Vorwort

Als der II. Weltkrieg zu Ende war, stellten sich kämpferische Gottlose an das Regierungssteuer Litauens, entschlossen, die Katholische Kirche gänzlich zu vernichten. Den Gott und die Heimat liebenden Litauern erhob sich die Frage: wie wird das weitergehen? Die Priester der Diözese Vilkaviškis wand­ten sich an ihren alten und weisen Hirten, den Bischof Karosas, und baten ihn um einen Rat in der neuen Situation.

»Was die Regierung auch sagen wird, tut das Gegenteil und alles wird gut«, antwortete der Hirte. Es galt, diesen Rat in die Tat umzusetzen. Die Ereig­nisse aber entwickelten sich wie folgt:

Im Jahre 1946 wurden die Priesterseminare in Vilnius, Telšiai und Vilka­viškis geschlossen. Die Bischöfe — Teofilius Matulionis und Vincentas Bo-risevičius — verhaftet.

1947 wurde der Erzbischof der Erzdiözese Vilnius, Mečislovas Reinys (ge­storben im Gefängnis von Wladimir), und der Auxiliarbischof von Telšiai, Pranciškus Ramanauskas, verhaftet.

Ein Drittel der Priester Litauens mußten den GULAG durchwandern. Der Bischof Vincentas Borisevičius wurde 1947 erschossen. In den Jahren 1948 — 49 wurden alle Klöster geschlossen, zahlreiche Kirchen in Lagerhäuser umgewandelt oder für profane Zwecke benützt. Die Litauer werden massenweise nach Sibirien deportiert.

Auf die Initiative der Regierung werden die »Zwanziger« gegründet, die die Kirchenkomitees der Pfarreien ersetzen müssen. Den Zwanzigern werden einseitige, die Gläubigen diskriminierende Verträge aufgezwungen. Die kirchliche Obrigkeit wurde genötigt, unkirchliche Instruktionen heraus­zugeben und den lügenhaften »Kampf für den Frieden« der sowjetischen Regierung zu unterstützen. Auf diese Weise teilt der Administrator der Erz­diözese Kaunas und der Diözesen Vilkaviškis und Kaišiadorys, der Kano­nikus Juozapas Stankevičius, den Priestern mit, daß es nicht erlaubt sei, Kinder zu katechisieren, Gläubige zu besuchen, daß es den Kindern nicht gestattet wird, am Altar zu dienen. Man begann, diese verhängnisvolle Nach­giebigkeit der sowjetischen Regierung gegenüber »Diplomatie« zu nennen. Wenn ein Priester sich in der Kurie beklagte, daß er von der Regierung attackiert werde, wurde ihm zur Antwort gegeben: »Du bist dumm gewesen und hast nicht gelernt zu leben!« Nicht wenige Priester vergaßen den weisen Rat des Bischofs Karosas, und begannen, sich den neuen Stil der Kurien anzueignen.

In dieser Periode wurde der nationale und der kirchliche Widerstand gebro­chen, und jene, die dem Zwang nachgaben, dachten sich eine neue Parole aus: »Du kannst nicht mit dem Kopf durch die Wand.«

Der Terror dauerte auch in den Regierungsjahren von Chruschtschow weiter an. Elf Priester reisten wieder in den GULAG. Die Bischöfe Vincentas Sladkevičius (1959) und Julijonas Steponavičius (1961) werden verbannt. Im Jahre 1961 wird die gerade neuerbaute Kirche von Klaipėda geschlossen, und ihre Erbauer werden verurteilt.

Im siebten Jahrzehnt wurde den Priestern bei geringfügigster Überschreitung der geheimen sowjetischen Instruktionen verboten, ihr Amt auszuüben. Das KGB führte einen geheimen Kampf gegen das Priesterseminar zu Kaunas, bestrebt, möglichst viele Seminaristen in seine Spinnweben hineinzuziehen.

 

Der Beginn der Wiedergeburt

Die Jahre 1964 — 65 muß man als Beginn der Wiedergeburt der Katholischen Kirche Litauens betrachten. Die Priester wurden nach und nach mutiger und begannen, hier und dort in Gruppen die Kinder zu katechisieren. In den Predigten erklang immer häufer ein mutiges Wort, das zum Aufwachen aus dem Schlaf, aus Angst und Starre aufforderte. Die Anstrengungen des Be­vollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten, Rugienis, wurden immer weniger erfolgreich.

