(Schmerzhafte Jubelfeste)

Jedesmal begegnet der Mensch dem neuen Jahr mit gewissen Hoffnungen, Erwartungen und Wünschen. Man wünscht und man hofft, daß es sinnvoller, besser werde. Auch in den Bräuchen der weniger entwickelten Völker domi­nieren verschiedenartige Neujahrsrituale, mit deren Hilfe man versucht, das Böse, die bösen Geister zu vertreiben. Nichts darf die Freuden des Neujahrs überschatten.

Das Jahr 1986 aber bringt den Gläubigen Litauens leider nicht nur Freude, nicht nur fröhliche, erhabene Stimmung, sondern es erinnert sie auch an einen schmerzlichen Jahrestag unter vielen anderen, den wir am 26. Januar begehen werden: das Jubiläum der dreijährigen Unfreiheit des Priesters Alfonsas Svarinskas.

Drei Jahre, eine bedeutungslose Zeitspanne im menschlichen Leben. Es sieht aber ganz anders aus, wenn diese drei Jahre die Fortsetzung einer neunzehnjährigen Unfreiheit bedeuten. Von einunddreißig Jahren des prie­sterlichen Lebens von A. Svarinskas wurden elf Jahre hinter Gitter und Stacheldraht verbracht, ohne das Recht, sich Priester, ja nicht einmal sich Mensch zu nennen! Er, der klerikale Extremist und Verleumder, der gefähr­liche Verbrecher und von der bourgeoisistischen Ideologie gedungene Knecht, ein Hitzkopf und Gott weiß noch was, aber keinesfalls ein Priester und auch kein Mensch, der die Wahrheit verteidigt, der für die Sache Gottes, für die Ideale der geistigen Vervollkommnung kämpft! Von Nichtlitauern verurteilt, sogar von manchen priesterlichen Mitbrüdern verspottet und erniedrigt, blieb er doch Tausenden von Gläubigen Litauens und Menschen guten Willens ein gewaltiger, unermüdlicher Eisbrecher, der von Gott geleitet und beschützt, von Gebeten der Getreuen unterstützt, das Eis der geistigen Erstarrung, der Lüge und des Hasses, des aufgezwungenen Atheismus erbarmungslos ge­brochen hat und es auch jetzt noch bricht. Sogar die Regierungsgottlosen erkennen die Größe seiner Person an. Alle diese früheren Verbote für Semi­naristen, mit ihm zu verkehren und jetzt das Verbot, Gedenkstunden für ihn zu veranstalten, öffentlich für ihn zu beten, in Predigten seine Tätigkeit und seine Bemühungen positiv zu bewerten, zeigen deutlich genug, daß die Hüter der Zwangsapparatur die Macht des Beispiels von Priester A. Sva­rinskas und die beeinflussende Wirkung auf denkende Menschen sehr gut erkennen. Deswegen ist man auch um jeden Preis bemüht, ihn schlecht zu machen und unter Zwang und Drohungen den Leuten einzuhämmern, daß Priester A. Svarinskas ein Feind der sowjetischen Ordnung ist und daß seine Verteidigung als politisches Verbrechen betrachtet werden kann.

Ausgesprochen jämmerlich wirken die immer noch in der sowjetischen Presse auftretenden verschiedenen Lügenmärchen in dem Bemühen, die inhaftierten Priester und andere Gefangene wie auch Andersdenkende zu verleumden. Ein Beispiel: Kürzlich versuchte ein Lautsprecher solcher Lü­genmärchen, der Dozent für Marxismus an KKI Jeselskis, in der Tageszei­tung »Kauno tiesa« zu beweisen, daß die Tätigkeit der Priester A. Svarins­kas und S. Tamkevičius von den Gläubigen selber verurteilt worden sei, daß sich die Öffentlichkeit während der Gerichtsprozesse von ihnen abgewendet hätte und ähnliches. Es wäre interessant zu erfahren, über welche Gläubige und über welche Öffentlichkeit Jeselskis spricht.

Haben sich vielleicht jene Gläubigen von A. Svarinskas abgewendet, die ihr Wohl und sogar ihre Freiheit aufs Spiel setzend, auf jede mögliche Weise gejagt und sogar terrorisiert, an verschiedene sowjetische Instanzen Protest­erklärungen geschrieben und Tausende von Unterschriften darunter gesam­melt haben?

