In den Aufzeichnungen des Dieners Gottes, Erzbischof Matulaitis, können wir nachlesen: »So viel hat unsere Kirche unter dem Zaren gelitten, doch jetzt trägt sie wieder neue Leiden, und das im Namen der Gewissensfreiheit. Mein Gott, wie sonderbar ist diese Welt.. . Dieselben Menschen, die doch vor nicht so langer Zeit gegen die Zensur, gegen die Einschränkung der Pressefreiheit gekämpft haben, lassen jetzt Zeitschriften anderer Anschau­ungen nicht zu ... Dieselben Menschen, die so heiß nach der Versammlungs­und Vereinigungsfreiheit und nach der Freiheit der Rede verlangt haben, verbieten jetzt den Menschen anderer Meinung, den Mund aufzumachen... Sie haben früher nach Gleichberechtigung verlangt, jetzt aber erkennen sie nur ihre eigenen Anhänger an. Wie oft wird hier das Sittengesetz eines laster­haften Wilden angewendet.« (Aufzeichnungen, Seite 174—175)

Wahrscheinlich wird nirgendwo auf der Welt so viel über die verschiedenen Freiheiten gesprochen wie in der Sowjetunion; Sie werden aber auch nirgends so grob verletzt wie in eben diesem Staat. L. Börne hat seinerzeit gesagt: »Es gibt keinen Menschen, der die Freiheit nicht lieben würde; aber der Gerechte wünscht sie für alle, der Ungerechte jedoch nur für sich selbst.« Die ganze Welt versteht die Religionsfreiheit folgendermaßen: Glaube, wenn du willst! Willst du nicht, dann glaube nicht! Gerade dadurch ist man nicht gezwungen, das alles zu tun, was mit der Ausübung oder Nichtaus­übung des Glaubens zusammenhängt. Bei uns wird die Gewissensfreiheit folgendermaßen erklärt: »Nach dem proletarisch-marxistischen Begriff von Gewissensfreiheit versteht man Freiheit des Atheismus als jene Freiheit des Bürgers, die ihm gestattet, sich von den religiösen Illusionen zu lösen, sich die marxistisch-leninistische Weltanschauung anzueignen und sich von ihr im Leben ungehindert leiten zu lassen... Solange sich der Gläubige von seinen religiösen Illusionen noch nicht befreit hat, solange kann es keine absolute Religionsfreiheit geben. In einem sozialistischen System will man mit dem Begriff »vollkommene Gewissensfreiheit« nur den größten Erfolg im Kampf für die Befreiung des Menschen vom Aberglauben unterstreichen. Die vollkommene Gewissensfreiheit wird nur in der kommunistischen Ge­sellschaft erreicht« (»Sowjetische Gesetze über die religiösen Kulte und die Gewissensfreiheit«). Wenn man das liest, sieht man sofort, daß die Atheisten nur nach ihrer eigenen Freiheit verlangen und auch praktisch nur diese Freiheit anerkennen. Überall stößt man auf ihre »Gerechtigkeit«; sie fängt bei der einfachen Verfolgung der Gläubigen an und geht bis zu deren skrupelloser gerichtlicher Erledigung.

Nach der Gerichtsverhandlung gegen Priester Alfonsas Svarinskas erschien in der Presse ein langer Artikel, in dem der Priester A. Svarinskas als Bandit, sehr milde ausgedrückt, als Helfer der Banditen, als Verbindungsmann hin­gestellt wurde. Als erstes möchte man dem Verfasser des Artikels raten, ein Fremdwörterlexikon zur Hand zu nehmen und ganz genau den Unter­schied zwischen den Wörtern »Bandit«, »Banditentum« und »Partisan« zu studieren, bevor er über so etwas schreibt. Man fragt sich, warum es so wichtig war, Priester A. Svarinskas in der Presse als einen Banditen hinzu­stellen. Das ist aber gar nicht schwer zu verstehen. Der Sicherheitsdienst wollte den vom Volk besonders verehrten und geliebten Priester sowohl in den Augen der Gläubigen als auch der Ungläubigen anschwärzen. Er will damit sagen: Wir verurteilen keine unschuldigen Menschen. Es wäre kindisch zu glauben, daß die Autorität und die Popularität des Priesters A. Sva­rinskas durch einen solchen Artikel vermindert würde. Und wenn sie auch vermindert würde, dann nur in den Augen jener Brüder und Schwestern, die sich weder um Gott noch um die Heimat kümmern und deren Gedanken nur noch um die enge, persönliche materielle Welt kreisen können

