Vilnius

Am 22. und 23. Mai 1984 wurden die Stimmen der Wahlen zum Priesterrat der Erzdiözese Vilnius gezählt. Als der Bevollmächtigte des Rates für Re­ligionsangelegenheiten, Petras Anilionis, das Ergebnis der Wahlen erfuhr, tadelte er den Verwalter der Erzdiözese, Priester Algirdas Gutauskas, sehr, daß er sich mit dem Vorschlag des Bischofs Julijonas Steponavičius einver­standen erklärt hatte, die Wahlen durch eine Geheimabstimmung durchzu­führen, und daß nicht verhindert worden war, die Priester Algimantas Keina, Jonas Lauriūnas und Donatas Valiukonis in den Priesterrat zu wählen. P. Anilionis gab Anweisungen, wen der Verwalter A. Gutauskas in den Prie­sterrat bestimmen solle und aus welchen Mitgliedern der Beraterrat zusam­mengesetzt werden müsse. Aus den gewählten Mitgliedern des Rates eigne sich nach der Anschauung P. Anilionis nur ein Priester für den Beraterrat. Bei den Wahlen des Priesterrates wurden acht Priester gewählt, P. Anilionis erlaubte aber nur sechs zu wählen; zwei der gewählten Priester — K. Vasi­liauskas und J. Slėnys — werde er nicht anerkennen. Sollten die genannten Priester, trotz des Verbots, in den Priesterrat hineinkommen, — so sagte P. Anilionis, — dann würde er den Priester J. Vasiliauskas sofort aus Vilnius anderswohin versetzen, und von dem Priester J. Slėnys würde er in der Presse ihn kompromittierende Aufnahmen veröffentlichen.

P. Anilionis richtete Drohungen an die Adresse des Apostolischen Admini­strators der Erzdiözese Vilnius, Bischof J. Steponavičius, daß er wegen Ein­mischung in eine Sache, die nicht die seine sei (d. h. in die Zusammensetzung des Priester- und Beraterrates der Diözese — Bern. d. Red.), aus Zagare an einen Ort verbannt werde, wo ihn niemand mehr werde erreichen können. Der Bevollmächtigte war entsetzt, daß die Priester der Erzdiözese ihren Bischof besuchen und mit ihm verkehren.

Ähnlich schikanierte P. Anilionis auch den Verwalter der Diözese Panevėžys, den Prälaten K. Dulksnys, indem er ihm Anweisungen gab, wie sich für die Gottlosen annehmbare Priester- und Beraterräte zusammensetzen sollten.

Kaunas

Im Mai 1984 waren die Dekane der Erzdiözese Kaunas und der Diözese Vilkaviškis zu einer Begegnung mit dem Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten, Petras Anilionis, eingeladen. Der Bevollmächtigte widmete seine Rede der Rechtfertigung der Verurteilung der Priester Al­fonsas Svarinskas und Sigitas Tamkevičius. Er versuchte zu beweisen, daß auch im »bourgeoisen« Litauen Priester vor Gericht gestellt worden seien. Als Beispiel nannte er den Fall des Prälaten Olšauskas. »Außerdem sind auch in den Vorkriegsjahren schon Priester überfallen, beraubt und sogar ermordet worden«, stellte Anilionis fest und zitierte eine Reihe von Nach­richten aus der Zeitung »Ūkininko patarėjas« (»Berater des Bauern«). Der Bevollmächtigte behauptete, daß das in diesen Zeiten niemand der Regie­rung angelastet habe. Niemand hätte die Nachrichten ans Ausland überge­ben. (Er hat aber »vergessen« zu unterstreichen, daß damals die Regierung nicht verbot, dies zu tun. Über den Prozeß gegen Prälat Olšauskas haben auch die Zeitungen im Ausland geschrieben und dabei sowohl die Inobjekti-vität des Gerichts als auch das Fehlen von Beweisen herausgehoben — Bern, d. Red.).

P Anilionis forderte die Dekane auf, die verurteilten Priester Alf. Svarinskas und S. Tamkevičius als Staatsverbrecher anzuerkennen; dafür versprach er, die Frage der Erhöhung der Kandidatenzahl für das Priesterseminar in Kaunas zu überdenken. P. Anilionis brachte in seiner Rede seine Verär­gerung über das Benehmen der Dekane der Erzdiözese Kaunas und der Diözese Vilkaviškis zum Ausdruck, weil das, was er vor einem Jahr zu ihnen gesprochen hatte, alles an den Vatikan übergeben worden war, »und das kann man nicht anders nennen als eine Schweinerei!«, schloß Anilionis zornig seine Rede.

Nevarėnai (Rayon Telšiai)

Am 4. März 1984 gegen 18 Uhr klingelte in der Wohnung des Pfarrers von Nevarėnai das Telefon. Als der Priester V. Šikšnys den Hörer aufhob, kam etwa folgendes Gespräch zustande:

»Pfarrer, Sie haben noch nicht gewählt. Sind Sie vielleicht krank, und sollen wir zu Ihnen ins Haus kommen, damit Sie Ihre Stimme abgeben können?«

»Ich bin gesund, und Sie brauchen die Urne nicht herzuschicken. Und mit wem spreche ich?«, fragte der Pfarrer.

»Es ist der Vorsitzende der Wahlkommission«, hörte man die Antwort. »Und wie ist Ihr Name?«, erkundigte sich der Pfarrer.

»Das ist nicht wichtig«, versuchte der Vorsitzende der Wahlkommission sich herauszuwinden.

»Wenn Sie sich nicht vorstellen, dann lege ich den Hörer auf«, erklärte der Pfarrer entschieden.

