Strafprozeß Nr. 15678

Begonnen in der Abteilung „A" des Ministeriums für Staatssicherheit der SSR Litauen am 21. Februar 1949.

Haftbeschluß. Benediktas Andriuška, Sohn des Jonas, geboren im Jahre 1884 im Kreis Telšiai, Amtsbezirk Alsėdžiai (manchmal steht Bernatavas, Lielplaukė), Dorf Vilkaičiai, in der Familie eines Landbewohners-Bour­geois. Sein Vater besaß 40 ha Land. Hochschulbildung, Theologie. Ohne ständigen Wohnsitz und Beschäftigung. Der Vater ist im Jahre 1907 und die Mutter Eleonora 1917 gestorben. Ebenfalls gestorben sind seine elf Brüder und Schwestern.

Ich habe gefunden, daß er schon seit langer Zeit gegen die sowjetische Regierung arbeitet. Er hat die theologische Fakultät an der Päpstlichen Universität in England abgeschlossen. In den Jahren 1917-1919-1923 erhielt er Informationen und leitete sie an die Spionage Englands und Polens weiter. Mit Hilfe des deutschen Provinzials Bley und des deutschen Spions Kipp organisierte er 1923 den Jesuitenorden in Litauen und leitete ihn bis 1945. Er redigierte die Zeitschrift „Žvaigždė" („Stern") arbeitete mit dem Journal „Katalikybė ir gyvenimas" („Der Katholizismus und das Leben") zusammen und veröffentlichte Artikel gegen die sowjetische Regierung. Er ist der Verfasser zahlreicher Bücher und Gründer von Orga­nisationen. Bei einer Durchsuchung am 16. Juni 1948 wurden bei ihm anti­sowjetische Literatur, Manuskripte und ein antisowjetisches Tagebuch gefunden. Im Jahre 1947 hat er systematisch antisowjetische Predigten gehalten. Er lebt illegal im Kreis Telšiai. Eine Hausdurchsuchung ist vor­zunehmen und er selber festzunehmen.

Am 14. Februar 1949, Beamter der 1. Untersuchungsabteilung „O" des Ministeriums für Staatssicherheit, Hauptmann Balaitis; Vorsteher der 1. Unterabteilung „O", Tschetschurow.

Den Haftbeschluß bestätigen am 16. Februar 1949: Der Vorsteher der Abteilung „O", Oberstleutnant Schljapnikow; der Vorsteher der Unter­suchungsabteilung, Oberst Soloid; der Stellvertreter des Ministers, Marta-vičius; sanktioniert wurde er von Staatsanwalt Bacharow.

Eine Durchsuchung wurde vorgenommen am 21. Februar 1949 von 17 bis 21 Uhr im Kreis Tauragė, Amtsbezirk Skaisgiris, Pfarrei Varlaukis. Gefun­den wurde ein autobiographisches Buch: "Kaip aš tapau jėzuitu" („Wie ich Jesuit geworden bin"). Er wurde festgenommen und seine Sachen wurden beschlagnahmt: Ein altes Eisenbett, alte Waschvorrichtung aus Holz, ein neuer Mantel, alte Matratze, eine bunte Kuh - 3 Jahre alt, eine Ziege -6 Jahre alt, sechs Paar Unterwäsche - alt.

Den Prozeß führt der Hauptmann Golicyn.

Aus den Vernehmungsprotokollen (im Jahre 1949).

1.) 24. Februar. Beginn der Vernehmung um 11 Uhr, Ende um 17 Uhr.

Sein Lebenslauf wurde aufgeschrieben:

Er besuchte die russische Volksschule zu Lielplaukė, schloß 1901 das Pro­gymnasium zu Palanga ab, trat in das Priesterseminar zu Kaunas ein. Nach 1,5 Jahren unterbrach er das Studium und fuhr Anfang 1903 nach Öster­reich. Am 3. März 1903 Eintritt in den Jesuitenorden. Auf Kosten der pol­nischen Provinz schloß er das Gymnasium und 1909 die philosophische Fakultät an der Päpstlichen Universität zu Krakau ab.

Bis 1913 erteilte er Unterricht in russischer Sprache und liturgischem Gesang am Jesuitengymnasium in Chirow, Österreich. 1913 reiste er nach England und trat dort in Hastings in die theologische Fakultät der Päpst­lichen Universität ein. 1915 wurde er zum Priester geweiht.

1917.               schloß er das Studium an der theologischen Fakultät ab. Bis Sommer

1918.               kam er nach London und spezialisierte sich hier im privaten Studium in der Philosophie.

1919.               kam er aus England nach Litauen und lehrte hier am Priesterseminar zu Kaunas Philosophie und Kirchenmusik. 1920 fuhr er nach Krakau und arbeitete dort bis 1921 im Jesuitenverlag, der katholische Bücher und Jour­nale in polnischer Sprache herausgab. 1921 fuhr er nach Belgien, wo er in Antwerpen im Wirtschaftsinstitut als Erzieher tätig war und Unterricht in russischer Sprache gab.

Am 23. Mai 1923 kam er nach Litauen zurück. Bis 1930 war er als Professor am Priesterseminar zu Kaunas tätig, wo er lateinische Sprache, Welt­geschichte und andere Fächer lehrte. Von 1930 bis 1936 war er Rektor der St. Ignatius-Kirche in Šiauliai und hat in der Vilniaus Str. 245 in Šiauliai gewohnt. Von 21. April 1936 bis 1941 war er Provinzial der Jesuitenprovinz Litauen. Seine Residenz war in Kaunas bei der Jesuitenkirche St. Franz Xaver in Kaunas. Vom Winter des Jahres 1942 bis August 1948 war er Rektor der St. Ignatius-Kirche in Šiauliai und hat in der Vilniaus Str. 245 in Šiauliai gewohnt. Später wurde er vom Verwalter der Diözese Telšiai, Juodaitis, auf eigenen Wunsch nach Ukrėnai im Kreis Mažeikiai, Amts­bezirk Židikiai, und nachher nach Varlaukis versetzt.

2.) 7. März. Beginn der Vernehmung um 20 Uhr, Ende um 24 Uhr.

„Geben Sie zu, daß Sie bis 1940 durch ihre Artikel und Bücher und ab 1944 durch die Erziehung der Jugend in religiösem und nationalistischem Geiste gegen die sowjetische Regierung gekämpft haben?"

„Ich gebe zu, daß ich in der Presse, bei Zusammenkünften, in meinen Gesprächen mit den Gläubigen, im Unterricht gegen den gottlosen Bol­schewismus gekämpft habe. Ich habe gekämpft, weil ich ein Priester bin, weil ich den Bolschewismus, in Wirklichkeit die Gottlosigkeit, nicht anerkenne, weil ich der Vernichtung des katholischen Glaubens durch den Bolschewismus nicht zustimme. Die Einführung der sowjetischen Regie­rung in meine Heimat betrachte ich negativ, weil ich weiß, daß sie die Katholische Kirche in Litauen vernichten wird. Mein ganzer Kampf gegen den Bolschewismus, alle meine Äußerungen gegen den Bolschewismus und seine konkreten Führer hat das einzige Ziel, den katholischen Glauben zu verteidigen und ihn vor der Vernichtung zu bewahren. In diesem Sinne forderte ich auch die anderen zum Kampf gegen den Bolschewismus auf. Ich gebe zu: Ich habe auch die Jugend im nationalen Geiste erzogen, denn die Liebe zum Volke hilft, sie erfolgreich im religiösen Geiste zu erziehen. Zu diesem Zweck sind auch die monatlichen Konferenzen der Jugend in Šiauliai organisiert worden. Auf alle politischen Fragen der Jugend habe ich immer die Antwort gegeben: „Das wichtigste ist jetzt, ein guter Katho­lik zu sein".

