An den Vorsitzenden des Präsidiums des Obersten Rates der Sowjetunion — Jurij Andropow

Abschriften: an die Bischöfe Litauens und die Verwalter der Diözesen Erklärung

der Priester der Diözese Kaišiadorys

Die bösen Angriffe gegen die Religion, die in der letzten Zeit in der Presse erschienen sind, machen uns Sorgen. In der Rede des ersten Sekretärs der KP Litauens, P. Griškevičius, wird gesagt: »Man muß die Verbindung der internationalen und patriotischen Erziehung mit dem Kampf für die Liqui­dierung der veralteten religiösen Anschauungen allseitig stärken (im zweiten Plenum der KPL in Vilnius, am 17. Juni 1981). Auch der Sekretär der KP, L. Šepetys, hat sich gegen die Religion und gegen die guten Priester schrift­lich drastisch geäußert, und der Bevollmächtigte des Rates für Religions­angelegenheiten, P. Anilionis, verlangt streng, daß das am 28. 7. 1976 vom Präsidium des Obersten Rates der LSSR bestätigte Statut der religiösen Ge­meinschaften eingehalten werden soll.

Die Geistlichkeit der Katholiken Litauens würde gerne normale Beziehungen zwischen der Regierung der LSSR und der Katholischen Kirche Litauens begrüßen. Wir Priester, wie auch unsere Gläubigen, weigern uns nicht, die berechtigten Forderungen der sowjetischen Regierung, die den Dogmen und der Moral der Römischen Katholischen Kirche nicht widersprechen, zu erfüllen. Wir sind gerne bereit, gemeinsam mit ihr gegen die moralischen Übel in unserem Volke zu kämpfen: gegen Alkoholismus, gegen die Zer­rüttung der Familien, gegen Rowdytum, gegen die Vernichtung des unge­borenen Lebens, besonders aber gegen die nach der Legalisierung durch die Regierung sehr verbreiteten Abtreibungen.

Wir müssen aber noch einmal unterstreichen, daß wir kein Recht haben, das Statut der religiösen Gemeinschaften einzuhalten, und wir dürfen es auch nicht, weil es mit unserem Gewissen unvereinbar ist. Einige Artikel dieses Statuts sind unvereinbar mit dem Evangelium Christi, mit den Be­schlüssen des II. Vatikanischen Konzils, wie auch mit der Verfassung der UdSSR, mit den Direktiven von Lenin vom 13. 1. 1918, mit den Anwei­sungen der Kommunistischen Partei vom 10. 11. 1954, mit der Allgemeinen Deklaration der Menschenrechte, mit den Beschlüssen der Schlußakte von Helsinki, bei deren Unterzeichnung die Sowjetunion sich verpflichtet hat, alle ihre Gesetze den Bestimmungen der Deklaration von Helsinki anzu­passen.

Deshalb erklären wir:

Wir haben kein Recht, die Verwaltung der Bistümer und der Pfarreien der Römischen Katholischen Kirche in die Hände der Zivilregierung oder der von einfachen Gläubigen gebildeten Komitees zu übergeben, weil die hierar­chische Ordnung in der Katholischen Kirche vom Herrn Jesus Christus selbst eingesetzt wurde (Mat. 16, 18-19). Die Kirche wird verwaltet vom Papst, von den Bischöfen und ihren Helfern, den Priestern. Dasselbe besagt »Lumen Genium« des II. Vatikanischen Konzils (Art. 10, 19, 20, 22) und Codex Iuris Canonici (Can. 218, 219, 329, 451). Die Verletzung der ge­nannten Cañones wird mit der Trennung von der Kirche bestraft (siehe Can. 2333 und 2334-2).

Wir, die Priester, sind verpflichtet, durch Predigten und Katechisierung das Evangelium zu verkünden (II. Vatikanisches Konzil »Christus Dominus«, Nr. 14; Can. 1329 und 1330). Die Erfüllung dieser Pflicht, besonders dort, wo der Staat von der Kirche getrennt ist, regelt nicht die Zivilregierung, sondern nur der Bischof (Can. 1337).

Wir sind verpflichtet, denen die Sakramente zu spenden, die uns darum bitten; besonders aber dürfen wir sie den Kranken und Sterbenden an kei­nem Ort verweigern, ungeachtet der Grenzen des von uns zu versorgenden Sprengeis (Can. 882).

Wir bitten und verlangen, die von der Zivilregierung festgelegte Einschrän­kung der Zahl der Alumnen des Priesterseminars zu Kaunas aufzuheben, weil gemäß der Cañones (Can. 1352 und 1357) die Bischöfe und die Admini­stratoren der Diözesen nach ihrer Entscheidung die Kandidaten in das Priesterseminar aufnehmen, die Lehrkräfte bestimmen und Ausbildung und Erziehung überwachen.

Wir verlangen, daß den Bischöfen und den Administratoren der Diözesen seitens der Regierung keine Hindernisse in den Weg gelegt werden, frei und nach ihrem Gutdünken die Geistlichen für verschiedene seelsorgerische Dienste, ohne Zustimmung des Bevollmächtigten des Rates für Religions­angelegenheiten in Litauen, zu ernennen (Can. 147-2, 152, 455-1).

Wir verlangen, daß die sowjetischen Regierungsbeamten uns, die Priester, nicht hindern sollen, unsere Gläubigen zu besuchen, wenn diese danach verlangen. Die Besuchspflicht legen uns die Cañones der Kirche auf (Can. 467-1). Jetzt ist der Besuch jedoch verboten. Die sowjetischen Beamten haben beispielsweise die Priester gehindert, ihre Gläubigen in Alytus, Kal­varija zu besuchen, und in Prienai wurde dem Priester Antanas Gražulis sogar eine Administrativstrafe auferlegt.