Der Gesprächspartner sagte, daß er Kieliauskas sei (Sekretär der Partei­organisation von Navarėnai). Als der Priester V. Šikšnys erklärte, daß die Wahlen frei seien, und daß er sich weigere, zu wählen,-versuchte der Sekretär Kieliauskas ihn zu überzeugen:

»Aber, Pfarrer, erfüllen Sie doch Ihre Pflicht als sowjetischer Bürger...« »Wenn Sie den Priester Alf. Svarinskas und den Priester S. Tamkevičius aus dem Gefängnis entlassen haben, dann komme ich ohne jede Aufforde­rung und wähle«, erwiderte der Pfarrer.

So endete das erste Gespräch. Es dauerte keine zehn Minuten, als es schon wieder klingelte. Diesmal rief der Stellvertreter des Vorsitzenden von Ne-varėnai, Mikalauskas, den Priester V. Šikšnys in der Angelegenheit der Wahlen an. Die Fragen und Antworten waren ähnlich wie beim ersten Ge­spräch. Als der Stellvertreter des Vorsitzenden fragte, was er wegen der Nichtbeteiligung des Pfarrers an den Wahlen dem Rayon melden solle, sagte der Priester V. Šikšnys ganz deutlich: »Melden Sie alles, was ich Ihnen ge­sagt habe.«

Dublčiai (Rayon Varėna)

Der Pfarrer der Pfarrei Dubičiai, Priester Mykolas Petravičius, wurde am 2. Mai 1984 zum Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees, Laukelis, vorgeladen. Priester M. Petravičius wurde eine schriftliche Ver­warnung des Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten, P. Anilionis, vorgelesen. Er wurde deswegen verwarnt, weil er während der Exerzitien zur Fastenzeit d. J. in Weißrußland in der Pfarrei Naujadvaris dem Pfarrer, der diese Pfarrei versorgt, beim Beichtabnehmen geholfen hatte. Damit habe der Priester M. Petravičius angeblich den Artikel 19 des Statuts der religiösen Gemeinschaften verletzt, der Amtshandlungen ohne Genehmigung der örtlichen Behörden verbietet. (Den Priestern aus Litauen werden solche Genehmigungen niemals ausgestellt und so ist es den Prie­stern in Weißrußland, die 3 — 4 Pfarreien zu versorgen haben, auch während der Exerzitien verboten, sich aushelfen zu lassen — Bern. d. Red.). In der Verwarnung wird damit gedroht, daß strengere Maßnahmen ergriffen wür­den, wenn der Priester nicht gehorche. Das ist schon die dritte Verwarnung für Priester M. Petravičius mit demselben Inhalt. Da es der Stellvertreter Laukelis nicht zuließ, den Text der Verwarnung abzuschreiben, verweigerte

Priester M. Petravičius seine Unterschrift, die besagt, daß er die Verwar­nung erhalten habe.

Der Stellvertreter Laukelis drohte dem Priester an, daß die Rayonverwal­tung keine Zuteilung für Heizmaterial für die Kirche ausstellen werde, falls eine Nachricht über diese Unterhaltung in die »Cronik« gelange. »Spucke nicht in einen Brunnen, aus dem du selbst trinken mußt«, schloß der Stell­vertreter des Vorsitzenden des Exekutivkomitees, Laukelis, die Unterhaltung ab.

Kalesninkai (Rayon Šalčininkai)

Der Pfarrer der Pfarrei Kalesninkai, Jonas Vaitonis, war am 7. Juni 1984 zu der Stellvertreterin des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees, Tama­šauskienė, vorgeladen. Die Stellvertreterin las ihm eine schriftliche Verwar­nung des Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten, P. Ani-lionis, vor, die dem Priester J. Vaitonis verbietet, den Priestern in Weißruß­land während der Ablaßfeierlichkeiten und Exerzitien bei der Beichtabnahme auszuhelfen. Die Verwarnung aushändigen oder abschreiben zu lassen, er­laubte Tamašauskienė nicht. Priester J. Vaitonis unterschrieb die Verwarnung nicht.

Padubysis (Rayon Kelmė)

Im Sommer 1983 wurde am Rande des Kiefernwaldes von Padubysis ein Kreuz mit einem daran befestigten Marterl aufgestellt. Die Leute kamen zu dem neuerrichteten Kreuz zum Beten und pflanzten Blumen. Das alles gefiel dem Parteisekretär des Kolchos »Tarybinis artojas« (»Der sowjetische Pflü­ger«), Kerbedis, nicht. Er versuchte die Traktorfahrer zu überreden, das Kreuz umzureißen. Für diese Leistung versprach er einen neuen Traktor. Der Traktorfahrer Antanas Marozas, ein Kandidat für die Partei, war ein­verstanden, das Kreuz umzureißen. Eines Nachts, Ende Dezember, wurde das Kreuz mit dem Traktor »Kiroviec« umgeworfen. Man weiß nicht, wohin es gebracht wurde.

Parteisekretär Kerbedis hielt sein Wort: Nach der Vernichtung des Kreuzes arbeitete der Traktorfahrer A. Marozas mit einem neuen Traktor.

Telšiai

Am 1. September 1983 wurde in Telšiai der Christ Antanas Droba beige­setzt. Seine Arbeitskollegen wandten sich an das Rayonexekutivkomitee und baten um die Erlaubnis, den Trauerkondukt durch die Straßen der Stadt gehen zu lassen. Es wurde erlaubt, aber unter der Bedingung, daß der Prie­ster nicht mitgehe und die religiösen Zeichen, das Kreuz und die Fahnen nicht getragen würden. Gewöhnlich werden nur nichtreligiöse Prozessionen in der Stadt erlaubt. Und so wurde der Priester J. Pačinskas extra zum Fried­hof gefahren, während die Trauerprozession durch die Stadt ging.