3.) 10. März. Beginn der Vernehmung um 13 Uhr, Ende um 17 Uhr.

„Sie haben den Jesuitenorden in Litauen gegründet. Auf welche Weise?"

„Ich habe ihn nur wiederaufgebaut. Der Gedanke an seine Wiederbelebung wurde 1902 im Priesterseminar zu Kaunas geboren. Als ich von 1903 bis 1923 im Ausland lebte, strebte ich nach diesem Ziel, bereitete das Feld dazu vor, schrieb an den General nach Rom.

Ledochowski schickte damals zwei Jesuitenpriester nach Litauen: Den Fran­zosen Bube und den Italiener Zechini, um zu klären, welcher Nationalität die Jesuiten am besten sein sollten, die die religiöse Arbeit in Litauen auf­nehmen könnten. Zechini blieb in Litauen als Gesandter des Papstes, und Bube teilte noch im Jahre 1922 dem General mit, daß die Litauer sowohl gegen die Polen, wie auch gegen die Franzosen seien. Zu demselben Zweck kamen 1922 die deutschen Jesuiten nach Litauen: Der Provinzial Bley und sein Stellvertreter Drüding. Sie haben mitgeteilt, daß, obwohl die Deutschen in Litauen auch nicht besonders beliebt seien, ein behutsame Arbeiten möglich sei, wenn jede deutsche Propaganda unterbleibe.

Im Jahre 1923 gab General Ledochowski einen offiziellen Beschluß heraus, daß Litauen als Missionsgebiet von den deutschen Jesuiten kontrolliert wird. In demselben Beschluß stand, daß der General mich aus der belgi­schen Provinz der Jesuiten herausgenommen und in die deutsche Jesuiten­provinz überführt habe. Der Provinzial der deutschen Jesuitenprovinz, Bley, schickte den deutschen Jesuitenpater Kipp nach Litauen, um hier den Jesuitenorden wiederaufzubauen. Ich kam am 23. Mai 1923 nach Litauen, und Pater Kipp im Juli desselben Jahres. So haben wir gemeinsam, Pater Kipp und ich, den Jesuitenorden wiedergegründet. Sein Zentrum in Litauen befand sich in Kaunas. Am Anfang nannte sich dieses Zentrum Mission, ab 1924 - Residenz und seit der Gründung des Jesuitengymna­siums zu Kaunas - Kollegium. Bis 1929 gab es in Litauen nur eine Jesuiten-Kirche, die in Kaunas. Dort habe auch ich gearbeitet. Pater Kipp war der Rektor des Gymnasiums und bis 1936 Provinzial. Im Jahre 1936 wurden die Jesuiten Litauens auf Beschluß des Generals Ledochowski von der deut­schen Provinz getrennt, es wurde eine eigenständige Provinz gegründet, und ich zum Provinzial ernannt. Mein Amt übernahm ich am 21. April.

Im Jahre 1940 hatte die Provinz 18 litauische und deutsche Priester.

Im Ausland studierten noch einige Dutzend litauische Jesuiten. Es arbeite­ten drei Kirchen: In Kaunas, Šiauliai und Pagryžuvys.

Ich habe General Ledochowski oft gebeten, mich von meinem Amt als Provinzial zu entbinden. Im August 1941 übergab ich mein Provinzialamt an den von mir vorgeschlagenen, neuernannten Provinzial Pater Gruodis."

„Hat der General Ledochowski Ihre Zustimmung gehabt, als er Sie aus der belgischen in die deutsche Provinz überführt hat?"

„Es war keine Zustimmung nötig, weil ich selbst meine Hilfe beim Wieder­aufbau des Jesuitenordens in Litauen angeboten habe."

„Wie und wann haben Sie um die Entbindung vom Amt des Provinzials gebeten?"

„Im Jahre 1939 habe ich eine Erklärung an den General abgeschickt, in der ich gebeten habe, mich wegen meiner schlechten Gesundheit zu entbin­den. Ich habe den Professor am Priesterseminar zu Kaunas, Pater Gruodis, vorgeschlagen. Eine Antwort darauf gab es nicht."

„Wann und auf welchem Weg wurde Ihnen die Amtsentbindung mitgeteilt?"

„Pater Gruodis sagte mir, daß noch vor dem Krieg ein Dokument über den Botschafter Amerikas in Moskau abgeschickt worden sei, das er wahr­scheinlich nicht bekommen hat, weil er mich darüber nicht in Kenntnis gesetzt hatte. Erst 1941, als ich schon im Kreis Kaišiadorys in der Pfarrei Žiežmariai bei Prälat Sužiedėlis wohnte, bekam ich durch die Post eine Mitteilung von Pater Gruodis, daß ich entbunden bin und er ernannt wor­den ist. Pater Gruodis hat das aus einem Brief von Pater Karl Fulst erfahren."

„Warum haben Sie 1940 Jesuiten illegal ins Ausland geschickt?"

„In den Jahren 1940-1941 wurde oft die sowjetische Regierung gebeten, junge Jesuiten zum Studium ins Ausland zu lassen, aber wir haben keine Erlaubnis bekommen. Ich habe dem Vorschlag des Paters Rittmeister zuge­stimmt, die Ausbildung der Jesuiten durch illegale Überschreitung der Grenze zu organisieren."

„Wer hat dabei geholfen, wer ist hinübergekommen?" „Ich erinnere mich nicht mehr."

„Ende 1940 sind, mit Hilfe des Deutschen Begner, vier Jesuiten nach Deutschland übergelaufen. Damals sind Venckus, Mikalauskas, Šlabšys geflohen. Wer war der Vierte?"

„Ich erinnere mich nicht mehr."

 

4.) 16. März. Beginn der Vernehmung um 20 Uhr, Ende am 17. März um 1 Uhr.

„Welche Organisationen haben Sie gegründet und welche geleitet?"

„Im Jahre 1925 habe ich gemeinsam mit Professor Venckus die Aposto­lische Union der Priester (Unio Apostolica) gegründet, die zum Ziel hatte, das geistige Leben der Priester emporzuheben. Diese Union zu gründen, hat der Erzbischof Skvireckas erlaubt. Ich leitete sie bis 1936. Später leitete sie Bischof Būčys. Zu der Union gehörten 20 bis 40 Priester. Ich sorgte für ihr geistliches Leben, ihre religiöse Bildung durch Exerzitien in Pagryžuvys, die für sie durchgeführt wurden.

Im Jahre 1923 hatte ich in Kaunas einige Konferenzen des Tertiarierordens geleitet, um sein religiöses Leben zu erwecken und zu beleben.

Im Jahre 1919 habe ich gemeinsam mit dem Prälaten Januškevičius die in Litauen nicht mehr wirkende Organisation „Gesellschaft des hl. Vinzenz von Paul" wieder ins Leben gerufen. Sie hatte zum Ziel, den Kranken und den Armen materielle und moralische Hilfe zukommen zu lassen. Seit 1923 schlössen sich zahlreiche Priester dieser Organisation an, sie wurde sehr groß und arbeitete in ganz Litauen, ich war aber nicht mehr dabei.