Das Jahr 1968 ist für die Katholische Kirche Litauens sehr bedeutungsvoll. In diesem Jahr diskutierten die aktiven Priester lebhaft, auf welche Weise man gegen die Willkür der Regierungsgottlosen vorgehen soll. Das Ergebnis dieser Diskussion — ein Beschluß, einzeln und in der Gemeinschaft nach dem Minimum der religiösen Freiheit zu verlangen.

Im September 1968 schickten die Priester der Diözese Telšiai, Vladas Šlevas und Alfonsas Pridotkas, an den Ministerrat der UdSSR je eine Erklärung, in der sie einige Fälle der Diskriminierung der Kirche aufwiesen: den Mangel an Gebetbüchern, die Behinderungen des Priesterseminars und andere. Beide Priester wurden von den Regierungsbeamten ausgeschimpft und in andere Pfarreien versetzt.

Zur selben Zeit wurde in der Diözese Vilkaviškis eine gemeinsame Erklärung wegen der tragischen Lage des Priesterseminars zu Kaunas geschrieben, in der es unter anderem heißt:

»In Litauen sterben pro Jahr etwa 30 Priester, das Priesterseminar zu Kaunas aber ist wegen des von der Regierung festgesetzten geringen Limits in der Lage, nur 5 — 6 neue Priester zu stellen (...) Bei der Aufnahme der Kan­didaten fällt die entscheidende Stimme nicht der Leitung des Priesterseminars, sondern den Beamten der Regierung zu (...) Es ist an der Zeit zu verlangen, daß die Einschränkung des Priesterseminars aufgehoben werde und daß die Organe der sowjetischen Regierung die jungen Männer nicht hindern, in das Priesterseminar einzutreten.«

Unter dieser Erklärung (vom 21. 12. 1968) unterzeichneten 63 Priester der Diözese Vilkaviškis.

Zwei Priester der Diözese Vilkaviškis, Juozak Zdebskis und Petras Dumbli­auskas, schickten am 8. Januar 1969 ein gemeinsames Schreiben an den Mi­nisterrat der UdSSR wegen der Einschränkungen im Priesterseminar zu Kaunas. Die Partei und die Regierung, die schon lange keine derartige »Frechheit« der Priester gesehen hatten, schickten die Tschekisten aus, um die »Übeltäter« zu ermitteln. Nach Verhören und Drohungen wurde den Priestern Juozas Zdebskis und Sigitas Tamkevičius für unbestimmte Zeit verboten, ihr priesterliches Amt auszuüben, und befohlen, anderswo eine Arbeit zu finden. Beide Priester arbeiteten ein Jahr lang in der Flurbereini­gung. Der Priester Lionginas Kunevičius, der versuchte, die bestraften Priester zu verteidigen, wurde ebenfalls gezwungen, seinen Anmeldungsaus­weis abzugeben, als er aber nicht gehorchte, wurde er für einige Monate zum Militär eingezogen.

Die Repressalien der Regierung gegen die Priester hielten die religiöse Be­wegung nicht nur nicht auf, sondern haben ihr geholfen, sogar noch größer zu werden.

Im Jahre 1969 attackierten die Priester der Diözesen Telšiai, Vilnius und Panevėžys weiter die sowjetischen Behörden und forderten Freiheit für die Kirche.

Zur selben Zeit organisierte sich heimlich die Jugend, führte geschlossene Exerzitien durch, vertiefte ihre religiösen Anschauungen. Langsam erholten sich die in den Untergrund vertriebenen Frauenklöster und begannen, aktiv zu arbeiten. Im Jahre 1969 erhob sich die Bewegung der »Freunde der Eucha­ristie«, die in der geistigen Wiedergeburt der Katholischen Kirche Litauens eine sehr wichtige Stelle einnahm.

Im Jahre 1970 werden die Kirchen in Sangrūda, Gaurė und Batakiai eine nach der anderen niedergebrannt. Niemand zweifelte daran, daß es sich um eine Erpressung der Regierungsgottlosen handelte, die überzeugen sollte, daß der Kampf um die Rechte der Kirche sinnlos sei.