Žlibinai (Rayon Plungė)        

Im Jahre 1982 richteten die Gläubigen von Žlibinai im Rayon Plungė eine Erklärung mit 300 Unterschriften an den Ministerrat der LSSR und den Bischof und forderten, man solle ihnen die in ein Lager umgewandelte Kirche zurückgeben. In der Erklärung wurde darauf hingewiesen, daß die Gläubigen Schwierigkeiten hätten, ihren religiösen Pflichten nachzugehen, weil sie keine Kirche haben. In die anderen Ortschaften, in denen es Kirchen gibt, fahren keine Busse. Bei der Beerdigung der Verstorbenen sind sie gezwungen, auf unpassierbaren Wegen in die fünf Kilometer entfernte Kirche von Kontaučiai zu fahren, und nachher zurück zum Friedhof von Žlibinai. Statt einer Ant­wort begannen Verhöre. Den Arbeitern, Schülern und Studenten, die die Erklärung unterzeichnet hatten, wurde mit Entlassung aus der Arbeit und Verweisung von der Schule gedroht. Sie wurden genötigt, ihre Unterschriften zu widerrufen. Anfang 1983 wandten sich 106 Gläubige wiederum an den Ministerrat der LSSR mit der Bitte, ihre religiöse Gemeinschaft anzumelden und die Eröffnung eines Gebetshauses in Žlibinai zu erlauben. Am 18. Mai 1983 antwortete der Stellvertreter des Vorsitzenden des Rayonexekutivkomitees von Plungė, Henrikas Buivydas, den Gläubigen schriftlich, warum es nicht erlaubt werde, in Žlibinai eine religiöse Gemein­schaft anzumelden und ein Gebetshaus zu eröffnen: 1. Es verkehren Omni­busse; deswegen könne man auch anderswohin in die Kirche fahren. Wahr ist: aus Žlibinai fahren keine Omnibusse, aber es ist für die Zukunft eine Linie vorgesehen (Es fragt sich nur, wann? — Bern. d. Red.). 2. Žlibinai ist eine unbestätigte Ortschaft. Deswegen wird in der weiteren Zukunft keine Kirche benötigt; alle Anwesen werden umgesiedelt.

Rayon Lazdijai

Die Gläubigen der Dörfer Paveisininkai, Vikališkė, Sapeigiškiai, Navikai und Alekniškiai haben sich schon oft an die Behörden der Regierung gewandt mit der Forderung, das im Dorf Paveisininkai stehende Gebetshaus benützen zü dürfen. Im November 1983 bekamen sie eine Antwort auf ihre Erklärung, die sie an den Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegenheiten ge­richtet hatten und die von 130 Gläubigen unterschrieben worden war:

Der Bevollmächtigte der LSSR im Rat für Religionsangelegenheiten beim Ministerrat der UdSSR

Am 14. 11. 1983. Nr. 476 An Bürger Antanas Janukonis,

Rayon Lazdijai, Post Kapčiamiestis, Dorf Paveisininkai

Wir teilen Ihnen mit, daß die religiöse Gemeinschaft von Paveisininkai nicht angemeldet ist; deswegen ist sie nicht berechtigt, das Gebetshaus zu benützen. Ihre Erklärung ist Punkt 5 des Statutes der religiösen Gemeinschaften ent­sprechend aus Gründen der Zuständigkeit an das Exekutivkomitee des Volks­deputiertenrates des Rayons Lazdijai zur Uberprüfung weitergeleitet worden.

Der Bevollmächtigte des Rates: P. Anilionis

*

Das Exekutivkomitee des Volksdeputiertenrates Rayon Lazdijai Am 30. 11. 1983. Nr. 147.

Betrifft: Erklärung, gerichtet an den Bevollmächtigten der LSSR im Rat für Religionsangelegenheiten beim Ministerrat der UdSSR wegen der Kirche in Paveisininkai.

An:

Antanas Janukonis, wohnh. im Dorf Paveisininkai, Gemeinde Kapčiamiestis

Das Exekutivkomitee des Rayons Lazdijai teilt Ihnen nach der Überprüfung Ihrer gemeinsamen Erklärung bezüglich der Eröffnung der Kirche im Dorf Paveisininkai mit, daß wir Ihre Erklärung wegen der folgenden Umstände unberücksichtigt lassen:

Als 1948 eine Registrierung der religiösen Gemeinschaften in der Republik durchgeführt wurde, blieb die Gemeinschaft der Katholiken von Paveisininkai unregistriert. Zwischen der religiösen Gemeinschaft und den Regierungs­organen ist kein Vertrag abgeschlossen worden, in dem die Übergabe des Gebetshauses und des kirchlichen Eigentums geregelt worden wäre. Das Dorf Paveisininkai wurde der Gemeinde Kapčiamiestis angegliedert, damit wurden auch die Gläubigen der Gemeinde der angemeldeten religiösen Ge­meinschaft der Katholiken von Kapčiamiestis zugeordnet.

Der Ministerrat der LSSR übergab das Kirchengebäude an das Exekutiv­komitee des Rayons Veisiejai, das es dem Kolchos »Žygis į gyvenima« (»Aufbruch ins Leben«) für kulturelle Zwecke zur Verwendung gab. Der Kolchos riß das Gebäude nicht ab und hat es auch nicht in den vorgesehenen Zentralwohnort in Samoškai versetzt.

