Die atheistische Regierung, die schon beinahe ein Jahrzehnt keine Priester mehr verhaftet hat, aber jetzt die zwei vorbildlichsten Priester Litauens, Al­fonsas Svarinskas und Sigitas Tamkevičius, festnahm und zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilte, mußte einsehen, daß die Autorität der verhaf­teten, von den Gottlosen Extremisten genannten Priester im gläubigen Volke nur noch größer geworden ist. Man war nicht in der Lage, in der Presse Argumente anzubieten, die das »Vergehen« der Priester hätten beweisen können. Jetzt versuchen die Gottlosen, den im Volke entstandenen Eindruck des grausamen Urteils, durch das Aufwühlen der Erinnerungen an schon in Vergessenheit geratene alte Geschichten abzuschwächen. Dazu werden heut­zutage auch die Gerichtsakten der Vorkriegsjahre gegen den Prälaten Kon­stantinas Olšauskas benützt. Sie waren die Grundlage für einen zweiteiligen Film »Devyni nuopuolio ratai« (»Die neun Kreise des Verfalls«), den das Fernsehen Litauens Mitte Mai 1984 zeigte. Wie die Gottlosen selber be­zeugen (»Kalba Vilnius«, »Hier spricht Vilnius«, in Mai), will man mit diesem Film den Volke sagen: »Die von euch geliebten und verteidigten verurteilten Priester-Extremisten sind genau solche Verbrecher wie Prälat K. Olšauskas; auch in eurem unabhängigen Litauen wurde so ein Priester-Extremist verurteilt.« Deswegen muß das litauische Volk, das dauernd von der bolschewistischen Propaganda hintergangen wird, die Wahrheit über die katholische Bewegung Litauens erfahren, die den von Nationalliberalen zusammenfabrizierten Prozeß verhindern wollte. Die Zeit brachte neue Tatsachen ans Licht, die beweisen, daß Prälat K. Olšauskas grundlos des Mordes beschuldigt wurde. Der schon genannte Prozeß wurde von einem in Litauen lebenden Verfasser in einem Buch im Lichte der neuen Tatsachen durchgearbeitet. Mit dem Wunsch, den Bestrebungen der Gottlosen den Weg zu versperren, geben wir eine Zusammenfassung des besagten Buches.

Konstantinas Olšauskas wurde am 22. April 1867 in Burbaičiai, Rayon Plungė, geboren. Am 18. Juni 1933 wurde er in der Nähe von Laukžemė im Rayon Kretinga ermordet.

Er war eine bekannte Persönlichkeit der katholischen Öffentlichkeit Litauens. 1892 schloß er die Geistliche Akademie in Petersburg ab. 1906 gründete er die St. Joseph-Gesellschaft der christlichen Arbeiter: er war einer der Grün­der der St. Casimir- und der »Saulės« (»Sonne«)-Gesellschaft. Die St. Casi­mir-Gesellschaft sorgte für die katholische Presse, und die Gesellschaft »Säule« gründete viele Schulen. In den Jahren 1914 bis 1916 arbeitete Olšauskas im Komitee zur Unterstützung der vom Krieg geschädigten Li­tauer mit. Von 1916 bis 1918 war er Mitarbeiter des litauischen Informa­tionsbüros in der Schweiz.

Als 1928 Frau Stanislova Ustjanauskienė auf mysteriöse Weise ums Leben kam, beschuldigte die Regierung der Nationalpartei, die zum Kampf gegen die Katholische Kirche ausgezogen war, den Prälaten Olšauskas, sie erhängt zu haben und verurteilte ihn 1929, trotz mangelnder Beweise, zu 6 Jahren Gefängnis. 1931 wurde er begnadigt.

Diesen Vorfall verwendeten die Atheisten Litauens, um einen Fernsehfilm zu schaffen mit dem Ziel, mit dieser Verleumdung die Autorität der Priester in den Augen der Öffentlichkeit Litauens zu untergraben.

Vielen, die diesen Film gesehen haben, könnte die Frage interessieren, ob das eine historische Begebenheit oder nur eine böswillige Verleumdung ist.

Warum schloß Priester Olšauskas Freundschaft mit der Frau Ustjanauskienė?

Als er 1893 Pfarrer in Debeikiai war, lud er Ustjanauskienė ein, seinen bei ihm im Pfarrhaus wohnenden Bruder und seine Schwester zu unterrichten. Später lieh er von ihr einige Tausend zaristische Rubel, um seine großen Pläne verwirklichen zu können. Auf diese Weise blieb sie für den Prälaten eine nahe Person.

In dem Film wird dargestellt, daß Priester Olšauskas und Ustjanauskienė einen Sohn Ričardas gehabt hätten. Ist das die Wahrheit?

Es ist nicht wahr. Ričardas wurde 1899 in Warschau geboren. Bevor sie nach Polen abreiste, begegneten sich Ustjanauskienė und Priester Olšauskas zum letzten Mal in Debeikiai im Jahre 1897. Aus diesem Grund gab auch Olšauskas vor Gericht zur Antwort: Besteht denn die Möglichkeit, daß sie drei Jahre lang schwanger gewesen ist?!

