Der stellvertretende Leiter der Verkehrspolizei von Raseiniai, Miniotas, teilte am 25. Januar 1983 mit, daß der Priester A. Svarinskas wegen eines Autounfalls, der sich im Herbst ereignet hatte (damals war ihm bei einer Fahrt auf der Autobahn ein Hirsch in den Wagen gesprungen), am 26. Januar auf die Polizeistation kommen solle.

Als der Pfarrer am 26. Januar gegen 14.30 Uhr eben von einer Beerdigung zurückgekommen war, riefen sie aus Raseiniai wieder an und verlangten dringend, er solle sofort kommen; die Angelegenheit würde nicht lange dauern. Priester Svarinskas ließ die Gläubigen, die sich noch wegen des Termins einer Beerdigung einigen wollten, allein, fuhr eilig zur Polizei und versprach, bald zurückzukommen.

Nachdem sie ihn auf diese hinterlistige Weise zur Polizei nach Raseiniai vorgeladen hatten, verhafteten sie den Priester A. Svarinskas, der hungrig war, ohne Geld und ohne die notwendigsten Kleider oder Sachen bei sich zu haben.

Beim Rückweg aus der Kirche verstellten am selben Tag zwei Milizmänner den Gastpriestern nach dem Abendgottesdienst den Weg und verlangten, die Pässe vorzuzeigen. Dem Priester Jonas Boruta befahlen sie, sich am nächsten Tag um 15 Uhr in der Miliz von Raseiniai zu melden, und ließen ihre Telefonnummer zurück. (Priester Jonas Boruta, geb. 1934, im Jahre 1970 Abschluß der Universität zu Vilnius, bis Mai 1982 als wissenschaft­licher Mitarbeiter in der Abteilung für atomare Theorie im Institut für Physik an der Wissenschaftlichen Akademie tätig. Im Jahre 1982 verteidigte er eine Dissertation als Kandidat für die Wissenschaften der Mathematik-Physik; Abschluß des Priesterseminars durch Fernunterricht, vom Dezember 1982 bis Januar 1983 (einen Monat lang) in der Westukraine, Rayon Chmelnickij, in der katholischen Pfarrei Grečioni tätig). Als die Pfarrkinder das erfuhren, riefen sie sofort die zurückgelassene Telefonnummer an und fragten, wo er sich melden solle, weil sie, etwa 20 Personen, gemeinsam mit dem Priester kommen würden. Die Milizmänner hatten sichtlich Angst vor Unruhen und sagten, daß sie nichts wüßten. Sie gaben eine neue Telefonnummer an, bis schließlich jemand sagte, daß es nicht mehr not­wendig sei, zu kommen. Am nächsten Tag kam um etwa 18 Uhr die Miliz in das Pfarrhaus und befahl dem Priester J. Boruta, innerhalb von drei Stunden Viduklė zu verlassen.

An diesem Tag kam noch mehr Miliz nach Viduklė. In das Wäldchen wur­den Soldaten gebracht. Die Leute tuschelten, daß die Regierung Angst habe vor einem Aufstand. In dem Feuerwehrhaus, das sich gegenüber der Kirche befindet, und im Kulturhaus, das gerade neben dem Pfarrhaus steht, saßen verkleidete Sicherheitsbeamte an den Fenstern.

Um 21 Uhr warteten nach dem Abendgottesdienst (an diesem Tag beteten die Leute länger in der Kirche) Milizmänner versteckt auf die zurückkom­menden Priester. Als sie aber sahen, daß viele Menschen die Priester in das Pfarrhaus begleiteten und dort blieben, fuhren sie wieder weg, ohne etwas erreicht zu haben.

So haben die Pfarrkinder die Gastpriester zwei Tage und zwei Nächte lang bewacht.

Die Verhaftung des Pfarrers erschütterte die Pfarrei Viduklė: Bald wurde mit dem Sammeln von Unterschriften unter ein Protestschreiben begonnen. Die Gottlosen veranstalteten überall Versammlungen, und die Lehrer in der Schule befahlen, niemand solle die Protesttexte unterschreiben. Manche der Lehrer haben angeordnet, derartige Listen zu zerreißen.

