Viduklė

An das Volksgericht des Rayons Raseiniai Klageschrift

des Bürgers Svarinskas Alfonsas, (Sohn des) Vaclovas, wohnhaft in Viduklė, Šaltinio gt. Nr. 1

Am 20. März dieses Jahres habe ich von der Administrativkommission bei dem Exekutivkomitee des Rates für Volksvertreter Rayon Raseiniai einen Beschluß bekommen, datiert mit 16. März 1982, in dem geschrieben steht:

Der Pfarrer der religiösen Gemeinschaft von Viduklė hat am 20. Februar 1982 um 21 Uhr eine Versammlung von Kindern im Pfarrhaus veranstaltet, an der etwa 30 Kinder teilgenommen haben. An dieser Versammlung nahmen auch etwa 15 Eltern teil. Die Kinder führten während der Versammlung ein Schauspiel auf. Die Teilnehmer des Schauspiels waren geschminkt und wie die dargestellten Personen des Stückes angezogen. Auf diese Weise hat er die Verordnung des Präsidiums des Obersten Rates der LSSR vom 12. Mai 1966 »Wegen der administrativen Verantwortlichkeit bei Verletzung der Gesetze über religiöse Kulte« verletzt. Für den Bürger Svarinskas Alf. (Sohn des) V. ist eine Administrativstrafe von 50 Rubel zu verhängen. Dieser Beschluß ist juristisch unbegründet und ungerecht.

Es war so: Nach dem Abendgottesdienst am 20. Februar 1982 sind Eltern mit ihren Kindern in das Pfarrhaus zu Faschingspfannkuchen gekommen. Wieviele es waren, weiß ich nicht, weil ich sie nicht gezählt habe. Die im Protokoll angegebenen Zahlen sind aus der Luft gegriffen! Die Pfarrange­hörigen wollten eine Weile mit ihrem Pfarrer zusammen sein, sich gütlich tun, ein bißchen lustig sein. Leider wurde die ganze Stimmung jämmerlich durcheinandergebracht. Bis das Abendessen vorbereitet wurde (weil die Haushälterin während des Abendgottesdienstes ebenfalls in der Kirche war), haben die Leute sich unterhalten, gelacht und ein Kind trug ein Ge­dicht vor. Bald darauf sind durch die offene Tür der Ortsvorsitzende von Viduklė, Edmundas Kringeiis, der Bevollmächtigte der Miliz, Oberleutnant Butkus, und zwei Zeugen, Jonas Remeikis und Edvardas Lybikis (unter anderem betrunken) in das Zimmer hereingekommen. Sie stellten dem Pfar­rer ein Protokoll auf, daß 30 Kinder versammelt waren und Gedichte vor­trugen. Auf die Bemerkung des Pfarrers, woher er weiß, daß es 30 Kinder sind, anwortete der Orts Vorsitzende: »Ich habe etwa geschrieben.« In dem Beschluß der Administrativkommission ist diese Anschuldigung erweitert und auch die Verordnung angegeben, die der Pfarrer verletzt hat. Es ist interessant, nach welchen Grundlagen richtete sich die Administrativkom­mission, als sie diese gründliche Beschreibung des »Vergehens« anfertigte? Hat sie womöglich die Angaben des Sicherheitsdienstes verwendet? Die Verordnung vom 12. Mai 1966 habe ich in den »Nachrichten des Ober­sten Rates und der Regierung der LSSR«, wie auch die Seiten 225—226 der »Erläuterung zum StGB der LSSR« durchgelesen. Ich habe keinen Para­graphen gefunden, obwohl ich mit einem Vergrößerungsglas nach ihm ge­sucht habe, gegen den ich absichtlich oder unabsichtlich verstoßen habe. Ich bin der Meinung, daß auch ein Gericht vergebens in dieser Verordnung nach dem nötigen Paragraphen suchen würde.

Gewöhnlich wird in der Gerichtspraxis zuerst das Vergehen festgestellt und erst nachher sucht man nach Paragraphen. Diesmal wird aber auf den Buch­staben des Paragraphen versucht, wie auf einem Schusterleisten, ein »Ver­gehen« aufzuziehen.

