In seiner Rede über die bevorstehenden Verfolgungen der Kirche und ihrer Kinder hat Christus folgende Worte gesagt: »Es werden falsche Messiasse auftreten und falsche Propheten, und sie werden Zeichen und Wunder tun, um, wenn möglich, auch die Auserwählten zu verführen. Ihr aber seht euch vor! Seht, ich habe euch alles vorhergesagt.« (Mk. 13, 22-23).

Es lohnt sich, in schweren Augenblicken der Geschichte der Kirche über diese Worte Jesu nachzudenken vor dem Hintergrund der alltäglichen Ge­schehnisse des Lebens. Wir wollen in Erinnerung an diese Worte versuchen, das eine oder andere Ereignis aus bestimmten Momenten unseres Lebens zu analysieren, besonders solche, die das Herz des gläubigen Litauers stärker beunruhigen.

Man sagt, daß die atheistische Regierung über spezielle Abteilungen für bewußte Desinformationen und Verbreitung von Gerüchten verfüge und daß die Freude bei den Feinden der Kirche um so größer ist, je größer und wich­tiger das Fischlein ist, das auf ihrem Desinformationsangelhaken hängen­bleibt.

Das gläubige Litauen leidet unter der Verhaftung der Priester und unter der wiederholten Festnahme des Priesters Jonas-Kąstytis Matulionis, der nur einige Tage in Freiheit war. Der Bevollmächtigte des Rates für Religions­angelegenheiten, Petras Anilionis, hat versucht, die Priester und die Bischöfe Litauens zu überzeugen, daß die extremistischen Priester an der Festnahme des Priester J. K. Matulionis schuldig seien, weil sie Priester J. K. Matulionis aufgehetzt hätten; er selbst habe aber auch viel zu scharfe Predigten gehalten. Das ist nicht wahr! Diese Desinformation wird in Litauen weit verbreitet. In Wirklichkeit hat nämlich Priester J. K. Matulionis weder in Vilnius noch in Kybartai gepredigt. Er hat nur ein eigenes, rein religiöses Gedicht vorge­lesen und ein paar Sätze an die Leute gerichtet, die ihm gratuliert haben. In Kybartai sagte er nur kurz: »Wenn die Menschen Gott lieben würden, dann wären die Lager leer. Es war grauenhaft, als ich einmal einen Menschen hörte, der seine Heimat verfluchte — diese verfluchte Sowjetunion!« Diesen aus seinem Kontext herausgegriffenen Satz wendete P. Anilionis an, um das unmenschliche Umgehen mit dem invaliden Priester J. K. Matulionis zu rechtfertigen. Das Verhalten der Regierung selbst verrät, daß die Wahrheit nicht auf der Seite des Bevollmächtigten ist, denn es gab keinen zweiten Prozeß gegen den verhafteten Priester. Er wurde ohne zusätzlichen Prozeß weggeschickt, um eine Strafe zu verbüßen, von der er amnestiert worden war. Diesmal aber brachte man ihn viel weiter weg, bis nach Sibirien, hinter den Baikalsee, in die Gegend von Tschita.

Es ist keine Neuigkeit, daß die Kollaborateure der Gottlosen die eifrigsten Priester, die von den Gottlosen Extremisten genannt werden, der Zerstörung der Einigkeit der Kirche, der Nichteinhaltung der kirchlichen Disziplin, sogar der Auflehnung gegen die Bischöfe zu beschuldigen versuchen, beson­ders dann, wenn diese versuchen, die Aufmerksamkeit der auf den oberen kirchlichen Posten tätigen Geistlichen auf die hinterhältige Desinformation der Gottlosen zu lenken. Ist es aber nicht sonderbar, wenn ein Propagandist des Atheismus, B. Deksnys, der gegen den Glauben kämpft, sich wegen der sogenannten »Einigkeit« der Kirche zu grämen beginnt (»Ateismas, religija ir ideologinė kova« — Atheismus, Religion und ideologischer Kampf, Vil­nius, 1985, Seite 103—105)? Diese Sorge gilt nicht dem Wohle der Kirche! Welche Einigkeit wünschen sich die Atheisten in der Kirche? Es ist den Atheisten zum Nachteil der Kirche gelungen, auf den einen oder anderen Priester durch Drohungen und Versprechungen so einzuwirken, daß diese mit ihnen arbeiten. Die anderen, die eifrigeren, versuchen, wenn sie die ver­folgte Kirche und die Verachtung Gottes sehen, die Lage zu retten und auf erstere einzuwirken, daß diese sich nicht den Forderungen der Gottlosen beugen. Die Atheisten sind auch die größten Zerstörer der Einigkeit. Dann schreien aber die Regierungsgottlosen selber: »Es gibt keine Einigkeit!« Sie verstehen die »Einigkeit« nicht als Einheit mit Christus und mit dem Hl. Vater, sondern mit denen, die schon nachgegeben haben und dem Diktat des Sicherheitsdienstes gehorchen.

