Vilnius

Im August 1981 wurde mit einer Unterschriftenaktion unter einer Klage­schrift an den Generalstaatsanwalt der SSR Litauen wegen des Terrors gegen die Jugend begonnen, die an den Seen von Molėtai im Dorf Mindūnai un­berechtigt festgenommen wurde (siehe »Chronik der LKK« Nr. 49), wie auch wegen der unberechtigten Aktionen der Miliz und des Sicherheits­dienstes. Diesen Protest unterzeichneten etwa 600 Gläubige. Obwohl schon einige Monate seit diesem Vorfall vergangen sind, wird ungeachtet der Proteste der Gläubigen die Jugend auch weiter ständig terrorisiert.

Am 22. September 1981 lud die Direktorin des Verkaufsladens »Nau-jininkai«, Dagienė, die Oberverkäuferin Valda Ryliškytė, die sich mit der Jugend im Sommer an den Seen von Molėtai erholt hatte, in das Amt für Industrie und Handel der Stadt Vilnius vor. Im Amt für Industrie und Handel traf Valda die Abteilungsleiterin Stelingienė und noch eine Frau an. Sie fragten Valda aus, seit wann sie zu glauben und zu beten begonnen habe, sie wunderten sich und lachten über sie, daß sie — ein Mädchen von 18 Jahren, noch an Gott glaube und die Kirche besuche, wo doch alle Zeitungen und Lehrbücher schreiben, daß es keinen Gott gibt... Sie drohten ihr, sie aus der Kommjugend rauszuschmeißen, zu der das Mädchen beizutreten gezwungen war, als es noch das Technikum besuchte.

Am 2. September 1981 schimpfte der Direktor Stasys Čiesiūnas die Schü­lerin der VIII. Klasse an der 24. Mittelschule zu Vilnius, Daiva Belevičiūtė, deswegen aus, weil sie Ende des Sommers gemeinsam mit einer Gruppe gläubiger Jugend unter Aufsicht von Erwachsenen einige Tage im Rayon Molėtai, Dorf Mindūnai verbracht hatte.

Am 3. September führte die Leiterin der Bildungsabteilung Katininkienė die Schülerin Daiva Belevičiūte zu der Inspektorin des »Kinderzimmers«, Štemberg hin, die das Mädchen in die Liste des »Kinderzimmers« eintrug. Als Belevičiūte fragte »Weswegen?«, antwortete die Inspektorin Štemberg: »Du bist noch nicht volljährig und warst nach 22 Uhr ohne elterliche Auf­sicht!«

Am 16. September wurde die Schülerin Belevičiūte gezwungen, zu einem Treffen mit dem Atheisten Stankaitis hinzugehen. Da der Lektor nicht kam, hielt der Direktor S. Čiesiūnas die »Vorlesung«. Als der Direktor die Kirche zu verleumden begann, stand Daiva auf und versuchte hinauszugehen, die Klassenlehrerin zwang sie aber zu bleiben.

Am 1. September bemühte sich der Lehrer R. Navickas und der Sekretär Šimkus die Zehntkläßlerin Loreta Vorobjovą zu überzeugen, daß »nur die Nichtkommjugendlichen in die Kirche gehen und beten dürfen«. Als die Vorobjovą klarstellte, daß viele Kommjugendliche und Lehrer die Kirche aufsuchten, wurde die Schülerin gezwungen, die Namen zu verraten. Sie aber erklärte den sowjetischen Pädagogen, daß sie noch voll bei Verstand sei und die Leute nicht verraten werde. Als er nicht mehr wußte, was er weiter tun solle, verbat der Erzieher Navickas der Loreta, sich mit der Daiva Belevičiūte zu treffen.