Nach der Zusammenlegung des Rayons Veisiejai mit dem Rayon Lazdijai und nach der späteren Vereinigung der Kolchosen ging das Gebäude des ehemaligen Gebetshauses an den Kolchos »Kapčiamiestis« im Rayon Laz­dijai über, zu dem es auch zur Zeit gehört. Ein Teil des früheren Inventars und des anderen Besitzes der Kirche wurde an das Atheistische Museum übergeben, einen Teil haben die Bewohner an sich genommen, ein weiterer Teil wurde der religiösen Gemeinschaft der Katholiken von Kapčiamiestis übergeben (Der religiösen Gemeinschaft von Kapčiamiestis wurde nichts übergeben, sondern von Veisiejai übernommen, weil der Pfarrer der Pfarrei Veisiejai bis 1969 die Kirche von Paveisininkai versorgt hat. — Bern. d. Red.)

Auf diese Weise hat das Gebäude, das schon seit vielen Jahren nicht mehr als Gebetshaus benutzt wird, seinen funktionellen Wert und seine Bedeutung verloren.

Mit anderen Worten: Es besteht kein Grund mehr, die Frage der Anmeldung der religiösen Gemeinschaft der Katholiken von Paveisininkai und der Über­gabe des ehemaligen Gebetshauses an sie neu zu überprüfen, weil sich das Dorf Paveisininkai nicht vergrößert und keine Aussichten für die Zukunft hat. Zur Zeit gehören zum Dorf 25 Anwesen mit 62 Einwohnern. Es gibt auch keine anderen größeren Ortschaften in der Nähe, von denen die Gläu­bigen bequemer nach Paveisininkai als nach Kapčiamiestis, Weisiejai oder Kučiūnai kommen könnten.

Auf Grund des Dargelegten beschloß das Rayonexekutivkomitee, Ihre Er­klärung unberücksichtigt zu lassen.

Der Stellvertreter des Vorsitzenden des Exekutivkomitees: L. Vanagas

Vilnius

An die Staatsanwaltschaft der SSR Litauen

An den Vorsitzenden des Staatssicherheitsdienstes der SSR Litauen Erklärung

des Lapienis Vladas, Sohn des Antanas, wohnhaft in Vilnius, Gelvuonų 47-7.

»Es ist jedem ohne die geringsten Einschränkungen erlaubt, alles zu reden und zu schreiben, was ihm gefällt«, hat der Gründer der bolschewistischen (jetzigen kommunistischen) Partei gesagt (Schriften, Band 10, 195, in litau­ischer Sprache, Seite 29).

Als diese Partei nach der Oktoberrevolution die Regierung in die Hände genommen hätte, verkündete sie in der Verfassung: »Allen Bürgern wird das Recht der religiösen oder antireligiösen Propaganda zuerkannt« (Jaro-slavskis »Apie religija« / »Uber die Religion«, 1959, Vilnius, Seite 27). In dieser Verfassung wird die Gleichberechtigung aller Bürger unabhängig von seinem Verhältnis zur Religion deklariert. Als sich diese Partei aber in der Regierung gefestigt hatte, verkündete sie eine neue Verfassung, in der nur mehr das »Recht, atheistische Propaganda zu betreiben« verkündet wird (Artikel 52). In dieser Verfassung werden die Gläubigen schon diskriminiert, weil ihnen das Recht der religiösen Propaganda entzogen wird. In diesem Artikel der Verfassung wird außerdem verkündet: »Das Schüren von Feind­schaft und Haß im Zusammenhang mit religiösen Bekenntnissen ist verbo­ten.« Das diskriminiert die Gläubigen genauso, denn das Schüren von Feindschaft und Haß in Zusammenhang mit der atheistischen Propaganda verbietet die Verfassung nicht. Der Artikel 52 der Verfassung erklärt also die im Artikel 34 der Verfassung verkündete Gleichberechtigung für nichtig. Hieraus entstehen auch die Unmengen von Konfliktsituationen zwischen den gläubigen Bürgern und der Regierung. Solange dieser Fehler nicht behoben ist, bleibt mit den Worten Lenins gesagt »jegliches Gerede über Toleranz und Religionsfreiheit nur ein erbärmliches Spiel und unlautere Lüge« (»Pat-valdystė svyruoja«, »Die Selbstverwaltung wackelt«, Vollständige Samm­lung der Schriften, Vilnius, 1978, Band 7, 121).

Uber Funk und Fernsehen und besonders über die Presse bekommen wir aus dem Munde der Gottlosen sehr oft verächtliche und falsche Äußerungen über Gott und die katholische Kirche zu hören; die Lehre Christi wird herabgewürdigt, die Glaubenswahrheiten werden falsch ausgelegt; reichlich ergießen sich Haß und Schmähungen auf Papst, Bischöfe, Priester und Or­densleute; wir hören und lesen in der Presse Äußerungen, die die Gefühle der Gläubigen verletzen; ohne jeglichen Grund werden den Gläubigen sehr oft Schlechtigkeiten vorgeworfen. Kurz gesagt, wenn die von der Regierung unterstützten und beeinflußten Atheisten mit Masseninformationsmitteln ge­gen Gott und die Katholische Kirche kämpfen, dann müssen die Gläubigen sich zur Wehr setzen. Mit welchen Mitteln soll man sich aber zur Wehr setzen? Die Regierung erlaubt den Gläubigen nicht, sich mit Hilfe der Mas­senmedien zu verteidigen. Deswegen wehren sich die Gläubigen durch die »Chronik der LKK«, indem sie darin das ihnen zugefügte Unrecht an die Öffentlichkeit bringen. Nach dem Strafgesetzbuch der LSSR handelt es sich um eine Situation der Notwehr, das heißt, eine Verteidigung der Interessen der Öffentlichkeit (in diesem Falle der gläubigen Öffentlichkeit) gegen An­griffe und Ausschreitungen, wobei das zur Abwehr erforderliche Maß nicht überschritten wird. Da aber die Atheisten für die Angriffe gegen die gläubige Öffentlichkeit Periodika, Broschüren und Bücher in massenhafter Auflage drucken sowie Rundfunk und Fernsehen einsetzen, die Gläubigen aber nur mit der »Chronik der LKK« sich zur Wehr setzen, einer Veröffentlichung, die nur ein paar Dutzend Schreibmaschinenseiten in geringer Auflage umfaßt, dann überschreiten die Katholiken das zur Abwehr erforderliche Maß selbst­verständlich nicht. Deswegen besteht kein Grund, die Katholiken wegen der Herausgabe und Verbreitung der »Chronik der LKK« anzuklagen, denn sie handeln aus Notwehr.