Im Jahre 1923 habe ich den Verein des Gebetsapostolats wiederbelebt und leitete ihn bis 1930. Zu diesem Verein gehörten über 100000 Mitglieder. Sein Ziel war, um die Anliegen zu beten, zu denen der Papst aufruft. Eines dieser Anliegen war, daß sich Rußland wieder auf den Weg der religiösen Wiedergeburt begibt. Ab 1930 leitete Pater Paukštys diese Organisation.

In den Jahren 1919 bis 1923 habe ich einige Konferenzen der „Ateitininkai" (auf ihren eigenen Wunsch) geleitet und nahm an einem Kongreß teil.

Von 1926 bis 1927 habe ich das Journal „Žvaigždė" („Stern") redigiert, die die Jesuitenprovinz in Litauen herausgab. Die Auflage dieses Journals stieg von 5000 auf 50000 Exemplare. Nach mir haben der Pater Paukštys und Pater Bružikas die Redaktion übernommen.

Ich habe Artikel über die Journale „Tiesos kelias" („Der Weg der Wahr­heit") und „Draugija" („Die Gesellschaft") geschrieben. Das Organ der Christlich Demokratischen Partei „Rytas" („Der Morgen") hat einige Male meine Feuilletons veröffentlicht."

„Wo sind Ihre antisowjetischen Artikel veröffentlicht worden?"

„Ich erinnere mich an zwei antisowjetische Artikel im Journal ,Draugija'."

„Wieviele Ihrer Bücher wurden veröffentlicht?"

„Von 1923 bis 1940 wurden über 20 Bücher religiösen Inhalts veröffentlicht. Etwa genau so viele habe ich aus der englischen, deutschen oder franzö­sischen Sprache ins Litauische übersetzt."

 

5.) 18. März. Beginn der Vernehmung um 23 Uhr, Ende am 19. März um 2 Uhr.

„Warum haben Sie für Petras Venckus ein fingiertes Zeugnis ausgestellt? Er hat auf Grund dessen einen Personalausweis bekommen."

„Ich habe das Zeugnis darüber ausgestellt, daß er ein Priester ist. Ich weiß das persönlich und werde das immer bestätigen. Alle anderen Angaben habe ich nach seinen Worten geschrieben. Ich gebe zu, daß ich nicht wußte, daß seine Fotografie fingiert war."

6.) 21. März. Beginn der Vernehmung um 20 Uhr, Ende am 22. März um 2 Uhr.

„Welche Beziehungen haben Sie zu dem Arzt Rutkauskas?"

„Er hatte sich 3000 Rubel geliehen. Darüber wußten Delininkaitienė und Kuzmickas Bescheid."

„Was sind das für Menschen?"

„Das sind der sowjetischen Regierung gegenüber loyale Personen."

„Haben Sie Medikamente an Mitglieder der Untergrundbewegung gegeben, haben Sie ihnen geholfen?"

„Sie haben sich an mich nicht gewendet. Außerdem haben die Jesuiten untereinander ausgemacht, daß es nicht gut ist, sich und die Religion Gefahren auszusetzen, und daß wir uns nicht einmischen."

„Denken sie darüber nach, an wen sie Verbandmaterial abgegeben haben!"

„An niemanden. Ach ja, im Jahre 1946 oder 1947 hat ein Mädchen um Ver­bandmaterial gebeten, weil es das im Krankenhaus nicht mehr gibt. Wer es war, weiß ich nicht. Ich habe niemandem, der sich mit der Bitte um mate­rielle oder moralische Hilfe an mich wandte, diese verweigert. Ich habe alles gegeben, was ich nur hatte. Wer das war, welche Anschauungen er hatte, ob er zur Untergrundbewegung gehörte, habe ich niemals gefragt, deswegen weiß ich nichts."

 

7.) 4. April. Beginn der Vernehmung um 20 Uhr, Ende am 5. April um 2 Uhr.

„Bei der Durchsuchung am 16. Juli 1948 wurde auf dem Dachboden der Kirche antisowjetische Literatur, ein Tagebuch und eine Liste der im Jahre 1940-1941 deportierten Einwohner der Stadt Šiauliai gefunden. Gehört diese Literatur Ihnen?"

„Nur das Tagebuch gehört mir. Wem alles andere gehört, weiß ich nicht. Ich erinnere mich nur, daß Maskvytis, der Inhaber der Buchhandlung, gebeten hat, die Gebetbücher dort unterzubringen. Ich habe es erlaubt, was er aber untergebracht hat, weiß ich nicht."

„Warum haben Sie das Tagebuch versteckt?"

„Ich wollte es aufbewahren und später einem Historiker übergeben, damit dieser ein Buch über die Geschichte der Jesuiten in Litauen schreiben kann. Das ganze Tagebuch spricht doch nur über die Wiederbelebung des Jesuitenordens."

„Gibt es in dem Tagebuch auch antisowjetische Eintragungen?" „Ja, ich bin doch ein Antibolschewist."

„Wo befindet sich die Fortsetzung dieses Tagebuches?"

„Ich habe sie im August 1944 unterwegs zwischen Pagryžuvys und Šiauliai verloren."

„Am 19. Juli 1948 wurden an der Wand der Kirche das Wappen ,Vytis', eine antisowjetische Parole und eine Bekanntmachung gefunden, daß eine Kon­ferenz der Jugend stattfinden wird. Wer hat das ausgehängt?"

„Es wurde auf meine Anweisung ausgehängt. Ausgehängt hat dies aller­dings Pater Šeškevičius. Es stimmt, am Anfang habe ich schon gedacht, daß ,Vytis' die Bolschewiken verärgern könnte, aber man hat meine Beden­ken zerstreut, und ich war damit einverstanden."

„Wer hat Sie davon überzeugt?"

„Ich erinnere mich nicht mehr."

„Wie soll man die Parole ,Für das Vaterland und die Kirche' verstehen?"

„Für das Vaterland und für die Kirche beten."

„Für welches Vaterland?"

„Für das bestehende Vaterland."

„Für das sowjetische?"

„Nein, beten für unser Vaterland Litauen, ohne die jetzige politische Ord­nung, die darin jetzt herrscht, einzubeziehen."

„Auf wessen Initiative kam es zu dieser Konferenz der Jugend und wer leitete sie?"

„Auf meine Anweisung wurde sie von mir und den Patres Šeškevičius und Masilionis geleitet."

„Sie haben am 26. Mai 1947 in der Predigt gesagt: ,Die Bolschewiken ver­suchen das Volk von der Religion fernzuhalten. Sie werden nichts ausrich­ten können, wenn wir tief und fest glauben. Wir wollen uns niemals von Gott abkehren. Der Glaube ist das Fundament unseres Lebens.' Haben Sie so wirklich gesagt?"

„Es ist möglich, daß ich so gesagt habe, denn das sind meine Gedanken."

„In der Predigt über den Alkoholismus in der Kirche von Pagryžuvys haben Sie 1942 gesagt, daß Alkoholismus die Würde des Menschen ver­nichtet, ihn dem Unglauben näher bringt und die Strafe Gottes zur Folge haben kann, dann ,werden die Bolschewiken zurückkommen und uns alle deportieren'. Haben Sie so gesagt?"

„So habe ich gesagt."

„Haben Sie am 21. Dezember 1943 in Kelmė eine antisowjetische Predigt

gehalten?"

„Ja, das habe ich. Ich verheimliche nicht, daß ich ein Priester bin und daß ich deswegen ein Feind des gottlosen Bolschewismus gewesen bin und auch bleibe."

 

8.) 6. April. Beginn der Vernehmung um 21 Uhr, Ende am 7. April um 2 Uhr.