Die Gläubigen der Pfarrei Viduklė schreiben in ihrem Protest an den Staats­anwalt der LSSR:

»Wir, die Gläubigen der Pfarrei Viduklė, bringen unseren Protest zum Ausdruck wegen der Verhaftung unseres Pfarrers, des Priesters A. Svarinskas, und seiner Beschuldigung der antikonstitutionellen und der antistaatlichen Tätigkeit. Wir haben seine Predigten gehört. Unser Pfarrer hat immer unter­strichen, daß die Einhaltung der Grundprinzipien der Verfassung den Gläu­bigen die Gewissensfreiheit garantiert.

Unser Pfarrer hat niemals aufgefordert, die Regierung zu verleumden oder dem Wohle der Allgemeinheit zu schaden. Im Gegenteil, er kämpfte an­dauernd gegen die in unserer Öffentlichkeit verbreiteten moralischen Laster, und damit tat er viel Gutes nicht nur für die Gläubigen, sondern auch für die ganze Öffentlichkeit. (...)

Wir, alle Pfarrkinder, sind unserem Pfarrer für seine herzliche Arbeit und Aufopferung sehr dankbar. (...)

Wir protestieren entschieden gegen die ungerechte Verhaftung unseres Pfar­rers, des Priesters A. Svarinskas und verlangen, ihn freizulassen.«

Diese Erklärung unterzeichneten 1326 Gläubige.

Am Sonntag (30. Januar) läuteten vor dem Hochamt alle Glocken der Kirche von Viduklė eine halbe Stunde lang und verkündeten der Pfarrei voller Trauer, daß sie ihren Hirten verloren habe, der sie so treu geliebt und so tapfer vor den Schikanen und Verfolgungen der Gottlosen verteidigt hatte.

Im Inneren der Kirche wurden Trauerbänder heruntergelassen, die die Gläubigen ständig daran erinnerten, daß die Worte ihres Pfarrers über die Liebe zur Heimat und zu Gott keine leeren Worte waren: Er ging jetzt schon zum dritten Mal auf dem dornenvollen Weg des Gefangenen. Die Jugend, mit Chorröcken und Nationaltrachten bekleidet, und die Pfarrkinder gingen vor dem Hochamt vom Hauptportal der Kirche auf den Knien bis zum Hauptaltar und baten solidarisch mit ihrem auf dem Weg des Leidens ge­henden Pfarrer den Allmächtigen um Hilfe für die kämpfende und die lei­dende Kirche. Die Priester sprachen in ihren Predigten über den Sinn des Opfers von Priester A. Svarinskas, und forderten gleichzeitig, im Gebet für ihren Pfarrer nicht müde zu werden.

Nach dem Hochamt beteten Priester und alle Menschen mit erhobenen Händen das »Gedenke, oh gnädigste Jungfrau Maria«. Ein Wald von Händen erhob sich zum Himmel im Gebet zu Gott um seine Hilfe und um die Fürsprache der Jungfrau Maria.

Am 1. Februar erfuhr man, daß Priester A. Svarinskas in der Isolationshaft des Sicherheitskomitees gehalten werde. Es wurden ihm 5 kg Nahrungs­mittel übergeben (eine Norm für einen ganzen Monat).

Die Haushälterin des Pfarrhauses von Viduklė, Monika Gavėnaitė, wurde als Zeugin zur Vernehmung in die Staatsanwaltschaft von Vilnius geladen. Der Untersuchungsrichter Bičkauskas beschuldigte sie zuerst, die Unter­schriftensammlung organisiert zu haben; anschließend wurde sie über die Person des Priesters A. Svarinskas ausgefragt, was für Predigten er gehalten habe, ob die Leute den Pfarrer geliebt hätten, ob sie nicht Dokumente des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen schrei­ben mußte, wohin diese geschickt wurden, zu welchem Zweck dieses Ko­mitee sich gegründet habe und ähnliches.