Nach der Verhaftung des Priesters Sigitas Tamkevičius fragte man sich im Volk: Weswegen werden sie den Priester Sigitas vor Gericht stellen? Was wird ihm die Presse unterstellen — bedenkenlos wie üblich? Er war doch in den unruhigen Nachkriegsjahren noch ein Kind!« Während die einen be­haupteten, daß nicht einmal die einfallsreichsten Korrespondenten Material finden würden, um den Priester S. Tamkevičius zu beschuldigen, waren sich die anderen, die mehr Erfahrung hatten, sicher, daß die sowjetischen Pro­pagandisten schon etwas ersinnen würden, womit sie auch diesen gerechten, sittlich hochstehenden und eifrigen Priester, für den ihn alle halten, an­schwärzen können. Letztere haben sich nicht geirrt. Kaum war die Gerichts­verhandlung zu Ende, brachte »Tiesa« (»Die Wahrheit«) schon am nächsten

Tag einen Artikel der Korrespondentin Mockuvienė heraus, mit der bedroh­lichen Überschrift »In einer Hand den Rosenkranz, in der anderen einen Prügel«.

Schon die ersten Sätze dieses Artikels bezeugen die »Wahrheitsliebe«: »Es ist wahr, der Priester Sigitas Tamkevičius hat in der Vergangenheit nicht mit den bourgeoisen Banden der Nationalisten verkehrt, hat ihre blutigen »Heldentaten« nicht gesegnet, er hat die Waffen der Banditen nicht in den unterirdischen Verliesen der Kirchen versteckt, wie das beispiels­weise jener A. Svarinskas getan hatte.« Man möchte gerne die Korrespon­dentin S. Mockuvienė um genauere Angaben bitten, in welchen Kirchen es unterirdische Verliese gibt, in denen der Priester A. Svarinskas die Waffen der Banditen (Partisanen — Bern, der Red.) versteckt haben könnte, und welche ihrer Heldentaten er gesegnet haben soll, wenn er von 1946 bis 1956 eingekerkert gewesen ist und erst am 3. Oktober 1954 im Sonderlager von Abez zum Priester geweiht wurde.

Nur um dem ganzen Artikel mehr Gewicht zu verleihen, wurde nach einer groben lügenvollen Verleumdung gegriffen. Wenn man also die ersten Sätze durchgelesen hat, ist es nicht mehr so schwierig zu erraten, in welchem Stil auch der ganze Artikel geschrieben ist.

Dem Leser dieses Artikels fällt ins Auge, daß die Korrespondentin die Zu­sammensetzung des Gerichts nicht nennt und praktisch die Namen beinahe aller Zeugen verschweigt. Aus der offiziellen Mitteilung in der Presse allein wird schon klar, wie maßlos aufgeblasen und juridisch unbegründet es ist, den Priester S. Tamkevičius der antigesellschaftlichen und antisowjetischen Tätigkeit zu beschuldigen. Folgendes nennt die Verfasserin des Artikels S. Mockuvienė: Er wurde angeklagt »wegen der Abhaltung religiöser Andachten nicht nur in Gebetshäusern«. Als solche Andachten können praktisch die Krankenbesuche (zu Hause wie auch im Krankenhaus), die Prozessionen am Allerseelentag oder Beisetzungsprozessionen zum Friedhof, eine Segnung des Kreuzes, des Hauses oder der Wohnung usw. betrachtet werden. Das alles sind aber nur Verwirklichungen der religiösen Freiheiten im Alltag, die durch die Internationale Deklaration der Menschenrechte wie auch durch die Verfassung des Landes garantiert sind. Weiter stellt die Verfasserin fest, daß der Priester S. Tamkevičius »andauernd die Gläubigen aufhetzte, sol­chen Verboten nicht zu gehorchen«; sie behauptete dabei, daß religiöse An­dachten nur in Gebetshäusern stattfinden dürfen, wo sogar das Statut der religiösen Gemeinschaften darauf hinweist, daß man die religiösen Andachten in den Kirchen (Gebetshäusern), auf dem Kirchhof wie auch auf dem Fried­hof abhalten darf. Wer das Naturrecht des Menschen, das jeder Staat unab­hängig von seinen eigenen Ideologien garantieren muß, richtig versteht, der weiß, daß dieser Priester danach strebte, daß der gläubige Teil der Gesell­schaft als Bürger die verfassungsrechtlichen und als Mensch die natur­rechtlichen, besonders die religiösen Rechte reell in Anspruch nehmen darf, ohne dabei die kirchlichen oder die nationalen Traditionen zu verletzen. Außerdem verpflichtet die Kirche selbst die Priester und die Gläubigen, am Allerseelentag zum Friedhof zu gehen und dort zu beten. Und mit welchem Grund kann man die Anschuldigung einer »gesellschaftlichen« oder »anti­gesellschaftlichen« Tätigkeit vorbringen, wenn die Rede ist von der Segnung der Wohnung und von Krankenbesuchen? Das ist doch in sich selbst schon eine rein private Angelegenheit. Als ein weiteres Vergehen nennt die Kor­respondentin S. Mockuvienė in ihrem Artikel die »Unterrichtung der Kinder in Gruppen«. Ob in Gruppen oder einzeln unterrichtet wird, worin soll da der Unterschied bestehen? Es wird doch in beiden Fällen dieselbe Religion gelehrt. Wenn das Recht der Eltern, ihre Kinder in Religion zu unterrichten, in der Verfassung beibehalten wurde, und wenn die Eltern durch das Unter­richten ihrer Kinder grundsätzlich das Gesetz nicht verletzen, dann verletzen sie es auch dann nicht, wenn sie ihre Kinder noch besser in der Religion unterrichten wollen. Wieso macht sich dann der Priester strafbar, wenn er dieselbe verfassungsmäßige Freiheit verwirklicht und den Eltern hilft, sie zu erfüllen? Das ist doch schließlich die erstrangige Pflicht eine Priesters. Aber wahrscheinlich liegt der Kern dieser Anschuldigung in den Worten »religiöse Unterrichtung der Kinder«. Das nennen die Atheisten oft ein Vergehen und geben als Argument das Gesetz der Verfassung an, daß die Kirche von der Schule getrennt sei. Was hat das aber mit der Verletzung des Gesetzes zu tun — wie dies beispielsweise der Fall wäre, wenn man eine religiöse Schule gründen oder Religionslehre als Pflichtunterricht ein­führen wollte? Kann man denn jedes Vermitteln eines Wissens schon als Schule bezeichnen?

