Ich habe im Zeitraum von 1958 bis 1962 verschiedentlich Gelegenheit gehabt, mit Priester Alf. Svarinskas im Lager Nr. 7 für politische Gefangene in Mordwinien zusammenzusein, wo über 200 Litauer ihre Gefangenschaft verbrachten. Außer Priester A. Svarinskas waren noch mehrere Priester im Lager.
Durch seine unerschöpfliche Energie, seinen Fleiß und seinen natürlichen Optimismus unterschied sich Priester A. Svarinskas von den anderen. Eine Feier oder eine einfache Bewirtung in Verbindung mit öffentlichem Gebet vorzubereiten, war für ihn eine Freude. Aktivität prägte sein Leben. Zu philosophischen oder theologischen Diskussionen war er nicht geneigt, wenn aber jemand darauf bestanden hat, weigerte er sich auch nicht, zu diskutieren. Er war gerne mit Leuten zusammen und merkte sie sich schnell und vergaß ihre guten Eigenschaften lange nicht. Priester Alf. Svarinskas liebte die äußere Schönheit und die Ordnung; Unordnung im religiösen Leben tat ihm weh. Er war ständig besorgt um die geistigen Angelegenheiten des Volkes; besonders schmerzhaft erlebte er die Schmeicheleien einiger hoher Geistlicher der atheistischen Regierung gegenüber. Priester Alf. Svarinskas verehrte die Märtyrer-Bischöfe und war von ihnen begeistert. Die Nachricht über den Tod des Bischofs Ramanauskas ging ihm sehr zu Herzen. Er sagte, daß dies ein großer Verlust für das ganze litauische Volk sei. Priester A. Svarinskas zeigte in seinem Leben öffentlich seinen Glauben, er schämte sich deswegen nicht und verbarg ihn auch nicht vor den Gottlosen. Wenn man in einer Umgebung voll Gewalt und Zynismus leben muß, ist eine solche Haltung nicht immer die bequemste und psychologisch nicht die leichteste. Wenn man aber viele Freunde des eigenen Glaubens gewinnen will, ist diese ständige mutige Haltung unbedingt nötig. Die Leute, besonders die Jugend, suchen Halt bei mutigen, optimistischen und aktiven Persönlichkeiten. Durch diese Eigenschaften erinnert Priester A. Svarinskas irgendwie an Heerführer, die nicht durch Strenge die Menschen an sich binden, sondern durch ihre leuchtenden Ideale.
Die Zuneigung zu den Menschen und die Fähigkeit, mit ihnen umzugehen, waren Eigenschaften des Priesters A. Svarinskas, die der atheistischen Regierung sehr mißfielen, und so fand sie keinen anderen Ausweg, als den eifrigen Priester in die Sklavenlager Rußlands hinauszuschicken.
Wenn Priester A. Svarinskas auf Schwierigkeiten stieß, besonders bei der Erledigung kirchlicher Angelegenheiten, zeigte er größtes Vertrauen auf die Vorsehung Gottes. Um Schwierigkeiten zu überwinden oder äußerliche
Hindernisse zu beseitigen, sparte er weder Zeit noch Kräfte. Sehr schön charakterisiert ihn das folgende Erlebnis:
Es war in Viduklė. Eines Abends war der Pfarrer irgendwohin weit weggefahren. Am nächsten Morgen erschraken alle, als sie sahen, daß es Glatteis gegeben hatte und die Straße spiegelglatt war. Schon zu Fuß war es schwierig voranzukommen. Als die Hausbewohner lange auf die Rückkunft des Pfarrers warten mußten, stellten sie sich schon vor, daß ein Unglück passiert sei und der Pfarrer einen Autounfall gehabt hätte oder irgendetwas Ähnliches. Mit großer Unruhe beobachteten sie die Straße. Endlich rollte zur Freude aller das unbeschädigte Auto in den Hof. Die Überraschung war aber noch größer, als er nach einer kurzen Erholung sagte, daß er wieder sehr wichtige kirchliche Angelegenheiten zu erledigen habe und noch einmal wegfahren müsse. Die Hausbewohner sagten unter sich: »Der Tod zieht ihn sichtlich an! Schaut nur die Straße an!« Aus dem Hof hinauszufahren, war sehr schwer: eine vereiste Steigung! Aber der Pfarrer war hartnäckig. Er versuchte es vielleicht zehn Mal, bis das Auto, von anderen Leuten angeschoben, auf die Straße hinausrollte. Die kirchlichen Angelegenheiten waren ihm so wichtig, daß ihn Hindernisse nicht davon abhalten und die größten Gefahren nicht abschrecken konnten. Er lachte darüber: »Ich setze ein Engelchen auf die Stoßstange und fahre ruhig.«