Es wurde über die Beziehungen zu dem Verwalter Juodaitis und über die Ernennungen gesprochen sowie darüber, daß der Verwalter Stankevičius nach der Abreise von Pater B. Andriuška im Jahre 1948 den Priester Šovis, Pfarrer der Kirche von Radviliškis, zum Pfarrer der Jesuitenkirche in Šiauliai ernannt hatte; warum die Ernennung im Vernehmen mit Pater Gruodis erfolgte, ober er ein Jesuit ist usw.

 

9.) 11. April. Beginn der Vernehmung um 11 Uhr, Ende um 15 Uhr.

Es wurde gefragt, warum Pater Šeškevičius (im Juli) 1948 in die Diözese Kaišiadorys und im August 1948 Pater Masilionis nach Raseiniai umgezo­gen ist, warum Priester Šovis ernannt wurde. Pater B. Andriuška gab zur Antwort, daß der Verwalter Stankevičius ernannt habe und daß Priester Šovis wahrscheinlich ohne Pfarrei war.

 

10.) 11. April. Beginn der Vernehmung um 20 Uhr, Ende am 12. April um 3 Uhr.

„Warum wollten Sie in den Jahren 1918-1919 nach Sowjetrußland fahren?"

„Ich habe 1917 in England, in Canterbury, einen Brief von General Ledo-chowski erhalten. Er schlug mir vor, nach Petersburg zu fahren, und dort gemeinsam mit den polnischen Jesuiten die katholische Aktion durch­zuführen.

Ich bekam vom Prokurator der Jesuiten zu diesem Zweck 100 Pfund Sterling und wandte mich an den Konsul von Schweden und Norwegen. Mir wurde die Überfahrt zugesagt, wenn ich ein Visum aus Petersburg beschaffe. Ende 1917 suchte ich einen Vertreter Sowjetrußlands in London, er war aber schon verhaftet, und ich konnte nur mit seiner Frau Litwinowa sprechen, die mir abgeraten hat, nach Petersburg zu fahren. Ich habe den Chef der britischen Polizei um ein Visum gebeten, er gab mir aber keines.

Dann kam Wrangel. Ich bat ihn durch einen Brief um Hilfe. Er teilte mir durch einen eigenhändig geschriebenen Brief mit, daß er mir helfen werde, wenn es eine Möglichkeit gebe. Seiner Meinung nach werde es in Rußland keine religiöse Unterdrückung geben, alle würden vollkommene Religions­freiheit genießen dürfen."

„Warum haben Sie sich an den besiegten Weißgardisten Wrangel gewendet?

„Mich hat die Meinung eines antibolschewistischen Generals über die Lage in Rußland interessiert, deswegen habe ich mich an ihn gewendet. Er glaubte nicht, daß die Konterrevolution verlieren könnte und hatte keine gute Meinung über die Revolution des Proletariats, die stattgefunden hatte."

„In Ihrem Tagebuch findet man ein Projekt über das Apostolat in Rußland. Es war im Vatikan besprochen und es ist ihm zugestimmt worden. Welches Ziel hatte dieses Projekt, warum haben sie es geschrieben?"

„In der Stadt Engen in Belgien sprach ich 1921 über diese Frage mit dem Professor der Theologie Dr. D'Herbigny. Er war ebenfalls an dem Aposto­lat in Rußland interessiert und war gerade dabei, sich auf eine Romfahrt vorzubereiten. Deswegen übergab ich ihm auch mein Projekt. Später erfuhr ich, daß dieses Projekt in der Kurie des Generals Ledochowski begutachtet wurde. Das Ziel dieses Projekts: den katholischen Glauben in den Nach­barländern Rußlands und im Inneren Rußlands selbst zu stärken und eine Union zwischen der Orthodoxen und der Katholischen Kirche zu erreichen."

„Gab es auch antisowjetische Ziele?"

„Mein Ziel-Projekt war es, gegen den gottlosen Bolschewismus zu kämp­fen. Die politische und ökonomische Ordnung Rußlands berührte es nicht."

„Ist es möglich, den Kampf gegen den gottlosen Bolschewismus vom Kampf gegen die sowjetische Regierung zu trennen oder zu unterscheiden?"

„Da die Bolschewiken im Kampf gegen die Religion die physische wie auch andere staatliche Macht und administrative Maßnahmen anwenden, ist es wirklich schwer, die gesellschaftliche Ordnung eines kommunistischen Staates von der Gottlosigkeit zu unterscheiden. Deswegen muß man dar­aus folgern, daß ein Kampf gegen den gottlosen Bolschewismus auch ein Kampf gegen die sowjetische Regierung ist, aber als Aggressor in diesem Kampf betrachte ich den Kommunismus."

 

11.) 12. April. Beginn der Vernehmung um 13 Uhr.

„Wann haben Sie Aleksandras Markevičius kennengelernt?"

„1937 in Kaunas. Er war krank, ich habe ihn materiell unterstützt. Der Rek­tor des Jesuitenordens, Josef Rittmeister, kümmerte sich um ihn. Später studierte Markevičius in Holland."

„Warum wollte er 1941 über die Grenze?"

„Er war noch kein Priester und wollte das Theologiestudium abschließen. Ich weiß, daß es ihm damals mißlungen ist, über die Grenze zu kommen, er kam ins Gefängnis."

„Wann und von wem wurde er zum Priester geweiht?" „Im Jahre 1943 von Erzbischof Skvireckas." „Warum hat er antisowjetische Predigten gehalten?"

„Antisowjetische Aussagen gab es in seinen Predigten nicht. Ich habe es ihm untersagt und er befolgte es. Auf meine Anweisung gab er der Jugend und den Schülern in Šiauliai Religionsunterricht."

12.) 13. April. Beginn der Vernehmung um 13 Uhr, Ende um 17 Uhr.

„Warum haben Sie den antisowjetischen Artikel ,Keletas bruožų iš popie­žiaus būdo' (,Einige Charaktermerkmale des Papstes') geschrieben?"

„Der Rektor des Priesterseminars zu Kaunas, Petrauskas, hat mir vorge­schlagen, aus Anlaß der Krönungsfeierlichkeiten des Papstes am 13. Februar 1938 den Seminaristen einen Vortrag zu halten. Diesen Vortrag hat das Journal ,Draugija' in seinem inoffiziellen Teil ,Katalikybė ir gyvenimas' (,Katholizismus und das Leben') abgedruckt."

„Sie haben einen der ehrenvollsten sowjetischen Führer verleumdet und beleidigt, den Führer der Kommunistischen Partei."

„Ich hatte nicht die Absicht, jemanden zu verleumden oder zu beleidigen. Ich habe die Wahrheit gesprochen. Auch die ausländische Presse hat doch vieles über Lenin geschrieben. Es ist selbstverständlich, daß meine Mei­nung mit den Gedanken der Presse einig waren."

13.) Am 14. April. Beginn der Vernehmung um 13 Uhr, Ende am 15. April um 1 Uhr.

„Was haben Sie in den Jahren 1913 bis 1919 in England gemacht?"

„Ich habe auf Kosten der polnischen Jesuitenprovinz in Hastings, Canter-bury und London Theologie studiert."

„Wann und in welcher Weise haben Sie mit der Spionage Englands zusam­mengearbeitet?"

„Ich habe niemals und in keiner Weise mit irgendwelchen Geheimdiensten zusammengearbeitet. Ich war nur mit den Vertretern Litauens, Čainskis und Bizaukas, bekannt. Im Juni 1919 fuhr ich nach Litauen."