Priester S. Tamkevičius wird in dem Artikel beschuldigt, daß er in der Kirche zu Šlaventai die Eltern aufgefordert habe, den Kindern den Beitritt zu Organisationen der Gottlosen, die für die Ungläubigen vorgesehen sind, zu verbieten. Dies müßten eigentlich auch Lehrer fordern, wenn es ihnen wirk­lich darum ginge, daß die Schüler nicht zu Heuchlern erzogen werden. S. Mockuvienė gibt in ihrem Artikel deutlich zu, daß es in Sowjetlitauen als Vergehen angesehen wird, wenn Erklärungen geschrieben und Unterschriften dafür gesammelt werden. Die Korrespondentin findet aber noch ein Ver­gehen: »Ende des vergangenen Jahres verkündete er während der Predigt, daß er auf dem Kirchhof ein Weihnachtsbaumfest organisieren werde, lud die Pfarrgemeinde dazu ein und bat sie, auch die Kinder mitzubringen. Zu seiner Hilfe lud er noch ein paar Priester ein.« Hat man denn irgendwo in der Welt gehört, meinetwegen auch in einem nicht so »freien« Land wie Litauen, daß die Vorbereitung eines Weihnachtsbaumfestes und eine Ein­ladung befreundeter Priester zur Hilfe als ein Staatsverbrechen betrachtet würde — wohlgemerkt als Begründung für eine Bestrafung zu sechs Jahren Lager mit strengem Regime und vier Jahre Verbannung?

Die Korrespondentin S. Mockuvienė erinnert sehr oft daran, daß sich S. Tamkevičius auf Verleumdung eingelassen und die sowjetische Wirklichkeit angeschwärzt habe. Gleichzeitig gibt sie aber zu, daß der Verurteilte ein direktes Wort gegen die sowjetische Regierung weder gesagt noch geschrieben hat: »Priester S. Tamkevičius hat sehr gut gewußt, daß er nichts gewinnt, wenn er offen gegen die sowjetische Regierung sprechen wird,... er predigt zwar über die Schädlichkeit der Gottlosigkeit, versteckt dies aber unter der Maske spitzfindiger Ausdrücke.« Man muß eigentlich dazu nur bemerken, daß es überhaupt nicht nötig ist, die sowjetische Wirklichkeit anzuschwärzen, damit man als Staatsverbrecher bezeichnet wird, sondern es genügt schon, sie zu kennen oder die Wahrheit über sie zu sagen.