Am 9. September 1970 wird, wegen der Katechisation der Kinder, der Prie­ster Antanas Šeškevičius verurteilt. 1971 wird, nach einer Hausdurchsuchung, der Priester Juozas Zdebskis verhaftet, und am 12. November wegen der Katechisierung der Kinder verurteilt. Am selben Tag und wegen desselben »Vergehens« wird der Priester Prosperas Bubnys verurteilt. Die drei Priester im Lager sollten die 800 in der Freiheit befindlichen davon überzeugen, daß man der sowjetischen Regierung mehr gehorchen solle als Gott, es kam aber umgekehrt — die meisten Priester stimmten den Worten des Priesters An­tanas Šeškevičius zu, die er vor dem Gericht in Molėtai sagte: »Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen« (Apg. 5, 29), und führten noch (fleißiger die Katechisierung der Kinder durch. Die Gläubigen hatten inzwi­schen in ganz Litauen begonnen, Unterschriften unter ein Memorandum zu sammeln, das die Welt später »Das Memorandum der 17 000 Gläubigen« nennen wird.

 

Ein Jahrzehnt des Kampfes für die Freiheit der Katholischen Kirche in Litauen

In diesem Jahr jährt sich zum zehnten Mal der Zeitpunkt, seit dem der uner­bittliche Kampf zwischen den entrechteten Priestern und den Gläubigen Litauens gegen die Regierungsgottlosen, die vom KGB, vom Verwaltungs­apparat der Regierung und von den Medien der Massenkommunikation un­terstützt werden, weitergeht. Hier die markantesten Punkte dieses Kampfes: Am 7. Februar 1972 schicken die Priester und die Gläubigen Litauens durch die UN Organisation ein von 17 000 Unterschriften bestätigtes Memorandum an die sowjetische Regierung, das die versklavte Lage der Katholischen Kirche in Litauen darlegt und verlangt, ihr die Freiheit wiederzugeben.

Die sowjetische Regierung nötigte die Ordinarien Litauens, dieses Memo­randum zu verurteilen, was aber die Bewegung für die Freiheit der Kirche nicht aufgehalten hat.

Am 19. März 1972 erschien die erste Nummer der »Chronik der LKK«, die sich, wie der David gegen den Goliath, im Namen des Allmächtigen Herrn hinstellte. Sie nahm in der Wiedergeburt der Katholischen Kirche Litauens die bedeutendste Stelle ein.

Die Selbstverbrennung von Romas Kalanta am 14. Mai 1972 und einige Demonstrationen der Jugend anschließend haben keinen Zusammenhang mit der Bewegung der religiösen Wiedergeburt gehabt, doch sie haben un-bezweifelbar zu dieser religiösen Wiedergeburt beigetragen. Die sowjetische Regierung, mit der Absicht, die Priester zu beruhigen, tauschte den Bevollmächtigten des Rates für die Angelegenheiten der Re­ligionen, den Tschekisten Rugienis, gegen einen beweglicheren Parteifunk­tionär, Kazimieras Tumėnas, aus; seine Mission jedoch scheiterte.

Im Jahre 1972 beginnt sich in Litauen ein Priesterseminar mit Fernstudium zu organisieren. Das war eine Reaktion gegen das Treiben des KGB im Interdiözesanpriesterseminar zu Kaunas. Unter der Geistlichkeit reifte der Gedanke, daß man eine derartige Lage, daß die vom KGB verworfenen Männer ihr Studium nicht fortsetzen und die Priesterweihe nicht bekommen könnten, nicht hinnehmen dürfe. Zur Zeit hat sich das Priesterseminar im Untergrund noch besser den Bedingungen der Verfolgung angepaßt und macht der sowjetischen Regierung ernste Sorgen. Das Errichten dieses Prie­sterseminars war einer der positivsten Schritte im Leben der Katholischen Kirche Litauens der Nachkriegsjahre. Die Initiatoren dieser Einrichtung waren die vom KGB an das Priesterseminar nicht zugelassenen jungen Männer.

Am 19. und 20. November 1973 versetzte das KGB dem Untergrund der Katholischen Kirche Litauens einen schweren Schlag. Zahlreiche erfolgreiche Hausdurchsuchungen, einige Festnahmen ließen die Regierungsgottlosen triumphieren: Jetzt wird es keine Gebetbücher mehr geben, die »Chronik der LKK« ist vernichtet, jetzt wird wieder Grabesstille die Gläubigen Litauens umhüllen. Zum Glück geschah das aber nicht.