In der »Tiesa« (»Die Wahrheit«) vom 2. Juli 1975 steht geschrieben: »In den Jahren der faschistischen Diktatur in Spanien wurde unter dem Toben grau­samen Terrors und von Repressalien alle politischen sozialen und ökonomi­schen Errungenschaften des spanischen Volkes vernichtet... Noch im Jahre 1939 wurde die Tätigkeit aller politischen Parteien, die regierende Partei ausgenommen, untersagt... Manche der Kultdiener bringen in ihren Predig­ten scharfe antistaatliche Äußerungen vor .. .«

J. Grigulevičius hat in seinem Buch »Vatikanas XX amžius« (»Der Vatikan im XX. Jahrhundert«), herausgegeben in Vilnius 1982, auf der Seite 138 geschrieben: »Die Ereignisse im Nazi-Deutschland verliefen ähnlich wie im faschistischen Italien. Mussolini entschloß sich aber trotzdem, die Verbin­dungen mit der Kirche noch nicht endgültig abzubrechen und suchte nach einem Kompromiß. Der Führer Deutschlands hat nur eine solche Kirche anerkannt, die »Heil Hitler!« geschrien hat. Die Katholischen Organisatio­nen wurden von den Nazis beherrscht, alle Kirchenmitglieder wurden zu Dienern des Dritten Reiches gemacht, die Zentrumpartei wurde aufgelöst. Alle, die sich dieser Politik widersetzten, steckten die Nazis ins Konzentra­tionslager oder brachten sie gleich um.«

Die Regierung des Zaren in Rußland genau wie auch die der Nazis zur Zeit ihrer Regierung in Deutschland verstärkten die Repressalien gegen Anders­denkende, sie schüchterten die Leute ein, bemühten sich, sie physisch zu erledigen, in der Hoffnung, die Konflikte mit Gewalt regeln zu können. Auf diese Art sank die Regierung in eine immer tiefere Krise, bis sie schließ­lich unterging. Deswegen sehen wir ganz deutlich, daß es auch heute keine Unterdrückung, keine Einschränkung, keine Unterjochung und keine Aus­weitung härterer Strafen braucht, sondern eine Reform der Demokratie, in der allen Menschen die gleichen Rechte und Freiheiten gewährt werden, wie es in der Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte und anderen Dokumenten der Grundrechte und Freiheiten der Menschen verkündet ist, und daß diese Rechte nicht nur auf dem Papier stehen, sondern im Leben verwirklicht werden.

An jedem Tag, an dem man eine Voruntersuchung am eigenen Leibe erleben muß, wird immer deutlicher klar, daß die Wut, der Haß und sogar die Rache über die Gerechtigkeit triumphieren. Von Mal zu Mal wird es deut­licher, daß der Wunsch immer größer wird, dich entweder ganz zu vernich­ten oder doch wenigstens deine Freiheit einzuschränken und dir fremde

Anschauungen aufzuzwingen, was in sich schon der Verwirklichung der Freiheit widerspricht.

Bei dieser Arbeit habe ich mich leiten lassen: Vom Naturrecht, den Geboten Gottes und der Kirche, den Artikeln 34, 39, 49, 50, 52 der Verfassung des Landes und anderen öffentlich verkündeten sowjetischen Gesetzen, von den entsprechenden Artikeln der Allgemeinen Deklaration der Menschen­rechte, besonders aber von den Artikeln, in denen gesagt wird »Jeder Mensch hat Anspruch auf die in dieser Erklärung verkündeten Rechte und Freiheiten ohne irgendeine Unterscheidung auf Grund der politischen, recht­lichen oder internationalen Stellung«, von Artikel 19: »Jeder Mensch hat das Recht auf freie Meinungsäußerung; dieses Recht umfaßt die Freiheit, Meinungen unangefochten anzuhängen und Informationen und Ideen mit allen Verständigungsmitteln ohne Rücksicht auf Grenzen zu suchen, zu emp­fangen und zu verbreiten«, von Artikel 30: »Keine Bestimmung der vorlie­genden Erklärung darf so ausgelegt werden, daß sich daraus für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person irgendein Recht ergibt, eine Tätigkeit auszu­üben oder eine Handlung zu ersetzen, welche auf die Vernichtung der in dieser Erklärung aufgeführten Rechte und Freiheiten abzielen!« In den sowjetischen Gesetzen ist gesagt worden: »Wenn eine internationale Kon­vention der UdSSR andere Bestimmungen festlegt als die, die in sowjeti­schen Gesetzen festgelegt sind, finden die Bestimmungen der internationalen Konvention Anwendung« (§ 482 der Zivilprozeßordnung der LSSR, Grund­lagen der Volksbildung der UdSSR, Moskau, 1973, Art. 65 und and.).