Die Regierungsgottlosen versuchen schon lange, die Welt und das Volk da­von zu überzeugen, daß sie sich in die kanonische Tätigkeit der Kirche nicht einmischen. Wenn in einer der Diözesen, die ihren Ordinarbischof verloren hat, ein Verwalter der Diözese gewählt wird, dann will man den Leuten weismachen, daß die Wahlen frei und dem kanonischen Recht entsprechend seien, und daß es seitens der Zivilregierung keine Einmischung in den Ver­lauf und auf die Ergebnisse der Wahlen gebe. Siehe aber da, in dem Journal »Švyturys« (»Leuchtturm«) dieses Jahres (Nr. 12, Seite 10), in dem Priester Jonas Danyla angegriffen wurde, behauptet der Atheist V. L. Balkevičius, ohne s:Ji zu schämen, daß ein atheistischer Staat nicht nur das Recht habe, sich in die Wahlen der Diözesanverwalter einzumischen, sondern sogar die Pflicht. Angeblich sei dies auch im unabhängigen Litauen durch das Kon­kordat erlaubt gewesen. V. Balkevičius hat sich, leider, geirrt: Das Kon­kordat hat verlangt, daß sich der Vatikan bei der Ernennung eines residie­renden Bischofs bei der Zivilregierung erkundigt, ob diese nicht Einwände politischen Charakters gegen den Ernennungskandidaten habe. Aber man brauchte sich weder bei der Kandidatur der Apostolischen Administratoren noch der Auxiliarbischöfe, und schon gar nicht bei der Kandidatur der Ver­walter der Diözesen nach der Zivilregierung zu richten. Dieser Atheist be­weist durch seine lügenhaften demagogischen Ausführungen ganz klar, wel­chen Wert die Behauptung hat, daß die atheistische Zivilregierung in Litauen sich in die kanonische Tätigkeit der Kirche nicht einmischt.

Die Regierungsbeamten terrorisieren die Schwestern der inoffiziell tätigen Klöster, indem sie diesen vormachen: »Ihr dürft Ordensfrauen bleiben. Betet, soviel ihr wollt, nur teilt uns mit, was eure Oberinnen euch zu tun befehlen, welche Priester euch besuchen, was sie reden. So verstoßt ihr weder gegen die Gesetze der Kirche noch die des Staates.« Aber eine Mit­arbeit mit Gottlosen, die gegen die Kirche kämpfen, ist sehr wohl ein Ver­stoß gegen die Cañones der Kirche, die verlangen, daß die inneren Ange­legenheiten des Klosters nicht aus der Kongregation hinausgetragen werden.

Es ist schmerzlich, daß zur Verbreitung der atheistischen Desinformation manche Priester und sogar die Kanzel benützt werden. Der Leiter der Exer­zitien für die Priester der Erzdiözese Vilnius behauptete dieses Jahr, daß der Vatikan mit der Ablehnung der »Befreiungstheologie« auch das Recht der Verteidigung der Rechte der Kirche und der Gläubigen abgesprochen habe, d. h. die Tätigkeit, mit der sich unsere verhafteten Priester A. Sva­rinskas und S. Tamkevičius beschäftigt haben. Wir sind Radio Vatikan dank­bar, daß dieser die Wolke der atheistischen Information vertrieben hat, in­dem er Fragmente der Rede des Prälaten V. Kazlauskas zu diesem Thema ausgestrahlt hatte. Es wurde aus der Sendung klar, daß nicht der Kampf und die Aktion für die Rechte und Freiheiten, sondern die Sympathisierung mit der atheistisch-marxistischen Doktrin verurteilt wurde.

Beunruhigend wirken auf die Gläubigen auch die Belehrungen einiger »ge­scheiter« Priester, die mit der atheistischen Regierung gut auskommen, die sogar von der Kanzel erklären, wie man auf die Frage der atheistischen Fragebogen »Glaubst du an Gott« schlau antworten könnte. Man könnte sagen: »Ich glaube an keinen Aberglauben.« Dabei weiß zu unseren Zeiten in Litauen jeder, daß der Terminus »Aberglaube« von den Atheisten ver­wendet wird, um die Religion zu charakterisieren. Man sollte diese Schlau­berger daran erinnern, was Bischof Matiejus Valančius in den schweren Zeiten der zaristischen Unterdrückung unser Volk gelehrt hat: »Ihr müßt bereit sein, Qualen zu ertragen wie die Christen der alten Zeiten. Auch dann, wenn euch die Vorgesetzten sogar das Leben nehmen, euch ins Ge­fängnis stecken, euch geißeln oder zerhacken würden wegen der Festigkeit eures Glaubens. Alles dies müßt ihr erdulden, denn so viel ist das Himmel­reich wert. Eure Seelen sind so viel wert, daß ihr für ihre Rettung ein biß­chen leidet; deswegen, meine Kinder, macht euch keine Sorgen um eure Häuser, noch um das Hab und Gut, noch um das Leben. Glaubt fest, meine Kinder, haltet fest an eurem Glauben, wenn ihr auch alle erschlagen wür­det . . .«