M. Gavėnaitė schilderte den Pfarrer als gewissenhaften, fleißigen, frommen und opferbereiten Priester. Was die Tätigkeit des Komitees der Katholiken zur Verteidigung der Rechte der Gläubigen betrifft, so machte sie keine Aussagen, denn der Sicherheitsdienst weiß auch so alles bestens, weil das Komitee öffentlich arbeitet.

Nach der Verhaftung des Pfarrers und der Unterschriftensammlung began­nen die Verhöre und die Einschüchterungen der Pfarrkinder von Viduklė. In die Miliz wurden wegen des Sammeins von Unterschriften vorgeladen: Ignas Paulauskas, Vincas Paulauskas, Petras Kačiušis; in die Abteilung füf Sozialvorsorge wurden vorgeladen: Elzbieta Bavarskienė, Bronė Jarmoškienė, Marytė Saukienė und Bronė Grumbliauskienė. Am 3. Februar verhörte der Sicherheitsdienst Petras Kačiušis, Bronė Jarmoškienė und Salomėja Kap-lanienė zum zweiten Mal.

Die Schule blieb auch nicht zurück: Ein Sicherheitsbeamter verhörte im Arbeitszimmer des Direktors zwei Schülerinnen, die Schwestern Jūratė und Asta Kaplanaitė. Er ängstigte die Mädchen, daß die Kirche geschlossen werde, verlangte von ihnen, sie sollten »für die Feinde der Kirche«, »für den Märtyrer Pfarrer« nicht öffentlich beten, denn das verletze die Gefühle der Atheisten.

Am 7. Februar bekam M. Gavėnaitė wieder eine Vorladung in den Sicher­heitsdienst nach Vilnius zu einer Vernehmung zu Untersuchungsrichter Bičkauskas.

Alle Pensionisten wurden in die Ortsverwaltung von Viduklė vorgeladen. Dort versuchten die Atheisten ihnen zu beweisen, daß der Pfarrer recht­mäßig verhaftet sei. In der Schule erklärten sie den Kindern, daß der Pfarrer Menschen umgebracht, den Banden angehört habe und ähnliches. Uberall wo sich Menschen versammelten, führten die Atheisten ihre Verleumdungs­aktion gegen den Priester A. Svarinskas durch.

In den Rayonzeitungen erschienen Artikel, die den Priester A. Svarinskas verleumdeten. In der Rayonzeitung von Raseiniai »Naujas Rytas« (»Der neue Morgen«) wurden sogar drei Artikel abgedruckt. In einem von diesen Artikeln beklagen sich die Lehrer der 2. Mittelschule von Raseiniai, daß der Priester A. Svarinskas die Jugend »irreführte« und die Schule hinderte, die junge Generation in atheistischen Geiste zu erziehen. Sie stimmen mit der Staatsanwaltschaft der Republik überein, die einen solchen Menschen von der Öffentlichkeit isolierte.

In einem anderen Artikel stimmen die Lehrer und die Eltern der Mittel­schule von Ariogala der Entscheidung der Staatsanwaltschaft zu. Solche »Beistimmende« und Leute, die sklavisch die Schuhe des Besatzers küssen, wird es in der Tat noch mehr geben.

In ganz Litauen wird gebetet und werden Unterschriften gesammelt; man fordert die Freiheit für Priester A. Svarinskas.

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Ein Brief des Kardinals Josef Slipyi brachte den Priestern und den Gläu­bigen Litauens, besonders aber den Einwohnern von Viduklė, Trost und Mut. Der Kirchenfürst schreibt:

»Die Umstände und die Gründe der Verhaftung des Priesters Alfonsas Svarinskas sind mir unbekannt, das eine ist aber gewiß: dieser der Kirche Christi und dem Evangelium treue, opferbereite Priester hat weder gegen den Staat, noch gegen die Gesetze ein Vergehen begangen. Das einzige Ver­gehen, das ihm die Menschen mit dunkler Gesinnung zuschieben können, das ist die Liebe zu Gott und den Menschen, Dienst am Nächsten und die Erfüllung des Gebotes Christi: das Evangelium auf der ganzen Erde zu verkünden. Warum wird der Priester A. Svarinskas bestraft?«, fragt Kar­dinal J. Slipyi.