Zur religiösen und nationalen Wiedergeburt Litauens hat nicht nur die »Chronik der LKK« sehr viel beigetragen, sondern auch die ganze freie Presse. Eine nach der anderen erschienen neue Veröffentlichungen: »Ausra« (»Die Morgenröte«), »Dievas ir Tėvynė« (»Gott und Vaterland«), »Tiesos Kelias (»Der Weg der Wahrheit«), »Rūpintojėlis« (»Der Sorgenvolle«), »Perspektyvos« (»Perspektiven«), »Alma Mater«, »Laisvės šauklys« (»Ver­künder der Freiheit«), »Vytis« (der Name des Staatswappens Litauens), »Ateitis« (»Die Zukunft«) und andere. Alle diese Veröffentlichungen, wenn sie auch nicht ganz vollkommen und dem Leser schwer zugänglich waren, organisierten die Idealisten, weckten die Perspektiven der Freiheit, steigerten das Bewußtsein und den Mut der Landsleute.

Sehr schön haben im letzten Jahrzehnt die Schwestern Ordensfrauen gewirkt. Die einen von ihnen haben sich am Kampf für die Freiheit der Katholischen Kirche in Litauen beteiligt, die anderen katechisierten in der Stille die Kinder, organisierten die Jugend, die dritten unterstützten die Aktiven mit ihrem Gebet und Opfer. Es ist schwer, die Dankbarkeit denen mit Worten auszu­drücken, die mit Ausdauer und Aufopferung die Arbeit des Herrn getan haben und auch jetzt noch tun. Nicht umsonst geriet das KGB in Bewegung, die Frauenklöster zu verfolgen, dort zu spionieren, zu versuchen, in den Klöstern Agentinnen für sich zu gewinnen und ähnliches mehr. In den Jahren 1970 — 75 nötigte die sowjetische Regierung die Pfarreien Litauens zur Erneuerung der im Jahre 1948 aufgezwungenen einseitigen »Verträge«, die den Gläubigen nichts geben, sondern sie nur verpflichten. Sehr schade, daß es den meisten Geistlichen Litauens an Selbstbewußtsein und Mut fehlte — diese Aktion der Regierung wurde fast vollständig durch­geführt, obwohl es auch heute noch in Litauen einige Dutzend von Pfar­reien gibt, die die genannten »Verträge« nicht erneuert haben. Es ist wie eine Regel: Alle falschen Schritte, alle Zugeständnisse machen zuerst immer die Karrieristen unter den Priestern. Auf diese Weise wurde immer wieder der Widerstand gebrochen, und danach wurde es der sowjetischen Regierung immer leichter, auch die anderen Priester zu nötigen.

Am 1. August 1975 bot die Abschlußakte von Helsinki der kämpfenden Katholischen Kirche Litauens eine feste Grundlage, auf die gestützt man die elementarsten Rechte und Menschlichkeit verlangen konnte — gebt uns das, was ihr vor der ganzen Welt versprochen habt!

Im August 1975 zog die Jugend Litauens, zumeist Freunde der Eucharistie, organisiert nach Šiluva, um die Mutter Gottes für die Sünden des Volkes anzuflehen und um die Gnade der Wiedergeburt zu bitten. Dieser Marsch der Jugend hat fünf Jahre lang den sowjetischen Behörden so viel Angst ein­gejagt, daß sie, um das zu verhindern, sogar das Militär, das KGB, die Miliz und die Gerichte einsetzten.

Am 28. Juli 1976 nahm das Präsidium des Obersten Rates der UdSSR ein Gesetz an, das die »Vorschriften für Religiöse Vereinigungen« bestätigte. Damit sie keine Proteste der Priester und der Gläubigen hervorriefen, ver­schwiegen die Beamten der Regierung diese Vorschriften überhaupt. Die Annahme dieser Vorschriften hat bewiesen, daß die sowjetische Regierung nicht nur auf den Kampf gegen die Gläubigen nicht verzichten will, sondern, daß sie diese jahrelang andauernde Diskriminierung juristisch legitimiert hat.

Im Sommer 1977, während der Vorbereitung der neuen Verfassung der LSSR, haben die Gläubigen Litauens, die Priester und sogar die Bischöfe ihre Vorschläge eingereicht, die Partei aber reagierte auf sie überhaupt nicht, und der die Gläubigen diskriminierende Artikel 50 — ihnen wurde das Recht der »Ausübung der religiösen Kulthandlungen« abgesprochen, den Regie­rungsgottlosen aber »die Freiheit der antireligiösen Propaganda« zugespro-wen, — wurde belassen.