Am 10. September kam der Sekretär Šimkus zu Loreta und sagte ihr, er wolle sich mit ihr unterhalten. Er führte das Mädchen in das Zimmer der Kommjugend und begann, das Mädchen zu verhören: zu welchem Zweck sie in Molėtai gewesen sei, was sie dort getan habe und wer noch dabei gewesen sei? Die Befragte beantwortete keine der Fragen. Als Loreta zugegeben hatte, daß sie gläubig sei und daß sie in die Kirche gegangen sei und auch weiter gehen werde, drohte der Sekretär Šimkus ihr, daß sie aus der Komm­jugend ausgeschlossen werde.

Am 17. September gab der Klassenlehrer Navickas den Zehntkläßlern be­kannt, daß es notwendig werde, nach dem Unterricht das Betragen einer ihrer Kameradinnen zu besprechen. Als die Schüler hörten, womit Loreta angeschuldigt wird, fingen alle nacheinander an zu rufen: »Soll sie doch fahren, wohin sie will! Das ist doch ihre persönliche Sache ...«

Am 21. September 1981 wurde unter Teilnahme des Direktors S. Čiesiūnas und des Klassenlehrers R. Navickas über das Betragen der Loreta Vorobjovą beraten. Da die Schülerin an ihren Anschauungen festhielt, begannen die sowjetischen Pädagogen sie zu erziehen: man soll den Eltern nicht gehor­chen. »Es gibt schon fünfzehnjährige Kinder, die auf ihre Mütter nicht hören, Du bist aber schon so groß — siebzehn Jahre alt — und kannst Dich Deinen Eltern nicht widersetzen!«

»Sie sagen in der Schule, daß man ab 15 auf die Eltern nicht mehr zu hören braucht, in der Miliz aber: ab 18. Auf wen soll man hören?« — erkundigte sich Loreta. Durch die Konferenz wurde der Loreta eine Bewährungszeit auferlegt.

Am 5. Oktober, nachdem L. Vorobjovą erklärt hatte, daß sie, in Verbindung mit den Ereignissen in Molėtai, sich seit dem 20. August nicht mehr als Kommjugendliche betrachte, gab sie ihren Kommjugendausweis der Komitee­sekretärin, Stellvertreterin des Direktors, Zaleckienė, zurück. Die Lehrerin begann, das Mädchen auf jede Weise einzuschüchtern und zu drohen, daß we­gen ihres Verhaltens ihrer Mutter das Recht aberkannt werde, sie zu erziehen, sie selbst werde einem Internat zugewiesen. Ferner bettelte sie förmlich, den Kommjugendausweis zu behalten.

»Danke, nein! Bewahren Sie ihn jetzt auf«, sagte Loreta beim Weggehen. Die Inspektorin des »Kinderzimmers« Štemberg teilte der Loreta und ihrer Mutter mit, daß »L. Vorobjovą wegen der Anwesenheit ohne Aufsicht der Eltern nach 22 Uhr in die Liste des >Kinderzimmers< eingetragen wird.«

 

Vilkaviškis

Am 14. November d. J. versammelte sich eine Gruppe Jugendlicher bei der Familie Kelmelis (Vilkaviškis, Statybininkų 43,), um einen Geburtstag zu feiern.

Um etwa 18 Uhr, als die Jugend sang und lustig war, drangen die Miliz und eine Gruppe Zivilpersonen in die Wohnung ein. Ein Mädchen erkannte die Zivilpersonen als Sicherheitsbeamte aus Vilnius wieder. Ohne sich auszuweisen, ohne irgendwelche rechtfertigende Unterlagen vor­zulegen, verlangten die Beamten von den Jugendlichen, daß sie ihre Aus­weise vorzeigen. Die Jugendlichen hatten keine Ausweise bei sich, deswegen wurde ihnen befohlen: »Dann werden Sie in die Milizabteilung fahren müs­sen und dort werden wir es klären!«

Im Hof wartete auf die Jugendlichen bereits ein »Woronok« (ein Auto für Gefangenentransport — Red.) und noch einige Autos, mit denen die Beamten gekommen waren.