Konnten denn nicht jene, die diesen Gang in das Pfarrhaus organisiert ha­ben, ernstere Menschen für diese Operation finden? E. Lybikis ist wegen der Sauferei, wie die Öffentlichkeit behauptet, aus der Partei ausgestoßen. Der Ortsvorsitzende von Viduklė könnte auch durch diesen, den letzten Zwischenfall charakterisiert werden. Eine der im Pfarrhaus Anwesenden, Vincenta Janušauskienė, hatte gesagt: »Warum stellt Ihr Euch selber kein Protokoll zusammen, wenn Ihr andauernd im Feuerwehrhaus sauft?« Und das war ausreichend, daß am 11. März d. J. zwei Milizmänner mit einem Lastauto gekommen sind (man weiß nicht warum eine fremde und keine örtliche Miliz) und drei Frauen: Monika Gavėnaitė, Vincenta Janušauskienė und Salomėja Kaplanienė haben sie mit Gewalt hineingesetzt und zur Miliz von Raseiniai unter dem Vorwand hingebracht, der Vorsteher der Miliz wolle sich mit ihnen unterhalten... Es sieht so aus, daß eine schriftliche Vorladung auch genügt hätte und sie wären selbst hingefahren. Wenn jemand geglaubt hat, daß er durch Zwang einen besseren Eindruck bei den Beschul­digten erreichen kann, der hat sich jämmerlich geirrt. Die Beschuldigten haben den Milizvorsteher im Gang vorbeigehen sehen. Er aber, weil er sichtlich nichts von der Sache gewußt hat, beachtete die Festgehaltenen überhaupt nicht. Im Zimmer der Miliz wurde wieder nach Lügen gegriffen: Der Vorsteher sei nicht zuhause! Wozu haben die Milizmänner sie dann hingebracht, wenn der Vorsteher nicht zuhause gewesen ist? Nachdem ein Protokoll aufgesetzt wurde, wurden alle drei Frauen in einen Wolga-Wagen gesetzt und in das Volksgericht des Rayons Raseiniai gebracht. Und dort wurden sie alle drei zu je 35 Rubel Strafe verurteilt. Der Grund: Diese Frauen haben im Pfarrhaus von Viduklė die sowjetischen Beamten mit un-zensurierten Worten beschimpft. Und wieder daneben gegriffen: Diese Frauen fluchen niemals. Dies können auch die im Pfarrhaus gewesenen 15 Eltern wie auch Leute, mit denen sie arbeiten und leben, bezeugen.

Die Administrativkommission schreibt in diesem Beschluß: »Für den Bürger Svarinskas Alfonsas, (Sohn des) V., ist eine Administrativstrafe von 50 Rubel zu verhängen« Sie erkennen mich also als Bürger an. Wenn ich ein Bürger bin, warum darf ich dann nicht Gäste zu mir einladen, sie bewirten, singen, lustig sein oder spielen? Auch in diesem Falle wollten wir lediglich eine Weile vernünftig verbringen und ein bißchen lustig sein. Gegen die Regierung haben wir überhaupt nichts gesprochen. Ohne Schuld sind wir also schuldig geworden.

Artikel 32 der Verfassung der LSSR behauptet: »Die Bürger der SSR Li­tauen sind vor dem Gesetz gleich... Die Gleichberechtigung der Bürger der LSSR ist auf allen Gebieten des wirtschaftlichen, politischen, sozialen und kulturellen Lebens gewährleistet.«

Artikel 1 der allgemeinen Deklaration der Menschenrechte bestätigt: »Alle Menschen werden frei und in ihrer Würde und ihren Rechten gleich geboren. Ihnen ist die Vernunft und das Gewissen gegeben, und deswegen müssen sie sich in Beziehung zu einander im Geiste der Brüderlichkeit verhalten.«

Aus diesen Tatsachen sieht man, daß die ständige Diskriminierung der Christen Formen des Terrors annimmt.

Ich bitte das Gericht, diesen Beschluß der Administrativkommission für nichtig zu erklären und die Atheisten wie auch die sowjetischen Beamten des Rayons Raseiniai davon zu überzeugen, daß sie durch solches Verhalten den Gläubigen gegenüber und durch die Vernachlässigung ihrer direkten Aufgaben die sowjetische Regierung bloßstellen.

Viduklė, am 26. März 1982        Priester Alfonsas Svarinskas

P.S. Das Volksgericht des Rayons Raseiniai hat anerkannt, daß Priester Alfonsas Svarinskas berechtigt bestraft wurde.