Am 13. November 1978 gründete sich das Komitee der Katholiken zur Ver­teidigung der Rechte der Gläubigen. Die Priester und die Gläubigen nahmen die Schaffung dieses Komitees mit Freude auf, es fehlte aber auch nicht an solchen, die auf eine baldige Verhaftung der Mitglieder des Komitees warteten. Man muß sich bei den Landsleuten in Litauen und im Westen bedanken, daß sie die Arbeit des Komitees der Katholiken verstanden und recht eingeschätzt haben.

Der geistigen Wiedergeburt der Gläubigen Litauens hat besonders viel der neue Papst Johannes Paul II geholfen, der oftmals für Litauen eine besondere Aufmerksamkeit zeigte. So inspirierte und inspiriert immer noch das Bei­spiel des Heiligen Vaters, wie auch seine ermutigenden Worte die Priester und die Gläubigen Litauens energisch, die Rechte der Katholischen Kirche zu verteidigen und Christus treu zu bleiben.

Im Jahre 1979 solidarisierten sich 522 Priester und zwei verbannte Bischöfe Litauens mit dem Dokument Nr. 5 des Komitees der Katholiken zur Ver­teidigung der Rechte der Gläubigen und sprachen sich gegen die »Vorschrif­ten für Religiöse Vereinigungen« aus. Dieser massive Protest der Priester Litauens hat gezeigt, daß die Geistlichkeit Litauens nicht auseinanderge­brochen und, den geringen Teil der Kollaboranten des KGB nicht gerechnet, nicht verloren ist. Möglicherweise begann deswegen das KGB die Anwerbung der Seminaristen zu intensivieren, in der Hoffnung, daß in der Zukunft die Priester Litauens zerspalten und unterworfen werden könnten.

Im Jahre 1980 begannen die Gläubigen und die Priester Litauens mit einer weiten Aktion für die Nüchternheit des Volkes. Die sowjetische Regierung zeigte dieser Aktion nicht nur keine Gewogenheit, sondern verhinderte sie. Es wurde nicht erlaubt, einen Abstinenz-Verein zu gründen; die Bischöfe Litauens aber, die am Anfang eine schöne Initiative zeigten, distanzierten sich, nicht ohne Einmischung der sowjetischen Regierung, von dieser Aktion. (Nur der Administrator der Diözese Telšiai gab nicht auf).

Ein sehr bedeutungsvolles Ereignis im Leben der Katholischen Kirche Li­tauens war die Schaffung der Priesterräte. Die sowjetische Regierung sah sofort eine Gefahr darin und begann mit einem indirekten Kampf gegen die Priesterräte. Sehr schade, daß beinahe alle amtierenden Bischöfe Litauens, den Administrator der Diözese Telšiai ausgenommen (die verbannten Bi­schöfe stimmten den Priesterräten zu und segneten sie), unter Druck des KGB und des Bevollmächtigten des Rates für Angelegenheiten der Religio­nen, die Priesterräte nicht unterstützten. Sie existieren aber trotzdem weiter. Sollten die Priesterräte eines Tages formal dennoch abgeschafft werden, dann würden in jeder Diözese noch gewisse Kerne von Priestern bleiben, die im Leben der Diözesen und im Kampf für die Rechte der Kirche eine sehr wichtige Rolle spielen werden. Als ein deutliches Beispiel dafür könnte das Schreiben der Priesterräte aller Diözesen (vom 3. 5. 1981) gegen die Ein­mischung der Regierung in die Verwaltung der Pfarreien und das Aufhetzen der Pfarrkomitees gegen die Priester sein.

Die sowjetische Regierung, die sich immer mehr ausbreitende religiöse Er­neuerung in Litauen erkennend, intensivierte nicht nur ihre propagandisti­sche Arbeit, sondern unternahm auch direkte Zwangsaktionen. In der letzten Zeit ist die in der ganzen Welt bekannt gewordene vom KGB organisierte »Schweinepest« gegen die gläubige Jugend Litauens zu beklagen, die zu dem Zweck veranstaltet wurde, einen organisierten religiösen Gang nach Šiluva zu unterbinden. Für diese Aktion wurde das KGB, die Miliz und sogar das Militär eingesetzt.

Das KGB fürchtet sich besonders deswegen, weil immer mehr Jugend Li­tauens ihr Interesse für den Glauben zeigt und weil sie fähig ist, sich zu organisieren.