„Im Tagebuch ist eine Stelle, daß Sie unterwegs nach Litauen im Zug litau­ische Freiwillige getroffen haben, die sich anschickten, gegen die Bolsche­wiken zu kämpfen. Und Sie haben sie gesegnet."

„Ja, ich habe gesagt: Möge euch Gott helfen, unsere Heimat vor den Bolschewiken zu verteidigen."

14.) 15. April. Beginn der Vernehmung um 21 Uhr, Ende am 16. April um 2 Uhr.

„Kennen Sie den in der Stadt Radviliškis lebenden Grazinow?"

„Er hat durch Briefe gebeten, ihn in den Jesuitenorden aufzunehmen. Im März 1940 hat er an Exerzitien für Gymnasiasten teilgenommen. 1945 oder 1946 wandte er sich an Pater Danyla, nach unserer Meinung aber denkt er ungesund, und deswegen haben wir ihm die Aufnahme verweigert."

„Wie haben Sie den Religionsunterricht für Kinder in Šiauliai organisiert?"

„Wir haben uns bei Dekan Telksnys versammelt. Pater Šeškevičius teilte die Kinder in Gruppen auf und überließ sie den Priestern Lileika, Marcinkus, Kuzmickas. Den Kindern der Volksschule hat die Klosterfrau Valentina Kežytė den Religionsunterricht gehalten. Im Februar 1948 hat das Exekutiv­komitee der Stadt Šiauliai den Religionsunterricht verboten, deswegen haben wir nur monatliche Konferenzen abgehalten. Erlaubnis dafür haben wir nicht gehabt. Wir haben nur gesagt: ,Seid gute Katholiken!'

Den Dekan Telksnys haben die Sicherheitsbeamten von Kaunas versucht anzuwerben. Er weigerte sich, mit ihnen zu arbeiten. Darauf bekam er einen verdächtigen Brief aus der Kurie: Die Unterschrift des Kanzlers Meleškas war gefälscht. Er schickte einen eigenen Mann, um das zu über­prüfen. Es stellte sich heraus, daß die Kurie nicht geschrieben hatte. Er schloß daraus, daß seine Verhaftung vorbereitet wird, und deswegen hat er sich versteckt, d. h. er verließ Šiauliai. Wohin er gefahren ist, weiß ich nicht. Er hat es nicht gesagt."

„Warum haben Sie Šiauliai verlassen?"

„Ich wurde wegen der monatlichen Konferenzen beschuldigt, obwohl die Kurie erlaubt hatte, sie abzuhalten, deswegen bin ich auch weggefahren."

 

15.) 16. April. Beginn der Vernehmung um 12 Uhr, Ende um 15 Uhr.

„Welche Erinnerungen haben Sie 1942 und 1943 geschrieben und wo sind sie?"

„Ich habe über die Ereignisse in Litauen 1940 und 1941 geschrieben. Ich habe über den Einzug der Roten Armee geschrieben, über die Angst, daß sie uns abschlachten oder verhaften könnte, ich habe geschrieben über die rechtswidrige Ausrufung der Regierung, die Schließung des Gymnasiums, das Verbot der Journale ,Žvaigždė' und ,Misijos', über die Verstaatlichung der Klosterbauten, über die Deportation, über die Repatriierung der Deut­schen, über den Beginn des Krieges gegen Deutschland, über die Grausam­keit der Bolschewiken."

„Waren es antisowjetische Aussagen?"

„Ja, weil ich die negative Seite beschrieben habe." „Warum haben Sie das geschrieben?"

„Ich habe als Ziel gehabt, die Eindrücke über die historischen Ereignisse so zu schildern, wie sie sich im Leben der Jesuiten widergespiegelt haben. Etwa 8-10 Heftseiten hatte ich schon vollgeschrieben. Ich hatte drei Exemplare. Eines davon habe ich durch einen Ordensmann, dessen Namen ich nicht kenne, nach Kaunas geschickt, und die anderen zwei habe ich Ende 1944 oder Anfang 1945 vernichtet."

„Was haben Sie noch in den Jahren der deutschen Besatzung drucken lassen?" „Im April 1944 wurde mein Tagebuch bis 1930 gedruckt." „Wer hat es gelesen?"

„Im Jahre 1943 hat Markevičius in Pagryžuvys es gelesen. Mir scheint, daß der Rektor, Pater J. Danyla, den ersten Teil gelesen hat."

16.) 18. April. Beginn der Vernehmung um 21 Uhr, Ende um 24 Uhr. „Während der Durchsuchung sind 8 antisowjetische Bücher gefunden worden:

1.     ,Kolektivinė tironija' (,Kollektive Tyrannei') von Valuckas,

2.     ,Žydai už vieno iš tarybinės valstybės valdovų nugaros' (,Juden hinter dem Rücken eines Machthabers des sowjetischen Staates') von Koma,

3.     ,Raudonasis siaubas GPU' (,Das rote Grauen GPU') von Zigorietis,

4.     ,Čekistų naguose' (,In den Klauen der Tschekisten') von Vaičiūnas,

5.     - 8. ,Lietuvos archyvai bolševikų metais' - ,Archive Litauens in der Ära der Bolschewiken'."

„Diese Bücher gehören mir nicht. Ich weiß nicht, wem sie gehören, es ist möglich, daß Maskvytis sie dort untergebracht hat. Gegeben habe ich sie niemandem."

 

17.) 19. April. Beginn der Vernehmung um 12 Uhr, Ende um 15 Uhr.

„Erzählen Sie mir über ihr Bühnenstück ,Naujoji tvarka' (,Die neue Ord­nung')!"

„Ich habe es 1916 in England geschrieben. Es ist gegen die litauischen Sozialisten gerichtet, die in Schottland leben. Es hat das Ziel, die von den Sozialisten betriebene atheistische Propaganda aufzuhalten und ihren Ein­fluß auf die Massen zu schwächen. Der Inhalt ist etwa der: Die Sozialisten wollten einen eigenen Staat gründen, es gelang ihnen aber nicht: Die Wirt­schaft ging vollkommen zugrunde, die sozialistischen Wirtschaftsformen waren untauglich, die Führer des sozialistischen Staates gewissenlos, mora­lisch gesunken, weil sie sich von der Religion abgewendet haben. Die neue Ordnung gefiel den Bürgern nicht, sie liefen alle davon. Das Stück wurde in der litauischen Kolonie in dem Städtchen Belshire aufgeführt. Ich habe überall versucht, die Schädlichkeit der antireligiösen Propaganda im Leben der Sozialisten zu beweisen und stärkte überall den Glauben der Litauer, die in England lebten."

„In ihrem Tagebuch gibt es eine Episode, wo Sie zu einem englischen Sol­daten gesagt haben: ,Ich bin kein Bolschewik, ich bin ihr Feind, genau wie Sie.' Ist es so gewesen?"

„Es war Anfang des Jahres 1919. Ich bin auch bis jetzt ein Feind des gott­losen Bolschewismus."

„Warum sind sie im Jahre 1938, ich glaube im März, nach Rom gefahren?" „Ich nahm an einer Versammlung der Provinziale der Jesuiten teil." „Haben die Jesuiten jetzt eine Verbindung mit dem Vatikan?" „Sie haben keine."

Abschluß des Prozesses am 19. April 1949. Anklagebeschluß zusammenge­stellt am 20. April 1949 in Vilnius.