Im Film wird gezeigt, wie ein Priester aus der Nachbarschaft Olšauskas warnt und dadurch das Beichtgeheimnis verletzt. Ist das vielleicht wahr?

Wer und wann hat Ustjanauskienė vor ihrem Tode das letzte Mal gesehen?

1928 verbrachte Ustjanauskienė den Sommer in Birštonas und war in ärzt­licher Behandlung. Sie hatte ein Zimmer bei der Familie Žeimiai gemietet. Nachdem sie den Hauseigentümern gesagt hatte, daß sie nach Prienai fahre, nahm sie am 13. September ihre Sachen, ein Köfferchen, und ging fort. Gegen 18 Uhr besuchte sie den Prälaten, der den Sommer ebenfalls in Birštonas verbrachte. Sie brachte ihm Birnen und Milch. Anschließend ging sie zu ihren Freundinnen Rascickienė und Kreišmanienė. Sie sagte ihnen, sie gehe in den Wald jenseits des Nemunas. Nach kurzem Aufenthalt schaute sie auf die Uhr, sagte, daß es an der Zeit sei, und ging weiter. Wohin? Nur nicht in den Wald. Es war 15 Minuten nach achtzehn Uhr, es regnete leicht, in der Ferne war Donner zu hören. Im Wald war es naß. Niemand sah, daß sie nach Prienai gefahren ist. Kurz gesagt, sie ging fort und verschwand.

Im Film wird dargestellt, daß sie an jenem Abend mit Olšauskas in den Vytautas-Park ging. Stimmt das?

Es stimmt nicht. Obwohl der Staatsanwalt eifrig nach einem Menschen suchte, der sie an jenem Abend irgendwo zusammen beobachtet hätte, ist es ihm nicht gelungen, auch nur einen Zeugen ausfindig zu machen. Außer­dem mußte man zum Vytautas-Park 280 Stufen hochsteigen. Die Stufen der Treppe waren aus Holz, brüchig und glitschig. Ustjanauskienė war zu der Zeit eine herzkranke Rheumatikerin und 97 Kilo schwer. Allein konnte sie auf keinen Fall auf den Berg hinaufsteigen — es sei denn, ein paar kräftige Männer hätten sie hinaufgetragen. Sie hatte es aber auch gar nicht nötig, hinaufzugehen. Sie hatte doch ein Zimmer gemietet und konnte dort alles tun, was sie wollte, ohne daß sie jemand kontrolliert hätte.

Dem Film nach war in der Nacht vom Berg ein Hilferuf der Ustjanauskienė zu hören. Ist das wahr?

Wessen Stimme es war, ist schwer zu sagen. Ein paar Frauen haben aber ausgesagt, daß sie unterwegs nach Hause um 24 Uhr wahrhaftig dreimal den Hilferuf »Rettet mich« gehört hätten.

Aber Prälat Olšauskas war zu dieser Zeit mit Sicherheit nicht mehr in Birštonas. Gegen 22 Uhr brachte ihn der Autofahrer Butkevičius mit seinem Auto nach Kaunas, und um etwa 23.30 Uhr fuhr er aus Kaunas weiter nach Niederlitauen (Žemaitija). Zu behaupten, daß der Schrei zu hören war, als der Prälat mit Ustjenauskienė dort hinaufgegangen war, ist eine grobe Un­wahrheit.

Wann und wie wurde die Leiche der Ustjanauskienė gefunden?

Die Leiche wurde erst nach drei Tagen, also am 16. September, gefunden. Sie lag im Gebüsch auf dem Vytautas-Berg auf der linken Seite mit einem Strick um den Hals. Über die rechte Gesichtsseite war rötliche Flüssigkeit hinuntergeflossen. Die Ärzte sagen, daß eine derartige Flüssigkeit entsteht, wenn die Leichenstarre schon eingetreten ist. Die Leiche mußte also auf der rechten Seite liegend starr geworden sein: die Flüssigkeit konnte doch nicht aufwärts fließen. Gleich in der Nähe lag eine blutige Hängematte. Warum war sie blutig? Man kann daraus entnehmen, daß jemand mit dieser Hänge­matte die Leiche hergebracht und hier weggeworfen hatte ...

Wer hat dann Ustjanauskienė ermordet?

Die Spuren der Ermordung klärten sich erst später auf, als der im Stab des Schützenbundes (Šauliu sąjunga) eingenistete polnische Spitzel, Vilkickas, entlarvt und verhaftet wurde. Er wurde verurteilt und durch Erschießen hin­gerichtet. Er konnte aber im Gefängnis seine Erinnerungen aufzeichnen. Dort wird unter anderem erwähnt, daß Vilkickas selbst einem polnischen Agenten das Auto des Schützenbundes für eine Fahrt nach Birštonas gegeben habe. Dort hat dieser, mit einem Helfer aus der Ortschaft, seine Aufgabe erfüllt. Es stellte sich heraus, daß Ustjanauskienė von der polnischen Spio­nage angeworben worden war. Als sie ihr aber unnütz erschien, wurde be­schlossen, sie zu liquidieren, damit sie nicht irgendetwas ausplaudere.