Ich habe mich also in meiner Arbeit vom Naturrecht, der Landesverfassung und veröffentlichten sowjetischen Gesetzen, internationalen, die Menschen­rechte und Grundfreiheiten, einschließlich die Meinungs-, Gewissens-, Glau­bens- und Uberzeugungsfreiheiten betreffenden Vereinbarungen leiten las­sen, und nicht von den von manchen Beamten ausgedachten, erfundenen Forderungen, die selber irren, indem sie Verletzungen der sozialistischen Rechtsordnung begehen, die andere irreführen. Und der Artikel 57 der Verfassung verkündet doch: »Die Achtung der Persönlichkeit, der Schutz der Rechte und Freiheiten der Bürger ist die Pflicht aller Staatsorgane, ge­sellschaftlichen Organisationen und Funktionäre.«

Bestimmte Staatsorgane und Beamte aber, die die Persönlichkeit ihrer Landsleute mißachten und deren Freiheiten und Rechte nicht schützen und dabei vorgeben, dies im Namen des Gesetzes zu tun, legen es aus nach der Art der Nazis, die die Menschen im Namen des Gesetzes in Konzentrations­lager oder Todeslager steckten; im Namen des Gesetzes wurden zu Zeiten des Personenkultes von Stalin die Menschen hinter Gitter oder Stacheldraht gebracht, in die Verbannung geschickt. Diese Taten, die »im Namen« des sogenannten »Gesetzes« verübt wurden, hat später die XX. Vollversamm­lung der Partei mit Entschlossenheit verurteilt.

Die Achtung der Unverletzlichkeit der Menschenrechte gehört zu den Grund­lagen des Friedens, denn der Friede ist doch die Gerechtigkeit, und ein Krieg entsteht durch die Verletzung der Rechte. Wenn die Menschenrechte zu Friedenszeiten mißachtet werden, dann tut dies besonders weh und ist, was den Fortschritt anbelangt, eine unverständliche Form des Kampfes gegen den Menschen, die unmöglich mit einem Programm in Einklang zu bringen ist, das sich »human« nennt.

Ich bin zum Kampf um die wahre, vollkommene Religionsfreiheit, für das Recht, die eigenen Uberzeugungen öffentlich verkünden zu dürfen, auch dann entschlossen, wenn ich wieder zu Unrecht angeklagt und verurteilt werde.

Das Recht hebt das Volk empor, Unrecht macht es unglücklich und tötet es sogar.

Am 9. März 1984.

*

Erklärungen mit ähnlichem Inhalt, in denen die Absurdität und die in juristi­schem Sinne vollkommene Grundlosigkeit der ihm vorgeworfenen Anschul­digungen bewiesen wird, hat V. Lapienis an den Staatsanwalt der LSSR und den Vorsteher des Sicherheitsdienstes des KGB schon am 13. und 19. April 1984 abgeschickt.

Leipalingis (Rayon Lazdijai)

Anfang 1984 erklärten die Offiziere dem einfachen Soldaten Robertas Gri-gas, der seine Militärdienstpflicht in Kasachstan, Standort Badam erfüllt, im Beisein von Major Marčenka, Major Gorbatski, Major Kim und anderen, daß ihm gemäß des StGB Kasachstans 5 Jahre Freiheitsentzug drohen, wenn er sich auch weiterhin weigere, den Eid abzulegen. Der Junge bekräftigte seinen Entschluß mit den Worten: »Etwas Besseres erwarte ich von Ihnen auch nicht.« In seinem schriftlichen Rapport an den Vorsteher der politi­schen Abteilung erklärte er, daß er als Christ nicht einem System die Treue schwören dürfe, das auf der atheistischen Ideologie aufgebaut ist. Während des Gesprächs schimpften die Offiziere andauernd mit unanständigen Worten und drohten dem Jungen mit den Grausamkeiten des sowjetischen Gefäng­nisses.

Im Mai 1984 ging die Pflichtdienstzeit für R. Grigas zu Ende. Einer der hohen Offiziere, die ihn früher verspotteten, sagte zum Abschied: »Ich wünsche Dir, daß Du im Leben immer so unumstößlich bleibst, wie es sich für einen Menschen und einen Mann gehört. Ich wünschte, mein Sohn wäre Dir ähnlich!«

Klaipėda

An den Generalsekretär des ZK der KPdSU, Jurij Andropow Abschriften: an den Ministerrat der LSSR

an den Bevollmächtigten des RfR beim Ministerrat der UdSSR,

Kurojedow

Erklärung

des Pfarrkomitees und der Gläubigen von Klaipėda

Wir bitten Sie, uns zu erlauben, die Kirche zu benützen, die wir 1961 für unser Geld und durch unsere Arbeit aufgebaut haben, die uns aber in den Jahren der Chruschtschow-Regierung weggenommen und in einen Philhar­moniesaal umgewandelt wurde.

Die Errichtung der Kirche und alle dazu benötigten Genehmigungen waren sowohl mit der Regierung der Republik als auch mit der Regierung der Union abgestimmt. Erst als die Kirche schon völlig vollendet war, nahm man sie uns weg, und wir, die Gläubigen, fühlten uns buchstäblich auf die Straße gesetzt. Diese Situation dauert an bis heute. Die jetzige Kirche ist sehr klein, nur 220 qm groß, und kann nicht alle Gläubigen aufnehmen, deswegen sind wir gezwungen, während des Gottesdienstes auf der Straße zu stehen, ob es nun regnet oder kalt ist.

