaus von Telšiai behandeln lassen, und der Priester L. Šapoka wurde einige Stunden sadistisch gefoltert (alle weichen Gewebeteile zerschlagen, verwundet, die Wirbelsäule gebrochen). Die Beerdigung fand unter Beteiligung einer großen Menge von Gläubigen und mehr als 100 Priestern am 13. Oktober statt. Das Ärgernis über dieses grauenvolle Ereig­nis war groß. Alle fragten sich, wie diese Mörder-Sadisten die ganze Nacht so furchtlos ihre dunkle Tat ausführen konnten, ohne befürchten zu müssen, von irgendjemand ertappt zu werden. In die Wohnung des Pfarrers drangen sie mit dem größten Krach ein, sie traten die Tür so heftig ein, daß sogar der Türrahmen in Brüche ging. Die Schreie der Opfer waren ebenfalls sehr laut. Aber die Täter zeigten keine Angst vor diesem Lärm, sondern quälten den Pfarrer einige Stunden lang und tranken dabei Kognak. Kein Priester durfte sich den Leichnam des ermordeten Priesters am Tatort ansehen, sogar den Bistumsverwalter, Priester A. Vaičius, wies man zurück. Wir haben Grund genug zu fürchten, daß auch dieses Mal die Mitarbeiter des Innenministeriums die Mörder-Sadisten nicht aufklären wollen und niemand wird einen Artikel des Strafgesetzbuches finden, um sie zu bestrafen. Um so mehr, weil die Mitarbeiter beim Verhör der Leute nicht über das Verbrechen fragten, son­dern alles über die Fehler des ermordeten Priesters wissen wollten. Sie ver­breiteten das Gerücht, daß der Priester L. Šapoka nicht ermordet wurde, sondern aufgrund seines Alters, und dazu noch aufgeschreckt verstarb.

Vor einigen Jahren wurden in ganz Litauen Kreuze und Kapellen durch die Hände der Gottlosen zielstrebig verwüstet. Es wurde viel künstlerisch wert­volle Volksarchitektur vernichtet. Und jetzt führen sogar offizielle sowjetische Organe die Vernichtungsarbeiten der Kreuze in der Litauischen SSR durch. Zum Beispiel steht auf dem Grab des Prälaten Dr. Kalikstas Kosakauskis in Akmene ein altes Denkmal — ein Kreuz, das in die Liste des staatlichen Denkmalschutzes miteinbezogen wurde (Nr. V-187). Das Exekutivkomitee des Volksabgeordnetenrates von Akmenė hatte vorgesehen, dieses Kreuz zu entfernen, — sie bestellten ein neues Denkmal, das nichts mit Religion zu tun hatte. Das ist Grabesschändung eines Priesters, der Mitglied des Bistumskapitels von Žemaičiai und jahrelang Pfarrer in Akmenė war. Un­geachtet der Proteste der Gläubigen wurde das Kreuz entfernt — und die Fertigstellung des Denkmals geht dem Ende zu, — sogar das Kulturministe­rium konnte nichts dagegen machen. Mit solch einem Benehmen rufen die sowjetischen Beamten der Litauischen SSR die ideologischen Rowdys dazu auf, gegen die Kirche und heilige Zeichen vorzugehen.

Bei dieser Gelegenheit möchten wir an die Sache der Kirche von Klaipėda erinnern. 1956, zur Zeit des damaligen Premiers der UdSSR, N. Chru-schtchow, hatte man eine offizielle Baugenehmigung der Kirche erwirkt und alle Gläubigen Litauens haben sie durch ihre Spenden und Arbeit erbaut. Kurz vor der Einweihung, am 15. August 1960, wurde die Kirche konfisziert und 1961 zur Philharmonie umfunktioniert. Dieses Unrecht haben mehr als 3000 Gläubige schriftlich schon 1961 festgestellt, am 6. März 1979 durch ein weiteres Schreiben von 10 241 Gläubigen, am 19. November 1979 durch ein Schreiben von 148 149 Gläubigen und am 1. April 1980 durch eine schriftliche Anfrage von 610 Gläubigen. Die sowjetische Regierung hat auf die massenhaften Beschwerdebriefe und Bitten der Gläubigen nicht geant­wortet. Das Unrecht beging man nicht nur an den Gläubigen von Klaipėda, sondern auch an ganz Litauen.

Deswegen wenden wir uns direkt an Sie, den Generalstaatsanwalt der UdSSR, mit der Bitte, sich persönlich einzuschalten und eine Kommission zur gründlichen Untersuchung der laufenden Verbrechen, die gegen die Li­tauische Katholische Kirche verübt werden, zu ernennen. Wir bitten Sie, die Verbrecher zu ermitteln, sie nach aller Gesetzesstrenge zu bestrafen und dem Terror ein Ende zu setzen. Ebenso bitten wir, die verantwortlichen Beamten, die für die Litauische SSR zuständig sind, für die Nachlässigkeit ihrer Pflich­ten zur Verantwortung zu ziehen, denn eine deutliche Gleichgültigkeit und das Unrecht, das den Gläubigen zugefügt wird, veranlassen indirekt die Täter zur Fortführung ihrer verbrecherischen Tätigkeit. Die Mitglieder des Priesterrates — die Priester: Julius Budrikis, Jonas Gedvilą, Jonas Kauneckas, Alfonsas Lukoševičius, Adomas Mileris, Tadas Poška, Adolfas Pudžemys, Petras Puzaras, Vincentas Senkus, Antanas Šeškevičius, Bernardas Talaišis, Vincentas Vėlavičius.