»Vor zwanzig Jahren sind wir dem Priester A. Svarinskas sehr oft begegnet: Wir trugen beide das Joch der Unfreiheit in der Zwangsarbeit, als wir ver­haftet und mit Lager mit strengem Regime bestraft waren; wir trugen beide dasselbe Kreuz des Leidens, der Erniedrigung und der Ängstigung. Priester A. Svarinskas war sehr geduldig und treu, wie jener Titus, an den seinerzeit der Hl. Paulus geschrieben hat. Auch ich habe von ihm viel Trost, Stärkung und Hilfe erfahren. Der Priester A. Svarinskas ist die Ehre und der Stolz der Katholischen Kirche Litauens und des litauischen Volkes. Die Nachricht über seine Verhaftung und die drohende Verurteilung ist sehr schmerzlich«, — schreibt Kardinal J. Slipyi, — »sie erinnert uns aber an die Apostel Christi. Als die Apostel festgenommen und gegeißelt wurden, verließen sie voll Freude den Hohen Rat, weil ihnen wegen des Namens Jesu eine Er­niedrigung zuteil geworden war. Wir bringen wegen dieser Verhaftung unser tiefes Mitleid mit dem Priester A. Svarinskas und dem litauischen Volke zum Ausdruck, das einen eifrigen Priester verliert; gleichzeitig möge aber auch Gott dafür geehrt werden, daß er diesem mutigen Bekenner des Glau­bens die Gnade gegeben hat, den Erlöser Jesus Christus in Ketten der Bedrängnis zu bezeugen. Die Stimme der in den Ketten der Bedrängnis liegenden Bekenner ist sehr mächtig, wenn sie die Freiheit und die Wahrheit in Jesus Christus verkünden... Der barmherzige Herr möge den Priester A. Svarinskas auf seinem Leidensweg begleiten. Unser Gebet möge ihm Kraft und Trost spenden. Ich wünsche Euch die Gnade des Herrn.«

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Danke,

lieber Kardinal, daß Sie in dieser für uns, die Gläubigen Litauens, so schwe­ren Stunde mit Ihrem Herzen mit uns und unserem leidenden Bruder Priester Alfonsas Svarinskas zusammen sind.

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Die Mitglieder der Pfarrei Viduklė charakterisieren den Priester Alfonsas Svarinskas:

»Der Priester Alfonsas Svarinskas arbeitet in unserer Pfarrei seit August 1976. Bei der Beobachtung dieses Priesters bin ich zu der Überzeugung ge­kommen, daß es einen besseren Priester nicht geben kann. Er hat immer aufgefordert, viel zu beten, Christus zu lieben und gute Kinder Litauens zu sein. Die Kinder und die Jugend forderte er auf, den Eltern und den Lehrern zu gehorchen, gut zu lernen. Am Ende seiner Predigten forderte er auf, für den Frieden und für die alten Leute zu beten, die in Blinstrubiškė unterge­bracht sind. Für die Beerdigungen nahm er keine Kopeke und alle Ver­storbenen der Pfarrei beerdigte er unentgeltlich. Denen, die ärmer lebten, bot er auch eine Geldunterstützung an. Priester A. Svarinskas hat unsere Kirche renoviert und Sorge getragen für die Wege, die Blumenbeete und die Umgebung. So ein Priester ist ein Beispiel für alle anderen Priester. Der Pfarrer hat besonders gegen Gebrauch von Alkohol bei der Beerdigung und am Jahrestag gekämpft. Er sagte immer, wenn es einmal lustig wird, dann werden wir uns freuen können, jetzt ist es aber traurig und wir müssen trauern.«

Pfarrtochter P.