Andriuška, Benediktas, Sohn des Jonas, wird damit beschuldigt, daß er einer der größten Aktivisten des katholischen Klerus war, den reaktionären Jesuitenorden in Litauen gegründet hat, ihm vorstand, Verfasser zahlrei­cher antisowjetischer Bücher ist, lange Jahre aktive, bewußte Agitation gegen die Kommunistische Partei und die sowjetische Regierung geführt hat. Er schuf ein großes Werk, indem er in Litauen verschiedene katho­lische Organisationen gründete. Dadurch hielt er das litauische Volk von dem revolutionären Kampf ab. Er hat ein Tagebuch von 577 Seiten über die Jahre 1903 bis 1930 geschrieben und es drucken lassen. Er schrieb anti­sowjetische und verleumderische Erinnerungen über die Tätigkeit der sowjetischen Organe in Litauen in den Jahren 1940 und 1941, vervielfältigte sie und verbreitete sie unter den Priestern und Jesuiten. Im Jahre 1925 ver­faßte er die Broschüre „Jėzuitai, kas jie ir ko jie nori" („Jesuiten, wer sie sind und was sie wollen"), in der die Vertreter der Litauer und der Russen verleumdet werden, die gegen die reaktionäre Politik der Jesuiten gekämpft haben. Im Jahre 1938 wurde im Journal „Katalikybė ir gyvenimas" („Katho­lizismus und das Leben") seine Rede abgedruckt, die er vor den Semina­risten von Kaunas während der Feierlichkeiten am Jahrestag der Krönung des Papstes gehalten hat, in der er den Führer der Kommunistischen Partei verleumdete. Ab 1944 bis Juli 1948 erzog er die Jugend in der Kirche in religiösem und nationalem Geiste, hielt systematisch antisowjetische Pre­digten in der Kirche, veranstaltete religiösen Unterricht, monatliche reli­giöse Konferenzen, wodurch er die Jugend von der kommunistischen Erziehung abgehalten hat, bewahrte antisowjetische Literatur auf.

Das Ministerium der SSR Litauen für Staatssicherheit schlägt für Andri­uška, Benediktas, Sohn des Jonas, 10 Gefängnis vor und beschließt, die Prozeßakten an die Sonderkommission des Ministeriums für Staatssicher­heit der UdSSR zu überweisen.

Beschuldigt nach 2. Teil Artikel 58 Abs. 10 des StGB der UdSSR. Die Son-derkommision beim Ministerium für Staatssicherheit der UdSSR beschloß am 25. Mai 1949, Andriuška, Benediktas, Sohn des Jonas, wegen anti­sowjetischer Agitation und Verbreitung von antisowjetischen Blättern für 10 Jahre, gerechnet vom 21. Februar 1949 an, einzusperren (Auf dem Deckel der Prozeßakten stehen die Zahlen 72693).

In der Prozeßakte findet man noch verschiedene andere Beschlüsse, die in Vilnius angenommen wurden. Die interessanteren davon:

1.     B. Andriuška ist an Augenstar erkrankt und deswegen für physische Arbeit ungeeignet.

2.     Die Prozeßakte wird zur Sonderkommission geschickt, deswegen ist ihr gesamter Inhalt geheim.

3.     B. Andriuška ist ein berühmter Aktivist des katholischen Klerus, Grün­der und Leiter des reaktionären Jesuitenordens in Litauen, führte seit 1916 bis zur Festnahme eine aktive Agitation gegen die Kommunistische Partei und die sowjetische Regierung, verfaßte katholische Bücher, gründete Organisationen, verbreitet antisowjetische Dokumente, erzog die Jugend in religiös-nationalistischem Geiste und ist deswegen als besonders gefährlich zu betrachten und muß in einem besonderen Gefängnis gefangengehalten werden.

Strafprozeß Nr. 15678 Sachbeweismaterial.

Der Vorsteher der Unterabteilung der 1. Abteilung der Spezialabteilung des Ministeriums für Staatssicherheit der LSSR, Hauptmann Golicyn, hat fol­gendes beschlossen, der Vorsteher der 1. Abteilung der Spezialabteilung, Oberstleutnant Tschelnokow hat diesen Beschluß bestätigt:

1. Bei der Durchsuchung am 16. Juli 1948 haben die Oberoperativmitarbei­ter Major Kulitschewskij, Leutnant Balaschow, Leutnant Petrakin, Leutnant Suwurowa, unter Teilnahme des stellvertretenden Pfarrers P. Masilionis und des Sakristans J. Minalga, gefunden: eine Schreibmaschine „Royal",

3 kg Münzen, Weißmetall, eine leere Patronenhülse von einem russischen Gewehr, eine Liste der verschickten Familien der Stadt Šiauliai, 3 Exempl. nationalistische Blätter (9 Blatt), 8 Bücher, ein Tagebuch (7 Hefte, die Jahre 1903-1930, 577 Seiten, veröffentlicht 1940-1941) in dem antisowjetische Eintragungen zu finden sind und das verwendet werden sollte bei der Abfassung eines Buches über die Geschichte der Jesuiten in Litauen. Dieses ganze Sachbeweismaterial, ausgenommen die Auszüge aus dem Tagebuch, ist zu vernichten.

2. Auszüge aus dem Journal „Katalikybė ir Gyvenimas" („Katholizismus und das Leben") des Jahres 1938 und Auszüge aus der Broschüre „Jėzuitai, kas jie ir ko jie nori" („Jesuiten, was sie sind und was sie wollen") aus dem Jahr 1925 sind den Prozeßakten Nr. 15678 beizufügen.

Die antisowjetische Broschüre und ein Stenogramm der Rede, gehalten 1938 vor den Seminaristen, liegen der Akte Nr. 6421 bei. (Wem diese Akten gehören und warum das Büchlein des Paters B. Andriuška und das Steno­gramm seiner Rede in dieser Akte untergebracht sind, darüber gibt es in der Strafprozeßakte Nr. 15678 keinerlei Angaben.)

Auszüge von der Dolmetscherin der Spezialabteilung, Unterleutnant Liniowa, in die russische Sprache übersetzt.

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Schon seit dreihundert Jahren verbreitet sich in Litauen, besonders aber in Niederlitauen (Schemaiten), der Ruhm der Wundertäterin Barbora Umestauskaitė, die in dem bescheidenen Städtchen Žagarė im XVII. Jahr­hundert gelebt hat. Das gläubige Volk spricht sehr viel über Wundertaten, die durch Fürsprache der Barbora Umestauskaitė geschehen sind. Über vierhundert solcher Gebetserhörungen sind registriert. Es handelt sich dabei nicht um besiegelte Dokumente mit Unterschriften von Ärzten, son­dern um die von Herzen kommenden dankbaren und durch Unterschriften bestätigten Berichte jener Personen, die eine übernatürliche Hilfe erfahren haben. (Das Protokollbuch der alten Kirche von Žagarė mit vielen Wunder­berichten ist in den Jahren des Zweiten Weltkrieges verlorengegangen; die vom Volke anerkannten wundertätigen Heilungen werden von Mund zu Mund überliefert.)

2 km von Alt-Žagarė entfernt stand die feste Burg Rektuvė. Margis, Feld­herr des litauischen Großfürsten Kęstutis bei der Verteidigung der nörd­lichen Grenzen Litauens vor dem Livländischen Orden, beauftragte einen seiner Gefolgeleute, Kasčiuška, mit der Errichtung einer festen Verteidi­gungsburg. Margis selbst ließ sich in Pilėnai nieder. Die Burg Raktuvė war oft Zeuge blutiger Kämpfe zwischen Litauern und Livländern.