Warum wurde Prälat Olšauskas vom Gericht verurteilt?

Es ist ganz deutlich, daß der Prälat nur deswegen zu Unrecht verurteilt wurde, weil er viele Feinde hatte. Der erste Feind war die damalige Regie­rung der Nationalen, die einen scharfen Kampf gegen den Einfluß der Kirche eröffet hatte. Nachdem sie einen Brief der Bischöfe an die Gläubigen beschlagnahmt, den Nuntius des Heiligen Vaters aus Litauen ausgewiesen, einige Priester mit Strafen belegt und die Tätigkeit der katholischen Schüler­organisation untersagt hatte, wollte sie jetzt durch die Anklage gegen Prälat Olšauskas der Autorität der Kirche noch einen Schlag versetzen. Die Polen haßten Olšauskas wegen seiner litauischen Gesinnung. Wegen seines grad­linigen Charakters — er sagte die Wahrheit den Kleinen wie den Großen ins Gesicht — vertrug ihn auch die Leitung der Kirche schwer. Deswegen war auch die Erzdiözese Kaunas in unverzeihlicher Weise nachlässig und hat ihn nicht so verteidigt, wie sie es hätte tun können und sollen, obwohl sie sich weigerte, die Verurteilung des Prälaten Olšauskas als begründet anzuerkennen.

Sehr richtig sagt die Inschrift auf seinem Grabkreuz über Prälat Olšauskas:

»Ein großer Förderer und Lehrer des Litauertums, ein Arbeiter der katho­lischen Gesellschaft. Von den Freimaurern Litauens im Prozeß von Birštonas ohne Beweise verurteilt. Ein Jahr, zehn Monate und 25 Tage im Gefängnis gehalten.«

Wer hat Prälat Olšauskas ermordet und weshalb?

Erschossen hat ihn der Dorfälteste Žilius in einem Wald seines Dorfes am 18. Juni 1933 auf dem Rückweg aus Plungė nach dem Fronleichnamsfest. Warum? Es ist unklar. Der Gefängnisärztin Kalvaitytė hätte er gesagt: »Einer von uns beiden mußte sterben.« Es kommt der Wahrheit nahe, daß er zur fraglichen Zeit wirklich in Birštonas war, dem polnischen Agenten half, Ustjanauskienė umzubringen und jetzt Angst hatte, daß der Prälat die Spuren seiner Tat aufdecken könnte.

Als während des Krieges die Rote Armee sich dem Territorium Litauens näherte, kamen einige Beamte, die in den Westen fliehen wollten, in die Kurie der Erzdiözese Vilnius und sagten zu Priester Basys: »Wir wollen nicht, daß die Verurteilung des Prälaten Olšauskas unser Gewissen belastet: Wir be­stätigen, daß er zu Unrecht verurteilt worden ist.«

Der Prälat von Garliava war mit dem zur Zeit des Prozesses gegen Prälat Olšauskas amtierenden Justizminister A. Žilinskas gut befreundet. Der

Minister hatte ihm gesagt: »Klare Beweise, daß Prälat Olšauskas Ustjanaus-kienė ermordet hat, hatten wir nicht.« Es ist aber schwer zu glauben, daß der Prälat Olšauskas in jetziger Zeit rehabilitiert werden könnte. Wir wissen sehr gut, daß die Rechtsprechenden, besonders in schwierigen Zeiten, viele Fehler machen. Wieviel Tausende von Menschen sind zu Stalins Zeiten widerrechtlich verurteilt worden! Erst einige Jahre nach seinem Tode aber wurden sogar schon Verstorbene rehabilitiert.

Der britische Staatsmann und Schriftsteller Chesterfield sagt: »Denk daran, solange du lebst: Nur eine strenge Wahrheit kann dein Führer in dieser Welt sein. Wenn du nur ihr allein folgst, wirst du weder dein Gewissen noch deine Ehre jemals beschmutzen.« »Lieber sich den Kopf abhauen lassen als ein unwahres Wort sagen, als die Wahrheit zu verdrehen, als die Augen zu schließen, wenn man Unrecht sieht, wenn nicht nur ein einzelner Mensch, sondern die ganze Menschheit erniedrigt wird.« (Suchomilskij, ein ukrai­nischer Pädagoge). Früher oder später kommt die Wahrheit gewöhnlich ans Licht. Unwahrheit und Verleumdungen machen dem Verleumder keine Ehre.

Die Gläubigen Litauens haben das Recht, die Wahrheit zu erfahren und zu wissen, wie man unbegründeten Anschuldigungen der Atheisten entgegen­treten muß.