In der Milizabteilung versicherte ein aus Vilnius gekommener Sicherheits­beamter: »Solange ihr eure richtigen Namen und Adressen nicht bekannt­gebt, wird hier keiner herauskommen!«

Die Feststellung der Personalien dauerte viereinhalb Stunden, obwohl die Be­amten beim Abtransport der Jugendlichen versprochen hatten, die festliche Stimmung nicht zu verderben und sie nicht länger als 15 Minuten aufzu­halten.

Die Beamten gingen mit den Jugendlichen grob um, und ein Mädchen bekam dabei einen Nervenzusammenbruch. Die Jugend verlangte entschlossen nach einer medizinischen Hilfe für die Kranke. Nur nach langer Debatte gelang es, die Beamten zu bewegen, eine medizinische Hilfe herbeizurufen. Eine Krankenschwester behandelte die Kranke sehr taktlos: als der Anfall vorbei war, schlug die Krankenschwester vor, das Mädchen mit 15 Tagen Arrest zu bestrafen, denn es sei betrunken.

Um etwa halb elf Uhr am Abend wurden die Festgenommenen freigelassen. Nur ein minderjähriges Mädchen hielten sie in der Abteilung zurück, auf welches die Jugendlichen eine ganze Stunde lang warteten, bis der Stellver­treter des Direktors der Mittelschule kam und die Wartenden überzeugt waren, daß das Mädchen ihr Zuhause sicher erreichen werde.

Nach diesem Vorfall schickte eine Gruppe der Jugendlichen (Birutė Briliūtė, Nijolė Šukevičiūtė, Jonas Vailionis, Saulius Kelpšas, Antanas Žilinskas, Cibirauskaitė, Cibauskaitė, Stasys Mištautas, Aldona Miliūtė, Regina Te-resiūtė, Vidas Striokas, Giedrė Striokaitė, Vytautas Gluoksnys, Audronė Gluoksnytė und Roma Tamašauskaitė) ein Protestschreiben an den Staats­anwalt der SSR Litauen, wo unter anderem geschrieben wird: »Wir prote­stieren dagegen, daß die Milizmänner und die Sicherheitsbeamten unsere festliche Stimmung verdorben haben; sollten aber die Taten der Beamten berechtigt sein, dann bitten wir Sie, uns zu erklären, seit wann und aus wel­chem Grund man der Miliz mitteilen muß, daß gläubige Jugendliche einen Geburtstag feiern oder sich zum Vergnügen versammeln?«

 

Leipalingis (Rayon Lazdijai)

Am 21. November 1981 richtete eine Gruppe Jugendlicher an den Staats­anwalt der LSSR ein Protestschreiben folgenden Inhalts:

Am 14. November 1981 feierten wir in Vilkaviškis, Statybininku 43, in der Wohnung der Familie Kelmelis, ein bedeutsames Datum dieser Familie. Um etwa 18 Uhr drang, von Sicherheitsbeamten angeführt, die Miliz in die Wohnung ein und verlangte nach den Dokumenten der versammelten Freunde der Familie. Auf die Bitte an die Eindringlinge sich vorzustellen, zeigte nur der Hauptmann der Miliz — der Oberinspektor Vytautas Surmaitis — seinen Ausweis. Alle anderen — so Milizmänner wie auch Sicherheitsbeamte — verweigerten kategorisch, es zu tun. Auf die wiederholte Aufforderung, nach den Gesetzen zu verfahren, wurde arrogant geantwortet, daß der Ausweis eines Beamten seine Uniform sei. Ohne einen Grund der Festnahme anzu­geben, ohne ein Dokument, das die Rechtmäßigkeit dieser Aktion beweisen konnte, vorzulegen, jagten die Anonymen uns (28 Personen) zu einem ver­gitterten Milizauto und brachten uns in die Milizabteilung, um unsere »Per­sonalien festzustellen«. Obwohl niemand die eigenen Personalien verheim­lichte, wurden wir bis 23 Uhr festgehalten. Von den Einwohnern von Vil­kaviškis konnte man später hören, daß zur selben Zeit auf dem Autobus­bahnhof betrunkene Russen aus Kaliningrad eine Schlägerei anzettelten, es aber unmöglich war, die Miliz herbeizurufen — sie war mit »ernsteren Ver­brechen beschäftigt«. Sie bewachten uns wie die gefährlichsten Rezidivisten; selbst auf die Toilette begleitete uns ein Milizmann. Kein Wunder, daß sol­che Atmosphäre sehr strapazierte und ein Mädchen einen Anfall erlitt. Uns erschütterte die unmenschliche Gleichgültigkeit der Beamten, und als endlich eine medizinische Mitarbeiterin erschien — das Benehmen derselben. In dem Sanitätsraum beschimpften sie das Mädchen und ihre Freundinnen, die sie begleitet hatten, als Besoffene, schalten sie und jagten sie hinaus, obwohl unsere Feier ohne alkoholische Getränke stattfand! Als wir bei der Miliz, entsetzt über eine derartige, mit keiner Rechtsordnung zu vereinbarenden Willkür der Beamten, eine Klage an Sie, verehrter Staatsanwalt, schreiben wollten, bekamen wir zu hören, daß es bei der Miliz nicht erlaubt sei, eine Klage zu schreiben, wenn wir aber noch weiter »randalieren« würden, dann würden wir als Rowdys eingestuft.

Wir möchten Sie fragen, ob es die sowjetischen Gesetze wirklich erlauben, Menschen festzuhalten, ohne ein Dokument vorgelegt zu haben, ohne die Ursache der Festnahme anzugeben?

Die an der Exekution beteiligten Sicherheitsbeamten behaupteten, daß wir gut wüßten, daß religiöse Ansammlungen verboten seien. Wir sind Christen. Haben aber vielleicht irgendwelche »Statuten der reli­giösen Gemeinschaften« den gläubigen Menschen schon verboten, sich zu treffen und gemeinsam die Zeit zu verbringen? Nur eines wissen wir sehr gut, daß die Verfassung die Gewissensfreiheit garantiert, daß durch die Unterzeichnung der Führer unter die Allgemeinen Deklarationen der Men­schenrechte und die Abschlußakte von Helsinki das Recht bekräftigt ist, un­gehindert die eigene Überzeugung zu erhalten, sie mit allen Mitteln zu ver­breiten, sie mit anderen Menschen zu teilen. Es kann doch nicht möglich sein, daß dieses der Miliz von Vilkaviškis und den KGB-Gästen aus Vilnius bis jetzt noch nicht bekannt ist. Wir protestieren gegen Gesetzwidrigkeiten!

Unternehmen Sie, bitte, alles, damit sich so grobe Verletzungen der Gesetze nicht wiederholen.

Gezeichnet: Robertas Grigas, Mindaugas Judeikis, Gintas Sakavičius, Roma Tamašauskaitė, Almė Žibūdaitė.

Kapčiamiestis (Rayon Lazdijai)