Der König Polens und Litauens, Vladislav Jogaila (Jagietto) schenkte die Burg Raktuvė dem Erbauer, und später erbte sie der Boyar Umestauskas. Als er Burgherr wurde, begann der Boyar Umestauskas, nicht weit von sei­ner Burg auf dem linken Ufer des Flusses Šventoji das Städtchen Žagarė zu bauen. Das Geschlecht der Umestauskas war seit alten Zeiten eine berühmte Adelsfamilie, deren Mitglieder bis Ende des XVI. Jahrhunderts verschiedene Ämter im Staate innehatten.

Im Jahre 1628 wurde in der Familie Umestauskas die einzige Tochter Bar­bora geboren. Über ihre Mutter, die früh starb und das Töchterchen einer Stiefmutter zurückließ, ist nichts bekannt. Es ist anzunehmen, daß sie ein aus einer örtlichen Adelsfamilie stammendes litauisches Mädchen war, denn Barbora selbst wird nach der Überlieferung als Einheimische betrachtet.

Die zweite Frau des Umestauskas war sehr grausam. Man kann sich vor­stellen, wie die junge Barbora unter einer despotischen Frau gelitten hat. Wahrscheinlich war die wirkliche Mutter Barboras sehr fromm und hat schon in der frühen Kindheit ihrer Tochter Triebe der Frömmigkeit einge­pflanzt. Nach Berichten der alten Einwohner von Žagarė, die ihnen von ihren Eltern und Ureltern überliefert worden sind, besuchte Barbora oft die Kirche, und nicht selten legte sie die Hälfte des Weges auf den Knien zurück, wo sie vor dem Tabernakel betend sich selbst vergaß und jeden Zeitsinn verlor. Ohne Zweifel reizte ein derartiger Lebensstil ihrer Stief­tochter den Hochmut der adligen Boyarín. Sie haßte sie und machte dem geduldigen und stillen Mädchen auf alle Art und Weise das Leben schwer. Da Barbora gutherzig war, liebte sie die Armen und Kranken, verteidigte nicht selten die benachteiligten Leibeigenen und unterstützte sie. Man ist der Meinung, daß man Wohltätigkeit auf dem Gut von Umestauskas nicht kannte, und deswegen war Barbora gezwungen, ihre Gutherzigkeit auch vor ihrem Vater zu verheimlichen, besonders aber vor der Stiefmutter.

Kaum herangewachsen, versuchte die junge Barbora den Lustbarkeiten des Gutes zu entfliehen. Auf der Suche nach Einsamkeit und nach der Nähe Gottes trat sie in das Benediktinerinnen-Kloster in Riga ein. Dieser Schritt verursachte einen großen Aufruhr auf dem Gut von Umestauskas. Barbora war doch das einzige Kind, Erbin der Reichtümer, und deswegen war ihr Vater eher bereit, sie mit einem mittelmäßigen Adeligen zu verheiraten, als seine Tochter im Gewand einer Klosterfrau zu sehen. Von dem Leben der Barbora Umestauskaitė im Kloster in Riga zeugt eine Urkunde, die in den Archiven des Klosters gefunden worden ist. Dieser Versuch, sich aus den Zwängen der Welt zu befreien, gelang Barbora leider nicht; bald mußte das junge Edelfräulein mit schmerzendem Herzen zu ihrer Familie zurückkeh­ren. Man vermutet, daß es zwei Ursachen dafür gegeben haben mag: eine schwache Gesundheit und den ständigen Widerstand des Vaters gegen diese Standeswahl.

Die Familie Umestauskas zeichnete sich in keiner Weise durch den Geist christlicher Tugenden aus. Es ist nicht klar, zu welcher Gruppe der Adels­leute sie gehörten, zu den katholischen oder zu den protestantischen.

Wir werden niemals klären können, welche Pläne und Ziele die junge Bar­bora gehabt hat, als sie wieder in die Welt zurückgekehrt ist. Es gibt keinen Zweifel, daß sie, da sie reich und, wie die Überlieferung sagt, sehr schön war, sehr viele Gelegenheiten gehabt hätte, eine ausgezeichnete Karriere in der Welt zu machen. Sie hat ohne Zweifel auch heimliche und nichtheim­liche Verehrer gehabt, die davon träumten, mit der berühmten Adelsfamilie in Familienbund zu treten. Wieviele Versuchungen und Schwierigkeiten sie ertragen mußte, bleibt ein Geheimnis.

Das Leben der B. Umestauskaitė war nicht lang. Ein helles, klares Auf­leuchten ... und alles erlosch. Im Jahre 1648, im Alter von 20 Jahren, sprang Barbora Umestauskaitė, um ihre Ehre vor der Absicht ihres unsitt­lichen Vaters zu schützen, aus dem 2. Stock und kam ums Leben. Mit den Augen der Welt gesehen, ist es eine unerwartete Tragödie, aus der Sicht des Glaubens: eine Heldentat, gekrönt mit der Ehrenkrone des Martyriums.

In alten Aufzeichnungen ist zu finden, daß der Körper Barboras in der Gruft des Gutes von Butleris, im Dorf Žvalgaičiai, eineinhalb Kilometer vom Städtchen Žagarė entfernt, beigesetzt wurde. Schon seit alten Zeiten nennen die Leute einen Kellerraum in der Ruine des Gutspalastes „Barbo­ras Gruft"; später wurde sie auf dem allgemeinen Friedhof beerdigt und lag etwa 100 Jahre unter der Erde. Als sich das Gerücht von ihren Tugenden und Wundertaten verbreitete, verlangte das Volk nach einer größeren Ver­ehrung der Überreste Barboras. Im XVIII. Jahrhundert wandten sich die Gläubigen an die kirchliche Obrigkeit mit der Bitte, den Sarg der Barbora Umestauskaitė (Im Völksmund Barbora von Žagarė genannt) in die Kirche zu überführen. Im Rahmen einer Feier wurde ihr Sarg in eine Gruft der alten Kirche von Žagarė überführt. Die Verehrung und die Schlangen der Wallfahrer vor dem Sarg der Barbora wurden noch größer, als sich die Nachricht verbreitete, daß der Körper Barboras, der 100 Jahre unter der Erde lag, unversehrt geblieben sei.

Wann die Verehrung der Barbora im Volke begann? Ihr frommes Leben und märtyrerartiger Tod wurden bald nach ihrem Tod sehr geschätzt, andernfalls wäre sie als Opfer eines unglücklichen Geschehens in Verges­senheit geraten und die Überlieferung von „Barboras Gruft" wäre im Volke nicht haften geblieben. Das Volk hat also schon von alters her Barbora Umestauskaitė verehrt, ohne sich erkundigt zu haben, ob die Kirche sie als heilig anerkannt hat. Ein Bild der Märtyrerin St. Barbara in der alten Kirche von Žagarė hat das Volk einige Zeit lang sogar als das Bild „seiner Barbora" verehrt. Die Leute verwunderte die Tatsache, daß der Körper Bar­boras unversehrt blieb. Die frommen Frauen der Ortschaft wechselten von Zeit zu Zeit ihre weißen Kleider, wenn diese ihre Frische verloren hatten.