Haben ihn vielleicht jene Tausende von Unterzeichnern, die seine Freiheit forderten, in den Schlingen der Unwahrheit hängen lassen?

Hat vielleicht der Teil der Öffentlichkeit A. Svarinskas verworfen, der einige Tage lang vor dem Gerichtspalast stand und die Willkür des Sicherheits­dienstes und der Miliz, ihre Verspottung und sogar Repressalien erdulden mußte, z. B. Nachstellung, erzwungene Farten von einigen -zig Kilometern aus der Stadt Vilnius hinaus, Arrest für 10 Tage uswy

Uber welches Verwerfen des Priesters A. Svarinskas hat also dieser Ver­teidiger der »sowjetischen Wahrheit und Wirklichkeit« geschrieben? Höchst­wahrscheinlich hat Jeselskis jene Akteure und Darsteller der gerichtlichen Farce und den Teil der Öffentlichkeit (die Kader des Sicherheitsdienstes und der Partei) im Sinne gehabt, die zwangsweise in den Saal zusammengepfercht wurden und durch das zustimmende Händeklatschen die Stimme des Ge­wissens unterdrücken sollten, die sich wegen der widerrechtlichen Verurtei­lung eines Menschen meldete. Leider waren die Bemühungen vergebens ...!

Die Regierungsgottlosen werden durch nichts so aus der Fassung gebracht wie durch einen festen, unüberwindlichen Geist, durch das vollkommene Vertrauen auf den Schutz Gottes und die bedingungslose Ergebenheit in Seinen Willen, wie sich dies bei Priester A. Svarinskas wie auch bei anderen verhafteten Priestern und Laien zeigte. Und wie gerne möchte man sie nie­dergeschmettert und sich in Tränen der »Reue« badend sehen . . . Die Briefe der Gefangenen zeigen das Gegenteil: Beinahe in jedem von ihnen spiegelt sich der Dank an Gott für die geschenkte Gelegenheit zu leiden, sich zu opfern, sich selbst zu vervollkommnen und ein Beispiel für den anderen zu sein. Die Möglichkeit der Erkenntnis Gottes ist jedem gegeben: dem Reichen wie dem Armen, dem Wissenschaftler wie dem Ackerbauern, dem Herrscher des Staates genauso wie dem Gefangenen. Es gibt auch keinen bevorzugten Platz für Pflichterfüllung gegen Gott: Es kann der Altar genauso sein wie ein Bethaus, die Familie wie auch die Arbeit, das Gefängnis wie auch die Verbannung — dies alles sind die unübersehbaren und unergründbaren Felder der menschlichen Tätigkeit zur Verwirklichung der Gedanken Gottes. Als Christus seine Apostel in die Welt schickte, sagte er zu ihnen:

» ... Ich sende euch wie Schafe mitten unter Wölfe. . .«

»... Ihr werdet von allen gehaßt werden um meines Namens willen. Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird gerettet werden . . .«

» . .. Darum fürchtet sie nicht; denn nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt, und nichts ist geheim, was nicht bekannt werden wird. . .«

» ... Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht zu töten vermögen . ..«

 

Aus diesem Grunde hört man von den Lippen keines dieser Gefangenen einen Schrei der Hoffnungslosigkeit oder des Bedauerns wegen des verlorenen Lebens und der verlorenen Freiheit. Vielleicht sind nicht alle gleich wider­standsfähig, um körperlich die Entbehrungen der Unfreiheit zu ertragen, ihre Seelen aber sind ruhig und fest, denn Christus selbst, unser Herr und unser Gott stärkt und behütet sie!

Im Gedenken an die dreijährige Trennung von unserem ehrwürdigen Prie­ster A. Svarinskas wollen wir unsere Herzen zum Herrn erheben, damit wir die Kraft finden, die Angst und Unsicherheit in uns besiegen zu können, damit wir von unseren Märtyrern Entschlußkraft und Mut schöpfen können, damit wir immer den Heiligen Geist bitten:

» . .. Zünd an in uns des Lichtes Schein, gieß Liebe in den Herzen ein, stärk unsers Leibs Gebrechlichkeit mit Deiner Kraft zu jeder Zeit.«

Wir wollen nicht vergessen, daß Priester A. Svarinskas und die anderen die Ketten der Unfreiheit für Gott, für die Kirche und für das Volk tragen! Möge Gott sie segnen!