Wie schmerzlich ist es, hören zu müssen, daß schon um kleinere Leiden zu vermeiden, als sie von Bischof M. Valančius aufgezählt werden, heute dazu aufgefordert wird, »schlau« den eigenen Glauben zu verleugnen. Der Gläu­bige dürfte sich in solchen Situationen nicht aus der Fassung bringen lassen. Die Kirche ist nicht zusammengebrochen, obwohl einer der von Christus selbst ausgewählten Apostel sich auf den Weg des Verrats begeben hat. Es ist aber traurig, daß Priester Bronius Bulika anfängt, wegen Mangel an ernster religiöser Literatur unsere Gläubigen mit der Übersetzung der ersten Ausgabe des von der Kirche verworfenen »Holländischen Katechismus« zu füttern. Es ist nur gut, daß der Klerus und die Gläubigen ernst darauf reagiert haben.

Der offene Brief des Priesters Rokas Puzonas über die Ablehnung der Mit­arbeit mit dem Sicherheitsdienst hat die Gläubigen Litauens nicht überrascht. Unsere Leute sind nicht so naiv, daß sie nicht wüßten, mit welchen Metho­den der Sicherheitsdienst arbeitet. Verwunderlich ist nur das Verhalten mancher Priester und Gläubigen hinsichtlich dieser richtigen Geste, verwun­derlich vor allem deswegen, weil ein gegenteiliger Fall die Richtigkeit dieser gewählten Methode beweist: Ein rühmlich bekanntgewordener Priester, der auf ähnliche Weise vom Sicherheitsdienst eingewickelt worden war, löste still die Bindungen und wagte es nicht, dies publik zu machen; später ist er vom Sicherheitsdienst ganz gebrochen worden. Es kam so weit, daß er bei der Suche nach einem Ausweg das priesterliche Amt niederlegte.

Es ist sonderbar, daß nicht nur in Litauen, sondern auch im Vatikan Ge­rüchte verbreitet werden, daß es mit Priester R. Puzonas genauso kommen werde wie mit jenem, der das priesterliche Amt niedergelegt hat. Warum verurteilen und im voraus prophezeien? Die Zukunft wird es zeigen. Vor Anfechtungen ist niemand sicher. »Wer steht, sehe zu, daß er nicht falle.« Für den Priester R. Puzonas aber, der es gewagt hat, gegen eine gewaltige Macht öffentlich anzutreten und keine Angst hatte, sich selbst anzuklagen, sollte man beten, daß die Worte des Erzbischofs J. Matulaitis, die er auf sein Primizbildchen drucken ließ, für ihn gültig bleiben: »Ich fürchte mich vor keinen ungerechten Angriffen. Mir ist nur bange, daß in unseren Herzen die Liebe zur Kirche Gottes und den Idealen nachlassen könnte.«

Beunruhigend wirkt auch die Tatsache, daß die sowjetische Regierung nur der Delegation Litauens erlaubt hat, am Internationalen Eucharistischen Kongreß in Nairobi teilzunehmen, wo keine Delegation aus einem anderen kommunistischen Land anwesend war, weder aus Polen, noch aus Ungarn oder sonst einem anderen Land, nicht einmal aus Lettland. Wenn die Re­gierungsgottlosen schon eine Begünstigung gewähren, dann nicht weil sie es mit der Kirche gut meinen, sondern weil sie irgendeine neue Tücke vorbe­reiten. Bewußte Christen überlegen mit Sorge, was hinter dieser »Güte« stecken könnte. Dies beunruhigt um so mehr, weil im Journal des Moskauer Patriarchats Nr. 7, 1985, auf Seite 2 eine ähnlich klingende Nachricht zu finden ist. Dort heißt es, daß zum 70. Geburtstag des Patriarchen von Mos­kau, Pimen, und im Gedenken an die Verleihung des Arbeitsordens der Roten Fahne an ihn in Moskau, keine Delegation der Katholiken Lettlands teilgenommen hat, während aus Litauen (freilich nicht ohne Druck seitens des Bevollmächtigten) sogar eine vom Erzbischof angeführte Delegation teil­nahm. Wird die Regierung der Gottlosen nicht versuchen, für alle diese »guten Taten« zu verlangen, sich der Subordination des Moskauer Patri­archen zu übergeben, wie sie seinerzeit den Katholiken der Tschechoslowakei angeboten wurde? Wir wollen der Güte derer, die gegen die Kirche kämp­fen, kein Vertrauen schenken!

Damit es den falschen Propheten nicht gelingt, die heute auf der Erde leben­den Kinder unseres Volkes irrezuführen, braucht man Opfergeist, Liebe und Gebet.

Man möchte mit den Worten von Maironis abschließen:

»Wir wollen inbrünstig beten, damit uns Gott beschütze

vor Unglück, vor Unwetter und Frost (...)

Damit Familienkinder in Einigkeit leben

und sich nicht prügeln, als gehörten sie nicht zusammen.

Und danach, aus der Segensfülle des Gebetes,

wollen wir alles miteinander teilen,

wollen arbeiten und leiden fürs gemeinsame Wohl,

jeder, wie er es gelernt hat, wie er es weiß und kann.«