Kėdainiai

An den ersten Sekretär des ZK der KP Litauen, P. Griškevičius Erklärung

des Priesters Kęstutis Daknevičius, Vikar der St.-Georg-Kirche zu Kėdainiai

Ich möchte Ihre Aufmerksamkeit, verehrter Sekretär des ZK, auf die schwerer gewordene Lage der Gläubigen im Rayon Kėdainiai lenken. In der letzten Zeit haben die Gläubigen und ihre Kinder im Sommer wie auch im Winter keine Ruhe mehr:

Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees Juškevičius terrorisiert mit Hilfe der Atheisten von Kėdainiai verschiedenartig die Kinder; es ist noch gut, daß sie noch keine physische Torturen anwenden...

Den ganzen Sommer hindurch kamen die Atheisten zur Kirche und ver­stellten den Kindern den Weg an der Kirchentür mit verschiedenen Fragen: Wie ist dein Name? Aus welcher Schule? In welcher Klasse? usw. Den Eltern haben sie ebenfalls keine Ruhe gelassen. Endlich schrieben sie die Namen der Kinder auf und übergaben diese dem Staatsanwalt. Sie wurden zum Stellvertreter des Staatsanwaltes Gargasas vorgeladen und dort wurden sie wie die Verbrecher verhört, obwohl den Eltern das Recht zusteht, ihre Kinder nach eigener Uberzeugung zu erziehen. Es kommt die Frage auf: Welche Ver­brechen haben die Kinder gegen den Staat begangen, wenn sie sich zur Hl. Erstkommunion vorbereitet haben?

Ich selbst bin sogar zwei Mal — am 25. November 1981 und am 12. Februar 1982 zu demselben Stellvertreter des Staatsanwaltes Gargasas in Fragen der Kinderkatechese vorgeladen worden. Was habe ich verbrochen, wenn ich die Kinder den Katechismus abfrage und die Unklarheiten erklärt habe? Außerdem beschreiben sie den Priester lügenhaft in den Zeitungen, z. B. in »Tarybinis kelias« (»Der sowjetische Weg«) Nr. 37, 56 des Jahres 1981; Nr. 9 des Jahres 1982, wo sie die Gedanken und Worte des Priesters verdrehen. Sie versuchen ihn so »antisowjetisch« zu machen und dadurch eine gegne­rische Einstellung nicht nur bei den Nichtgläubigen, sondern auch bei den Gläubigen zu erzeugen.

Zu mir, dem Priester, kommen andauernd die Gläubigen und klagen ihre Erlebnisse... Die Eltern beklagen sich, daß ihre Kinder in der Schule ein­geschüchtert werden. Einigen, die auf den Kirchenbesuch nicht verzichten wollen, wird gedroht, in verschiedenen Fächern die Note herabzusetzen, und manche von ihnen haben das schon zu spüren bekommen. Den Eltern wird ständig gedroht, und deswegen fragen sie: »Was soll man tun? In den Zei­tungen schreiben sie: >Freiheit für den Glauben<. Die Verfassung garantiert diese Freiheit ebenfalls. Die Rayonbeamten aber ignorieren alles und schü­ren mit unzulässigen Mitteln den Unfrieden, auch wenn das Gesetz es ver­bietet, dies zu tun.«

Die Gläubigen fragen in tiefer Unruhe: »Wie wird es weiter gehen? Wann hören diese Willküraktionen der Rayonbeamten gegen die Gläubigen und die Priester auf? Wir hören ständig und lesen in den Zeitungen, wie unsere Priester verleumdet werden und fühlen gleichzeitig, wie derselbe Haß sich auch über uns, die einfachen Gläubigen ergießt.«

Die Gläubigen fragen unruhig: »Wird denn womöglich der Stellvertreter des Rayonexekutivkomitees und die Staatsanwaltschaft die Erziehung unserer Kinder übernehmen? Sind wir, die Gläubigen des Rayons Kėdainiai, viel­leicht nur Bürger zweiter Klasse geworden?«

Als Priester bitte ich Sie, verehrter Sekretär, Maßnahmen zu ergreifen, damit die Rayonbeamten keine gesetzwidrigen Maßnahmen gegen die Gläubigen anwenden und damit sie die Gläubigen nicht daran hindern, die verfassungs­mäßige Freiheit in Anspruch zu nehmen, nämlich den Glauben zu bekennen.

Denn das gereicht weder dem Rayon noch dem Staat zur Ehre.