Am 15. Oktober lud der Lehrer Šidlauskas den Schüler der IX. Klasse Gintautas Valentą vor und führte ihn in die Kanzlei, wo der Direktor der Schule und ein Unbekannter auf ihn warteten; letzterer stellte sich als Leut­nant des KGB Algis Gylys vor. Nachdem er den Schüler nach seinem Namen und Vornamen gefragt und sich erkundigt hatte, wie es Gintautas gehe, erinnerte der Tschekist ihn an die Ereignisse in Polen. »Du sollst wissen, daß sich jetzt in den Wäldern an der Grenze aus Polen kommende Banditen aufhalten«, — sprach Gylys. »Du wohnst doch im Wald: solltest Du also beim Spazierengehen oder beim Pilzesammeln irgendetwas Verdächtiges sehen, dann teile es uns mit. Vielleicht hast Du schon gehört, wie die Pioniere mitgeholfen haben, einen Grenzverletzer festzunehmen; sie wurden dafür beschenkt, sie bekamen eine Uhr... Wenn Du uns helfen wirst, werden wir auch Dich beschenken...« (Der Vorfall mit dem »Grenzverletzer« war in Wirklichkeit nur gestellt, um die Stimmung der Grenzbewohner zu testen, — sie ließen einen Provokateur hinaus und nachher fahndeten sie nach ihm um dabei beobachten zu können, wer den »Flüchtigen« aufnehmen, und wer über ihn eine Mitteilung machen wird...). Darauf antwortete Gintautas, daß er keine Waldspaziergänge mache und Banditen zu suchen keine Zeit habe. Nachdem der Tschekist versprochen hatte, sich noch einmal mit ihm zu unterhalten, ließ er den Schüler gehen. Der Direktor mischte sich in dieses Gespräch nicht ein.

Am 20. Oktober rief der Lehrer Šidlauskas nach dem Unterricht den Schüler der Xa Klasse Gintautas Sakavičius in das Lehrerzimmer. Hier befand sich die Klassenlehrerin der X a Klasse Ignatavičienė. Šidlauskas fragte den Schüler, ob er am 8. Oktober in der Schule gewesen sei. Als der Schüler positiv antwortete, schnauzte Šidlauskas ihn an: »An dem Tage habe ich dich beim Pfarrer gesehen und anschließend an der Wandzeitung. Beschäftige dich nicht mit Sachen, die dich nichts angehen und agitiere die anderen nicht. Wenn sie dir irgendwas auftragen, tu es nicht und sage den anderen, daß sie das auch nicht tun sollen. Alles, was hier gesprochen wurde, soll unter uns dreien bleiben.« Das versprach der Schüler nicht.

Am 21. Oktober wurde die Schülerin der Xa Klasse Laimutė Ramanaus­kaitė in die Schulkanzlei vorgeladen. Hier wartete auf sie der Tschekist A. Gylys. Der Sicherheitsbeamte zeigte sich darüber besorgt, daß Laimutė der Kommjugend nicht zugehöre. Die Schülerin antwortete, daß in ihrer Klasse von 14 Schülern nur 6 Kommjugendliche sind. Weiter begann der Ange­kommene das Mädchen zu verhören, wohin sie gehen werde, wenn sie mit der Schule fertig wäre. »Vielleicht in ein Kloster?« — fragte der Tschekist, einen Wohltäter vorspiegelnd und das mit der angeblichen Absicht, die Jugendliche vor einem abschüssigen Weg »zu bewahren«. Gleichzeitig for­derte er sie auf, mit dem Pfarrer Priester I. Plioraitis nicht zu verkehren. L. Ramanauskaitė wunderte sich: »Ich bin eine Christin und es ist selbst­verständlich: der Priester steht mir näher als Sie — der Sicherheitsbeamte.« Daraufhin begann der Tschekist die Attacke von der anderen Seite: er begann sie einzuschüchtern, daß er alles wisse, nannte die Nummer der »Chronik der LKK«, die seines Wissens Laimutė gelesen habe, behauptete, daß sie am 26. September bei der Jugendversammlung in Leipalingis dabeigewesen sei usw. Nachdem er angedroht hatte, daß sie sich noch öfters treffen müßten, und, wie üblich, sie ermahnt hatte, daß sie über diese Begegnung nichts erzählen solle, entließ er die Schülerin nach Hause.