Wir verlangen, daß die Ordinarbischöfe die Pfarreien ihrer Diözese unge­hindert besuchen dürfen.

Die obengenannten Verpflichtungen legen uns, den katholischen Geist­lichen Litauens, die Cañones der Katholischen Kirche und die Beschlüsse der Versammlungen und Synoden auf. Die Vorschriften des Statuts der religiösen Gemeinschaften dagegen verbieten uns, diese unsere Pflichten zu erfüllen. Es ist gleichgültig, welche Sanktionen die sowjetische Regierung gegen uns ergreifen möchte, wir müssen nach der Anweisung der Hl. Schrift handeln: »Gott muß man mehr gehorchen als den Menschen« (Apg. 5, 29).

Die normalen Beziehungen der Katholischen Kirche mit der sowjetischen Regierung Litauens werden ständig getrübt durch eine grobe, die Gläubigen verletzende, antireligiöse Propaganda, durch die Taktlosigkeiten der sowje­tischen Beamten, die Diskriminierung der Gläubigen an ihrem Arbeitsplatz, die Verfolgung der Beamten, der Lehrer und der Schüler wegen der Er­füllung der religiösen Pflichten; ebenso durch die Vernichtung der Kreuze, die Schändung des Allerheiligsten Sakramentes, die Schließung und Berau­bung der Kirchen und der Priester. Die Gläubigen und die Geistlichen waren sehr gekränkt, weil einige Male der Berg der Kreuze (im Rayon Šiauliai, Dorf Jurgaičiai) vernichtet und der Alkakalnis oder Panų kalnas (Berg der Mädchen) (im Rayon Telšiai, Dorf Pasruojė) verwüstet wurde. Die Archi-kathedrale von Vilnius ist in eine Bildergalerie umgewandelt, die St.-Kasi-mir-Kirche in Vilnius ist ein atheistisches Museum; die Kirche der Königin des Friedens in Klaipėda ist ein Philharmoniesaal, obwohl die Gläubigen von Klaipėda nichts haben, wo sie beten können.

Anläßlich der kommenden großen Jubiläen: des 500. Jahrestages des Todes des hl. Kasimir im Jahre 1984 und der 600-Jahr-Feier der Einführung des Christentums in Litauen im Jahre 1987 — erwarten die Priester und die Gläubigen Litauens von der Partei und von der Regierung folgende Gesten des guten Willens:

1.     Die geschlossenen und konfiszierten Kirchen sind den Katholiken zu­rückzugeben, besonders aber die Kathedrale zu Vilnius, die St.-Kasimir-Kirche zu Vilnius und die Kirche der Königin des Friedens zu Klaipėda.

2.     Die Vernichtung der historisch-religiösen Werte ist zu verbieten; ebenso die Vernichtung der Stätten, die von den Gläubigen verehrt und heilig ge­halten werden.

3.     Das am 28. Juli 1976 angenommene Statut der religiösen Gemeinschaften soll so umgeändert werden, daß es mit dem Recht der Katholischen Kirche vereinbar wird und auf diese Weise den Priestern und den Gläubigen die Bedingungen schafft, die Verordnungen einhalten zu können.

4.     Der schon seit über 20 Jahren ohne Gerichtsbeschluß nach Žagarė ver­bannte Bischof der Erzdiözese Vilnius, Julijonas Steponavičius, soll in sein Amt wieder eingeführt werden.

5.     Die mit Gewalt und List den Pfarrkomitees aufgezwungenen Verträge mit der Regierung sind zu überprüfen.

6.     Die Rayon- und Ortsbeamten sind zu ermahnen, die Diskriminierung der Priester und der Gläubigen einzustellen, weil die Gläubigen den grö­ßeren Teil der Einwohner Litauens ausmachen und sich durch ihre gewis­senhafte Arbeit auszeichnen; sie dürfen nicht durch taktloses Betragen der Beamten veranlaßt werden, die sowjetische Regierung negativ zu betrachten.

7.     In den neugegründeten Städten, wie auch in den Mikrorayons der wach­senden Städte, muß es erlaubt werden, Kirchen zu errichten.

8.     Es soll erlaubt werden, in den zur Aufbahrung der Verstorbenen be­stimmten Räumen religiöse Handlungen vorzunehmen.

Eine Antwort auf unser Schreiben erwarten wir an die Adresse eines der hier unterzeichneten Priester der Diözese Kaišiadorys.

Im Februar 1983.        Die Priester der Diözese Kaišiadorys

 

L. Puzonas          S. Kiškis

Z. Navickas        A. Šatas

H. Misiūnas        B. Bulika

K. Žilys              Z. Gustaitis

S. Linda             K. Pivariūnas

P. Bingelis          A. Ažubalis

R. Šalčiūnas        Z. Stančiauskas

V. Sidaras         Z. Červokas

J. Katulis             J. Stasiūnas

Č. Kavaliauskas        J. Pilka

J. Milašius          N. Švogždys

J. Zubrus            P. Krikščiukaitis

J. Tomkus           J. Kazlauskas

P. Žiugžda           P. Venckus

E. Kraujalis         J. Voveris

P. Guobys           J. Anusevičius

K. Trimonis        V. Avižienis

B. Klimas           R. Puzonas

 

Etwa 30 Unterschriften sind unleserlich.

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