Es wäre wirklich interessant zu wissen, was S. Mockuvienė selbst dabei denkt, wenn sie schreibt: »Die menschliche Hochachtung, das Recht zur Ausbildung, ... und andere soziale Privilegien wurden und werden immer und allen einheitlich zuteil.« Für wen hält sie die Leute, die ihren Artikel lesen und die viele Fälle von Diskriminierung kennen und auch selber schon viele Benachteiligungen haben erdulden müssen allein deswegen, weil sie es wagen, sich als praktizierende Gläubige zu zeigen? Vielleicht wird die Korrespon­dentin versuchen, sich auf einzelne Zeugen zu berufen, die angeblich einige in der »Chronik« aufgeführte Tatsachen der Verfolgung widerrufen haben. Wenn man im sowjetischen Litauen lebt, dann ist es nicht schwer zu ver­suchen, sich auf einzelne Zeugen zu berufen, die angeblich einige in der »Chronik« aufgeführte Tatsachen der Verfolgung widerrufen haben. Wenn man im sowjetischen Litauen lebt, dann ist es nicht schwer zu verstehen, wie solche Zeugen »gefunden« und wie sie zu Zeugen »gemacht« wurden. Nicht alle Geschädigten sind in der Lage, dem Druck des Sicherheitsdienstes standzuhalten. Wenn damit gedroht wird, daß man aus der Arbeit oder aus der Schule entlassen wird, widerrufen manche ihre früheren wahrheitsge­mäßen Aussagen. Es ist doch allen sehr wohl bekannt, wie die Sicherheits­beamten ihre Zeugen aussuchen. Vor dem Prozeß gegen den Priester A. Svarinskas wurden die Zeugen etwa so ausgewählt: Die Regierungsvertreter laden einen Mitarbeiter zu sich ein und tragen ihm auf, was er bei der Zeu­genaussage während der Gerichtsverhandlung gegen den Priester auszusagen hat. Auf diese Weise wurden auch die Zeugen für den Gerichtsprozeß gegen Priester S. Tamkevičius besorgt. Nach der Verhaftung des Priesters S. Tam­kevičius wurden die Zeugen zu Dutzenden zum Verhör vorgeladen. Obwohl sie die Gerichtsverhandlung mitverfolgen wollten und sich bemühten, in den Verhandlungsraum zu gelangen, wurde doch keiner von ihnen zuge­lassen. Warum ließ man sie nicht in den Saal hinein? Schätzungsweise 70 000 Gläubige haben die Texte der Protesterklärungen unterschrieben, daß diese »Erledigung« des Priesters ein grobes Verbrechen wird, darauf hat aber niemand geachtet. Wenn nicht von einem Kriminalverbrechen geredet wird, sondern von der sozialen, religiösen oder politischen Aktivität, ist dann ein

Protest der etwa 70 000 Unterzeichner, die sich gegen die dem Priester S. Tamkevičius zur Last gelegten Anschuldigungen wenden, kein ausreichendes Zeugnis, um den verbrecherischen Charakter der Tätigkeit des Priesters be­urteilen zu können? Wenn es darum geht, einen wegen der Zahlung der Alimente, einen Plünderer oder einen Strolch vor der strafrechtlichen Ver­antwortung zu schützen, genügt nicht selten ein Bittgesuch oder eine Ga­rantie von einem oder ein paar Dutzend Mitgliedern eines Kollektivs. Wenn aber einem unschuldig vor Gericht gestellten Priester geholfen werden soll, dessen »Weihnachtsbaum«, dessen »Organisieren einer Prozession« und dessen »Unterrichtung der Kinder in Gruppen« dem Sicherheitsdienst nicht gepaßt hat, dann genügt auch ein Zeugnis von mehreren Zehntausenden nicht.

Die »durch Fakten bewiesenen« Verbindungen des Priesters S. Tamke­vičius zu der Untergrundveröffentlichung »Chronik« sind dem Leser auch weiterhin unklar geblieben, weil die Korrespondentin S. Mockuvienė keinen der angeblich konkreten Beweise in ihrem Artikel veröffentlichen wollte. Die Aussagen aber über die Grundlosigkeit der in der »Chronik« veröffent­lichten Nachrichten sind, wenn man das ganze System kennt, mehr als lä­cherlich. Als Beispiel kann man den Fall von der Mittelschule von Šaukėnai erwähnen, der im Artikel genannt wird: als Zeuge wird nicht der geschä­digte Schüler vor Gericht geladen, sondern die Lehrerin, die ihm die Note im Betragen herabgesetzt hatte.