Kėdainiai, am 1. April 1982        Priester Kęstutis Daknevičius

Klaipėda

An den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Rates der UdSSR Breschnew

Abschriften:

an den Ministerrat der LSSR

an den Vorsitzenden des Rates für Religionsangelegenheiten der UdSSR Kurojedow

Erklärung

der Gläubigen von Klaipėda

Schon zum sechsten Mal wenden wir uns an Sie, Vorsitzender der Präsi­diums des Obersten Rates der UdSSR, mit der Bitte, uns die im Jahre 1961 auf unsere Kosten und durch unsere Arbeit erbaute katholische Kirche von Klaipėda zurückzugeben.

Diese Kirche hat man im Jahre 1956 zu bauen begonnen, nachdem die Er­laubnis des Obersten Rates der UdSSR, des Ministerrates der UdSSR wie auch des Ministerrates der LSSR erteilt wurde. Die von den Gläubigen er­richtete Kirche wurde 1961 weggenommen und in einen Philharmoniesaal umgewandelt. Mit der Bitte, die katholische Kirche von Klaipėda zurückzu­geben, haben wir schon einige Denkschriften mit der Unterschrift der Gläu­bigen Litauens abgeschickt:

1.     Im Jahre 1974 an den Bevollmächtigten des RfR der UdSSR Kurojedow mit etwa 3500 Unterschriften;

2.     Im März 1979 an den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Rates der UdSSR mit 10 241 Unterschriften;

3.     Im Oktober 1979 an den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Rates der UdSSR mit 148 149 Unterschriften;

4.     Im Jahre 1980 an den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Rates der UdSSR mit über 600 Unterschriften;

5.     In den Monaten Juni und September 1981 wurden Delegationen der Gläubigen von Klaipėda einmal aus drei und einmal aus zehn Personen zum ZK der UdSSR und zum Rat für Religionsangelegenheiten geschickt. Es wurden Erklärungen an das Präsidium des Obersten Rates der UdSSR und an den Rat für die Angelegenheiten der Religionen abgegeben.

Klaipėda hat etwa 190 000 Einwohner. In Nida und Juodkrantė wurden die katholischen Kirchen schon vor 20 Jahren geschlossen, deswegen ist die Zahl der Gläubigen von Klaipėda und der umliegenden Ortschaften bereits auf etwa 200 000 Personen angewachsen. Das winzige, 220 Quadratmeter große Kirchlein kann die Gläubigen nicht mehr aufnehmen: diejenigen, die innen in dem Kirchlein stehen, werden ohnmächtig durch die schlechte Luft, die anderen sind gezwungen, draußen stehen zu müssen. Und an den großen Feiertagen füllen die Gläubigen alle umliegenden Straßen. Wir bitten Sie, das den Gläubigen zugefügte Unrecht so bald wie nur möglich wiedergutzumachen und die Kirche von Klaipėda ihren Eigentümern, den Gläubigen, zurückzugeben.

Wir, die Gläubigen von Klaipėda, werden niemals auf unsere Kirche ver­zichten und wir werden alles unternehmen, um sie zurückzubekommen. Dieser Vorfall zwischen der sowjetischen Regierung und den Gläubigen wirkt sich negativ aus auf das Ansehen der UdSSR, sowohl im Lande selbst als auch im Ausland.

Im April 1982        21 033 Unterschriften

Vilnius

Am 15. Dezember 1981 sandte der Priester Jonas Danyla S.J. ein Schreiben an das ZK der KP Litauens und an den Verlag »Vaga« mit der Bitte, auf sein Protestschreiben vom September 1980 eine Antwort zu geben, wegen der Lügen und groben Verdrehungen von Tatsachen in dem Buch »Be iliuzijų« (»Ohne Illusionen«) von Bronius Jauniškis, herausgegeben vom Verlag »Vaga« (siehe »Chronik der LKK« Nr. 52). Der Verlag »Vaga« hat in seinem Schreiben an Priester J. Danyla vom 6. November 1980 keine entsprechende Antwort gegeben.

Am 30. März d. J. sandte der Leiter der Redaktion der Kinder- und Jugend­literatur Litauens des Verlags »Vaga« J. Linkevičius an Priester J. Danyla, in Beantwortung seines Schreibens vom 15. Dezember 1981, eine noch ab­straktere Antwort:

»Mit Ihrer dritten Klage haben wir uns in Kenntnis gesetzt, betreffend das Buch »Ohne Illusionen« von B. Jauniškis. Es stellt der Verlag »Vaga« fest, daß darin nur die schon früher hervorgebrachten Anschuldigungen wiederholt werden; sie sind grundlos und es ist Ihnen am 6. November 1980 geantwortet worden. Auf diese zurückzukommen, besteht kein Anlaß.«