So blieb der Körper der Barbora Umestauskaitė bis die Schweden in Litauen eingedrungen sind. Während des Schwedenkrieges brannte die Kirche von Žagarė nieder. Die Särge, die in der Gruft waren, wurden her­ausgezogen, auf dem Kirchhof zusammengeworfen und verbrannt. Darun­ter war auch der Sarg der Barbora. Als das Militär abgezogen war, fanden die Ortsbewohner bei Aufräumungsarbeiten nach dem Brand an der Brand­stelle und in der Asche der Ruine auch den Körper der Barbora; er war vom Feuer etwas angeschwärzt, aber nicht verbrannt. Mit großer Vereh­rung wurden die Überreste der Barbora Umestauskaitė von Žagarė wieder entsprechend geschmückt und in der Gruft der später wiederaufgebauten Kirche untergebracht. Die Überreste der Barbora Umestauskaitė waren nicht nur eine Reliquie, sondern auch eine archäologische und historische Seltenheit, und deswegen wurden sie von der kirchlichen Obrigkeit verehrt und von der damaligen Regierung toleriert.

Im Jahre 1876 begann eine Verfolgung der Verehrung von Barbora durch das zaristische Rußland. Der Vizegouverneur von Kaunas, Ryschkow, wandte sich mit einem speziellen Schreiben an den Verwalter der Diözese Niederlitauens (Schemaitens), Bischof Aleksandras Beresnevičius, er solle den Gläubigen verbieten, den Sarg der Barbora Umestauskaitė zu besuchen und Spenden zu hinterlassen, die später dem Pfarrer übergeben wurden. Der Vizegouverneur behauptete, daß eine Ausgrabung der Ver­storbenen aus der Erde und die Verbreitung von Nachrichten über ihre Unversehrtheit als Gesetzesübertretung ausgelegt werden könnte. Im Jahre 1889 wurde angeordnet, die Überreste der Barbora in der Erde zu bestatten. Von der Regierung unter Druck gesetzt, schickte der Bischof den Dekan von Šiauliai, Priester Tomkevičius, nach Žagarė. Die Tür zu der Krypta von der Kirche aus wurde zugemauert und das Fenster mit einem feinen Gitter zugemacht. Den Gerichtsvollzieher Baranski ließ das aber noch nicht in Ruhe. Er schrieb wieder Beschwerden an seine Regierung, daß die Krypta noch nicht vollkommen zugemauert sei, daß die Leute vor dem kleinen Fenster immer noch beten. Daraufhin befahl die Regierung dem Priester Tomkevičius, die Krypta vollkommen zuzumauern.

So blieb die Krypta vollkommen dunkel und ohne Lüftung. Die Überreste der Barbora blieben fünf Jahre lang in der Krypta eingemauert. Es entstand eine Feuchtigkeit auch in der Kirche selbst und es bestand Gefahr, daß der Hauptaltar einstürzen könnte. Schließlich kippte auch das Fenster der Krypta, möglicherweise auf Wunsch der Pfarrei und des Pfarrers, heraus, denn die Leute, die ihre Barbora zu sehen und vor ihrem Sarg zu beten gewohnt waren, konnten sich nicht beruhigen. Im Jahre 1889 wurde bemerkt, daß im Fußboden der Kirche unter den Hauptaltar und um ihn Risse entstehen; die Steine der Kryptagewölbe wurden ohne Lüftung feucht und zersetzten sich. Da auf dem Gewölbe der Hauptaltar stand, bestand Einsturzgefahr für das Kryptagewölbe und den Fußboden der Kirche. Um ein Unglück zu vermeiden, wandte sich der Pfarrer schriftlich an den Bischof mit der Bitte, eine Erlaubnis der Regierung zu besorgen, in den Wänden der Krypta Lüftungen einzurichten und das Gewölbe der Krypta zu verstärken. Die Regierung gewährte die Bitte, und so wurde die Krypta wieder geöffnet und den Gläubigen zugänglich gemacht. Der Sarg der Barbora wurde ungehindert von Wallfahrern besucht und ständig durch neue Wunder berühmt.

Im Jahre 1927 erschütterte ein schauderhaftes Geschehen in Žagarė ganz Litauen. In der Nacht zum 20. Februar schändeten unbekannte Täter, die durch das Fenster der Krypta der alten Kirche von Žagarė eingestiegen waren, die Reliquien der Barbora. Sie nahmen sie aus dem Sarg heraus, ris­sen sie in Einzelteile auseinander und verstreuten sie im Städtchen. Das Entsetzen und der Schmerz der Leute war unermeßlich...

Im Jahre 1963 wurde die alte Kirche von Žagare geschlossen und in ein Lager umfunktioniert. Die Regierung schickte sich an, auch die Verehrung der Barbora zu vernichten. In einer Nacht bemerkte eine Frau, die zufällig an der alten Kirche vorbeikam, um die Kirche herumspazierende Männer. Vor dem Fenster der Krypta leuchtete ein Licht. Sie faßte Mut, ging auf den wachhabenden Mann zu und begann ihn zu bitten, die Überreste der Barbora wenigstens auf dem Friedhof zu beerdigen, wenn die Gesetze schon verbieten, sie hier in der Krypta zu verehren. Der Wachhabende ant­wortete darauf: „Es ist schon zu spät..." Am Morgen befand sich der Sarg der Barbora Umestauskaitė nicht mehr in der Krypta. So verlor Nieder­litauen die sterblichen Überreste der Barbora Umestauskaitė. Über ihr Schicksal verbreiteten sich einige Zeit Gerüchte, es wurde erzählt, daß der Körper der Barbora zur Untersuchung abgegeben sei und ähnliches. -

Nach der Überzeugung des Volkes hat Barbora Umestauskaitė durch ihr Leben und ihren Tod bei der Verteidigung ihrer Keuschheit die den Hei­ligen zugesprochene Verehrung verdient, wenn sie auch in das Martyro-logium Roms niemals eingetragen wurde. Wegen der damaligen Unter­drückung durch den Zaren und die Verbreitung des Protestantismus hat die Verehrung der Heiligen in Litauen nicht geringe Behinderungen ertragen müssen. Barbora Umestauskaitė wurde nur von dem Volke mit dem Heili­genschein gekrönt. Ihr frommes Leben und ihr heldenhafter Tod waren ausreichende Motive, sie als eine Heilige zu verehren. Dies haben auch die Bischöfe Litauens niemals untersagt. Im Gegenteil, sie stimmten der Mei­nung des Volkes zu und verteidigten die sterblichen Überreste der Barbora gegen Willkür der Gouverneure des Zaren, wenn diese auch wegen der nationalen und religiösen Wirkung ihr Gedenken mit brutaler Gewalt aus dem Bewußtsein der Menschen herauszureißen versuchten. Mit guten Gründen glaubt man, daß die Verehrung der Barbora in jenen Zeiten dazu beigetragen hat, das Litauertum im Volke zu erhalten und die Verbreitung des Protestantismus zu verhindern.

Es ist die Zeit gekommen, die Leute an diese historische Persönlichkeit zu erinnern, die unser ruheloses und materialistisch gewordenes Zeitalter aus dem Gedächtnis der Menschen vollkommen herauszureißen versucht. Sogar schon in Zagare selbst nennt die jüngere Generation sie Barbora Radvilaite, indem sie ihren Namen mit dem Namen einer anderen histo­rischen Persönlichkeit verwechselt - der Frau des Königs Zygimantas Augustas (Sigismund-August).

Dokumente verschwinden, Erinnerungen verblassen, die Bewahrer der alten Überlieferungen sterben aus . . . Wir haben die sterblichen Überreste der Barbora Umestauskaite, die im Volke den Namen Barbora von Zagare trägt, nicht mehr, möge wenigstens ihr Gedenken vor der Vergessenheit gerettet werden.

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