Nach der Schließung der Kirche in Nida und Juodkrantė lebten 1961 in Klaipėda und in der Umgebung 130 000 Katholiken. Mit der Bitte, das uns zugefügte Unrecht wiedergutzumachen, haben wir, die Gläubigen, uns mit einer ganzen Reihe von Erklärungen an die Regierungsorgane gewandt:

1974 wandten wir uns an den Bevollmächtigten des Rates für Religionsan­gelegenheiten beim Ministerrat der UdSSR, Kurojedow. Die Erklärung hatten 3000 Gläubige unterschrieben;

- im März 1979 an den Vorsitzenden des Präsidiums des Ministerrates der UdSSR, L. I. Breschnew;

- im Oktober 1979 wandten wir uns mit einer weiteren Erklärung, die von 148 149 Gläubigen unterschrieben war, an L. I. Breschnew und Kurojedow;

- 1980 wurde eine Erklärung an L. I. Breschnew und Kurojadow mit 600 Unterschriften abgeschickt;

- im Juni 1981 überreichte eine Delegation aus drei Personen dem Zen­tralkomitee und dem Bevollmächtigten des Rates für Religionsangelegen­heiten Kurojedow eine Erklärung persönlich;

- im September 1981 überreichte eine Delegation aus 10 Personen Erklä­rungen an L. I. Breschnew und Kurojedow;

- im April 1982 haben wir eine Erklärung an L. I. Breschnew mit 21 033 Unterschriften abgeschickt;

- im Juni 1982 überreichte eine Delegation aus 10. Personen zum dritten Mal Erklärungen an L. I. Breschnew und Kurojedow.

Mit dem vorgeschlagenen Umbau der jetzigen Kirche können wir uns nicht zufrieden geben, da sie auch nach den Änderungen nicht alle Gläubigen aufnehmen kann. Außerdem hätten wir während der Zeit der Umbauarbei-ten überhaupt kein Gebetshaus.

Die zu einer Philharmonie umfunktionierte Kirche besuchen nur wenige Leute. Auch ein großer Teil der Gläubigen besucht aus Achtung vor der Kirche die im Philharmoniesaal stattfindenden Konzerte nicht. Nach der Errichtung des Kulturhauses der Fischer mit 1200 Plätzen werden in letzter Zeit in der Philharmonie, die nur 600 Plätze hat, nur einige Konzerte im Monat gegeben.

Wir haben die Kirche selber gebaut. Ohne das nötige Gerät entwässerten wir die Sümpfe; mit Schaufeln hoben wir das Fundament aus; mit bloßen Händen trugen wir die Steine und das andere Baumaterial herbei. Nicht selten kommen einem die Tränen in die Augen, wenn man sich daran er­innert, unter welchen Bedingungen die Kirche der Königin des Friedens errichtet worden ist.

Wir bitten Sie nachdrücklich, das uns zu Zeiten der Regierung Chru­schtschows zugefügte Unrecht wiedergutzumachen und uns die Kirche zu­rückzugeben, auch so, wie sie heute aussieht, wenigstens die Mauern; wir werden uns deswegen nicht beklagen; wir werden für die Rückgabe dankbar sein. Auf diese Weise wird die Welt sehen und sich überzeugen, daß sich die sowjetische Regierung und die Partei um die Menschen kümmern. Wir warten auf eine positive Antwort.

Gleichzeitig schicken wir eine Anlage von 91 Seiten mit 22 539 Unter­schriften.

Klaipėda, im Januar 1983.

*

Als Antwort auf die Forderungen der Gläubigen, die beschlagnahmte Kirche der Königin des Friedens zurückzugeben, schlug der Bevollmächtigte des Rates für Religionsangelegenheiten, P, Anilionis, im September 1982 einen Umbau der jetzigen Kirche von Klaipeda vor. Die jetzige Kirche sollte um das Dreifache vergrößert werden. Die Gläubigen waren damit aber nicht einverstanden, sondern verlangten die von ihnen erbaute Kirche zurück. Im Dezember schlugen dann der Abteilungsleiter des Rates für Religions­angelegenheiten, Galustian, der aus Moskau gekommen war, sowie der Be­vollmächtigte P. Anilionis und das Exekutivkomitee der Stadt Klaipėda vor, das jetzige Kirchlein auf 800 qm zu vergrößern. Die Gläubigen aber be­standen wieder auf der Rückgabe der von ihnen erbauten Kirche. (Auf diese Weise entstand die Erklärung vom Januar 1983, gerichtet an den Ge­neralsekretär des ZK der KPSU, J. Andropow — Bern. d. Red.). Im Mai 1983 fuhr eine Delegation von 10 Personen zum Rat für Religionsangelegen­heiten nach Moskau mit der Forderung, das von der Regierung angerichtete Unrecht wiedergutzumachen und ihnen ihre Kirche zurückzugeben. Etwas später traf Galustian aus Moskau ein, rief die Gläubigen zusammen und sagte: »Die Regierung wird in Klaipėda eine Kirche bauen, gebt eure Wünsche an.« 4600 Gläubige teilten Kurojedow (Abschriften an P. Ani-lionis und an das Exekutivkomitee der Stadt Klaipeda) schriftlich mit, daß sie sich eine Kirche in der Größe der beschlagnahmten wünschen. Die Re­gierungsbeamten ordneten an, daß ein neues Kirchenkomitee zu gründen sei, aber als sich sowohl die internationale Politik als auch die Innenpolitik der UdSSR verschärften, vergaß P. Anilionis alle Versprechungen und wie­derholte nur: »Nichts werden wir geben, nichts werden wir erlauben!«

Vilnius

An den Vorsitzenden des Obersten Gerichts der LSSR den Staatsanwalt der LSSR

Erklärung

des Verurteilten Jonas Sadūnas,

Jonava, Dariaus-Gireno 19, Spezkommandantur

Am 19. und 20. September 1983 wurde ich im Komitee des Staatssicherheits-dienstet der LSSR als Zeuge im Prozeß gegen den Priester Sigitas Tamke-vičius von dem Untersuchungsbeamten der Untersuchungsabteilung, Leut­nant Vytautas Baumilas, vernommen.