 

Die Folgerungen

Nachdem ein Jahrzehnt des Kampfes für die Freiheit der Kirche vergangen ist, kann man daraus schon einige Folgerungen ziehen: Wenn man die sehr schweren Bedingungen berücksichtigt, dann wurde sehr viel gewonnen: Die sowjetische Regierung erweiterte die Begrenzung im Priesterseminar, die Priester haben begonnen, öffentlich die Kinder zu ka-techisieren, sie zum Altar hinzuzulassen, immer mehr Jugendliche kommen in die Kirche, die Mehrheit der Priester mißachtet die diskriminierenden »Vorschriften für Religiöse Vereinigungen«, fürchtet sich nicht, ihr Anmel­dungszeugnis zu verlieren usw. An Stelle einer traurigen Perspektive, daß die Katholische Kirche Litauens bis auf jenen Stand gebracht wird, wie ihn die orthodoxe Kirche in Rußland hat, hat sie sich innerhalb von zehn Jahren geistig erneuert und sich, besonders qualitativ, wesentlich verbessert. Alles, was erreicht wurde, wurde nicht auf »diplomatischem« Wege und nicht auf dem Wege des »Unter-dem-Besen-Sitzens« erreicht, sondern durch den Preis eines aktiven Kampfes und des Opfers. Gott segnete die Hingabe und das Opfer der vielen Landsleute. Eines ist klar, daß auch jenen, die sich in Litauen »Diplomaten« nennen, irgendwas von der sowjetischen Regierung »auszuhandeln« erst dann gelingt, wenn sie einem massiven Widerstand der Menschen gegenüber stehen. Das Sitzen und auf bessere Zeiten warten in Angst, daß man sich den Kopf an der Wand verletzen könnte, war schon immer, und wird auch weiter für die Kirche von Nachteil sein. Der Kampf um die Freiheit der Kirche hätte nicht so wirkungsvoll sein können, wenn nicht unsere Brüder im Westen ihn mit Massenkommunika­tionsmitteln, mit organisiertem Gebet und anderen Formen unterstützt hät­ten. Für diese Hilfe sind die Katholiken Litauens allen Rundfunkstationen, den Zeitungsredaktionen, den Informationsdiensten und allen, die auf die eine oder andere Weise die Nöte der diskriminierten Katholiken Litauens in der Welt verbreiteten oder für Litauen beteten, sehr dankbar. Eine der schmerzlichsten Erscheinungen im Kampf für die Freiheit der Kirche war die Kollaboration einiger Geistlicher Litauens mit dem KGB, ihre Feig­heit und ihre im Namen einer unchristlichen »Vernunft« gemachten ver­schiedenen Kompromisse, die beinahe bis an die Grenze des Verrats ge­gangen sind. Die Geistlichen dieser Art haben sich in den Augen des gläu­bigen Volkes Litauens vollständig kompromittiert.

Ein heikles Problem der Zukunft — die Ernennung der neuen Bischöfe. Das KGB wendet alle Bemühungen auf, um den Apostolischen Stuhl irrezu­führen. Man muß zugeben, daß dies teilweise auch gelingt. Beispielsweise hat ein ernsthafter litauischer Priester in einem nach Litauen geschriebenen Brief, nachdem der Papst die Bischofsweihe für drei neue Bischöfe verhin­dert hatte, bedauert, daß die Angelegenheit der Hierarchie sich »wegen der Launen der Menschen« verwickelt hatte. Der Verfasser dieses Briefes nennt die aktiven Priester Litauens »Zerstörer«, die nicht zugelassen haben, daß über die Angelegenheit der Bischöfe jene entscheiden, »die es können und nur das Gute wollen ...« Der Inhalt dieses Briefes erlaubt, darauf zu schlie­ßen, daß jemand in Litauen dazu fähig ist, sogar die im Westen lebende Elite der Exil-Litauer meisterhaft zu desinformieren. Für einen in Zukunft erfolgreichen Kampf für die Freiheit der Kirche ist es notwendig, daß die Priester und die Gläubigen Litauens sich nicht »ganz allein «-gelassen fühlen, sondern daß sie von der freien Welt unterstützt werden. Besonders wichtig ist die Unterstützung durch den Heiligen Stuhl, der den für die Freiheit der Kirche Kämpfenden die Möglichkeit schafft, sich auch den differenziertesten Bedingungen anzupassen.