 

Žagarė

Kaum hatte Algis Rubinas (wohnhaft in Žagarė, Tarybų aikštė Nr. 1) nach dem Gottesdienst der Ablaßfeier in Šiluva am 15. September 1981 das Tor des Kirchhofes passiert, stürzten plötzlich zwei Milizmänner auf ihn zu, packten ihn an den Armen und begannen mit unbeschreiblicher Wut und häßlich fluchend, ihn mit Gewalt in ein Milizauto zu zerren. Ihnen half ein Zivilist, mit Gewißheit ein Sicherheitsbeamter. Als der Bursche versuchte zu erklären, daß er nichts Böses angestellt habe, daß er nur zur Ablaßfeier gekommen sei, schrien sie ihn an, er soll stillschweigen und keinen Krach machen, denn sie fürchteten sicherlich, daß die Leute das merken könnten. Aus ihrem ganzen Benehmen entstand der Eindruck, daß sie gerade ein Verbrechen begingen, denn andererseits: wozu war dann die Eile und die Geheimtuerei notwendig? Nachdem sie den Festgenommenen in das Auto geworfen hatten, legten sie sich zu zweit auf ihn, und der Dritte setzte sich vorne ins Auto hinein. Auf die Frage, warum sie ihn ohne jegliches Ver­gehen festnehmen, drückte ein Milizmann mit ganzer Kraft dem Festge­nommenen derart den Mund zu, daß er kaum noch atmen konnte und hielt es so, bis sie in die Milizstation kamen. Hier nahmen sie ihm seine Akten­tasche weg, und ihn selbst schleiften sie mit nach hinten umgedrehten Armen in die zweite Etage hinauf und sagten dabei: »Sag nur ein einziges Wörtchen, und dein Arm bricht!«

Im Saal warteten zwei Sicherheitsbeamte. Als der Rubinas fragte, warum sie ihn ohne ein Verschulden und ohne einen Beschluß des Staatsanwaltes so rauh festgenommen hätten, antworteten sie nichts. Außerdem zeigte keiner von ihnen seinen Ausweis, noch sagten sie ihre Namen. Später wurde er in ein anderes Zimmer geführt, wo noch zwei Sicherheitsbeamte warteten. Dort saß schon ein festgenommener junger Mann. Nach kurzer Zeit wurde ein junges Mädchen hereingeführt, das nur so viel verschuldet hatte, als daß es zur Ablaßfeier nach Šiluva gekommen war. Die Sicherheitsbeamten fragten die Festgenommenen aus, wo sie wohnten, wo sie arbeiteten usw. Alles in allem bot sich der Eindruck, daß diese ganze Komödie nur dazu aufgeführt wurde, um den jungen Leuten Angst einzujagen, damit diese niemals mehr wagten, zu den Ablaßfeiern nach Šiluva hinzufahren. Später führten sie noch mehrere Leute herein und, es ist irgendwie sonderbar, alle Festgenom­menen waren junge Menschen. Die Sicherheitsbeamten spotteten über die Festgenommenen und redeten unanständig, immer wieder drohend, daß sie sie zusammenschlagen würden usw. Den A. Rubinas hielten sie bis 17.45 Uhr fest und entließen ihn nach Hause, ohne erklärt zu haben, warum sie ihn festgenommen hatten.

Vilnius

Am 7. September d. J. wurden zwei Studenten von der Staatlichen Univer­sität zu Vilnius verwiesen: der Student im II. Semester der Fakultät für Handel Alfonsas Vinclovas und die Studentin im III. Semester der Mathe­matischen Fakultät Audrone Ginkutė. In der Anordnung steht geschrieben:

»Wegen des Betragens, das mit dem Namen eines sowjetischen Studenten unvereinbar ist.«

Als der Student Alfonsas Vinclovas den Prorektor der Universität, Bronius Sudavičius fragte, weswegen er der Universität verwiesen würde, erklärte der Prorektor, es sei nur deswegen, weil er, ohne den Prorektor, noch den Dekan der Fakultät gefragt zu haben, während der Sommerferien zur Erholung zu den Seen von Molėtai gefahren sei (er nahm an Jugendexer­zitien teil. Bern, der Red.).