Hier einige Fragen der Vernehmung:

1.     Kommt Ihre Schwester Nijolė Sadūnaitė nach Jonava, um Sie zu be­suchen, wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen? usw.

2.     Wie sind die Abschriften der Briefe und Gratulationen von Nijolė Sa­dūnaitė, Petras Paulaitis, Petras Plumpa-Pluiras und anderen, die Sie ab­geschrieben haben, in die Wohnung des Priesters Sigitas Tamkevičius ge­langt?

3.     Wie kamen zwei Auszüge der vorher genannten Abschriften der Briefe der Nijolė Sadūnaitė in die »Chronik der LKK«?

4.     Hat Euch der Priester S. Tamkevičius in Eurer Wohnung besucht?

5.     Warum haben Sie die vorher genannten Briefe abgeschrieben?

6.     Haben Sie die »Chronik der LKK« gelesen?

7.     An welche politische Gefangenen haben Sie Briefe geschrieben? Außerdem ließ der Untersuchungsbeamte meine folgenden Forderungen nicht zu:

 

1.     Mir das Durchsuchungsprotokoll zu zeigen, um zu sehen, ob wirklich die Abschriften der von mir abgeschriebenen Briefe bei Priester S. Tam­kevičius während der Durchsuchung in der Wohnung gefunden worden sind.

2.     Der Untersuchungsbeamte hat mir als Zeugen streng verboten, mir auf­zunotieren, wann die von mir abgeschriebenen Briefe geschrieben worden sind, wer und von wo sie der Autor geschrieben hat.

3.     Eine Gegenüberstellung mit Priester Sigitas Tamkevičius, um folgende Fragen zu klären:

 

a.     ob der Priester jemals in unserer Wohnung gewesen ist,

b.     ob die Abschriften der oben genannten Briefe wirklich während der Durchsuchung in der Wohnung des Priesters gefunden worden sind,

c.     ob der Priester wirklich während des Verhörs ausgesagt hat, daß ich ihm die Abschriften der genannten Briefe gegeben habe, wie der Untersuchungs­beamte mir gegenüber während des Verhörs am 19. 9. 1983 behauptet hat.

Als ich mich aus den erwähnten Gründen weigerte, das Zeugenvernehmungs­protokoll zu unterschreiben, sagte der Untersuchungsbeamte zu mir:

»Wir haben das Recht, dich bis zum 10. Oktober festzuhalten, du wirst große Unannehmlichkeiten bekommen, du bist ein krimineller Verbrecher und bleibst es dein Leben lang. Solltest du vor Gericht nicht aussagen, daß Priester S. Tamkevičius in eurer Wohnung gewesen ist, werden wir nach dem Prozeß gegen Priester S. Tamkevičius einen neuen Prozeß gegen dich einleiten, und zwar entweder wegen der Verweigerung der Aussagen im Prozeß gegen Priester S. Tamkevičius oder wegen unwahrer Aussagen in dem genannten Prozeß« usw.

Der Untersuchungsbeamte schrieb in das Zeugenvernehmungsprotokoll: »Ich habe mich von diesem Protokoll in Kenntnis gesetzt; alles ist wahr­heitsgetreu aufgeschrieben, Ergänzungen habe ich keine, ich weigere mich sowohl zu unterschreiben als auch an dem Gerichtsprozeß teilzunehmen...« usw.

Als ich den Untersuchungsbeamten darauf hinwies, daß ich nicht gesagt hatte, im Zeugenvernehmungsprotokoll sei alles wahrheitsgetreu aufgeschrie­ben und auch nicht, daß ich die Teilnahme am Prozeß verweigere, erwiderte mir der Untersuchungsbeamte:

»Wir werden auch ohne deine Unterschrift auskommen. Ich habe unter­zeichnet, und der Richter wird es ebenfalls tun; das Gericht wird es glauben, daß im Protokoll alles wahrheitsgetreu eingeschrieben steht.« Ich bitte den Vorsitzenden des Obersten Gerichts der LSSR und den Staats­anwalt der LSSR:

1.     diese meine Erklärung den Prozeßakten des Priesters Sigitas Tamke-vičius beizufügen.

2.     mir zu erlauben, an der Gerichtsverhandlung gegen Priester S. Tamke-vičius teilzunehmen, damit ich als Zeuge diese Erklärung während der ge­nannten Gerichtsverhandlung vorlesen kann.

3.     das von dem Untersuchungsbeamten Vytas Baumilas am 19. und 20. September aufgesetzte Zeugenvernehmungsprotokoll für ungültig zu be­trachten, weil meine Unterschrift fehlt und ich dem Untersuchungsbeamten keine Vollmacht erteilt habe, in meinem Namen und nach seinem Gutdünken ein Zeugenvernehmungsprotokoll für den Prozeß gegen Priester Sigitas Tamkevičius zusammenzustellen.

Am 20. September 1983.