Die Tatsache, daß der Priester S. Tamkevičius die Adresse der UNESCO nicht angeben konnte, wie es in der »Tiesa« (»Die Wahrheit«) geschrieben wird, klingt nicht wie eine Anklage gegen den Priester, sondern wie eine Anklage gegen jene, die nicht einmal die Möglichkeit lassen, um Hilfe zu bitten, indem sie viele internationale Organisationen der Menschenrechte, der Hilfe und der Verteidigung vor den Menschen verheimlichen und sie auf jede Weise hindern, mit ihnen in Verbindung zu kommen und sich an sie zu wenden.

Wenn man den Artikel durchgelesen hat, dann kommt man zu dem Schluß, daß man auf diese Art jeden Priester Litauens verurteilen kann. Sowohl Gläubigen als auch Ungläubigen ist es — sofern sie nüchtern denkende Menschen sind — immer noch unklar, weswegen der Priester S. Tamke­vičius nun eigentlich verurteilt worden ist. Wegen Gruppenunterricht mit Kindern? Wegen der Verteidigung des Glaubens?! — und das sind doch die Pflichten eines Priesters! Wegen des Schreibens der Erklärungen? — es ist doch allen Bürgern die Freiheit der Rede und der Presse garantiert. Wegen der Kritik des Atheismus? — Verfolgung wegen der Kritik ist durch die Gesetze verboten. Wenn der Priester wirklich schuldig gewesen wäre, dann hätte man nicht so sorgfältige Vorbereitungen für die Gerichtsverhandlung treffen müssen: man hat den Gerichtstermin geheimgehalten, hat streng darauf geachtet, daß die Leute nicht von der Arbeit wegkamen (nicht einmal ein Tauschen der Arbeitszeit wurde zugelassen!), man hätte nicht jene, die nach Vilnius gekommen waren, vom Gerichtspalast vertrieben und nicht tagelange Arreststrafen verteilt. . . nein, die Gerichtsverhandlung wäre dann ohne Zweifel einer möglichst breiten Öffentlichkeit vorgeführt worden.

Obwohl die Korrespondentin S. Mockuvienė 4 Tage lang die Gerichtsver­handlung beobachtet hatte, war sie trotz allem nicht in der Lage, wenigstens eine einzige überzeugende, ernste Anschuldigung zu finden. Ein hoher Parteifunktionär verplapperte sich einem Priester gegenüber: »Warum seid ihr den Korrespondenten böse? Sie haben ihre Artikel über den Priester A. Svarinskas und den Priester S. Tamkevičius so geschrieben, daß ihre Un­schuld direkt sichtbar ist!«

Wenn die Korrespondentin S. Mockuvienė ihrem Artikel die Überschrift gibt: »In einer Hand den Rosenkranz, in der anderen einen Prügel«, dann heißt das für das Volk »In einer Hand den Rosenkranz, in der anderen die Wahrheit«. Und zwar deswegen, weil die Wahrheit für den sowjetischen Atheismus wahrhaftig der schrecklichste Prügel ist. Noch lange bevor die Gerichtsverhandlung gegen Priester S. Tamkevičius stattfand, war gleich nach seiner Festnahme im Volke eine Äußerung von jenen im Umlauf, die beabsichtigten, den eifrigen Priester zu erledigen: »Wir haben einen großen Stier eingefangen, wir finden aber keine Kette, mit der wir ihn bändigen könnten«, was bedeutet: wir haben eine große Persönlichkeit festgenommen, wir finden aber nichts, womit wir sie anklagen könnten. Deswegen ist es kein Geheimnis mehr, warum Priester S. Tamkevičius sogar 7 Monate lang im Keller des Sicherheitsdienstes festgehalten wurde. Schon das blitzartige Erscheinen dieses Artikels in der Presse (gleich am nächsten Tag nach der Gerichtsverhandlung) spricht dafür, daß alles schon im voraus beschlossen und hergerichtet war, und die Gerichtsverhandlung nur mehr ein eigenartiges Theater darstellte.

Vor beinahe zweitausend Jahren wurde Christus im Namen des Gesetzes zum Tode verurteilt: »Wir haben ein Gesetz, und nach diesem Gesetz muß er sterben« (...) Im Namen des Gesetzes mordete Hitler seinerzeit die Juden, Stalin verbannte Millionen unschuldiger Menschen nach Sibirien... Auch in diesem Jahr verurteilte das Oberste Gericht zu Vilnius, ebenfalls im Namen des Gesetzes, zwei der eifrigsten Priester Litauens: A. Svarins­kas und S. Tamkevičius.

Die Geschichte hat die Fehler der Vergangenheit verurteilt. Es besteht kein Zweifel, daß die Geschichte von morgen die jetzigen Ereignisse auch so beurteilen wird; und selbst wenn sich die Geschichte irren sollte — Gott wird sich nicht irren!